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Die Jahre 526 bis 530 »
Sommer 529 »
01. Vergebung
- sexuelle Darstellungen
Der Himmel war an diesem Nachmittag wolkenverhangen, als Kalas den Jahrmarkt erreichte.
Trocken war der Boden von wochenlanger Hitze, gelblich und brüchig das an dieser Stätte weitgehend plattgetretene Gras. Doch heute war es etwas kühler als die Tage zuvor und am Horizont zog eine dunkle Front auf, eine Spannung lag in der Luft.
Ein Gewitter würde es geben und Kalas hatte keinen Zweifel daran, dass sich alles Wasser, welches der Himmel der Welt diesen Sommer bislang verwehrt hatte, bald auf die Erde ergießen würde.
Wahrscheinlich war es kein kluger Zug gewesen, ausgerechnet am ersten Tag herzukommen, an dem der Jahrmarkt vor den Toren Brightgales verweilen würde.
Aber einen weiteren Tag des Wartens hätte er nicht ertragen.
Kalas verzehrte sich so sehr nach einer festen Umarmung, nach innigen Küssen, nach heißem Atem auf seiner Haut. Er vermisste Madeens Gesicht, hatte es seit seinem letzten Besuch bereits vermisst. Bereits im vergangenen Jahr hatte er erneut zu ihm kommen wollen, um es ihm zu sagen, ihn darum zu bitten, einen Neuanfang zu wagen.
Leider hatte seine Lunge diesen Plan durchkreuzt, hatte ihn von einem Tag auf den nächsten ans Bett gefesselt und als er wieder bereit gewesen war, aus dem Haus zu gehen, war der Jahrmarkt bereits weitergezogen. Nicht aber die Sehnsucht. Wenn überhaupt war sie schlimmer geworden, gewachsen, hatte ihn in diesem Jahr mehr geplagt als sein Hals ...
"Madeen?", rief Kalas leise ins Zelt hinein. Leiser, zögerlicher, als er es wollte.
"Hier hinten", erklang die gedämpfte Antwort, drang schwach von hinter dem Vorhang hervor. Madeen ächzte, stützte sich auf den Rand der Truhe und zog das Kleidungsstück von ganz unten hervor. Sämtliche kleinere Besitztümer klirrten, fielen auf den Boden der Kiste oder in den abgenutzten, undefinierbar gefärbten Teppich, der den Boden von Madeens Zelt bildete.
Die Robe war etwas zerknittert, aber keineswegs so sehr, dass er sie nicht tragen konnte.
Langsam näherte Kalas sich, trat klopfenden Herzens hinter die Trennwand und verharrte dort in der Bewegung.
"Störe ich?", fragte er, als er sah, wie Madeen eine seiner Robe zwischen den Händen hielt, offenbar im Begriff, sie anzuziehen.
Und jetzt?, fragte er sich selbst stumm. Er war hier, Madeen war hier, doch mit einem Mal schienen alle klug gewählten Worte unpassend.
"Niemals." Madeen grinste breit und sah über die Schulter zu Kalas. Er freute sich, sehr sogar, denn der Lord war wieder da. Die Robe fallen lassend, wirbelte der Wahrsager herum, lächelte ihn breit an, ehe er sein Lächeln abrupt dimmte. War er schon wieder zu stürmisch, zu abrupt?
Ein leises Lächeln umspielte Kalas’ Lippen.
Er dachte darüber nach, in genau diesem Moment auf den Wahrsager zuzugehen und ihn in die Arme zu schließen, zu küssen.
Aber dafür fehlte ihm der Mut.
"Dann bleibe ich."
Und währenddessen würde er hoffentlich einen Weg finden, sich Madeen zu offenbaren.
Ihm zu sagen, dass er ihn noch immer wollte. Dass er jedes Jahr wiederkommen wollte, um mit ihm zusammen zu sein.
"Dann setzt Euch." Madeen deutete auf die weichen Kissen, lachte auf und hob seine Robe erneut auf, stopfte die Robe in die Truhe zurück. Er atmete tief durch, ehe er sich ebenfalls auf einem Kissen niederließ, mit ruhigen, beinahe geheiligten Bewegungen die Kräuter für den Tee zusammenmischte, alles dann aufsetzte und - sich dann kurz erhebend, einige Schritte zur Seite gehend - auf das Nahe Kohlebecken stellte. Sobald Madeen erneut auf seinem Kissen saß, entzündete er seine Wasserpfeife erneut, sog blubbernd den süßen Rauch ein. Obwohl er nur seine schlichte, offene Alltagskleidung trug, hatte er ein wenig seiner spöttischen Lässigkeit zurück gewonnen, doch war nicht mehr so aggressiv lasziv. "Nun, Mylord. Wieder ein anstrengendes Jahr?"
"Nicht anstrengender, als all die anderen."
Kalas setzte sich ebenfalls.
"Allerdings werden die Kinder langsam älter..."
Er verstummte und senkte den Kopf, schaute auf seine Hände.
Er war nicht hergekommen, um Madeen Geschichten über seine heranwachsenden Kinder zu erzählen. Er war aus einem völlig anderen Grund hier.
"Ich... habe viel nachgedacht, Madeen", fuhr er leise fort, "und ich..."
Er zog eine Münze hervor. Eine goldene.
"... ich würde dir gerne sagen-"
"Mad? Mad, bist du da?"
Eine junge Frau betrat das Zelt, dunkelhaarig, dunkeläugig, mit brauner Haut, die von ziemlich wenig Kleidung bedeckt wurde - Kalas erkannte sie vom Vorjahr, erinnerte sich allerdings nicht an ihren Namen.
"Suraya." Madeen nahm einen weiteren, langen Zug von seiner Pfeife. Er hätte nicht gedacht, dass er seine beste Freundin einmal für eine Liebschaft in die Hölle hätte schicken können. Nun allerdings, nun stellte sich dieses Bedürfnis ein. Seine Finger krallten sich leicht in das Holz seines Mundstücks. Die Münze blitzte munter, fröhlich neben Kalas Hand auf dem dunklen Untergrund des Tisches, verlockend.
"Glaubst du das!? Sie haben meinen Auftritt für heute Abend abgesagt!
'Kommen nicht genug Leute bei dem Wetter.'
Als ob es für die einen Unterschied machen würde. Die müssen sich ja nicht die Mühe machen, mit ihren Ärschen zu wackeln, um ihre Schulden-"
Suraya unterbrach sich selbst, als sie Madeens Besucher bemerkte, der sie aus weiten Augen mit einem etwas schockierten Blick bedachte.
"Oh, Besuch."
Schlagartig wurde ihr Lächeln süß und sie ließ sich auf einem dritten Kissen nieder.
"Ich störe doch nicht?"
"Ganz und gar nicht", antwortete der Herr, der es ihrem Freund so angetan hatte. Vielleicht würde sie heute auch erfahren, warum ihm das gelungen war. Am Aussehen alleine konnte es nicht liegen, schließlich war seine Schönheit nicht atemberaubend und außerdem schon am Verwelken.
Dieses Weib hat mehr Glück als Verstand.
Diese Worte schossen durch Madeens Kopf, denn der Teekessel verlangte im hinteren Teil des Zeltes seine Aufmerksamkeit. Andernfalls hätte er Suraya mit scharfen Worten darauf hingewiesen, dass sie nachdenken sollte ehe sie plapperte.
"Ich nehme an, wenn ich dir keinen Tee anbiete, nimmst du mir nur meine Tasse weg?", fragte Madeen von dem hinteren Teil des Zeltes aus, kramte seine drei Tassen aus dem Kästchen in dem er sein weniges Besteck aufbewahrte. Alles zusammen wurde vorsichtig auf den niedrigen Tisch abgestellt, Madeen goss in jede Tasse ein wenig des violettroten, süß duftenden Tees.
"Ich muss mehr als nur 'Arsch wackeln', Su."
"Das stimmt", lachte Suraya. "Du musst ihn schön ausstrecken und dehnen, nicht?"
Der blonde Mann fühlte sich bei diesem Kommentar sichtlich unwohl, also fügte sie rasch hinzu:
"Du bist für die... Karten hier? Lasst euch von mir nicht stören.
Ich halte den Mund schaue einfach zu beim ... Kartenlegen."
"Ha ha." Madeen lachte. Doch klang es so hart und sarkastisch, als hätte er die Silben absichtlich falsch betont. Er nippte an seiner Tasse, traute sich plötzlich jedoch nicht mehr in Kalas' Augen zu sehen. Als könnte man in ihnen den Anspruch lesen, den Madeen zu gerne gehabt hätte. Doch nie haben würde. "Weder mein Gast noch ich selbst sind für deine Witze in der richtigen Stimmung, liebste Suraya."
"Oh, ich mache keine Witze, liebster Madeen."
Die Stille, die nach diesem Satz herrschte, aber auch das Grinsen der Frau, machten Kalas unruhig. Er blickte kurz hilfesuchend zu Madeen, ehe er sich seiner Besucherin zuwandte und höflich - in der Hoffnung, dies später nicht zu bereuen - fragte:
"Womit verdient Ihr Euer Geld, Suraya?"
Sie verdrehte die Augen.
"Ich hab doch schon letztes Jahr gesagt, dass du diese Höflichkeit wegstecken kannst. Und dass ich Schnaps verkaufe.
Außerdem tanze ich... wenn das Wetter den Sklaventreibern hier schön genug ist."
"Sei nicht so bissig, meine Teure, Lord Dewside hier ist ein Mann mit Manieren." Madeen grinste eine schwächere, nicht ganz so provokant spöttische Version seines Markengrinsens. Mit einem Augenzwinkern trank Madeen seine Tasse leer, griff dann wieder nach seiner Wasserpfeife.
"Echt? Wie hält er es dann in einem Zelt mit dir aus?"
Grinsend nippte sie an ihrem Tee und dabei fiel ihr auf, dass Lord Dewside seinen noch nicht angerührt hatte. Nur dann und wann einen nachdenklichen Blick auf die Tasse warf, die Finger immer wieder kurz danach ausstreckte, um sie wieder sinken zu lassen.
"Oder habe ich einfach nicht mitbekommen, dass man dich zum Sinnbild der Manierlichkeit ernannt hat?"
"Ich bin ein sinnlicher Anblick. Das reicht doch." Madeen lachte heiser auf, blies neckend einen Rauchkringel in Surayas Richtung. In seinen blau violetten Augen blitzte der Schalk auf. "Sind wir das nicht alle? Su? "
"Du hast vom Aussehen was zu bieten, das kann man wohl sagen."
Suraya beschloss, dass es fürs Erste genug war. Sie würde später weiterbohren können. Oder...
Es kostete sie große Mühe, ein breites Grinsen zu unterdrücken, versteckte es hinter ihrer Teetasse, welche sie in einem Zug leerte. Oh ja, sie wusste, was sie tun würde. Und es würde ihr ein Vergnügen sein - auf mehr als einer Ebene.
"Nun, ich will nicht weiter stören."
Sie zwinkerte Lord Dewside zu, während sie sich erhob.
"Lass dir schön die Karten legen und vielleicht wird es ja dieses Jahr etwas mit dem Schnaps. Oder Likör. Was du eben magst. Ich habe einiges im Angebot."
Dann verließ sie die beiden. Oder gab es zumindest vor.
"Diese Teufelin. Bestimmt hat ihr Gatte sie nur aus der Hölle geworfen weil sie so manneshungrig ist." Madeen lachte erneut auf und schüttelte den Kopf. Dann wandte er den Blick wieder zu dem Lord. Madeen merkte wie sein Herz sich vor Reue zusammen zog, als er der noch vollen Tasse vor Kalas gewahr wurde. Etwas musste sein Gesicht verraten haben. Zumindest fühlte es sich so an.
Kalas lächelte leicht.
"Sie scheint eine gute Freundin zu sein", sagte er sanft, aber seine Stimme wurde leiser und erstarb schließlich, als er in Madeens Augen schaute, die Traurigkeit darin sah. Er wusste nicht genau, was in diesem Moment in ihm vor sich ging, doch er ahnte, dass es etwas mit der Vergangenheit zu tun hatte. Spürte, wie die Mauer sich zwischen ihnen wieder aufbaute.
Und er wusste nicht, wie er das aufhalten sollte.
Nervös spielte er mit seiner noch immer vollen und langsam abkühlenden Tasse, konnte sich nicht dazu durchringen, sie an die Lippen zu heben.
"Madeen, ich..."
"Schon gut." Müde winkte Madeen ab. "Solche Erfahrungen prägen das ganze Leben."
Lange starrte Kalas auf die eigenen Hände hinab. In den klaren, rötlichen Tee. Überall hin, nur nicht in Madeens Gesicht.
"Ich möchte nicht mehr darüber sprechen", sagte er irgendwann leise. "Aber ..."
Schließlich rang er sich doch dazu durch, zu ihm aufzuschauen.
"... ich möchte auch nicht, dass es weiter zwischen uns steht.
Ich möchte, dass es wieder so wird wie vorher."
"Das vorher hat uns genau in diese Situation gebracht, Kalas", erwiderte Madeen ehrlicher als man es von ihm gewohnt war. Aber dann, dann kehrte langsam wieder ein Hauch seines bekannten, spöttischen Lächelns zurück. "Allerdings... habe ich Nichts gegen einen Neuanfang."
"Ich auch nicht."
Mit steigendem Mut entgegnete Kalas das Lächeln, allerdings völlig ohne Spott.
"Zumindest dann nicht, wenn es uns nicht wieder an diesen Punkt zurückführt."
Madeens Blick wurde weicher, er erhob sich langsam, mit lasziv schwingendem Körper verschwand er durch den Vorhang in den hinteren Teil des Zeltes, warf ein Lächeln wie eine unausgesprochene Einladung über die Schulter zurück.
Er hoffte so sehr, dass Kalas die Einladung in sein Bett annehmen würde, dass er ihn wieder so nahe haben, spüren durfte.
Kalas zögerte.
Dann trank er den süßlichen, nun kühlen Tee aus.
Und dann folgte er Madeen.
Er hatte Angst gehabt, große Angst. Angst vor Zurückweisung, Angst davor, nur benutzt zu werden. Aber diese Angst war nun verflogen, der letzte Zweifel beseitigt.
Er wollte Madeen, er wollte ihn mehr denn je.
Kaum dass Madeen spürte, dass der andere ihm gefolgt war, wirbelte er herum, schlang die Arme um Kalas und streckte sich, zog ihn gnadenlos zu sich herab, küsste ihn mit einer immensen Gier, mit dem alten Feuer, entfacht von neuer Glut. Seine dunklen, schlanken Finger öffneten ungeduldig Kalas’ Haare, seine Kleidung, strichen wesentlich sanfter als beim letzten Mal über freigelegte, helle Haut.
"Jetzt lasse ich dich nicht mehr gehen", murmelte Madeen mit violettschimmernden Augen, mehr als nur Lust im Blick. "Ich hab das zu sehr vermisst."
"Das habe ich auch", antwortete Kalas leise, atemlos. "Ich will nie wieder gehen."
Er half Madeen aus seinem Hemd, widmete sich seiner Hose, wurde sich dabei bewusst, wie ungewohnt es war, dass er diesmal keine Roben trug. Das war aber auch das einzige, was sich verändert zu haben schien.
Kalas fühlte keine Falte, keine Unebenheit auf der glatten, dunklen Haut des Wahrsagers, sah kein einziges graues Haar unter den vielen schwarzen, als er seine Finger hindurchgleiten ließ.
Elfenblut war ein beneidenswertes Merkmal.
Mit einer Kraft, die man ihm gar nicht zugetraut hätte, wirbelte Madeen sie beide um, grinste breit und ließ sich den letzten Rest an Kleidung abstreifen, nutzte es um Kalas' Hose zu öffnen, einmal über dessen Länge zu streichen, neckend. Er wollte mehr, jetzt gleich sofort.
"Ah, ich freue mich schon." Der Wahrsager grinste, drückte den Lord auf das Bett nieder und küsste ihn gierig, feurig.
Kalas’ Antwort wurde von Madeens hungrigen Lippen erstickt.
Und vielleicht war das auch gut so, denn je weniger sein Gehirn damit beschäftigt war, Worte zu formen, desto mehr konnte er fühlen. Madeens leichten Körper auf seinem eigenen, den schweren, weichen Mund.
Und natürlich das Versprechen, dessen Erfüllung nun lockte, das, was von alldem hier verheißen wurde.
Enger zog Kalas ihn an sich, spreizte die Beine und schlang sie um Madeens Hüften.
Ah~ Abenteuerlustig ist der Lord?
Amüsiert hoben sich Madeens Augenbrauen, doch ihm war es nur recht, so konnte er sich bei Kalas einmal revanchieren. Er ließ seine Hand an Kalas' Seite hinabgleiten, zwischen dessen feste Backen gleiten. Bis an sein Ziel.
"Ah, Ihr überrascht mich immer wieder, Milord."
Kalas zischte leise auf, nicht aber etwa aus Unbehagen.
Vielmehr, weil es so lange her war, auf diese Weise berührt worden zu sein, dass er gar nicht mehr wusste, wie es sich anfühlte. Wie gut.
"Ich dachte nur", antwortete er stockend und spürte, wie etwas Blut in seine Wangen schoss, "dass wir es einmal versuchen können... wenn wir schon einen Neuanfang wagen."
"Ein Kluger Gedankengang", lobte Madeen, in seiner Stimme schwang sanfter Spott mit, doch unterschwellig grollte die Lust. Noch während er Kalas' Mund erneut mit dem eigenen eroberte, spielten seine Finger das alte Spiel, etwas, das er inzwischen im Schlaf beherrschte und das bitter nötig war. Immerhin war der männliche Körper nicht dafür geschaffen worden, wie eine Frau besprungen zu werden.
Dumpf seufzte Kalas in den Kuss, entgegnete ihn nur sanft, denn in diesem Augenblick war ihm nichts lieber, als dem Wahrsager die Oberhand zu gewähren. Sich einem Moment hinzugeben, in dem er nicht stark sein musste.
Er wand sich leicht, versank tiefer in dem Berg aus Kissen, während er zuließ, dass Madeen ihn mit geschickten Fingern auf das Kommende vorbereitete, die tief vergrabene Lust wieder weckte.
Madeen knurrte leise, versehrte Kalas' hellen Hals mit violetten Zeichen seiner Hingabe, gab sich erst zufrieden, als seine Zähne und Lippen rote Male hinterlassen hatten, er die Lust deutlich in Kalas' Augen sehen konnte.
Mit geschickten Händen hatte Madeen vorgearbeitet, doch nun wollte er mehr, spreizte die Schenkel des anderen und rieb sich neckend an ihm, reizte und provozierte mit grausamer Geduld.
Kalas musste sich zusammenreißen, um Madeen nicht anzuflehen, zu betteln, weiter zu gehen, sich zu beeilen, ihn endlich zu nehmen. Er atmete tief ein, hob das Becken an, streckte sich ihm entgegen. Schlang die Arme um seinen Hals und hielt sich an ihm fest, bebte innerlich vor Erwartung, glaubte schon, er würde an der Vorfreude alleine zerbersten.
Ein kleines Kichern entwich Madeen, atemlos klang es, endete abrupt, als er endlich, endlich Kalas' Wunsch entsprach, in ihn eindrang und dabei mit grollender Stimme, japsend seinen Gefallen kundtat. Sich mit den Händen abstürzend kämpfte Madeen kurz um sein Gleichgewicht, ehe er seine Hüfte in einer provokanten Langsamkeit rollte, gierig Kalas mit Blicken verschlang.
Er fletschte beinahe die Zähne, als er ein wenig schneller wurde, sein inneres Feuer ihn zu verbrennen drohte wenn er es nicht teilte. Madeen küsste und zeichnete Kalas mit seiner ureigenen Leidenschaft, Wildheit, dass das Gefühl von fremden Augen auf ihnen beiden unterging.
Kalas stieß einen leisen, spitzen Schrei aus, als er spürte, wie Madeen in ihn stieß, ihn beinahe ganz ausfüllte.
Es war lange her, das er so etwas gefühlt hatte, so lange, dass es zu einer verschwommenen Erinnerung verblichen war. Aber er konnte guten Gewissens schwören, dass es sich mit Madeen besser denn jemals zuvor anfühlte.
Er klammerte sich an ihm fest, bog sich ihm entgegen, ließ sich willig reizen, necken, erobern. Aber passiv blieb er nicht, unentwegt wanderten seine Hände über Madeens Leib, verweilten zärtlich liebkosend dort, wo er hoffte, die Lust steigern zu können. Jeden Kuss auf seiner Haut, jeden Biss zahlte er ihm mit einem eigenen, nur unwesentlich sanfteren heim. Und die Hüfte hob und senkte er ganz im Rhythmus seines Liebhabers.
Keuchend drängte Madeen sich enger, schneller, energischer an ihn, küsste und knabberte, grollte auf, wenn Kalas mit seinen wesentlich sanfteren Berührungen jene stellen an sein Körper fand, die bunte Funken und Lust durch seinen Körper jagte.
Jeder laut, jedes Keuchen das Kalas entschlüpfte, stachelte Madeen an, ließ sein Feuer heiß und wild brennen.
Irgendwann gelang es Kalas nicht mehr, sich zurück zu halten.
Madeens Leidenschaft entlockten ihm leise Lustseufzer, die schließlich in wesentlich ungehaltenerem Stöhnen untergingen. Es raubte Kalas den Atem, wenn er tief und kraftvoll in ihn stieß, jeder Kuss, jeder Biss ließ das Feuer noch etwas höher aufflammen.
Er krallte sich an Madeen fest, an seinen Schultern, in seinem Haar, sein Blut schien zu kochen, jede Ader in seinem Körper pochte, und nirgendwo stärker als in seinen Lenden.
"Ha, kommt für mich, Lord", wisperte Madeen rau, lachte heiser auf und begann auch noch mit einer Hand, im Rhythmus zu seinen Stößen Kalas' Glied mit festen strichen zu pumpen.
Ein heiseres Wimmern drang aus Kalas’ Kehle, er presste sich eng an Madeens Körper, an seine Hand, wollte mehr und mehr von diesen Gefühlen. Und wurde schließlich von ihnen überrollt, ging in ihnen unter, kam der Bitte des Wahrsagers nach.
Leise schrie er auf, als die Lust sich zuspitzte, ihm zum ersten Mal seit Jahren lehrte, wie es sich anfühlte, sich der Leidenschaft hinzugeben.
Beinahe bedauerte Kalas es, als er sich in Madeens Hand ergoss und das Gefühl so plötzlich abflaute, wie es gekommen war.
Keuchend drängte Madeen sich enger, schneller an den Lord, er wurde von der schieren Wucht seines Höhepunkts schier überrannt, kam nur wenig nach dem Lord, mit unregelmäßig vorzuckender Hüfte.
Als er entkräftet sich abstützen musste, auf Kalas hinab sah, grinste Madeen wie eine satte, zufriedene Katze grinsen würde.
"Ihr seid unglaublich. Und das ist mein ernst ~"
"Du bist es auch", wisperte Kalas lächelnd, obwohl er sich im Klaren war, dass dieses Kompliment aus dem Munde eines Mannes mit seinen bescheidenen Vergleichsmöglichkeiten kaum ein Kompliment war.
"Ich hätte viel früher zurückkommen sollen."
Denn wer konnte sagen, wie viel Zeit jetzt noch blieb?
Madeens Grinsen wurde eine Spur schmutziger.
"Dafür kann ich Euch gern öfter kommen lassen ~", schnurrte er, küsste besänftigend die Abdrücke seiner Zähne auf Kalas' heller Haut.
"Ich bin sicher, dass du das kannst", murmelte Kalas mit einem ebenfalls nicht ganz unschuldigen Lächeln. "Bisher hast du es zumindest immer gekonnt."
Er schloss die Augen, genoss das Gefühl sanfter Lippen auf den geschundenen Stellen.
"Ich habe das hier vermisst..."
"Mein Zelt stand dir die ganze Zeit offen", flüsterte Madeen leise, ehe er Kalas' Arme über dessen Kopf auf die Kissen pinnte, sich zwischen dessen Schenkeln ruhend räkelte und grinste. "Ah, Euch so zu sehen macht mich hungrig auf mehr, Mylord."
Kalas’ Herzschlag, der eben begonnen hatte, sich zu beruhigen, beschleunigte sich mit einem Mal wieder.
"Wirklich?", fragte er leise, hielt den Atem an.
Dass Madeen ausdauernd war und beinahe unersättlich, wusste er ja bereits... und trotzdem überraschte es ihn jedes Mal aufs Neue.
Ob es auch an dem Elfenblut liegt? Oder ist es seine Eigenart?
Was auch immer es war, Kalas war dankbar dafür.
"Wirklich." Seine Antwort passte auf beide Sachen, die Madeen angesprochen hatte. Und beides war passend. Er beugte sich vor, den sehnigen Leib krümmend, verbiegend. Er lächelte, breit und rieb seinen Unterleib an Kalas, neckte ihn erneut.
Kalas sog langsam den Atem ein und legte die Hände um Madeens Gesicht, schaute tief in seine Augen, die in diesem Moment eher violett als blau schienen.
Er öffnete die Lippen, um etwas sagen, zögerte jedoch, weil er sich für einen kurzen Moment beobachtet fühlte. Er verharrte, ließ die Augen durchs Zelt gleiten, hörte und sah aber nichts, was ihm verdächtig erschien.
Also schob er es auf seine Imagination und entspannte sich wieder etwas.
Konzentrierte sich lieber auf Madeen, auf seine Berührungen, die gerade erst gestilltes Verlangen wieder weckten, die Hände, die ihn unten hielten und versprachen, es noch interessanter zu gestalten.
"Wie könnte ich das ablehnen?"
Ein Donnern zerteilte die Luft und ließ Suraya in ihrem Versteck zusammenzucken. Dann fiel auch schon der erste Regentropfen auf ihre Haut und die Tänzerin musste sich stark zusammenreißen, um nicht laut zu fluchen.
Gerade wenn es interessant wird ...
Sie musste ihre voyeuristischen Aktivitäten wohl auf einen anderen Tag verschieben, denn eine Erkältung oder vom Blitz getroffen zu werden, wollte sie wirklich nicht riskieren.
Also strich sie ihre Kleidung glatt und huschte davon, fand Trost in dem Wissen, genug gesehen zu haben, um ihre Fantasie am Abend zu beflügeln.
Und Madeen in Verlegenheit zu bringen.
"Gar nicht?", schlug Madeen vor, rieb ein letztes Mal neckend seinen Unterleib an Kalas und grinste breit, ehe er sich sehr viel Zeit dabei ließ, langsam in Kalas einzudringen.
"Ah..."
Genüsslich schloss Kalas die Augen und legte den Kopf in den Nacken.
Die Langsamkeit, mit der seine Muskeln, erschöpft und ein bisschen schmerzend von der ungewohnten Belastung, aufs Neue gedehnt wurden, reizte ihn, ließ Hitze durch seinen Körper wallen.
Reizend nutzte Madeen seine Hand, strich langsam über Kalas' Bauch, legte sie um dessen Glied, fühlte pochend die dicken Adern, wie es sich unter seinen Berührungen langsam wieder erhärtete.
"Wie war das? Ich kann Euch nicht verstehen." Madeen lachte heiser, keuchte und stieß einmal tief in den warmen, so wohl bekannten Leib unter sich.
Kalas schaute wieder zu Madeen auf, enthüllte lustverschleierte Augen mit vor Begierde endlos weiten Pupillen.
Er fuhr mit zittrigen Fingern durch eine schwarze Strähne, die in das braune Gesicht gefallen war, zupfte leicht daran.
"Noch einmal", hauchte er. "Tu das noch einmal."
"Ah, Euer Wunsch ist mir Befehl." Madeen lachte heiser, keuchte und stieß wieder, energisch in Kalas, küsste ihn innig.
Lustvoll stöhnte Kalas auf, spreizte die Beine weiter und hob das Becken an, um Madeen tiefer in sich zu spüren, das Glied enger an seine Hand zu pressen.
Er öffnete den Mund, gab sich dem Spiel von Madeens Zunge hin.
Er fühlte einen leichten Schwindel, als wäre er angetrunken, doch das Gefühl, welches ihn begleitete, war angenehmer. Angenehmer, aber zugleich auch quälend.
Als ihre Lippen sich trennten, nachdem bis gerade abgetrennte Luft in seine Lunge geströmt war, wisperte Kalas rau:
"Nimm mich, Madeen."
Die Worte krochen einfach aus seinem Mund und er schämte sich nicht einmal für sie. Es war sein Wunsch in diesem Moment, ein Wunsch, der für vier Jahre der Enthaltsamkeit aufkommen musste.
"Nimm mich richtig."
Für einen Moment stockte Madeen, er starrte Kalas mit einer Mischung aus Überraschung und Verblüffung an, ehe all jene Emotionen von dem Feuer in seinem Leib gefressen, verschlungen wurde. Madeen fletschte die Zähne, krallte eine Hand in Kalas' Hüfte, so fest, dass es blaue Flecken hinterlassen würde. Sein Atem kam unregelmäßig, abgehackt, während er einen wesentlichen energischeren Rhythmus anschlug, tief in Kalas vordrang.
Kalas verging beinahe unter den kraftvollen Bewegungen, der Härte, mit der Madeen sich an ihn presste, der feste, unsanfte Griff seiner Hände verstärkte die Lust nur. Er ächzte und zitterte, mit jedem Ruck ging sein ganzer Körper mit, er glaubte manchmal, es nicht länger ertragen zu können, nur um in noch schwindelerregendere Höhen geschleudert zu werden.
Eng schlang er die Beine um Madeens Hüfte, klammerte sich mit den Händen an ihm fest und merkte kaum, wie seine Nägel unwillkürlich über dunkle Haut schrammte.
Madeen schrie heiser auf, rang nach Luft und keuchte, stieß ein letztes Mal in Kalas und kam heftig, erzitterte. Noch während er nach Atem rang, pumpte seine Hand um Kalas' Penis rasch und dazu angestrebt auch ihm den Höhepunkt aus dem Leib zu wringen.
Wärme stieg Kalas’ Wirbelsäule empor, der rhythmische Druck gegen sein Becken verebbte. Doch er hatte keine Zeit, Luft zu holen, denn Madeens Hände setzten nun fort, was sein Gemächt begonnen hatte.
Er war dabei nicht zärtlich oder spielerisch, sondern wild, beinahe schon grob - genau wie Kalas es wollte.
Der Lord krümmte sich, all seine Muskeln spannten sich an, ehe er schließlich unter heiserem Aufseufzen erlöst wurde.
Zufrieden mit seiner Leistung, zufrieden mit der Situation und zum ersten Mal seit langem wieder in Frieden mit der Welt, lehnte Madeen sich vor, raubte mit noch immer rau gehenden Atem einen Kuss von Kalas' Lippen, ehe er sich aus ihm zurück zog, neben dem Lord auf dem Berg an Kissen zusammen rollte.
Kalas stieß einen leisen, heiseren Laut aus, als Madeen aus ihm glitt, und lag für einen weiteren Moment einfach nur stumm da, starrte an die Zeltdecke. Er fühlte keinen Kummer, keinen Schmerz, keine Sorge, nur diese behagliche Leere, die nach erfüllter Lust folgte.
Schließlich drehte er sich auf die Seite und lächelte Madeen an. Streckte nach einigem Zögern die Hand aus und legte sie an seine Taille.
"Danke", sagte er sanft. "Ich habe geglaubt, dass ich das nie wieder fühlen würde."
"Ich hätte nie gedacht, dich nochmal so zu sehen.", erwiderte Madeen ruhig, schmiegte sich an die Hand an seiner Taille und bettete den Kopf auf einen seiner Arme. Seine Augen musterten Kalas von oben bis unten, doch fehlte ihnen der Spott und Hohn. "Erlaubt mir eine Frage, Kalas...wie alt seid Ihr?"
Kalas lächelte müde.
"Warum?
Sorgst du dich wegen der grauen Haare?"
Er bemerkte, dass das keine angemessene Antwort war. Sie war zu abweisend, zu passiv-aggressiv.
Es war keine Antwort, die Madeen verdiente.
Also warf Kalas ihm einen entschuldigenden Blick zu, streichelte sanft über seine dunkle Haut.
"Natürlich darfst du mich das fragen.
Ich bin achtunddreißig Jahre alt."
Diese ehrliche Antwort brachte Madeen aus dem Gleichgewicht, er spürte, merkte wie seine Augen groß und rund wurden, ihm die Überraschung ins Gesicht geschrieben stand. Er öffnete den Mund, doch die Worte erstarben auf seiner Zunge, er schnappte nur wie ein Fisch auf dem Trockenen nach leerer Luft.
"Aye..." Madeen lachte atemlos und gluckste sehr amüsiert. Über sich selbst. "Und ich dachte ich hätte eine gute Beobachtungsgabe."
"Die hast du bestimmt auch", antwortete Kalas leise. "Manchmal fühle ich mich selbst wie ein Greis."
Er wandte den Blick ab. Es war ein Thema, dem er eigentlich lieber aus dem Weg ging. Eines, bei dem er fürchtete, dass sein Gegenüber in seinen Augen die Wahrheit sehen könnte.
"Ich musste früh erwachsen werden", murmelte er. "Vielleicht muss ich deswegen auch früh alt werden."
Und früh sterben, für meine Sünden.
"Das klingt verbittert für jemand, der jünger ist als ich ", Madeen lachte heiser auf, ließ sacht, nachdenklich die Hand über Kalas' Brustkorb streichen. Es war sehr selten, dass er nach erledigten Angelegenheiten - Sex - noch bei seinem Partner lag. Für Kalas allerdings machte er gerne eine Ausnahme.
Madeens sanfte Berührung, die Wärme, welche langsam über Kalas' Brust wanderte, hatte etwas Tröstliches.
Aber die Worte stimmten ihn traurig, denn sie zeugten davon, wie wenig Madeen wusste. Wie wenig Kalas ihm erzählen konnte.
"Und wie alt bist du", fragte Kalas in einem Anflug von Humor, "dass du verbitterter als ich sein darfst?"
"Ich weiß nicht genau wann ich geboren wurde. ", Madeen mahlte nachdenklich mit den Kiefern und beugte sich weit vor, hauchte einem leichten Kuss auf Kalas Wange. Die ganze Geste hatte einen seltsam verspielten, sanften Unterton, wirkte sehr unschuldig vor allem für Madeen. "Neununddreißig, vierzig, vielleicht sogar schon einundvierzig."
"Oh..."
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen und nichts als das leise Geräusch von Regentropfen, die auf das Zelt fielen, war zu hören. Ein kurzer Augenblick, in dem Kalas näher rückte, den Arm enger um Madeen legte, die Hand an seine Schulterblätter.
"Erinnerst du dich noch an deine Eltern?"
"Hm... Vor allem an meinen Vater." Madeen runzelte nachdenklich die Stirn. Seine Erinnerungen waren alle verschwommen, unscharf und aus einer falschen Perspektive. Wie alte Bilder, die man nur für ganz besondere Anlässe aus ihrem staubigen Archiv holte. "Er hat viel geschrien. Und immer nach Alkohol gerochen. Und Schweiß. Seine Hände waren rau von der Arbeit und er hatte viel Kraft für einen Elfen."
Vor allem wenn er die Rute schwang. Meist war es jedoch gar nicht Madeens kleineres Selbst gewesen, dass so grob gezüchtigt wurde.
"Das Schluchzen meiner Mutter würde ich unter tausenden heraushören. Ebenso den Geruch von ihrem... Getränk. Es war immer mit Gramesschlächter gespickt."
Bestürzt blickte Kalas in Madeens Augen, als ihm die Bedeutung dieser Sätze bewusst wurde.
"Das ... das tut mir leid."
Auch sein eigener Vater war ein harter Mensch gewesen, grausam mitunter, zumindest zu seinem Bruder. Doch weder an Kalas, noch an seine Mutter oder Schwester hatte er jemals Hand angelegt und die Kindheit war insgesamt doch ruhig und glücklich verlaufen. So ruhig und glücklich es eben sein konnte.
"Muss es nicht." Madeen küsste Kalas auf die Stirn und lachte rau. "Etwa ein Jahr drauf lernte ich den Satz 'im Suff abgesoffen ' mit meinem Vater in Verbindung zu bringen."
Ab dem Zeitpunkt hatte sich etwas geändert. Madeen war damals noch zu klein gewesen um zu begreifen, dass seine Mutter sich über den Tod des Vaters freute.
"Meine Mutter beseitigte auf einmal jeden Beweis. Und zwei Jahre später... Nun.. Da war ich hier, in dieser Welt."
Ein Schauer lief bei dieser Erzählung über Kalas’ Rücken.
Er konnte sich nicht vorstellen, was es für ein kleines Kind bedeuten mochte, aus seiner gewohnten Umgebung gezerrt und in eine fremde gesetzt zu werden. Selbst wenn es in dieser Fremde nicht denselben schrecklichen Dingen ausgesetzt wäre wie im Elternhaus.
Er konnte sich auch nicht vorstellen, wie es sein mochte, einen brutalen Trinker zum Vater und seine traurige Mörderin zur Mutter zu haben.
Doch obwohl er nichts davon wirklich nachvollziehen konnte, begriff er nun wohl den Grund dafür, warum er Madeen so selten wirklich verstand. Wie weit ihre Welten wirklich auseinander lagen.
"Aber es hat dir nicht gefallen, nicht wahr?"
"Am Anfang war es toll." Madeen starrte Kalas in die Augen, doch sein Blick war leer und glanzlos, in der Vergangenheit gefangen.
Am Anfang hatte er genug zu essen gehabt. Es war warm und trocken, niemand schrie.
"Ich bekam wieder Fleisch auf die Rippen. Meine aufgeplatzte Lippe und die Hände - offen vom Steine schleppen, heilten. Doch dann..."
Madeen strich sich abwesend das Haar zurück, seufzte.
"Dann begriff ich langsam, dass dies hier eine goldene Kette ist. Dass man dir viele Sachen gibt, doch das was du willst, knapp außerhalb deiner Reichweite geschwenkt wird. Und du wirfst dich gegen die Kette... beinahe hätte ich mich an ihr erdrosselt."
Das wiederrum war etwas, das Kalas vertraut vorkam.
Eingesperrt zu sein in einem unsichtbaren Käfig, mehr zu haben als man brauchte, doch nicht das, was man sich wirklich wünschte.
Er war selbst ein Sklave seiner Pflicht, gefesselt von einem unsichtbaren Netz aus Regeln und Erwartungen.
Er war den Wünschen seiner Eltern nachgekommen, anstatt seinen eigenen zu folgen, hatte geheiratet, weil es von ihm erwartet wurde, war Lord geworden, weil er die Nachfolge seines Vaters hatte antreten müssen, hatte ein Kind gezeugt, weil ein Erbe von Nöten gewesen war, er hielt seine Krankheit geheim, damit kein Anderer darunter leiden musste.
Er besaß nicht die Freiheit, ohne Angst zu lieben, nicht die Zeit, sich zu besinnen und auszuruhen, nicht den Mut, Schwäche zu zeigen.
"Madeen."
Er griff nach seiner Hand, führte sie sanft zu den Lippen, küsste zärtlich und kurz die Innenfläche.
"Klingt es anmaßend, wenn ich sage, dass ich das Gefühl kenne?"
"Hm?" Madeen sah auf, nur langsam wurde sein Blick wieder klar und war nicht mehr so leer und glanzlos wie vorher. Er ließ zu von Kalas' berührt, geküsst zu werden, strich nachdenklich über dessen Wange. "Nein. Klingt es nicht."
"Ich habe wahrscheinlich keinen wirklichen Grund zur Klage", fuhr Kalas langsam fort. "Ich bin nicht wirklich unglücklich... sicher habe ich meine Pflichten, angenehme und unangenehme, und es gibt Vieles, was ich nicht tun kann oder darf. Aber ich musste nie hungern oder mich um Geld sorgen und hätte ich meine Frau nicht geheiratet, wäre meine Tochter nie geboren worden."
Nachdenklich streichelte er über Madeens Hand, schaute in sein Gesicht, ohne es wirklich wahrzunehmen.
Er gab sich selten solchen Gedanken hin. Er wollte nicht undankbar für sein privilegiertes Leben sein, nicht daran zweifeln, das Richtige zu tun. Und doch krochen diese Ideen, diese Vorstellungen immer wieder aus den hintersten Winkeln seines Geistes in sein Bewusstsein. Und vielleicht war es an der Zeit, sie jemandem zu erzählen.
"Trotzdem... frage ich mich manchmal, wie mein Leben aussehen würde, wenn ich kein Lord wäre, sondern ein völlig freier Mann. Ein wandernder Abenteurer vielleicht."
"Ihr und wandernder Abenteurer? " Madeen lachte und nahm dann Kalas' Gesicht in die Hände, küsste ihn ungewohnt sanft. Er ließ sich viel Zeit, neckte ein wenig. Doch als er sich dann wieder zurückzog, schimmerte eine Emotion von undefinierbarem Namen in seinen Augen, war im nächsten Atemzug wieder weg. "Dann hätten wir uns ja gar nicht getroffen."
"Möglicherweise hätten wir das nicht", stimmte Kalas zu. "Aber wer weiß das schon?"
Er schenkte Madeen ein Lächeln von zärtlicher Wärme, mit nur einem Hauch von Wehmut darin.
"Wahrscheinlich sollte ich über derlei Dinge nicht nachdenken.
Es bereitet nichts als Kummer und außerdem vergesse ich all die wundervollen Dinge, die mir geschenkt wurden."
"Hm... einverstanden." Madeen setzte sich auf, streckte sich. Träge strich er sich das Haar aus dem Gesicht, grinste Kalas an. "Ich bin neugierig. Wundervolle Dinge?"
"Die Menschen, die mir wichtig sind", erwiderte Kalas ohne zu zögern. "Die Dinge, die mir im Alltag Freude bereiten.
Bücher.
Das Fechten."
Er lachte leise.
"Obwohl ich für letzteres wohl langsam zu alt werden."
Zu krank.
"Ha, das würde ich gern mal sehen." Madeen lachte und grinste wieder, stützte sich auf die Ellenbogen und Unterarme, sah zu Kalas. "Das Fechten meine ich."
"Du würdest enttäuscht sein", antwortete Kalas schmunzelnd. "Ich bin kein Meister. Meinen Lehrer habe ich nie eingeholt und die Kinder haben den Fortschritt, den ich in ihrem Alter hatte, schon längst übertroffen."
Und das, obwohl er sie nie dazu angehalten, sie nicht gezwungen oder gedrängt hatte, die Fechtkunst zu erlernen.
Oder vielleicht genau deswegen.
"Immerhin, du hattest wenigstens eine Klinge schon mal in der Hand." Madeen strich sich gedankenverloren über die Unterarme. "Einmal fand ich einen rostigen Dolch... ich rammte ihn bei der nächsten Flucht meinem schnellsten Verfolger ins Auge."
Kalas runzelte die Stirn, seine Augen nahmen einen leicht abweisenden Ton an.
"Eine der ersten Lektionen, die ich gelernt habe", erzählte er leise, "war die, niemals auf wichtige Organe zu zielen.
Ich habe gelernt, zu entwaffnen, mich zu verteidigen. Einen eleganten Kampf zur Schau zu stellen.
Nicht aber zu töten oder verkrüppeln."
"Schade, dass niemand das einem elfjährigen Kind voller Zorn erzählt", murmelte Madeen leise, ehe er sich umwandte, Kalas genau ansah. "Ich hatte Angst, was keine Entschuldigung ist."
Allerdings...
"Mein Verfolger hat überlebt, allerdings ist sein Auge nun blind." Madeen fletschte die Zähne zu einem abweisenden Lächeln. "Hat ihn nicht von abgehalten die Scheiße aus mir rauszuprügeln."
Oh, wenn Kalas wusste, wie sehr dieser Blick weh tat...wenn er wüsste, dass er der erste war, dem Madeen seine Vergangenheit anvertraute...
"Verurteilst du mich jetzt zum Schlechteren?"
Kalas’ Augen wurden wieder weicher.
Er schüttelte den Kopf.
"Nein, das tue ich nicht. Ich war nicht dort, also steht es mir nicht zu, darüber zu urteilen."
Er räkelte sich, legte sich ebenfalls auf die Seite.
"Außerdem wissen Kinder es nicht besser, wenn man es ihnen nicht beibringt"
Sanft schaute er in Madeens Gesicht, streichelte zärtlich seine Wange.
"Darf ich dich fragen, worüber du damals wütend warst?"
"Ich verstand nicht, dass ich...nicht mehr mir selbst gehörte." Madeen legte seine Hand auf Kalas', hielt sie fest und schmiegte sie wie einen schützenden Anker an sein Gesicht. Seine Augen sahen den anderen flehend an, flehten stumm ihn nicht zu verurteilen, nicht wegen dem was er war, was er getan hatte und würde tun müssen. "Ich wollte nach Hause."
Kalas antwortete nicht, nicht mit Worten.
Stattdessen küsste er noch einmal Madeens Hand und zog die eigene zurück, nur um beide Arme eng um ihn zu schlingen, ihn liebevoll an sich zu drücken und tröstend zu streicheln.
Er konnte ihn nicht verdammen. Er wollte ihn nicht verdammen.
Stumm schlang Madeen die Arme um Kalas' Leib, drückte sich an ihn. Es tröstete, er war wie ein Anker, warm und beständig, etwas das Madeen nicht mehr missen wollte.
zuletzt bearbeitet 09.09.2015 14:57 |
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