02: Zwei Wirre im Krankenbett
02: Zwei Wirre im Krankenbett
in Herbst 515 09.02.2015 13:43von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
Erst war es nicht mehr als ein leises Summen in ihrem Ohr, ein Laut, den sie nicht zu deuten vermochte.
Ein Wispern vielleicht, ein Tuscheln, leise Stimmen, die sich zu einem Strom vereinten und als ein einziger Ton in ihr Gehör drangen.
Weit entfernt, wie aus einer anderen Welt.
Hypnotisch, einschläfernd.
Nicht unangenehm.
Doch das blieb es nicht.
Es wurde lauter und lauter, auch deutlicher.
Sie konnte nun Stimmen erkennen, manche leise murmelnd oder zischend, manche laut rufend oder knurrend.
Keine einzige schien gelassen zu sein.
Auch Schritte konnte sie hören.
Unruhige, geschäftige, die sich mal näherten, mal wieder entfernten.
Irgendwann wurden die Geräusche unerträglich, schienen mit roher, geballter Kraft in ihren Schädel einzudringen und dort einen dumpfen Schmerz auszulösen.
Leira schlug die Augen auf und sah weit über sich etwas, das eine steinerne Decke sein mochte.
Doch erkennen konnte sie es nicht, denn ihre Sicht war verschwommen und auch als sie blinzelte, änderte sich dies nicht.
Mühsam setzte sie sich auf und biss die Zähne zusammen, denn in ihrer Seite breitete sich ein stechender Schmerz aus, unter dem sie beinahe wieder zusammenbrach.
Zitternd saß sie da, den Kopf gesenkt, auf die grobe Decke starrend, in die man sie wohl eingehüllt hatte, während ihr Blick langsam wieder etwas klarer wurde.
Langsam ließ sie ihn schließlich zur Seite gleiten und entdeckte, aufgebahrt auf einer dünnen Matratze, nicht unweit von ihrer, und zugedeckt mit einer Decke, nicht unähnlich ihrer eigenen, eine vertraute Gestalt.
Alte Narben auf bleicher Haut, silbriges Haar, das wirr und lang ein Gesicht umrahmte, welches bewegungslos und wie im Schlaf war.
Nur der Versuch, sich aufzurichten und dorthin zu eilen, erfüllte Leira mit schrecklichem Schwindel, trieb Schmerzen in Schädel und Seite an, ließ sie sich schwach und elend fühlen.
Also kroch sie, langsam und stockend, aber unnachgiebig auf Marduk zu.
Ihr Mund fühlte sich unheimlich trocken an, als sie sich schließlich über den Mann beugte, ihre Hand zitterte, als sie mit dieser seine Wange berührte.
Sie spürte Wärme, und als sie die Lippen zart an seine setzte, meinte sie auch, einen leichten Atemzug zu fühlen.
Matt lächelnd ließ Leira sich neben ihm nieder und legte den Kopf auf seine Brust.
Ein Herzschlag, langsam aber gleichmäßig.
Sie schloss die Augen und bereitete sich darauf vor, lange so zu verbleiben.
In Wogen von flüssiger, schäumender Schwärze zu treiben, dahin zu gleiten, sich von ihr tragen zu lassen, beruhigte, dämpfte und betäubte seine Nerven, seine Gedanken. Ein einziger, dumpfer Mahlstrom an Existenz.
Aufgelöst bis zur letzten einzelnen Faser seines Seins, wie in Säure getaucht.
Marduk spürte nicht, fühlte kaum. Er rumorte, versuchte zu schreien und brachte doch nur ein raues Husten hervor. Seine Augen huschten hinter geschlossenen Lidern, nervös, unruhig hin und her, versuchten zu sammeln, zu sortieren. Die Fetzen an Erinnerung aus klebrig schwarzer Ohnmacht, in der Konsistenz an heißen Teer erinnernd, zu befreien.
Er spürte tonnenschweren Schutt, Wind, brüllend und tobend, zornig und scharf wie ein Messer auf der Haut.
Rissiger, brauner Schmerz folgte auf den Geschmack von Salz und Kupfer in seiner Kehle, er spürte nur Sand, rau und kratzend auf seiner Zunge, in seiner Kehle.
Wasser... Er brauchte Wasser und...
Ruckartig schnappte Marduk nach Luft, starrte blind an die Decke, fühlte... Nichts.
Es war das Geräusch seines Atems, welches Leira aufhorchen, ihr Herz hüpfen ließ.
Langsam hob sie den Kopf, streckte vorsichtig die kleinen Hände aus, um sie um Marduks Gesicht zu legen.
Rau und deutlich traten die Narben auf seiner Haut gegen ihre hervor, als sie sanft mit den Daumen darüber strich, ihre schmalen Zeigefinger seine Wangenknochen, die restlichen Finger seine Wange umschmeichelten.
Leira blickte in seine Augen, das weißliche, das blinde und das giftgrüne, das gesunde, lächelte dabei sacht.
"Wach, Hündchen?", fragte sie, ohne sich auch nur ein Stück weit zu bewegen.
Wirr wanderte sein Blick, schüttelte den Kopf um die lästigen, klebrigen Hände loszuwerden. Er verzog die Lippen, doch der braune, rissige Schmerz, der Sand in seiner Kehle schien nur noch mehr zu werden, mit jedem hektischen Atemzug.
Marduk versuchte sich aufzurichten, aufzusetzen. Doch raue Bandagen und eine stumpfe Taubheit in seinen Beinen hemmten ihn. Beinahe panisch schlug das Herz, heftig, schnell, pochte gegen die knöchernen Gitter seines Fleischlichen Gefängnisses.
"Schsch", machte Leira leise.
"Reg dich nicht zu sehr auf, Hündchen ... du wärest beinahe gestorben."
Sie reckte mühsam den Kopf, ihre Zunge berührte Marduks Wange, strich flüchtig darüber.
Ihre rechte Hand wanderte kurz herab, ließ sie sanft über seinen bandagierten Brustkorb kreisen.
"Und ich will, dass du schnell wieder gesund wirst."
Leira kicherte leise und schwach, verstummte rasch wieder, denn der Druck in ihrem Kopf nahm zu, ihr war, als würde etwas von Innen an ihre Schädeldecke hämmern.
Also entspannte sie sich wieder, barg das Gesicht an Marduks Hals und biss zärtlich und vorsichtig in das weiche, verletzliche Fleisch, verschaffte sich Trost durch seinen Geruch, seine Wärme, den leichten Geschmack von Salz auf ihrer Zunge.
Für einen kurzen Moment wollte Marduk schreien und um sich schlagen, mit aller Kraft, die in seinem sehnigen Körper steckte.
Doch er konnte sich nicht bewegen. Also musste er liegen bleiben, heftig zitternd, orientierungslos. Er fletschte die Zähne als Nadelstichen gleich, der Schmerz einsetzte. In seinen Rücken und Brust, klebrig spürte er altes Blut, geronnen aus Fleischwunden, ein klebrig schwarzer Kokon aus Blut.
Marduk erbebte und zischte, seine Beine. Sie gehorchten nicht.
Leira wäre länger liegen geblieben, hätte länger versucht, Marduk zu beruhigen, doch man hielt sie davon ab.
Die Verletzungen mussten sie stärker geschwächt haben, als sie geglaubt hatte, denn im ersten Moment, als sie spürte, wie zwei Hände nach ihr griffen und sie mit sanfter Gewalt von Marduk fortzogen, dachten ihre Muskeln nicht einmal daran, ihr zur Hilfe zu eilen. Und selbst als sie dann perplex begann, sich zu wehren, gelang es ihr nicht, die Person abzuschütteln.
Ein leises Zischen entwich Leiras Lippen, als man sie an ein zweites Händepaar weiterreichte und sie nur noch zuschauen konnte, wie die Frau, welche sie gerade von ihrem Liebsten fortgezerrt hatte, ihr den Rücken kehrte und sich über den Verletzten beugte.
Über ihren Marduk!
Fauchend wand Leira sich im Griff des Jungen, der sie in Richtung ihrer eigenen Matte zerrte, schaffte es aber nicht, ihm mehr als einen Biss in die Hand entgegenzusetzen, unter dem er kaum zusammenzuckte.
Wären ihre Glieder nicht so zittrig und unkontrolliert gewesen, hätte sie sich ihm wie ein Aal entwunden, hätte sie ihre Messer gehabt, hätte sie ihm die feinen, blauen Adern durchschnitten, hätte der bloße Gedanke daran ihr nicht erbärmliche Kopfschmerzen bereitet, hätte sie seinen Körper in Flammen gesteckt.
Aber das alles konnte sie nicht und so war sie hilflos, konnte sich nicht dagegen wehren, abgesetzt und weiter festgehalten zu werden.
Auch nicht dagegen, dass man ihr eine bitter schmeckende Flüssigkeit einflößte, die sie unter Gurgeln und Husten herunterwürgte.
Und die ganze Zeit versuchte sie panisch, einen Blick auf Marduk zu erhaschen.
Doch alles, was sie sehen konnte, war ein schlanker Rücken, über den ein dunkelblonder Zopf hing.
Amber musste ein unwilliges Seufzen unterdrücken, als sie sich neben dem Verletzten hinkniete.
Ihre Arbeit war schwer genug mit all den Verletzten, die man in dieser alten, gewaltigen Lagerhalle zusammen gepfercht hatte wie Tiere, denen man karge Mahlzeiten und lumpige, abgetragene Kleider zugestanden hatte wie eine hochmütige Seele es mit Bettlern getan hätte, in dem Glauben, eine unermesslich gute Tat vollbracht zu haben.
Und am Ende war es an den wenigen Heilern, die sich nicht zu schade waren, sich für wenig Geld oder gar völlig unbezahlt die Hände schmutzig zu machen und sich derer anzunehmen, die nicht die Mittel hatten, sich erkenntlich zu zeigen, für deren Leben zu kämpfen.
Jeder Einzelne, der wieder gesund wurde, war Amber Erfolg und Erleichterung, doch auf keinem von beiden konnte sie sich ausruhen.
Man konnte nie jeden retten.
Das wurde ihr in dieser Lage nur umso deutlicher bewusst, lagen doch jetzt schon viele im Sterben oder waren bereits dahingeschieden und nahm der Strom derer, die man herbrachte, nur geringfügig schmaler.
Amber kannte dies bereits.
Die alten, die Schwachen, die ohnehin bereits Kranken würde es zuerst dahinraffen.
Doch bei ihnen würde es nicht bleiben.
Sie hatte bereits eine Mutter von ihrem Säugling fortgezogen, sie hatte sie dazu zwingen müssen, den kleinen, noch warmen Leib, zerquetscht von den Balken eines einstürzenden Hauses, loszulassen, damit ihre eigenen Wunden sie nicht übermannten.
Und es würde nicht die einzige bleiben.
"Wie fühlst du dich?", fragte Amber den Verletzten, der vor ihr aufgebahrt war.
Marduk fletschte die Zähne und griff abrupt hoch, versuchte den dürren Hals der Fremden mit beiden Händen zu fassen und zu zudrücken. Aber abgesehen davon dass er viel zu schwach war, der Durst seine Stimme zu einem schlichten Krächzen reduzierte und seine Sicht so verschwommen war, dass nicht mehr als Schemen existierten...
"Wo...", war das erste, das allererste Wort, das Marduk hervor würgen konnte. "Meine Beine."
"Ja, deine Beine", erwiderte Amber ruhig, während sie eine Schale mit sauberem Wasser füllte und sie dem Mann an die Lippen hielt. "Du kannst sie nicht bewegen, nicht wahr?"
Ihre Stimme war ruhig und nüchtern.
Die erste Lektion, die jeder Heiler lernen sollte, war die, Patienten gegenüber die eigenen Gefühle zurückzuhalten.
"Aber du hattest Glück.
Möglicherweise wirst du wieder laufen können."
"Möglicherweise ", zischte Marduk während er sich aufsetzte, der Frau die Schale mit Wasser aus der Hand riss und trank gierig. Mehr als ein Tropfen ging daneben, doch kümmerte es ihn nicht. "Wo ist sie?“
Ambers Augen ruhten blau und kühl auf dem Verletzten.
Wachsam, suchend nach Anzeichen von Krankheit oder bisher unerkannten Wunden.
"Sie?", fragte die Heilerin mit erhobener Braue. "Meinst du das Mädchen?"
Sie machte eine leichte Kopfbewegung in Richtung der Kleinen, die gerade von dem jungen Lehrling aus der Akademie behandelt wurde, deren Blick aber anscheinend nahezu magnetisch von dem grauhaarigen Verletzten angezogen wurde.
"Du wurdest bei ihr gefunden, in einem halbverschütteten Gebäude.
Anscheinend brach sie über dir zusammen.
Kennst du sie?"
"Sie gehört mir ", knurrte Marduk leise, Wahn spürte als giftiges Feuer in seinen Augen, trieb blutige Tränen aus dem blinden. Trotz seines Körpers, so nutzlos wie ein Sack Mehl, hatte er sich aufgesetzt, hielt die Heilerin mit vom Wahn gestärkten Händen fest. "Mir ganz allein."
Ambers Augen wurden schmal und sie drückte die Hände des Mannes von sich.
"Du solltest dich nicht so ereifern", erwiderte sie frostig. "Du wirst kaum dazu in der Lage sein, je wieder irgendetwas zu tun, wenn du die einzige Heilerin, die dir helfen kann, bei ihrer Arbeit störst."
Sie erhob sich und drehte sich einem nahestehenden Helfer zu.
"Bring diesem Mann etwas zu Essen.
Er war lange bewusstlos."
Ein verächtliches Zischen entwich Marduk, er riss dem Helfer grob das Essen aus der Hand, doch sein Blick haftete vor allem auf Leira, ließ sie nicht einen Moment los.
Als man Leira endlich in Frieden ließ, und sie mit frischen Verbänden um Kopf und Taille, Essen und Wasser zurückließ, zögerte sie nicht, sich aufzurappeln und mühsam ihre Matratze vor sich her zu schieben, bis diese direkt an Marduks lag.
"Vermisst du mich, wenn ich nicht neben dir liege, Hündchen?", fragte sie grinsend.
Ruppig packte Marduk ihre Kehle, sein Daumen drücke erst und strich dann liebkosend über die harte Linie ihres Kiefers. Er legte den Kopf schief und musterte ihr Gesicht.
Leira seufzte wohlig unter dieser Behandlung.
Sie schlang die Arme um Marduk, ließ die Hände in seinem Nacken ruhen, ihre Nägel sich leicht in seine Haut bohren.
Seinen Blick erwiderte sie mit dem Anflug eines Lächelns.
Dass er lebte, dass er sie anschaute, sie berührte, war ihr in diesem Moment so viel Glück, dass Leira kaum wusste, wie ihr geschah.
Marduks Blick blieb eisig, selbst als sein Griff sich lockerte, er duldete, dass sie ihn berührte. Unruhig bewegte sich sein Oberkörper, er stützte sich auf die Ellenbogen und Unterarme. Die Bandagen um seinen Rücken scheuerten, er konnte nicht mehr liegen, sein Fleisch war rot und geschwollen, lag bloß.
Leira schloss die Augen und barg ihren Kopf vorsichtig an Marduks Hals, schmiegte sich enger an seinen Leib.
"Sei das nächste Mal vorsichtiger.
Das alles hier ist sehr hinderlich ..."
Knurrend drückte Marduk seine Hand gegen ihren Rücken, kratzte über ihre Haut. Weich und warm, hell, seidig. Immer wieder fuhr er durch die seidigen Locken ihres Haares. Wachsam blickten seine Augen, Besitzgier deutlich in ihnen schimmernd.
"Wenn dich jemand anfasst, erwürge ich dich."
Leira kicherte leise.
"Oh, wirst du das?
Und dann?"
Sie fürchtete sich nicht.
Niemand würde sie anfassen und leben, um davon zu erzählen.
Und selbst Marduk würde nie in der Lage sein, sie zu erwürgen.
Nein, sie hatte ihr Hündchen besser an der Leine, als es das vielleicht glaubte.
"Vielleicht sollte ich dir deine Zunge raus schneiden ", Marduk umfasste ihr hübsches Gesicht mit beiden Händen, drehte es leicht. Träge musterte er ihre glatte Haut, den Glanz ihrer Augen. "Vielleicht mache ich das später wirklich.“
"Hast du solche Angst vor meiner Zunge?", gluckste Leira leise.
"Oder bist du ein so dummes Hündchen, dass du nicht glauben kannst, dass sie von Nutzen ist?"
Sanft verflocht sie ihre Finger in Marduks Haar, kratzte dann leicht über seinen Nacken.
"Was kriege ich von dir, wenn du meine Zunge nimmst?"
"Schmerzen", flüsterte Marduk leise, küsste kichernd ihren Mund und biss in ihre Lippe, stark genug um ihr rotes Blut wie salziges Ambrosia auf der Zunge zu kosten.
Ein wohliger Schwindel tat sich in Leiras Magengrube auf und sie erwiderte den Kuss gierig.
Spielte sanft mit Marduks Zunge, bevor sie in deren Spitze biss und den Kopf wieder etwas zurückzog.
"Das ist mir nicht genug", wisperte sie.
Marduk knurrte dunkel und hielt fest in ihr üppiges Haar. Ruckartig biss er wieder in ihre Lippe und forderte ungeschickt einen weiteren Kuss.
"Das ist mir egal. ", flüsterte er süßlich giftig. “Du gehörst mir.“
Voller Genuss spaltete Leira ihren Mund, ließ es geschehen.
"Ja", raunte sie zwischen zwei Küssen. "Und deswegen wirst du mir mehr geben als nur das."
Marduk lachte düster, der Kuss war nur Zähne, Zunge und Blut, nicht zärtlich, nicht liebevoll. Primitiv anmutend und nur um Dominanz heischend.
Leiras Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und von einem Moment auf den nächsten hatte sie Marduk herab auf die Matte gedrückt. Stirnrunzelnd, misstrauisch ob der Leichtigkeit, mit der es geschehen war, musterte sie ihren Liebhaber, strich über die Verbände um seinen Brustkorb, während sie sich auf seinem Schoß niederließ.
"Kannst du dich noch bewegen?"
"Nein ", flüsterte Marduk sehr leise und blickte für einen Moment nüchtern, beinahe klar zu Leira auf, ehe der Wahnsinn wieder in sein gesundes Auge trat. Er fletschte die Zähne.
Leiras Augen glitzerten.
"Vielleicht wirst du so ja Gehorsam lernen, Hündchen" wisperte sie unbeschwert, beinahe schon fröhlich, ehe sie sich wieder herabbeugte und in Marduks freiliegende Kehle zu beißen. Zu leicht, um Schaden anzurichten, zu fest, als dass er nichts gespürt hätte.
Unruhig fuhren ihre Finger dabei durch sein silbriges Haar.
Knurrend zog er ruppig an ihrem Haar, so fest, bis er einige Haare zwischen seinen Fingern nachgeben spürte. Marduk sah ihre glänzenden, weißen Zähne und stellte sich vor, wie sie mit nassem Rot befleckt wären, schimmerten.
"Mach es richtig oder lass es! "
"Sag bitte", erwiderte Leira mit einem koketten Lächeln und drückte mit einem Daumen auf Marduks Kehlkopf, kratzte mit dem Nagel über dessen Haut.
Sie wollte sein Blut schmecken, es über ihre Zunge fließen lassen und ganz in sich aufnehmen.
Doch noch mehr wollte sie seine Stimme hören, wie diese sie dazu verleitete.
"Nicht im Leben. Und nicht im Tod. ", erwiderte Marduk heiser, zog an ihrem Haar. "Mach es richtig, sonst rupfe ich dir die Federn aus, Engelchen. "
"Du solltest mich nicht herausfordern", gab Leira in nicht minder heiserer Stimme zurück und nutzte die kurze Pause zwischen ihren Sätzen, um schnell und fest in Marduks Unterlippe zu beißen. "Ich könnte in Vesuchung geraten, es auszuprobieren, mein lahmes Hündchen."
Doch dazu sollte es - zumindest in diesem Augenblick - nicht kommen.
Denn in just diesem Moment wurde Leira erneut von hinten gepackt und von Marduk gezerrt.
"Die Verbände müssen gewechselt werden", meinte die dunkelblonde Heilerin spitz und nickte einem ihrer männlichen Helfer - ein kräftigerer als beim letzten Mal - zu, der Leira gleich darauf in einiger Entfernung absetzte, doch weiter festhielt.
Marduk blinzelte verdutzt und lachte dann dunkel auf. Dann grinste er die Heilerin mit einem Grinsen an, das deutlich vom Wahnsinn sprach, der tief in ihm schlummerte. Ständig an der Oberfläche kratzte.
"Oooh ~ was für eine Ehre."
"Nicht wirklich", schnaubte Amber. "Wer nach Ehre sucht, sollte besseres Rückgrat beweisen."
Sie ließ sich von diesem Blick, dem Grinsen, welches manche oder gar viele als furchteinflößend empfunden hätten, breit und narbig wie es war, nicht einschüchtern.
Genauso wenig aber unterschätzte sie den Geist, welcher darunter lag.
Eine arme, verwirrte Seele womöglich, vielleicht durch üble Launen des Lebens, vielleicht durch einen Unfall mit Schwarzer Magie verkrümmt worden, nun mehr ein kümmerlicher, verzerrter Schatten, denn eine menschliche Substanz.
Aber nicht ungefährlicher dadurch.
Amber warf einem ihrer starken, jungen Helfer einen kurzen, entschlossenen Blick zu.
Er würde den Verletzten bändigen und festhalten, sollte er Anstalten machen, sich ihrer Behandlung zu widersetzen oder gar Hand an sie anzulegen. Sie war keine furchtsame Person, doch Risiken waren kaum angebracht, wenn man zu den Wenigen zählte, von denen Gesundheit und Leben Vieler abhingen.
"Hast...du...Angst~", hauchte Marduk leise, stieß ein schrilles Lachen aus. Er blickte zu der Frau auf, sein Auge - das Gesunde - schimmerte fiebrig und glasig, während das blinde sich bereits rötete, verriet unter welchem Stress er eigentlich stand. Noch während das Echo seines Lachens verklang, wurde Marduk wieder ernst, sein Blick huschte beinahe paranoid zwischen den Gestalten hin und her.
"Hätte ich einen Grund dazu?", fragte Amber gleichmütig und kniete sich neben der Schlafstätte hin, berührte die Verbände des Mannes jedoch nicht, sondern nahm sich die Zeit, seine Körperhaltung gründlich zu studieren.
Sie merkte, wie sich die violetten Augen des Mädchens dabei giftige Pfeile in ihren Rücken bohrten, ihr Pest und Cholera an den Hals wünschten. Eine Ironie, wären es doch bei jedem Ausbruch einer Krankheit die Verwundeten, welche genauso oder gar mehr noch gefährdet wären als die Heiler, und war Amber doch die Einzige Anwesende, welche im Stande war, den Rücken dieses Verletzten wieder zu richten.
Aber das Mädchen war offenkundig jung und eifersüchtig und wies zudem einen fatalen Geschmack auf - Eigenschaften, die sich niemals gut mischten.
"Oder sprichst du aus eigenem Fühlen?"
Statt einer Antwort bekam die Heilerin nur ein schnarrendes Knurren, das ihr abfällig und ein wenig nervös vor die Füße gespuckt wurde. Marduks Hände verkrampften sich leicht. Seine Nägel kratzten über die raue Decke, starr von Blut, dreckig von anderen...Körperflüssigkeiten. Seine gesunde Pupille war nur noch ein angespitzter Stecknadelkopf in einem Meer aus glasigem, giftigem Grün, während das blinde Grau immer mehr von dominantem Rot durchzogen wurde.
Irgendwie gelang es Leira schließlich doch, sich loszureißen und an der Hexe vorbei zu zwängen, die sich ihrem Liebsten derart unverschämt aufdrängte und ihrem Helfer gerade befohlen hatte, einen zwielichtig klingenden Trank herbeizuholen.
"Ich bin hier", hauchte sie, während sie hinter Marduk zu Boden ging und von da aus die Arme um ihn schlang. "Dir passiert nichts, ich passe doch auf mein Hündchen auf ..."
Marduk krallte seine Nägel in das weiche Fleisch ihres Arms, sie drückte ihm unbewusst die Luft ab, er ließ sie Bluten. Langsam atmete er, gezwungen langsam. Geräusche, Wörter alles verschwamm zu einem undefinierbaren Brei an Murren, Brüllen und Wispern. Worte ohne Bedeutung, Klang ohne Sinn.
Amber verdrehte die Augen.
"Pass auf, dass du ihn nicht mit zu viel Liebe erdrückst, Kind."
Und nicht von ihm zerfleischt ...
Sie hatte all die kleinen Wunden gesehen, als sie das Mädchen erstmals behandelt hatte. Die blauen Flecken, Kratz- und Bissspuren, bestialisch wie von einem Tier. Und lange hatte es nicht gedauert, bis sie auch begriffen hatte, wer wohl dafür verantwortlich war. Sie hatte in ihrem Beruf schon weit Schlimmeres gesehen und glaubte längst daran, dass in jedem Menschen ein Ungeheuer schlummerte, welches nur darauf wartete, auszubrechen.
Was ihr hingegen zu Denken gab, war die Tatsache, dass das Mädchen nicht wie ein Opfer wirkte, nicht wie eines dieser armseligen Wesen, die ständig zu ihren Peinigern zurückkehrten, weil es kein anderes Leben für sie gab.
Nein, diese kleine Elfe schien es zu genießen, provozierte es sogar, schien beinahe noch wilder darauf zu sein, als der Mann es war.
Und, obwohl sie nicht älter als dreizehn Jahre alt schien, war ihr Blick wesentlich älter, und das nicht auf jene Art und Weise, wie es bei den Straßenkindern der Fall war, die einfach zu viel erlebt hatten.
Die Augen zusammen gekniffen, versuchte Marduk aufzuhören. Aus dem Nebel zu gelangen und wieder der Realität ins Gesicht zu lachen. Blut tropfte wie eine makabre Träne über seine Wange, doch anders als viele glaubten war das weder ein Fluch noch ein göttliches Zeichen. Einfach nur Stress, der sich dadurch zeigte, dass sein blindes Auge Blut absonderte.
Schließlich war der beorderte Trank da und wurde Amber in die Hand gedrückt, während das Mädchen wieder fortgezerrt wurde.
Die Heilerin setzte sich neben den Mann und drückte ihm einen Becher mit dem beruhigenden Serum gegen die Lippen.
"Trink das", sagte sie ruhig, aber bestimmt. "Es wird dir besser gehen."
Langsam, beinahe träge schluckte Marduk das Serum, ließ es langsam seine Kehle hinab rinnen. Die Hälfte des Bechers trank er ruhig. Doch die Andere begann er plötzlich auszuspucken, um sich zu schlagen, mit blitzenden Zähnen in die Hand zu beißen, die ihn sinnbildlich fütterte.
Amber ging sicherheitshalber auf Abstand, verlor jedoch nichts von ihrer Ruhe und Fassung.
Der Trank sollte auch in dieser Menge nicht völlig wirkungslos bleiben.
"Gib mir Bescheid, wenn du dich bereit fühlst.
Ich werde dann nach deinen Wunden schauen."
In der Zwischenzeit konnte sie nach dem Mädchen schauen.
Es hatte bei weitem weniger Unglück gehabt, doch auch ihre Verletzungen bedurften Aufmerksamkeit.
Dumpf grollte Marduk, während er die Augen schloss und darauf wartete, dass jemand so dumm war, sich ihm zu näher. Er konnte, wenn er genau zuhörte, zwei Stimmen leise streiten hören. Oder zumindest eine dominante, männliche Stimme eine zweite, jämmerliche Jungenstimme zusammen stauchen.
Gelangweilt drehte der Halbelf den Kopf.
Leira wurde es rasch müde, sich zu wehren. Sie war einfach zu entkräftet und so nervig die Untersuchungen, das Wechseln der Verbände, das leise Sprechen von Heilzaubern auch war und so bitter die Medizin auch schmeckte, welche man ihr verabreichte, so sehr musste sie sich doch die Notwendigkeit all dieser Praktiken eingestehen. Und je schneller das alles vorbei war, desto schneller würde sie sich auch ihrem Liebsten wieder widmen können.
Der Gedanke, die Erinnerung an Marduks Leib entlockte ihr ein träumerisches Lächeln ... das nur umso breiter wurde, als ihr ins Bewusstsein trat, dass seine Genesung aller Wahrscheinlichkeit nach weitaus mehr Zeit in Anspruch nehmen würde als ihre eigene. Er würde also noch eine ganze Weile an diesen Zustand gekettet sein - ihr ausgeliefert, wenn die Heilerin gerade wegschaute.
Die Heilerin ...
Mit schmalen Augen beobachtete Leira, wie sie wieder in Marduks Nähe trat. Auf Abstand noch, doch viel zu nah für ihren Geschmack.
Ich sollte sie töten, wenn Marduk wieder gesund ist ...
Misstrauisch sah Marduk auf, wirkte wieder wie ein verwundetes Tier, so war sein Mund doch eine harte, schmale Linie, seine Nasenflügel gebläht, als würde er einen unangenehmen Geruch wahrnehmen. Was wollte diese Frau jetzt schon wieder?
Amber seufzte.
"Hör zu", sagte sie, "deine Verbände müssen gewechselt werden.
Die Wunden sind bereits entzündet und man sollte nicht riskieren, dass es schlimmer wird.
Also kann ich dich jetzt in einen künstlichen Schlaf versetzen, was mehr Mühe kostet und länger dauert, oder du lässt jetzt einfach zu, dass ich mich darum kümmere und sparst mir und dir eine Menge Zeit, die du für deine Gesundung und ich für alles Mögliche brauche."
Ein lästiges, träges Lächeln huschte über Marduks Gesicht, ehe er sich entspannte, grummelnd die Augen schloss und somit der Heilerin erlaubte, seine Wunden zu versorgen. Vorerst.
Wachsam kniete Amber sich hinter den Mann und begann, mit geschickten Händen seine Verbände zu öffnen.
Beißender Gestank trat ihr sogleich in die Nase und ihr Blick fiel auf den zerschundenen Rücken, durch Peitschenhiebe aufgerissenes und noch nicht verheiltes Fleisch, an einigen Stellen durch Brandwunden noch zusätzlich malträtiert. Rot war die Haut, geschwollen, eitrig.
Vorsichtig tauchte Amber ein sauberes Tuch in ihre Schale klaren, lauwarmen Wassers und begann, die Wunden damit zu säubern. So sanft wie es eben möglich war, doch keineswegs zimperlich, sondern mit rascher Effizienz. Als dieser Schritt soweit verrichtet war, nahm sie eine kleine, schmale und unglaublich scharfe Klinge zur Hand, öffnete damit die halbgeschlossenen, doch ungesund geschwollenen Stellen erneut, sodass das Wundsekret abfließen konnte, ehe sie ein letztes Mal zur Reinigung überging.
Zum Schluss verteilte sie auf einigen blütenweißen Leinentüchern eine fettige Salbe und verband schließlich den Rücken des Mannes erneut.
Hin und wieder fuhr Marduk zusammen, doch gab keinen Laut von sich, dass er gegen die Behandlung protestierte. Stattdessen starrte er blind ins Nichts, ließ die Prozedur über sich ergehen.
Bläuliches Licht hüllte Ambers Hand sanft ein, als sie sich schließlich der Wirbelsäule widmete, ihre heilenden Kräfte hineinsandte. Danach erhob sie sich und trat vor den Mann.
"Du solltest deinen Rücken so wenig wie möglich belasten.
Noch kann er geheilt werden."
"Also muss das Abstechen noch eine Weile warten? Jammerschade", Marduk sah dabei zu Leira, grinste breit. Vielleicht sollte er sie einmal mitnehmen, wenn er auf Kopfjagd ging. Sie hätte bestimmt viel Spaß daran und es würde ihm größtes Vergnügen bereiten, ihren unschuldigen Körper zu küssen, kosten, beißen, wenn er salzig vor Blut war.
Amber verdrehte die Augen.
"Ja, es muss warten", brummte sie und stapfte davon.
Es galt noch andere Patienten zu behandeln.
Weniger unliebsame.
Nicht, dass das jemals eine Rolle spielen würde.
Sobald Leira sah, dass die Heilerin verschwunden war, huschte sie wieder zu Marduk und kroch unter seine Decke.
Sie fühlte sich etwas benommen und schläfrig, vermutlich von dem Trank, den man ihr verabreicht hatte. Es störte sie aber nicht sonderlich, denn auch ihre Schmerzen waren verschwunden, betäubt, und somit konnte sie sich den wundervollsten Vorstellungen hingeben.
"Mir ist gerade etwas sehr Schönes aufgefallen", wisperte sie.
Ich kann mit dir tun, was ich will, bis du wieder gesund bist.
"Wie verletzlich du eigentlich bist?", Marduk grinste, drückte zur Bestätigung kurz, aber energisch ihren Hals zu, es reichte eine seiner Hände, er fletschte die Zähne und ließ dann ihre Kehle wieder los.
"Du stellst lustige Fragen, Hündchen."
Leira stieß ein leises, abgehacktes Lachen aus und schmiegte sich an ihren Liebsten.
"Wo du doch gerade so verkrüppelt bist."
Spielerisch, doch nicht ohne einen gewissen Druck, biss sie in seinen Hals, hinterließ ein rosiges Mal.
"Außerdem solltest du doch wissen, dass ich nicht verletzlich bin."
"Vielleicht sollte ich dich nächstes Mal mitnehmen. ", knurrte Marduk griff in ihr Haar und zog sie zurück, sah kühl in ihre Augen. Was immer er suchte, er fand es, denn seine Zähne gruben sich nicht so reißend das er blutige Wunden riss, in ihre Lippe.
Leira keuchte leise auf.
"Ja", wisperte sie, ohne eine Idee zu haben, wovon er sprach.
Doch sie war sicher, dass es ihr gefallen würde, wo er sie hinführen würde.
Ihre Hände fanden rasch den Weg in sein Haar, Nägel kratzten über seinen Nacken, die Lippen drängte sie gegen seine.
Sie würde ihn an jeden Ort begleiten.
"Sobald ich wieder laufen kann...", Marduk beugte sich vor und flüsterte Versprechen von Blut und Dunkelheit in ihr Ohr. Von Furcht, prickelnd und anregend auf der Zunge. "Werden wir jagen."
Ein träumerisches Lächeln trat auf Leiras Lippen, während sie den Lockungen, den Versprechen lauschte, sich Marduks Verführung willentlich hingab. Vor ihrem inneren Auge konnte sie bereits alles sehen, hören, die Schreie und den Schmerz, die Angst, konnte es fühlen und schmecken, Blut, das langsam aus offenen Wunden rang, immer leiser werdendes Flehen.
"Oh ja", hauchte sie und schmiegte sich enger an ihren Liebsten, küsste sein Gesicht. "Das werden wir, mein Hündchen ..."
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