Inari lächelte warm, als all die Kinder auftauchten.
Ein paar wenige kannte sie noch aus ihrer Zeit hier, die meisten von damals waren schon fortgezogen.
Trotzdem freute sie sich über jedes einzelne Gesicht, das sie erblickte, auch diejenigen, die während der vergangenen sieben Jahre hinzugekommen waren.
Und als Ursula erschien, schente sie dieser neben dem Lächeln auch eine herzliche Umarmung.

Inari bekam beinahe Mitleid, als Ursula sie losließ und auf Vanti zuhielt, hinter das Bücherregal blickte.
Zögerlich folgte sie der älteren Frau und hörte sie in halb wütendem, halb besorgten Tonfall fragen:
"Wo bist du gewesen?
Das halbe Viertel wurde nach dir abgesucht!"

Ursula seufzte.
"So viel dachte ich mir schon."
Sie schüttelte den Kopf.
"Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass es gefährlich ist, mit Fremden mit zu gehen?
Oder dass du Bescheid sagen sollst, wenn du unterwegs bist?
Du hast Glück, dass dir immer wieder heil zurückkommst!"

Ursula nickte sacht.
"Warum besucht er dich dann nicht einfach einmal hier", fragte sie sanft.

"Wir werden später darüber sprechen, ja?", erwiderte Ursula, doch das Misstrauen in ihren Augen war kaum zu übersehen.

Inari hatte einen großen Beutel hervorgeholt und begann nun, Konfekt an die Kinder zu verteilen.
Sie hatte ihr weniges Geld sorgsam gespart, um es kaufen zu können und den anderen Waisen eine Freude zu machen.
Die lächelnden Gesichter waren an Belohnung mehr als genug.

Es war später geworden, als Inari erwartet hätte und eigentlich war sie schon im Begriff, zu gehen.
Doch als der Fremde den Raum betrat hielt sie inne.
Etwas an ihm gefiel ihr überhaupt nicht, doch sie konnte nicht genau festmachen, was es war.
Wenn Inari ihn anschaute, stellten sich ihre Nackenhaare auf und ihre Haut kribbelte leicht, wie es manchmal vor einem Gewitter geschah.
Die anderen Kinder schienen ebenfalls nervös zu sein, denn ihre Haltungen waren angespannt, ihre Blicke wachsam.
Es war auch ungewöhnlich, dass jemand um diese Uhrzeit und unangekündigt herkam.
Einzig Ursula wirkte völlig furchtlos, wenngleich sichtlich verärgert.
"Wer seid Ihr?", fragte sie, während sie auf ihn zutrat. "Die Besuchszeiten sind vorbei und ich erinnere mich nicht, Euch eingeladen zu haben!"
Sie musterte ihn von oben bis unten.
"Wie seid Ihr überhaupt reingekommen!?"

"Und was genau hast du mit Vanti vor?", fragte Ursula scharf.
Inari konnte genau sehen, dass sie sich nicht im Mindesten von dem Umgang der Beiden beeindrucken ließ.
Sie selbst war zwiegespalten.
Sie konnte sehen, dass Vanti sich freute und auch der Fremde schien nichts vorzuspielen.
Allerdings verschwand das unangenehme Gefühl nicht, das er in ihr auslöste.

"Vantis Heim ist hier."
Die Augen der Frau waren kalt.
"Wenn Euch in irgendeiner Weise etwas an ihm liegt, dann kommt während der Besuchszeit her und unterschreibt die Adoptionspapiere!"

Inari -> Gassen