01. Noch ein Bruder
01. Noch ein Bruder
in Frühling 517 05.09.2015 21:28von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
Wenn man rückblickend sein Leben betrachtete, dann gab es viele Dinge, die Ralden bereute. Während er durch das Tor torkelte, blutend und verwundet wie ein verdammtes Schwein beim Schlachter, bereute er nur, dass er nicht sofort zugeschlagen hatte. Stattdessen hatte Ralden den Meuchelmörder, angesetzt auf seinen vernarbten Hals, ausgelacht, war es doch der Lehrling den er selbst ausgebildet hatte.
"Orobos, du verdammter Arsch." Heiser lachte Ralden auf und presste die Hand auf die Wunde an seinem Bauch. Er lachte heiser, erneut. Dann jedoch ächzte er, stakste weiter. Später Nachmittag und Leute in den Straßen, dennoch half niemand. Zumal Ralden alles andere als Vertrauenserweckend aussah. In einer kleinen Seitengasse Verband Ralden sich die Stichwunde mit einem seiner Hemden, dem wenigen an Kleidung in seinem Bündel.
"Besser", murmelte Ralden leise, blinzelte mehrmals energisch und Vertrieb den Schleier vor seinen Augen, rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. "Weiter jetzt."
Keuchend kämpfte Ralden sich weiter, bis vor das Haus aus weißem Stein und den bunten Fenstern.
Er klopfte und grinste unwillkürlich.
So eine Ironie.
Adastreias Stirn krauste sich um ihren golden Kristall, als sie das Pochen an der Haustüre vernahm. Sie hatte ihr Harfenspiel unterbrochen und war aus ihrem Zimmer nach unten gekommen, um einen kleinen Spaziergang durch den Garten zu unternehmen, sich dabei am aufblühenden Leben zu erfreuen. Dementsprechend wenig angetan war sie von der Unterbrechung ihrer Pläne durch einen Besucher. Und da Garalend sich nicht anschickte, die Türe zu öffnen - wenn Adastreia sich recht erinnerte, war er außer Haus, um einzukaufen - musste sie es wohl tun.
In der Hoffnung, ein erfreuliches Gesicht wie Keyas zu erblicken, schritt sie auf den Eingang zu. Ihre Hoffnung wurde enttäuscht, als sie durch den sich langsam weitenden Spalt schaute und ein grobschlächtiges Antlitz erblickte. Nur der Kristall in der Mitte der Stirn ließ sie erkennen, dass sie es mit einem Mitglied des eigenen Volkes zu tun hatte. Kräftig und groß war der Mann, braungebrannt wie ein unermüdlich arbeitender Bauer, unförmige Muskeln bildeten seine Arme, die von riesigen Narben noch weiter verunstaltet wurden. Blutunterlaufen waren seine Augen, seine Ohren verstümmelt durch Metall und nicht einmal das glatte weiße Haar konnte seiner Erscheinung einen noblen Zug geben. So abstoßend war dieser Mann, dass Adastreia schon im Begriff war, ihn mit kühlen Worten fortzuschicken, als sie ihn erkannte und kein Wort hervorbrachte. Stattdessen wurde sie ganz blass und regungslos, starrte ihn an... und fuhr dann abrupt herum, schlug ihm die Tür vor der Nase zu und schob alle Riegel vor.
Bebend lehnte sie sich an die nächste Wand und schloss die Augen.
Warum er? Warum muss ausgerechnet er von den Toten zurückkehren?
"Adastreia!" Ralden pochte erneut gegen die Tür und ächzte dann, hatte sich doch schon eine winzige rote Lache gebildet. Er fluchte unter seinem Atem, stolperte dann um das Haus herum. Er keuchte und hielt sich einen Arm um den Bauch geschlungen. So hatte er sich das nicht vorgestellt.
"Prüde, spießige Zicke, so garstig wie eine Harpyie."
Einen der Faustgroßen Steine aufhebend die das Beet säumten, hielt Ralden auf eine Terrassentür zu, holte aus und ließ das bunte Glas mit einem Wurf des Steins splittern, bersten. Den Ellenbogen nutzend um das Loch zu vergrößern stieg Ralden in das Haus.
"Orome!"
Adastreia zuckte heftig zusammen, als das Geräusch splitternden Glases an ihre Ohren drang.
Doch nachdem der erste Schock verflogen war, durchflutete Zorn ihren Körper, orangefarbenes Licht ihren Kristall. Sie stürmte in den Salon, durch den der unerwünschte Gast gerade eingedrungen war und schrie den Einbrecher an:
"Was wollt Ihr hier, Ralden!? Meinen Bruder um sein Geld bringen?
Verschwindet!"
"Friede du garstige Hexe! ", Ralden hob kurz die Hände in einer besiegten Geste, die linke noch voller seinem eigenen Blut, ehe er ächzte und wieder seine Wunde hielt. Er zischte. "Ich komme gar nicht wegen dir, du Prüde Nonne."
"Was ist hier los?" Kalt klang die neue Stimme, als Lian den Raum betrat, alarmiert von dem Geschrei und dem Geräusch von berstendem Glas. Er sah die Scherben, sah Adastreia und... Ralden. Die dunkelblauen Augen verdunkelten sich. "Von allen hast ausgerechnet du überlebt?"
"Aye, Unkraut vergeht nicht", kicherte Ralden rau. Dann grinste er ein wölfisches Grinsen in Adastreias Richtung. "Aber ich -"
"Du wirst keine einzige Münze von mir bekommen." Lian verschränkte die Arme, zornig und dennoch ruhig, vorsichtig. "Keine einzige."
"-bin hier um alte Familienbande wieder aufzufrischen", beendete Ralden unbeeindruckt seinen Satz. Orome war so hübsch und zart und zerbrechlich, dass Ralden ihn selbst jetzt vermutlich noch überwältigen könnte. Von der knochigen Adastreia ganz zu schweigen. "Kleiner Bruder."
Ein plötzlicher, kräftiger Windschwall ging unkontrolliert von Adastreia aus, raste in Raldens Richtung, riss dabei scheppernd eine Blumenvase von einer der Fensterbänke.
"Wagt es nicht, das noch einmal zu sagen!
Wagt es nicht, unsere Familie mit Euren dreckigen Lügen zu beschmutzen!"
Ralden biss die Zähne zusammen und ächzte, stolperte einige Schritte zurück. Sein Haar flatterte, Bluttropfen wurden vom Wind mitgerissen.
"Was?!" Lians bleiche Wangen nahmen eine kalkige, ungesunde Farbe an, sein Mund wurde trocken, während er das Gefühl hatte an seiner tauben, nutzlosen Zunge zu ersticken.
"Glaubst du, dass denk ich mir nur aus?" Ralden lachte auf. "Scheiße nein! Guck mir mal ins Gesicht, mal richtig! Was meinst du warum man mich nicht so gut vertuschen konnte, eh? Weil wir uns zu ähnlich sehen."
"Hah."
Adastreia hätte laut aufgelacht, hätte die heißglühende Wut nicht jeden Laut abgewürgt. Ihre zitternden Hände ballte sie zu Fäusten, konnte nur mit Mühe unterdrücken, einen weiteren Zauber auf diesen Betrüger zu werfen. Das wäre einer Dame ihres Standes nicht gebührlich. Es war ein Jammer, dass man sie nie gelehrt hatte, ihre Magie richtig zu beherrschen und sie sich nun die Blöße gegeben hatte, den Eindringling anzugreifen als sei sie eine Wilde...
"Ihr seht aus wie ein schmutziger Barbar und sprecht wie ein trinkender Glücksspieler", giftete sie Ralden an. "Wenn auch nur ein Tropfen königlichen Bluts in Eurem Leib ist, dann müsst Ihr es selbst getrunken haben!"
"Ada..." Lians Stimme klang jämmerlich. Schwach und bitter. Beinahe hatte Ralden gelacht, das kleine Prinzlein mal ganz von seinem hohen Ross drunten. "Er hat Recht."
"Vorsicht, Puppe", knurrte Ralden stattdessen leise und schoss böse Blicke wie Pfeile in ihre Richtung. "Außerhalb des goldenen Käfigs ist das Leben nicht leicht."
Adastreia konnte den entsetzten Blick nicht aus ihren Augen vertreiben, als ihr Kopf in Oromes Richtung zuckte. Ebenso wenig, wie die schwärzliche Färbung, welche ihr Kristall langsam annahm.
"Das kann nicht dein Ernst sein, Orome", sagte sie tonlos, ignorierte Raldens Kommentar. Er war bedeutungslos angesichts dessen, was ihr Bruder gerade tat.
"HA. Wusste ich doch dass er vernünftig ist!" Selbstzufrieden grinsend sah Ralden die rasende Adastreia an, kam gar nicht mehr dazu aufzuhören. Es machte ihn ungemein glücklich zu wisse dass sie die Beherrschung verlor wie ein dreijähriges Kind. Und nur weil sie nicht ihren Willen bekam.
"ES REICHT, RALDEN!“ Und zu gleich erfuhr er auch, dass Orome sehr laut schreien konnte. "Dies ist mein Haus!"
Abrupt wandte er sich an seine Schwester.
"Und auch du bist nur ein Gast. Geh. Geh und komme erst wieder wenn nicht mehr der Hass aus dir spricht."
Empörung huschte über Adastreias Gesicht, verzerrte die zarten Züge mehr noch als die bloße Wut es getan hatte. Einen Moment lang starrte sie ihren Bruder nur fassungslos an und wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Dann erkaltete ihre Miene, ihr Kristall klarte auf und nahm wieder seine übliche, goldene Färbung an, Frost trat an Stelle jeglicher Emotion.
"Gut", antwortete sie mit trügerischer Ruhe. "Wenn du schwesterliche Liebe als Hass empfindest, Orome, dann sollte dein Gast dich wirklich besser verlassen. Du wirst sehen, wie sehr ich dich gehasst habe, wenn dein Geld bei den Giftmischern der Stadt liegt, diese Schlange sich an deiner Frau vergangen hat und du mit einem Messer im Rücken auf dem Sterbebett liegst."
Sie wartete keine Antwort ab, sondern rauschte einfach aus dem Salon heraus, würdigte Ralden keines Blickes mehr. Er war den Schmutz unter ihrem Absatz nicht wert, geschweige denn das Licht in ihren Augen.
"Zicke", kommentierte Ralden den übertrieben dramatischen Abgang von Adastreia. Erneut unterdrückte er ein Kichern.
"UND du Abschaum hast keinen Grund zur Freude!", fauchte Orome scharf, bösartig beinah. Er hatte die Zähne gebleckt und ermordete Ralden mit Blicken. "Du bist hier nicht Eine einzige Sekunde willkommen, der einzige Grund weshalb Ich dich nicht umgehend vor die Tür setze ist, weil mir der Marmor zu schade ist auf dem du verblutest!"
Der Lärm hatte Niamh geweckt. Es war helllichter Tag und zwar schon seit einer ganzen Weile. Seit sie nichts mehr tun musste, um ihr Leben zu sichern, hatten sich einige Dinge verändert und der lange Schlaf war eines davon. Am Anfang war es anders gewesen, da war sie früh aufgewacht, verwirrt von weichem, weißen Leinen, in einem Bett, das viel zu groß für sie war und alleine mit sich selbst. Fremd hatte sich das erst angefühlt, unwirklich. Dann irgendwann gut und angenehm, schließlich einfach normal. Alles war nun irgendwie normal, die Tage krochen ereignislos dahin, verschwanden in einem grauen Nebel aus vielen.
In der Zeit kurz vor und kurz nach ihrer Hochzeit hatte Niamh sich darauf gefreut, viel Zeit mit ihrem Vater zu verbringen, aber es hatte sich schnell herausgestellt, dass es sie nicht erfüllte, dass es anstrengend war, mehrere Stunden am Tag bei ihm zu sein. Sie hatten schöne, gemeinsame Momente und er war seltener bettlägerig, ja, aber sie stritten auch viel, über kleine, unwichtige Dinge, wenn ihre Temperamente wieder einmal aneinander rieben. Sie hatte nie geglaubt, dass er sie jemals nerven würde. Aber das war unumgänglich, wenn man derartig aufeinander hockte. Und ihr Vater war der einzige, der Niamh nahe stand.
Adastreia gab sich Mühe, war meistens freundlich zu ihr und sie wiederum versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie die meisten ihrer Lektionen eher geduldig ertrug als enthusiastisch verfolgte. Und dass sie die Prinzessin die ganze Zeit über belügen musste, machte es nicht einfacher, eine Bindung zu ihr aufzubauen.
Garalend war ein scheues Wesen, befremdete sie durch die Art und Weise, wie er sich als ihr Diener aufführte. Mit Centis sprach sie manchmal, vielleicht hätte sie sich auch mit ihm angefreundet, würde er sie nicht so distanziert behandeln, als sei sie etwas Besseres. Von Nathaniel schwieg man besser ganz.
Und Lian... Lian war freundlich, sanft, und fürsorglich. Er hielt seinen Teil der Abmachung besser ein, als er es gemusst hätte und dafür war sie dankbar. Aber Niamh spürte, dass das auch alles war und alles bleiben würde. Dass er kein Interesse daran hatte, eine Freundschaft mit ihr zu bilden, die Distanz zu überbrücken, welche sie trennte.
Die Frauen der Stadt hatten es aufgegeben, sie einzuladen. Sie war eine Zeit lang in aller Munde gewesen und jeder hatte dieses fremdartige Tier aus dem Armenviertel betrachten wollen. Aber nun war sie nicht mehr von Interesse. Von Belang war sie nie gewesen.
Sie vermisste Noah beinahe noch mehr als in den Tagen nach seinem Tod. Niamh war nicht unglücklich. Aber sie schlief lange, um sich dem Tag zu entziehen, sich noch länger unter der schützenden Wärme ihrer Decke verstecken zu können. Noch länger zu träumen. Um nicht darüber nachdenken zu müssen, ob sie mit ihrem Vater durch den Garten spazierte, sich ein Buch nahm, um es eine Stunde später mit müden Augen zur Seite zu legen, Adastreias Einweisungen lauschte oder einen Spaziergang durch den Waldrand machte, der ihr nur wieder Tränen in die Augen treiben würde, weil es sie an ihren Zwilling erinnerte.
Die Langeweile erdrückte sie beinahe ebenso sehr wie die Einsamkeit. Sie war nicht unglücklich... aber...
Der Lärm jedenfalls, der an diesem Morgen herrschte, hatte Niamh aufgeweckt, die Geräusche von splitterndem Glas, lauter Stimmen. Geweckt und neugierig gemacht, doch auch vorsichtig. Sie war rasch in ein Kleid geschlüpft, ein blaues mit weißer Musterung und hatte nach einigem Zögern einen scharfkantigen Brieföffner in die Hand genommen, dann in einer Stofffalte verschwinden lassen.
Als sie aus ihrem Zimmer trat und die Treppe hinunterschritt, sah sie eine äußerst aufgebrachte Adastreia durch die Eingangshalle laufen, mit einem Blick in den Augen, bei dem es sie glücklich machte, dass er sie nicht traf. Dann verschwand die Prinzessin durch die Haustüre nach draußen. Stirnrunzelnd und lautlos huschte Niamh über den weißen Marmorboden und spähte dann durch den offenen Türspalt in den Salon.
"Oh, immer noch den Stock im Arsch?", höhnte Ralden mit rauer Stimme, lachte und grinste angesichts von Oromes hilflosem Zorn. Der Kronprinz war nie gewalttätig gewesen. Und, wie es schien, würde er es auch nie werden. "Kein zynischen, giftiges Schimpfwort das du mir an den Kopf wirfst? Keinen stimmgewaltigen Ausbruch? Du bist weich geworden, kleiner Bruder."
"Nenn mich verdammt nochmal nie wieder so", zischte Orome zurück, die Zähne gebleckt. Doch er konnte sich aufblasen, nutzlosen Wind durch das Zimmer peitschen lassen wie Adastreia es auch getan hatte, Ralden war nicht beeindruckt. Und irgendwann ließ er sich auch einfach auf einem nahen Sessel nieder, die Tatsache ignorierend dass sein Blut in die feinen Poster sickerte.
"Ändert nichts an der Tatsache dass wir Geschwister sind", erwiderte Ralden fröhlich, wenngleich seine Stimme etwas angestrengt klang. "Und jetzt ruf einen Arzt, sei so gut."
"Ich sollte auf Adastreia hören und dich verbluten lassen", murrte Orome leise während er aus der Tür an Niamh vorbeistürmte. Man konnte noch hören wie er sich Centis krallte und mit der Nachricht zu Nathaniel los schickte dass es hier einen Notfall gab.
"Deswegen bin ich zu dir und nicht zu Adastreia gegangen", rief Ralden hämisch hinter der schwindenden Gestalt des anderen her. Lachte und wandte seine Aufmerksamkeit zu der jungen Dame, die sein Bruder so schändlich ignoriert hatte. "Ah, ich würde die Dame des Hauses ja gebührend begrüßen. Aber leider... bin ich gerade verhindert. So unwichtige Dinge wie etwa verhindern dass ich verblute."
Niamh zuckte mit den Schultern.
"Lass dich von mir dabei nicht stören."
Sie lehnte sich an den Türrahmen und musterte den Mann mit unverhohlener Neugierde. Die Ähnlichkeit zu Lian war auf den ersten Blick sichtbar, obwohl er nicht den zerbrechlichen Körperbau seiner Geschwister besaß. Dafür Narben, als wäre er einmal ins Feuer gefallen.
"Wusste gar nicht, dass Lian auch einen Bruder hat. Gibt es noch mehr von euch?"
"Ha. Ich bin der erste und schlimmste", kicherte Ralden vergnügt und fragte sich gleichzeitig wie sein ruhiger Bruder an seine recht hart wirkende Frau gekommen war. Vermutlich hatte sie ihn einfach überwältigt, willensschwach wie Orome war. "Ich bin Ralden. Aber man kennt mich bestimmt auch als Brandteufel, Familienschande und der wo allen zu laut ist."
"Ihr seid schon eine süße Familie", antwortete Niamh staubtrocken. "Ich bin Niamh, aber man kennt mich bestimmt auch als Lians Frau. Wahrscheinlich nur, eigentlich."
Hätte sein Gesicht dem ihres Gatten nicht so ähnlich gesehen, hätte sie nicht geglaubt, dass er sein Bruder war. Ralden fehlte diese vornehme, distanzierte Art, die Lian und Adastreia ausgiebiger zu pflegen schienen als ihre Kleider und Haare. Ihm fehlte auch die Zartheit, er schien mehr Krieger als Prinz zu beinhalten und dafür weitaus mehr für Humor zu haben zu als der Rest der Familie. Wahrscheinlich wäre er ihr wirklich sympathisch gewesen, hätte ihn nicht eine Aura von Gefahr umgeben. Wäre sie nicht bei seinem Anblick, bei der Art, wie er mit ihr sprach, ein Schauer über den Rücken gelaufen.
Und es war ganz gewiss nicht die Art von Schauer, bei der sie zu überlegen begann, ihren Mann zu betrügen.
Ralden schauderte und verzog den Mund. Es schmeckte bitter, den Titel der einmal ihm gebührt hatte nun in Verbindung mit seinen kleinen, zerbrechlichen Bruder zu hören. Vor allem, die Erfahrung hatte Ralden früh gemacht, neigten Nicht-Kristallelben dazu, den Titel mit dem eigentlichen Namen zu verwechseln.
"Behandelt Orome dich gut, ja?" Ein kichern dran aus seinem Mund. "Vermutlich nicht, sonst hätte er Adastreia von dir fern gehalten. Selbst noch nach zweihundert Jahren ist die eine notorische Nervensäge."
Grinsend verschränkte Niamh die Arme.
"Manchmal ... aber ich kenne schlimmere.
Und dein Bruder ist der beste Mann, den ich finden konnte. Ich würde nich bleiben, wenn er mich schlecht behandeln würde."
Das war möglicherweise eine Lüge. Denn - das wusste Niamh, wenn es bedeuten würde, dass sie weiterhin ein Leben, frei von existenziellen Sorgen lebte, und ihr Vater nicht alle zwei Wochen mit dem Tod ringen würde, würde sie auch in Kauf nehmen, dass ihr Gatte grausam zu ihr war. Es war gut, dass dies kaum geschehen würde.
"Aber dich hat er nicht besonders lieb, was?"
Langsam bemerkte Ralden den Blutverlust. Er Schauderte, presste wieder die Hand, blutig, auf seine Wunde. Wo blieb der Arzt, wollte dieser verdammte Bengel ihn hier verbluten lassen?
"Nay, mich hat keiner lieb." Ralden schniefte übertrieben traurig und grinste Wölfisch. "Ich armer, armer Mann."
"Wie gemein von diesen Leuten", antwortete Niamh schnippisch. "Bist bestimmt der netteste Mann weit und breit."
Sie konnte allerdings trotz der Späße sehen, dass Ralden sich zunehmend unwohler fühlte. Vielleicht waren seine Wunden schlimmer, als sie aussahen. Also entschied sie, dass ein wenig Hilfe nicht schaden konnte, verschwand aus dem Salon und kehrte nach einem kurzen Moment mit weißen Leinentüchern zurück.
"Kannst du Hilfe brauchen? Beim Nicht-Verbluten?"
"Die Lady ist eine Hellseherin!" Ralden lächelte und nahm die Tücher entgegen, gerade zur gleichen Zeit als Orome wieder in das Zimmer kam, neben einer Schale heißen Wassers auch Garn und eine dünne, sichelförmig gebogene Nadel trug, wie man es in der Medizin benutzte.
"Niamh. Du hast also schon Bekanntschaft mit... Diesem Individuum gemacht." Orome entriss Raldens blutverschmierten, schwachen Fingern die Tücher, ging vor dem Sessel in die Hocke und legte alles auf einem nahen Tisch ab. Bis Nathaniel kam könnte er selbst zumindest schon mal verhindern, dass Ralden hier und jetzt krepierte.
"He, ich kann dich hören", erwiderte Ralden schwach.
"Ich weiß "
"Eurer Krach war nicht zu überhören, also bin ich runter gekommen", erwiderte Niamh schmunzelnd. "Hast du noch mehr Geschwister vor mir versteckt, Liebling?"
Oromes Blick zeigte, wie genervt er von der puren Anwesenheit seines Bruders war, doch sein Tonfall blieb, zumindest so lange er in Niamhs Richtung sprach, freundlich, beinahe warm.
"Ich kann leider nichts für die Eskapaden meiner Eltern."
"Ja, eigentlich sind alle Kristallelben stockprüde. So wie Ada.", quatschte Ralden munter dazwischen, lachte hämisch auf als er bemerkte wie die Ohrspitzen Oromes rot wurden. "Aber hinter geschlossenen Türen lassen wir es richtig krachen!"
"Warst du nicht verletzt?", fragte Orome mit süßer Stimme, doch eisigem Blick, drückte dann ungerührt den Finger in die blutende Wunde. Es schien, als würde Ralden das dunkelste in ihm wecken und hervorrufen.
"Ah! Ah! VERDAMMT!", brüllte Ralden auf.
"Ich weiß wie es ihn Schlafzimmern von Kristallelben so ist. Bin selbst mit einem verheiratet."
Die Lüge ging flüssig wie Honig über Niamhs Zunge. Wenigstens darin war sie gut und wenn achtzehn Jahre auf der Straße sie etwas gelehrt hatten, dann das Lügen, ohne sich dafür zu schämen, ohne Angst oder ein schlechtes Gewissen dabei zu empfinden. Schnelle Lügen hatten ihre Haut beinahe ebenso oft gerettet wie flinke Füße.
"Was hast du eigentlich angestellt, dass du so angekratzt bist?"
"Ich hab meinen Lehrling verspottet." Ralden zuckte mit den Schultern, doch konnte nicht verhindern, dass sein sonnengeküsstes Gesicht blass wurde, fahl. Orome drückte die Wunde ab, doch die Ränder waren zu ausgefranst, zu zerstört um die Wunde zu nähen zu können. Einzig das dünne Rinnsal an Blauer Magie verhinderte wohl, dass Ralden hier verblutete.
Als Nathaniel mit Centis das Haus erreichte und dann eilig durch die lichte Eingangshalle lief, auf den Salon zuhielt, erreichten ihn bereits Gesprächsfetzen.
"Muss ja ein jähzorniger Lehrling sein", hörte er Lians Frau sagen, ehe er selbst eintrat. Er hatte keine Ahnung, worauf sich die Worte bezogen, aber sie passten gut zu dem Bild was sich ihm bot:
Ein Loch im Fenster, auf dem Boden verteilte Scherben, dazwischen seidenbezogene Kissen, welche sonst die Sofas, Sessel und Stühle zierten, und Tischdecken, halb oder ganz heruntergerissen, als hätte ein Sturm in diesem Zimmer getobt. Außerdem fiel natürlich der Mann auf, vor dem Lian kniete, blutend und blass.
"Ich bin hier", kündete der Heiler sich an und verlor keine Sekunde, nachzufragen, was hier geschehen war, ließ sich neben Lian nieder und legte eine Hand auf seine, sammelte blaues Mana darin. Mit der freien Hand berührte er die Schulter des Verletzten. "Kannst du mich hören?"
"Ich bin halb blind, nicht taub", lallte Ralden mit schwerer Zunge zurück und griff ungeschickt in seine Tasche am Gürtel, die halbvolle Phiole rutschte mehrmals aus seiner Hand, das Gift, welches die Blutung verlangsamte, die Muskeln lähmte. "Hab das getrunken um nicht zu verbluten..."
"Besser wäre es, du hättest das ganze Gift gesoffen", knurrte Orome leise zurück und konnte nicht mal mehr als ein trockenes Lachen aus Ralden herauskitzeln.
"Dann hättet Ihr jetzt wohl eine Leiche im Wohnzimmer, Lord Hughes", bemerkte Nathaniel trocken. Überspielte die Verwunderung über Lians untypisch harsche Worte. "Und eine Menge zu erklären." Stirnrunzelnd nahm er die Phiole entgegen, schwenkte sie mehrmals leicht in der Hand, um den Inhalt besser inspizieren zu können, las die Inschrift.
Er nickte und wandte sich Lian zu. "Nehmt besser Abstand, ich muss mich konzentrieren." Dann legte er die zweite Hand auf.
Ralden gurgelte leise, lachte auf doch seine Zunge war erschlafft, zu schwach. Er rollte den Kopf in den Nacken, atmete rau und keuchte auf. Sein Sichtfeld verdunkelte sich.
Nathaniel musste ein Fluchen unterdrücken. Er kniff in den Arm des Mannes und zischte ihn an:
"Nicht einschlafen!"
Dann beeilte er sich, seine Heilzauber schneller zu wirken. Blaugrünes Licht schimmerte unter seinem langen Ärmel hervor. Eine unbedachte Bewegung legte einen Teil seines Handgelenks frei und enthüllte, wie Lians Armreif seine unterstützende Wirkung zeigte.
Leise zischte Ralden auf, blinzelte mehrmals und starrte mit glasigem Blick vor sich, auf die verschwommene Silhouette vor sich.
"Zäher Mistkerl", murmelte Orome, ehe er Garalend, der gerade erst angekommen war los scheuchte, mit ihm zusammen ein Zimmer im Erdgeschoss vorbereitete. Wie es schien würde Ralden doch seinen Willen bekommen, vermutlich hatte er genau deswegen das Gift erst getrunken.
"Ich kenne den Stein", lallte Ralden leise, doch sein Blick war noch immer glasig, abwesend. Er hätte genauso gut über irgendwas anderes reden können.
Nathaniel runzelte die Stirn und zog seinen Ellbogen leicht nach oben, damit der Stoff seines Ärmels den Armreif wieder bedeckte. Er musste vorsichtiger sein, wenn er nicht auffliegen wollte.
"Ja, ich bin sicher, dass Ihr einige Steine kennt", antwortete er in einem Tonfall, den man normalerweise für die Alten und die geistig Umnachteten reservierte. "Einen Moment stillhalten, dann sind wie fertig..."
Ralden schwieg und grinste stattdessen dämlich. Er seufzte erleichtert als der Schmerz verebbte und rieb sich dann die Tränenden Augen.
"Hilft das auch bei meinen Augen?" Er grinste und setzte sich auf. "Mein kleiner Bruder ist zu garstig als dass er mir helfen würde."
"Nenn mich verdammt nochmal nie wieder so!" Giftig klang Oromes Stimme und zornig.
Ralden wackelte mit den Augenbrauen. "Das meinte ich."
"Ich kann keine Tränen wegzaubern, falls Ihr das meint", seufzte Nathaniel und richtete sich auf. "Ich bin Heiler, kein Harlekin." Er wischte sich die blutbefleckten Hände an seiner Hose ab, froh darüber, in seinem Arbeitszimmer immer frische Kleidung gelagert zu haben. Seit er seine Ausbildung beendet hatte, verdiente er nicht nur mehr Geld - er musste sich auch häufiger die Hände schmutzig machen. Ein notwendiges Übel, an das er sich erstaunlich schnell gewöhnt hatte - schließlich war er schon in seiner früheren Arbeit mit mehr Körperflüssigkeiten anderer Menschen in Kontakt gekommen, als ihm lieb war - aber ein Übel nichtsdestotrotz.
"Und du bist blinder als ich." Ralden bleckte sich die Zähne und lächelte breit. Dann jedoch erhob er sich, wankte und stützte sich an der Lehne des Sessels ab, streckte sich. "Egal."
"Ralden." Mit langen Schritten kam Orome erneut in den Raum, diesmal einen völlig verschüchterten Garalend im Schlepptau. Oh, da war sie wieder. Diese steile Falte zwischen den beinahe feminin dünnen Augenbrauen Oromes. Ralden lächelte spöttisch.
"Ja, mein süßer Bruder?" Es reichte schon der höhnisch süße Tonfall und man konnte deutlich den Ekel auf Oromes Gesicht erkennen. "Dawww, du bist niedlich wenn du wütend bist."
"Zwei Tage. Dann bist du hier weg", zischte Orome, ehe er sich schüttelte und um die Ecke verschwand.
Nathaniel konnte sehen, wie die Dame des Hauses erst Lian, dann Ralden mit einer gewissen Faszination musterte. Dann zuckte sie mit den Schultern und verschwand durch dieselbe Tür, durch die ihr Gatte ebenfalls gerade gegangen war.
Centis hatte er nicht mehr gesehen, seit er angekommen war, und so blieb es wohl an Nathaniel und Garalend, den Verletzten ins Bett zu bringen.
"Ist das Zimmer fertig, Gara?"
Die schwarzen, pelzigen Ohren aufmerksam aufgerichtet nickte der Fil-Shatah hastig, tippelte mit kleinen, vorsichtigen Schritten heran und wartete geduldig auf Anweisungen.
"Hey Kätzchen." Die gelben Augen weiteten sich leicht, richteten sich auf Ralden. Der Kristallelf grinste breit und beugte sich leicht zu dem Fil-Shatah herab, griff nach den pelzigen Ohren und kraulte sie scheinbar freundlich. Die Furcht wich nicht aus Garalends Augen. "Ich glaube er meinte damit, dass du mir das Zimmer zeigen sollst."
"N-n-natürlich" Die Stimme hoch, brüchig und piepsig huschte Garalend voran, Ralden folgte, breit grinsend. Der Fil-Shatah war niedlich, wenn man ängstlich und hörig mochte.
Nathaniels Augen wurden schmal und er beschloss, die beiden zu begleiten. Ralden schien von einem weit anderen Schlag als Lian zu sein und sicher war nun einmal sicher. Er mochte den Diener zu sehr, um ihn einfach seinem Schicksal zu überlassen.
Er folgte Garalend und dem Gast, vorbei an einem etwas neugierig dreinblickenden Centis, stieg gleich hinter ihnen die Treppe empor. Die Augen immer auf Raldens Rücken gerichtet, bis sie schließlich das Gästezimmer erreichten.
"H-h-hier", wisperte Garalend verschüchtert, deutete mit zittrigem Finger auf das Zimmer, die Tür offen stehend. Der Fil-Shatah quietschte leise auf, als Ralden ihm wieder an die Ohren fasste, erstarrte erst zur Salzsäule und huschte dann fort, sobald Ralden seine Finger wieder bei sich hatte.
"Scheues Kätzchen." Ralden hob die Augenbrauen und schnaubte dann, trat in das Zimmer, welches größer, luxuriöser als alles war, in dem er seit seiner Abreise aus Anastra gehaust hatte. Selbst die spartanische Einrichtung linderte diesen Eindruck nicht.
"Ihr solltet Euch ausruhen", bemerkte Nathaniel und verkniff sich den scharfen Unterton. "Ihr habt viel Blut verloren und Anstrengung ist da nicht ratsam."
Obwohl Lian das wohl lieber gewesen wäre. Still beschloss der Heiler, seinen Liebhaber später danach auszufragen. Es ging ihn zwar eigentlich nichts an, aber sollte Ralden über längere Zeit zu Gast bleiben, wollte er lieber mehr als weniger über ihn wissen.
"Braucht Ihr noch etwas?"
"Nah, wunschlos glücklich." Ralden grinste, ehe er sich langsam aus seiner Panzerweste schälte, sie einfach auf einen nahen Sessel warf. Er hob eine Augenbraue und sah über die Schulter zu dem Heiler. "Noch was? Oder willst du mir im Bett Gesellschaft leisten?"
"Wohl kaum", schnaubte Nathaniel und drehte sich um.
Eine Gemeinsamkeit haben die Brüder also doch.
"Sollte es noch etwas geben, ich bin in meinem Arbeitszimmer." Dann war er auch schon verschwunden, ließ Ralden alleine zurück.
Grinsend ließ Ralden sich auf das Bett nieder, klopfte das Kissen zurecht und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, grinste wieder breit auf.
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RE: 01. Noch ein Bruder
in Frühling 517 05.09.2015 21:29von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
Garalend war völlig hysterisch und aufgewühlt aus der Küche und in seine Werkstatt gejagt, Ohren und Schweif eng an den Körper gepresst, am ganzen Körper schlotternd.
Er zuckte bei jedem Geräusch zusammen, krallte sich förmlich an seinen hölzernen Engel, ließ nicht von der Figur ab, was wohl auch ein Zeichen war, dass er vollkommen fertig mit den Nerven war.
"C-c-c-centis", kein Wort ohne Stottern konnte er hervorbringen, verhaspelte sich, begann erneut, "ka-kannst du dem G-gast des Lords Essen hochbringen?"
Verwundert schaute Centis auf von dem Papier, auf das er gerade in Zahlen und kleinen Skizzen Aufträge übertragen hatte, damit Garalend sie verstehen konnte. Mittlerweile war er gut darin - er hatte sich schnell an seine neue Arbeit gewöhnt, konnte sich gut mit dem Schneider verständigen. Eigentlich betrachtete er ihn auch eher als Freund denn als Meister.
"Alles in Ordnung?", fragte er besorgt, als er ihn so nervös und unruhig sah. Er stand auf und fügte hinzu: "Natürlich. Kann ich machen."
"B-bitte", flüsterte Garalend, ehe er in seinem winzigen Zimmer verschwand, in dem nicht mehr als ein Bett stand, zusammen mit einer Kommode auf der eine Waschschale stand. Der kleine Fil-Shatah kam für den Rest des Tages nicht mehr heraus, rollte sich in dem Bett zusammen.
Centis legte die Stirn in Falten, zuckte dann aber mit den Schultern und holte das Abendessen aus der Küche. Er hatte keine Ahnung, was Garalend so verstört hatte, aber zugegebenermaßen und bei aller Wertschätzung war er auch sehr empfindlich. Schreckhaft. Ängstlich. Ein Verhalten, dass man eher einem Mädchen zuschreiben würde...
Schnell holte Centis das vorbereitete Tablett aus der Küche - er selbst verspürte noch keinen Appetit - und trug ihn vorsichtig die Treppe empor. Es war ruhig hier oben, bis auf die gedämpften Stimmen der Hausherrin und ihres Vaters war kein Laut zu hören. Leise, bemüht, sich nicht wie ein störender Tölpel zu benehmen, ging er durch den Flur, doch jeder seiner Schritte auf weichem Teppichboden erschien ihm laut wie das Trampeln eines Pferdes. Er blieb vor der Tür stehen, in der er den Gast vermutete. Er hatte nur Bruchstücke der Konversationen gehört, aber offenbar handelte es sich um Lord Hughes Bruder. Tiefer Respekt war also mehr als angemessen... er seufzte leise und klopfte.
"Immer herein in die gute Stube." Ralden drehte leicht den Kopf, während seine Hand leicht unter das Kissen glitt. Er lag inzwischen nur noch mit einem Ärmellosen Wams und einer leichten Hose bekleidet, doch das hieß nicht dass er unbewaffnet war. Unter seinem Kissen ruhten zwei Messer. Eines zum Werfen, eines für den Nahkampf, sollte es ein Feind sein. Ralden war nicht dumm, zwar würde Orome mit seiner verdrehten Ehre kein Attentat auf ihn verüben, vor allem nicht im eigenen Haus, aber von seiner Schwester, dieser prüden Ziege konnte er das nicht sagen. Adastreia hatte schon früher einen energischen Charakter.
"Hier ist Euer Abendessen, Mylord."
Centis öffnete vorsichtig die Türe und stellte den warmen Teller mit Herbstgemüse und gebratenem Fisch auf dem kleinen Ebenholztischchen ab, das vermutlich mehr gekostet hatte, als die gesamte Einrichtung seiner eigenen Schlafkammer. Auch eine Karaffe mit rotem Wein und ein kristallenes Glas stellte er ab.
Dann schaute er den Mann im Bett fragend an. Er sah dem Hausherrn wirklich sehr ähnlich. Er war vielleicht weniger mager, aber die Gesichtszüge und das Juwel in seiner Stirn waren unverkennbar. Ein durchaus gutaussehender Mann, aber Schönheit musste in der Familie liegen.
"Wünscht Ihr sonst noch etwas?"
"Wie wäre es mit ein wenig Gesellschaft?" Schwungvoll setzte Ralden sich auf, musterte den Burschen vor sich mit zusammen gekniffenen Augen. Heute war ein schlechter Tag, er sah nur Schemen, auf kurze Entfernungen leicht verschwommen. So kam es auch, dass Ralden die Entfernung verschätzte, die Weinkaraffe umkippte, statt sie aufzuheben. "Huch..."
"Oh!"
Centis beeilte sich, zu retten was zu retten war, doch selbst sein schnelles, geschicktes Auffangen des Gefäßes konnte nicht verhindern, dass ein Großteil des Weins die weiße Tischdecke tränkte. Nur, dass das Glas nicht zu Boden fiel und in tausend feinen Splittern durch den Raum sprangen. Er stieß einen leisen Fluch aus und biss sich gleich darauf auf die Lippe, schließlich befand er sich in Gegenwart eines Mannes, dessen Beschwerden ihn seine Arbeitsstelle kosten konnte.
"Ich kümmere mich darum", sagte er also schnell und floh nach draußen. Eine Weile später kehrte er mit einem Eimer, einem nassen Lappen und einem Stück Seife zurück, machte sich zähneknirschend an die Arbeit, die eher Aufgabe eines Dienstmädchens als eines Schneiders gewesen wäre.
Sich den zweiten Lappen schnappend ging Ralden in die Hocke und begann mit dem nassen Lappen zu schrubben, bis das rubinrot einem blassen Rosa gewichen war, er sich grinsend wieder aufrichtete.
"Wenn man die Augen leicht zusammen kneift ist es beinahe als wäre nichts passiert.", lachte er, ließ den Lappen in den Eimer fallen und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Gut...Und wer warst du nochmal, Kleiner?"
"Centis, nicht 'Kleiner', Mylord", antwortete Centis und schaute aus dunklen Mandelaugen zu ihm auf, erlaubte sich den Anflug eines Lächelns, da der Herr es offenbar ebenfalls mit Humor nahm. Den Zusatz "ich glaube, ich bin größer als Ihr", fügte er jedoch nicht an. Das wagte er nicht. "Und wie heißt Ihr?"
"Auf jeden Fall nicht Mylord.", antwortete Ralden, erwiderte das Lächeln mit einem schiefen Grinsen, die Arme locker vor dem Körper verschränkt. Er strahlte vor Selbstbewusstsein, wirkte selbstsicher. "Ich bin Ralden."
"Gut... Ralden."
Centis stellte den Eimer samt Lappen beiseite, richtete sich auf und grinste ebenfalls leicht. Es war angenehm, jemandem gegenüberzustehen, der sich so locker und natürlich hielt, besonders verglichen mit seinen piekfeinen Geschwistern. Centis mochte ein paar Jahre unter solchen Leuten gelebt haben, doch gefallen hatte ihm das nicht - und die seidenen Kleider, in die man ihn gezwängt hatte, waren bei weitem nicht der einzige Grund gewesen. Ralden nahm ihm mit diesem Grinsen allein ein wenig von seiner Vorsicht, was angenehm war - aber zugleich gefährlich. Wenn man tagein tagaus mit der Sorge leben musste, beim Umkleiden gesehen zu werden oder am falschen Tag im Monat eine helle Hose zu tragen, wenn ein in der falschen Tonhöhe hervorgebrachtes Wort die eigene Identität kosten konnte, konnte es nicht zu viel Achtsamkeit geben.
"Ich sollte nicht weiter stören", fügte Centis also schnell hinzu, strich sich kurz durchs stachelig abstehende, rotbraune Haar. "Ich hoffe, es schmeckt."
Ralden schnalzte mit der Zunge, lachte heiser auf und musterte Centis, den verschwommenen Fleck vor sich nochmal. Zumindest schien die Silhouette einigermaßen angenehm zu sein. Mehr konnte Ralden nicht sagen, nur dass er den Burschen da nicht von der Bettkante stoßen würde.
"Ich weiß nicht", ein gestimmter Spott schwang in seiner Stimme mit, Spott gegen sich selbst gerichtet, "mir steht irgendwie nicht der Appetit nach so etwas profanem."
"Sondern?" Der Tonfall ließ Centis aufhorchen, instinktiv eine Verteidigungshaltung annehmen. Er war nicht dumm, er wusste genau, was es bedeutete, wenn er diese Worte hörte. Und während er sich eingestehen musste, dass ihm die Vorstellung, sich mit diesem durchaus attraktiven Mann - das Geschlecht seiner Partner hatte ihn nie gekümmert - zwischen den Laken zu wälzen, nicht unangenehm war, war er sich ebenfalls bewusst, dass es hochgradig riskant wäre. Es war sicherer, den Unwissenden zu spielen.
"Soll ich etwas anderes holen?"
Ralden konnte ein wölfisch anmutendes Grinsen nicht unterdrücken, er neigte sich leicht vor.
"Bist du etwa scheu?"
"Nicht wirklich, nein!" Centis’ Stimme klang schärfer als sonst. Scheu, das war er wirklich nicht, auch nicht ängstlich. Nur vorsichtig. Wachsam. Langsam bewegte er sich mit dem Rücken Richtung Tür, ließ Ralden keinen Moment aus den Augen. "Und überhaupt: Wollt Ihr... willst du nicht eher eine Frau?"
Schlecht. Er begann, abzutasten, zu verhandeln. Anstatt einfach zu gehen und die verstrichene Gelegenheit zu bedauern, bis er es irgendwann als die richtige Entscheidung betrachten konnte. Sein letztes Erlebnis dieser Art war nicht schön gewesen - selbst manche Huren waren irritiert und wussten nicht, was sie mit dem anfangen sollten, was sie vorfanden, wenn sie Centis aus seiner schützenden Kleidung zogen. Wie konnte er erwarten, dass ein Mann aus gutem Hause sich anders verhalten würde?
Und trotzdem ... er hörte in seinem Kopf eine Stimme, die fragte, was denn schlimmstenfalls passieren könnte. Was ein ungebetener Gast ihm denn anhaben könnte - und warum er überhaupt ein Interesse daran haben würde. Eine dumme Stimme, aber verlockend.
Gleichgültig zuckte Ralden mit den Schultern. Er hatte nie wirklich verstanden, was dieses ganze Drama um das Geschlecht sollte. Man konnte mit Männern und Frauen gleichermaßen berauschende Lust erfahren, beide hatten ihre Vorteile.
"Es ist mir ehrlich gesagt egal." Der Kristallelf legte den Kopf schief, verfluchte, dass er die Mimik des anderen nicht lesen konnte. "Ich mag Männer und ich mag Frauen."
Ein dunkler Schatten legte sich auf Centis’ Gesicht, doch er blieb stehen. "Ich glaube nicht, dass du mögen würdest, was es bei mir zu sehen gibt."
Männer und Frauen, Schwarz und Weiß. Entweder war man das eine oder das andere, nie aber beides zugleich. Man konnte beides mögen und trotzdem abgestoßen sein, wenn jemand zwischen den Grenzen wanderte. Sie verstanden Centis nicht - und wie konnten sie das auch, er verstand selbst nicht, was nicht mit ihm stimmte. Er verstand nur, dass es selten erwünscht war.
Spätestens jetzt war Raldens Jagdtrieb angestachelt, er leckte sich die Lippen, schlenderte scheinbar lässig und stand dann so, dass er Centis den Fluchtweg abschnitt.
"Was macht dich so sicher?", dunkel klang seine Stimme, rau wie von einem Reibeisen bearbeitet. Hier ging es nicht mehr länger nur um Lust, hier ging es um viel mehr. Neugierde, den Drang ein scheinbar dunkles Geheimnis aufzudecken. "Kennst du mich etwa?"
"Nein, ich kenne dich nicht", antwortete Centis und begriff, dass er jetzt wohl nur noch durch Schreien und Bitten aus dieser Situation kommen würde. Und vielleicht war das gut so, denn auf diese Weise musste er sich nicht mehr entscheiden, ob er diesem Lächeln, dieser Stimme, die ihm Schauer über den Rücken jagte, widerstehen oder nachgeben sollte. Oh, wenn eine Stimme alleine Lust bereiten könnte, dann würde Centis jetzt schon keuchend und wimmernd auf dem Boden liegen.
Doch er hielt sich noch einen Moment, nahm eine gerade Haltung an und fragte:
"Aber wer garantiert mir, dass du deine Meinung nicht änderst und mich anschwärzt, wenn dir etwas nicht passt?"
"In diesem Haus würde man mir nicht einmal glauben, wenn ich handfeste Beweise vorlege." Ralden verdrehte innerlich die Augen aufgrund der Sturheit seines Bruders, der geifernden Engstirnigkeit seiner Schwester. Er näherte sich langsam, träge. Beinahe schon lasziv.
Das könnte der Wahrheit entsprechen. Centis hatte nur Bruchstücke mitbekommen, aber er wäre ein Hohlkopf, wenn er nicht gemerkt hätte, wie sehr Lord Hughes von seinem Gast abgeneigt war. Angeekelt schien er sogar zu sein, von seinem eigenen Bruder.
"Also gut." Centis gab seine Verteidigungshaltung auf. Stattdessen trat er einen Schritt auf Ralden zu, streckte die Arme nach ihm aus und schlang sie um seinen Oberkörper.
"Aber ich schwöre dir", fügte er warnend hinzu, "wenn du irgendwas in der Richtung versuchst, breche ich dir jeden Knochen im Körper!" Dann beugte er den Kopf vor, suchte mit einer Entschlossenheit die fremden Lippen, die im harten Kontrast zu seiner bis gerade abweisenden, zögernden Art stand. Er fühlte sich nicht gerade weniger unsicher, aber es war einfacher so. Er würde schneller wissen, woran er war, falls da Schmerz oder Abweisung sein würden, würde er beides nicht erst nach einer gefühlten Ewigkeit sanfter Spielereien spüren.
Raldens Antwort auf den Kuss war nicht sanft oder verspielt. Er war ein rauer Mann, mit Ecken und Kanten, er spielte nur selten sanft und vor allem hier schien es weder angebracht noch stand ihm der Sinn danach. Sein Kuss war mehr ein Ringen um Dominanz, als eine Liebkosung, er fuhr mit geschickten Händen am Körper des anderen herab, öffnete die Verschlüsse der Kleidung so lange seine Hände noch einigermaßen ruhig waren.
Centis ließ sich auf den Kampf ein. Warum auch nicht? Es gab ihm etwas zu tun, das Adrenalin, das durch sein Blut schoss, lenkte ihn ab von Nervosität und Anspannung. Er presste seinen Mund gegen Raldens, bis er schmerzte, zwang die Zunge zwischen seine Lippen und versuchte, mit aller Kraft, die andere niederzuringen. Er zerrte an dem leichten Wams, spürte darunter schon die harten, ausgeprägten Muskeln am Körper des Elfen. Ralden verströmte Stärke, rohe Kraft, Centis konnte sie schmecken, riechen, fühlen. Und ja, das war es wohl was er als so anziehend empfand, mehr noch als das schöne Gesicht und die verführerische Stimme.
Grollend zog Ralden sich zurück, streifte sein Wams ab, warf es achtlos auf den Boden und stieß Centis zurück, bis er gegen das Bett stolperte, sich beinahe setzen musste. Ihn störten die alten Narben und die Bandagen nicht, zumal er letztere bereits zu lösen begann.
Mit rauen Lippen und Zähnen wanderte Raldens Mund am Hals des anderen herab, hinterließ eine Spur aus langsam dunkler werdenden Flecken und stieß Centis dann, der Bandagen beraubt auf das Bett war auf Knien und Händen über dem anderen. Kurz lehnte Ralden sich zurück, starrte mit starren, geröteten Augen auf Centis herab. Wie eine Schlange legte er den Kopf schief und dann schlich sich ein gieriges Funkeln in das Hellgrün.
Die hellen, verblassten Narben mit den Zähnen und der Zunge nachfahrend schloss Ralden dann die Lippen um eine Brustwarze, neckte und reizte, bis es beinahe schmerzen musste, eine Hand wanderte tiefer, zog am Saum der Hose, die andere jedoch umfasste weiches Fleisch, oh er ahnte das dunkle Geheimnis des Centis' bereits.
Es entlockte ihm ein dunkles Kichern.
Keuchend wand Centis sich, es ging alles so berauschend schnell, dass er gar nicht wusste, ob er sich freuen oder beängstigt sein sollte. Da war kein Zaudern gewesen, keine Sekunde des Zögerns, der Verwirrung, des betretenen Schweigens. Dieser Moment, der über Ablehnung oder Zurückweisung entschied, der ihm so schmerzlich vertraut war - er fehlte einfach. Stattdessen hockte Ralden nun über ihm, erkundete durch Hände und Lippen seinen Körper, als hätte er schon gewusst, dass es kein männlicher sein würde. Als wäre es ihm wirklich so egal, wie er gesagt hatte. Etwas, das schwer zu glauben und zugleich unglaublich erleichternd war. Und ihn weit genug entspannte, dass er sicher war, alles kommende genießen zu können.
Zittrig schob er die Hände in Raldens Nacken, verflocht die Finger mit weichem Haar, während es schien, als wolle sein Herz bersten. Er spürte harte Zähne, weiche Lippen, eine feuchte Spur durch die flinke Zunge und ein festes, forderndes Saugen an seiner Brust, stieß ein heiseres Grollen aus. Und als Centis aufblickte in Raldens Gesicht, das breite, verheißungsvolle Grinsen und die Augen, verschlingendes Grün auf rotem Grund, anschaute, wusste er, dass er mehr davon wollte. Dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Ralden ließ erst ab, als er meinte, dass die dunkle Haut gleich reißen würde. Er hob den Kopf, küsste sich über die Brust und Bauch tiefer, streifte die Hose Centis' ab und kicherte auf, sich zwischen den vernarbten, gebräunten Schenkel niederlassend sah er auf, grinste breit.
"Was für eine angenehme Überraschung~"
Centis, bis gerade noch still bis auf den ein oder anderen Seufzer, schaudernd unter Raldens Küssen, knurrte nun leise auf. Der Unwille über diese Worte stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, überschattete einen Moment lang sogar das Verlangen, und sein Bein zuckte leicht, wie aus Reflex, dem anderen Mann ins Gesicht zu treten. "Hoffentlich kann ich das gleich auch über dich sagen."
Dieses Abwehrende, Aggressive - es kam in solchen Momenten nahezu immer hoch. Und es lag noch nicht einmal daran, dass Centis etwas dagegen hatte, wenn jemand seinen Körper bewunderte, liebkoste oder mit Komplimenten bedachte. Im Gegenteil, dass Andere die Dinge an ihm mögen konnten, die er selbst an sich hasste und verachtete, erschien ihm manchmal wie ein kleines Wunder. Doch es kam mit einer bestimmten Angst, der Furcht, man könne nicht mehr in ihm sehen als ein Mädchen in Männerkleidern. Ihn nicht anders behandeln als ein Mädchen in Männerkleidern.
Eine Zeit lang hatte er geglaubt, das würde es einfacher machen. Er hatte sich aus dem Haus und ins Hafenviertel geschlichen, ein Kleid angelegt und sich mit Männern eingelassen, in der Hoffnung, seine Lust bei Fremden stillen zu können, die er ohnehin nie wieder sehen würde. Hatte sich benommen, wie er glaubte, dass ein Mädchen sich wohl benommen hätte, um jemanden für die Nacht zu gewinnen - und es hatte funktioniert. Doch es war nicht gut gewesen.
Er hatte dort gelegen und die Männer machen lassen, doch immer hatte er sich vorgestellt, wie viel besser es gewesen wäre, wären ihre Rollen vertauscht gewesen, hätte er in ihren Leibern gesteckt. Und danach hatte er sich immer schlechter gefühlt als vorher. Irgendwann hatte er damit aufgehört, alle Kleider verbrannt, die er noch besessen hatte und von da an Zurückweisungen, Unverständnis und das Risiko der Enthüllung in Kauf genommen. Auf diese Weise hatte er sich wenigstens nicht selbst verraten müssen.
"Sh, Junge, mein Gesicht alles das ich habe, ramponier mir das doch nicht auch noch." Ralden kicherte gegen die straffe Haut, die warme Innenseite des Oberschenkels, grinste breit und wackelte dann leicht mit den Augenbrauen, während seine Finger das letzte Stück Stoff entfernten, prompt auf gekräuseltes, feuchtwarmes Haar stießen. "Außerdem glaube ich nicht, dass du diese Erfahrung verpassen willst."
Und damit war Raldens weißer Haarschopf zwischen Centis' Schenkeln abgetaucht, sein Mund und seine Zunge sich munter an dem heißen Scheitelpunkt zu schaffen machten.
Diese Worte besänftigten Centis dann doch ein wenig. Zumindest schwand ein guter Teil der Sorge einfach durch die Art, wie Ralden ihn "Junge" nannte. Und wie sich nun herausstellte, behielt er auch darin Recht, dass Centis diese Erfahrung nicht verpassen wollte.
Hatte er bis gerade noch vermutet, Raldens Stimme würde sich als das Beste seiner erotischen Werkzeuge herausstellen, musste er nun einräumen, dass diese Beschreibung wahrscheinlich eher seiner Zunge oder seinem gesamten Mund zukommen würde. Denn die Art und Weise, wie er sein Fleisch liebkoste, es durch gezieltes Lecken und leichtes Saugen reizte, war nahezu unbeschreiblich. Stöhnend, die Lippen zu einem O geformt, krallte Centis sich im Laken fest, schlang die langen, schlanken Beine eng um Raldens Oberkörper, um irgendeine Art von Halt zu finden. Fest drückte er sein Gebiss zusammen, presste irgendwann die Hand vor den Mund, um die Laute des Verzückens zu dämpfen, die ungehindert aus seiner Kehle sprudelten. Um sich nicht an den Rest des Hauses zu verraten.
Sich wie ein hungriger Wolf die Lippen leckend sah Ralden auf, hob den Kopf und seine Zähne blitzten auf, er grinste breit.
Die Matratze senkte sich, er beeilte sich seine vor allem vorne zu enge Hose abzustreifen.
"Wie willst du es haben, Kleiner", grollte er, doch selbst der Spott diente nur als Aufforderung, die Wünsche zu äußern.
"Muss ich kämpfen, um oben zu sein?", fragte Centis heiser und setzte sich halb auf, ganz zittrig noch von Raldens Zungenspiel. Alles in ihm schrie danach, sich mehr zu nehmen, und wenn er darum ringen musste, würde er das in Kauf nehmen. Alles würde er dafür in Kauf nehmen. Selbst das Kräftemessen mit einem Mann, der ihm vermutlich überlegen war.
Oder gerade das.
"Wenn ich ja sage, läufst du dann weg?" Ralden lächelte und spannte unterschwellig die Muskeln an, in seinem Körper kribbelte Vorfreude er hatte es gern, wenn man sich auch im Bett, vor allem im Bett sein Recht erkämpfen musste.
Centis erwiderte das Lächeln, scheu huschte es über seine Lippen und verweilte einen kurzen Augenblick dort. Dann nahm er eine etwas konfrontativere Haltung an und antwortete:
"Nein. Ich bin kein Feigling." Und gehen wollte er nicht mehr. Nicht jetzt, wo er den Eindruck hatte, dass es... wirklich gut sein würde. Richtig für ihn.
"Und ich bin neugierig." Ralden grinste erneut und neigte sich vor drückte mit seinem Körper gegen Centis', bereit den anderen auf die Matratze nieder zu drücken. "Hol dir was du willst, wenn du kannst."
Centis brummte leise ein undeutliches Wort, von dem er selbst nicht wusste, ob es Zustimmung oder Abwehr bedeuten sollte. Aber jetzt gab es jedenfalls kein Zurück mehr. Und das war auch gut so, denn wann hatte er zuletzt eine solche Vorfreude gespürt, eine solche positive Spannung, Neugierde?
Er stützte sich an der Matratze ab und stemmte sich gegen Ralden, leicht noch, abschätzend. Er fühlte wie sich die hellere Haut des Elfen gegen die eigene schmiegte, warm und rauer. Er spürte vernarbtes Gewebe, nicht unähnlich dem eigenen, doch viel schlechter verheilt. Angespannte, harte Muskeln, die sich gegen seinen Körper drückten. Stärke, die es zu überwinden galt...
Einen kurzen Moment lang genoss Centis dieses Gefühl, kostete es ganz aus. Dann schlang er ein Bein um Raldens Hüfte, verlagerte sein Gewicht auf die Hände und stieß sich von der Matratze ab, warf sich kraftvoll gegen ihn, in dem Versuch, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und umzudrehen.
Ralden zischte auf, ehe er die Arme um Centis' Taille schlang, für einen Moment saß er, mit Centis auf dem Schoß, doch dann kippte Ralden unter lautem Fluchen zur Seite, blinzelte überrascht auf und grinste dann.
"Nicht schlecht", grollte er.
Erneut entgegnete Centis das Grinsen, diesmal etwas länger, beflügelt von dem kleinen Triumph, ihn überrascht zu haben. Dann legte er die Hände auf Raldens Schultern, drückte ihn daran nach unten. Er zog in Erwägung, dieses kantige und vom Leben gezeichnete, ohne dabei alt wirkende Gesicht zu küssen, doch er entschied sich dagegen. Für diesen Moment zumindest.
Gleichzeitig rutschte er auf seinem Schoß hin und her, suchte nach einer günstigen Position für sich selbst. Verführerisch rieben ihre Unterleiber aneinander und mit Genuss spürte Centis Raldens hartes, lüsternes Fleisch den eigenen Oberschenkel streifen. Er war mehr als bestrebt, der Aufforderung des anderen Mannes nachzukommen, sich zu nehmen, was er wollte, doch er war sicher, dass er es ihm nicht so einfach machen würde.
Ralden gurgelte leise auf, biss die Zähne zusammen und griff fest um die Arme des anderen zog an ihnen und brachte ihre Gesichter ganz nah aneinander.
"Gar nicht schlecht.", in fließend schnellen Bewegungen war Ralden wieder oben, rieb ungeniert den Unterleib an Centis.
"Du auch nicht", antwortete Centis atemlos, starrte in blutunterlaufene, grüne Augen. Mit gespreizten Beinen und an den Armen aufs Bett genagelt lag er einen Moment ruhig da, als hätte er aufgegeben. Aber so schnell gab er sich doch noch nicht geschlagen. Heiß rauschte das Blut durch seine Adern, laut in seinen Ohren. Die Aufregung und Anstrengung gab der Lust eine besondere Würze und Raldens Unbefangenheit stachelte ihn zu mehr Mut an.
Ein schneller, plötzlicher Ruck ging durch seinen Körper und es gelang ihm, wenigstens einen Arm zu befreien und gegen Raldens Brustkorb zu pressen. Wie eine Schlange wand er sich und es gelang ihm, sich halb unter Ralden hervorzuziehen, seinen Oberschenkel zwischen die eigenen Beine zu klemmen. Ein süßer Schauer rann zur Belohnung über seine Haut, als die empfindliche Haut zwischen seinen Lenden dabei gereizt wurde.
Knurrend senkte Ralden sein ganzes Körpergewicht auf Centis, nagelte den so unter sich fest, küsste und biss in seinen Hals, bis rote Striemen und blaue Flecken auftauchten, die empfindlichen, harten Brustwarzen zwischen zwei Fingern einer Hand rollte, neckte, reizte.
Centis stöhnte rau auf und genoss einen Moment lang die wundervollen Empfindungen, die auf ihn einströmten. Die unnachgiebigen Liebkosungen seiner kleinen Brüste, die rohen, mit einem seichten Hauch von Schmerz versüßten Küsse an seinem Hals...
Dann nahm er den Kampf wieder auf, setzte jedoch nicht nur auf schiere Kraft, sondern auch auf Ablenkung. Und diese hoffte er, zu erreichen, indem er Raldens Gesicht zwischen die Hände nahm, heranzog und mit einer Leidenschaft seinen Mund küsste, die seine Lippen wund scheuerte und ihn selbst überraschte. Gleichzeitig wanderte seine Hand am Körper des Elfen herab, über Brust und Bauch, zum Schritt, und legte sich schließlich dort in festem Griff um sein Glied.
Gierig stieß Ralden mit der Hüfte vor, der Hand entgegen, während er eine eigene Hand in das kurze, stachlig anmutende Haar krallte, mit Zähnen und rauen Lippen den Mund eroberte.
Atemlos erwiderte Centis den Kuss, hielt gegen Raldens drängende Vorstöße. Er presste die eigene Zunge gegen seine, ließ nur widerstrebend zu, dass er sie niederrang, besiegte und sich an ihr weidete. Mit der Hand machte er pumpende Bewegungen, heizte den Elfen auf, lullte ihn ein, machte ihn unvorsichtig vor Verlangen. Und mit den Beinen klammerte er sich an Raldens Körper fest, bis er die Spiele nicht länger ertrug, die ständig auf ihn einflutenden Reize ihn fast in den Wahnsinn trieben. Er wollte mehr, er wollte so viel mehr, er brauchte es, er fühlte sich, als würde er unter diesem Druck platzen. Und genau diese Anspannung war es, die ihm die Kraft gab, sich wie ein zuckender Aal unter Ralden hervorzuwinden und ihn herumzuzwängen, bis er selbst auf ihm saß, sich mit einem leichten Grinsen zu ihm herabbeugte und flüsterte:
"Wenn wir beide nicht schlecht sind, sollten wir herausfinden, wer besser ist."
Und genau das taten sie.
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