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01: Am Ende der Nacht

in Winter 519 28.02.2015 01:05
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge



- sexuelle Darstellungen


Ein scharfes Klirren zerteilte die Luft, als Metall auf Metall schlug.
Haare, schneeweiß und blutrot, beide Farben in langen Zöpfen gehalten, wirbelten durch die Luft, während die Leiber, der eine schlank und biegsam, der zweite kurvig und athletisch, auseinandergingen, nur um einander weiter elegant zu umkreisen.
Dann und wann trafen sich die Klingen, welche im sanften Licht der Lampen leicht glitzerten, und verursachten erneut dieses Klirren.
Ansonsten war nur der Atem der beiden Elfen zu hören und der eigene Herzschlag, das Rauschen des Bluts in den Ohren.
Zephyrs Fähigkeiten ließen wenig zu wünschen übrig, wer auch immer ihn gelehrt hatte, hatte sein Handwerk gut verstanden. Schnell und behände bewegte er sich, selten tat er einen falschen Schritt und nie tat seine Klinge etwas, was sie nicht tun sollte.
Trotzdem war er Lucretia unterlegen, doch das verwunderte sie weder, noch frustrierte es sie.
Schließlich hatte sie die Unterweisungen der besten Lehrer genossen und war bereits in ihrer Kindheit stark gefördert worden. Etwas anderes hätte sich auch nicht geziemt, denn eine Prinzessin, welche die Kunst des Schwerttanzes nicht beherrschte, war beinahe so schlimm wie eine Sklavin, die nicht gehorchen konnte. Sie war froh, diese eine Beschäftigung aus der Heimat mitgenommen zu haben und sie war froh, dass jemand sie mit ihr ausüben konnte, der ein wenig Talent hatte.
Selbst wenn es eben jemand war, der so wenig Körperkraft, Durchhaltevermögen und Übung besaß, wie Zephyr.
Eine letzte Drehung, einige gezielte Schritte nach vorn, schnelle Armbewegungen und Lucretia hatte ihren Partner entwaffnet, seine Klinge zu Boden fallen gehört. Einen Moment lang hielt sie ihn mit dem freien Arm und ihrem Körper an die Wand gedrückt, ein Zeichen ihres Sieges.
"Wir werden jetzt aufhören", sagte Lucretia. "Du bist schon unkonzentriert."
"Ja, das bin ich wohl ... verzeiht, Mylady."
Sie konnte sehen, wie Zephyr trotz des freundlichen Lächelns nervöse Blicke zur Seite warf, als suche er einen Ausweg.
Sie konnte auch spüren, wie er sich unter ihrer Berührung leicht wand, also ließ sie ihn los.
Auf Nähe reagierte er immer ausweichend.
Lucretia hatte nicht den Eindruck, dass er sie fürchtete, also schloss sie, dass seine Leidenschaft anderen Männern gehörte. Bedauerlich war das, schließlich war er ein recht hübscher Mann mit den feinen Zügen und dem langen, weichen Haar, weiß wie frischgefallener Schnee. Nicht so hübsch wie Sadas, aber ...
Lucretia schüttelte den Kopf. Warum dachte sie jetzt an Sadas? Er war still gewesen, in letzter Zeit, hatte weniger mit ihr gesprochen, und sie wusste nicht, warum. Sie wollte ihn auch nicht fragen, schließlich gab es keinen Grund und seine Arbeit verrichtete er hervorragend. Doch es bedrückte sie.
Seufzend trat Lucretia aus dem Übungsraum, hinaus in den dunklen Flur.
Vielleicht sollte sie trotzdem mit ihm sprechen, sobald sie ein Bad genommen hatte und nicht mehr in dieser schweißnassen Kleidung steckte. Solange könnte sie sich ein geeignetes Thema überlegen.

Es klirrte und dann fluchte Sadrius unterdrückt auf. Er steckte seinen Zeigerfinger in den Mund, saugte an der Schnittwunde. Verdammter Dolch. Das Ding war trotz seines Alters immer noch scharf. So scharf, dass eine unvorsichtige Berührung ausgereicht hatte um eine Wunde zu reißen. Als der Geschmack von Metall, Salz und Kupfer zu dominant auf seiner Zunge wurde, stoppte Sadrius, wischte seinen Finger an dem Tuch ab, in welchem der alte Dolch eingewickelt war.
Frustriert wurde die Waffe in die Ecke des Zimmers geworfen. Er war nie ein Mann gewesen, der viel für Waffen und Gewalt übrig hatte. Nicht einmal wenn er unbedingt musste, konnte er kämpfen. Alles, was Sadrius konnte, war mit eingekniffenem Schwanz davon zu schleichen. Und egal was, er war immer unterlegen.
Mit dumpfem Grollen zog Sadrius die Beine an, stützte die Ellenbogen auf seine Knie und verbarg das Gesicht an seinen Oberarmen. Sein Rücken jammerte leise, es schmerzte in dieser zusammengekauerten Haltung auf dem Stuhl zu hocken, aber...
Angefangen mit seiner neuen Faszination an Waffen, Kampf, Blutvergießen und allem was dazu gehörte, hatte es mit der Ankunft des Neuen. Des Anderen. Zephyr. Am Anfang...war es Neugierde. Als Lucretias Aufmerksamkeit für den Neuen gestiegen war, wuchs auch gleichzeitig Sadrius' Misstrauen, Eifersucht. Zephyr wurde schneller, besser aufgenommen, schneller von Lucretia akzeptiert als er selbst. Dabei hatte der Eiself einen wesentlich befremdlicheren Eindruck gemacht...oder?
Lucretia...
Sie war wirklich eine Prinzessin mit Herz und Seele. Wohl kaum würden sie dann einen Magierlehrling ohne vollendete Ausbildung mehr Beachtung schenken.

Lucretia hatte sich beim Bad nicht viel Zeit gelassen.
In letzter Zeit hatte sie das nie.
Es war alles gut gegangen, bergauf, seit mehreren Jahren schon. Das Geschäft florierte, Aurya wuchs auch ohne die schützende und wegweisende Hand einer Mutter zu einem gesunden Kind heran und es hatte keinen Hinweis auf weitere Assassinen gegeben. Es war die wahrscheinlich längste Ruhezeit, die Lucretia je in ihrem bisherigen Leben gehabt hatte. Eine glückliche Zeit vielleicht sogar, wenn man von den Momenten absah, in denen sie alleine in ihrem Bett lag, das Gesicht in ihr Kissen gedrückt, trotz aller Wärme frierend und schlaflos der Vergangenheit gedachte, während draußen die Sonne emporkletterte und die Welt in gleißendes Licht tauchte, welches nicht einmal die schweren Vorhänge gänzlich zurückhalten konnten.
Von diesen Momenten hatte es in der letzten Zeit wieder mehr gegeben und Zweifel waren aufgekommen. Die Furcht, dass all dies nur die Ruhe vor dem Sturm sein könnte. Was, wenn ihr Geschäft einbrechen, wenn niemand mehr ihre Artefakte kaufen wollen würde? Was, wenn doch wieder jemand kommen würde, der nach ihrem Leben trachtete? Und was, wenn sie sich erneut in jemandem getäuscht hatte?
Auch deshalb musste sie mit Sadas sprechen.
Still war er gewesen, seit einigen Monaten schon, obwohl Lucretia in der Zeit nach Tias Tod noch den Eindruck gehabt hatte, sie beide würde langsam etwas mehr verbinden als nur eine geschäftliche Beziehung. Vertrauen.
Sie brauchte Gewissheit, obwohl der Gedanke, sie zu erlangen, sie mit Unbehagen erfüllte. Doch noch schlimmer war der Gedanke, er könnte ihren Fingern entgleiten. Wie einst Zimu und später Tia. Das könnte sie nicht ertragen. Nicht ein weiteres Mal.
Gehüllt in ein leichtes, schwarzes Kleid, das Arme und Rücken freiließ, an den Seiten hoch geschlitzt war, und dessen einzige Zierden in einer silbrigen Kette um den Nacken und einem Tuch um die Taille bestand, das noch feuchte Haar locker mit einer Nadel hochgesteckt, trat Lucretia vor die Tür des Magiers, atmete tief ein. Sie fror ein wenig, obwohl die Luft im Haus auch in diesem Winter nicht kalt war und der Fußboden durch warme Wasserleitungen geheizt wurde, sodass sie auch heute barfuß sein konnte.
Langsam legte Lucretia die Hand an den Türknauf und wollte ohne Ankündigung eintreten, wie sie immer schon getan hatte. Doch sie entschied sich anders und klopfte an.

"Herein", murmelte Sadrius, wiederholte sich noch einmal lauter, deutlicher. Seine Wirbel sprangen knackend zurück an ihre Stellen, als er sich streckte, die Arme schützend um seine angezogenen Beine schlang. Aus gelben Augen linste er zur Tür, erwartete Aurya, die irgendwas wollte und sei es nur Gesellschaft.
Umso überraschter war der Blutelf, als er der Herrin dieses Anwesens gegenüber stand.
Was für einen lächerlichen Eindruck er doch abgegeben hatte, mit offenem Mund, ohne doch nur ein Wort zu sagen, wirrem Haar und diesem dämlich überraschten Ausdruck.

Lucretia betrachtete Sadas stirnrunzelnd.
Zerstreut wirkte er, ein wenig mitgenommen sogar und als hätte sie ihn bei etwas unterbrochen oder als sei er gerade erst aus dem Bett gekrochen. Vielleicht war er das auch, der Abend war schließlich noch jung, trotz der winterlichen Dunkelheit ...
Sie zögerte, fragte sich, ob der Zeitpunkt vielleicht doch ungünstig gewählt war.
"Störe ich?", fragte sie, schloss aber trotzdem die Tür hinter sich. Sie hörte nie Widerworte von Sadas. Von niemandem eigentlich. Wer sollte ihr auch Widerworte geben, war sie für nahezu Jeden doch eine Höhergestellte, für Sadas noch dazu eine Prinzessin?
Der Gedanke war ihr seltsam unangenehm, sonderte er sie doch auf eine gewisse Weise ab, also schob sie ihn beiseite und richtete die roten Augen aufmerksam auf Sadas.

"N-nein! Natürlich."
Sadrius raufte sich fast die Haare bei seinem Gestammel. Sein Versuch es besser zu machen,... Nun er machte es nicht besser.
"Kommt nur "
Warum hielt er nicht einfach den Mund. Vermutlich wurde Zephyr sich nur vor Lachen den Bauch halten, wenn er denn wüsste, wie erbärmlich Sadrius sich anstellte.
"W-wieso seid Ihr hier?"
Vielleicht sollte er seinen Kopf so lange gegen die Wand donnern bis er anfing etwas Vernünftiges zu sagen.
"Ich meine, natürlich nicht wieso Ihr hier seid, ist ja immerhin Eurer Haus und... Ah... "

"Ja", erwiderte Lucretia reflexartig und ein bisschen verwirrt ob des seltsamen Betragens, das Sadas hier zur Schau stellte. Langsam läutete in ihrem Hinterkopf eine leise Alarmglocke und sie ahnte, dass etwas nicht stimmen konnte. "Ja, das ist mein Haus. Das weiß ich."
Ohne lange darüber nachzudenken, setzte sie sich auf eine freie Stelle auf Sadas’ Tisch, ließ den Magier dabei nicht aus den Augen. Sie beschloss, es subtil anzugehen. Schließlich wollte sie wissen, was vor sich ging, ohne ihr Gegenüber direkt darauf aufmerksam zu machen, was in ihr vor sich ging.
"Bist du krank, Sadas?“

"Ich... Äh, was?"
Sadrius drehte sich langsam auf den Fersen um, blinzelte Lucretia verständnislos an. Wahrscheinlich sah er aus wie eine Kuh auf der Weide. Das dumme glotzen konnte er schon, fehlte nur noch das Wiederkauen. "Nein, nein es ging mir nie besser "
Sehr gut. Lügen wir doch einfach mal. Seine innere Stimme schien zu neuen, zynischen Hochtouren aufgelaufen zu sein. Der Blutelf massierte sich leicht die Nasenwurzel.
"Nein, das stimmt nicht ganz. Ich bin nicht krank."

Lucretia nickte ernst.
"Du bist also nicht krank", widerholte sie geistesabwesend, während sie über seine Worte grübelte. "Aber etwas anderes fehlt dir?"
Das zumindest schloss sie aus seinen Worten, fragte sich dabei fieberhaft, was es sein konnte.
Aurya ging es vortrefflich, es gab keine Hinweise darauf, dass diejenigen, die nach ihm suchten, die Stadt erreicht hatten, und an seiner Arbeit war wirklich nichts auszusetzen. Seine Arbeit ...
"Sind deine Aufgaben zu anstrengend oder zu viele?"
Das könnte es natürlich sein, schließlich hatte Lucretia vor einigen Monaten die Anzahl der herzustellenden Artefakte vermehrt, hatte genau dafür ja auch Zephyr angestellt. Vielleicht aber hatte sie Sadas damit dennoch zu viel zugemutet.

"Wah!? Nein!"
Erschlagen von ihren plötzlichen Fragen hob Sadrius in einer defensiven Geste die Hände.
"Es ist gut, meine Aufgaben sind weder zu anstrengend noch zu viel."
Höchstens zu wenig. Wenn er einzig zum Arbeiten und erziehen von Aurya hier war...
Nun das bohrende Gefühl in seinem Brustkorb glich einem stumpfen Messer das sich durch Fleisch und Knochen wühlte. Bittere Enttäuschung schmeckte sauer auf seiner Zunge.
"Außerdem ist doch noch Zephyr da."

"Ja, natürlich ist Zephyr noch da."
Verärgert schüttelte Lucretia den Kopf, glitt vom Tisch und stapfte ein wenig umher.
"Aber was hat das mit dir zu tun?
Er könnte dich schließlich nicht ersetzen!
Deshalb ..."
Sie brach ab und starrte den jungen Mann vor sich an.
Warum rechtfertigte sie sich vor ihm? Sie musste das nicht, sie tat was richtig war und nichts anderes.
Sie wollte nicht, dass es ihm schlecht ging. Sie mochte es nicht, wenn sein hübsches Gesicht von Müdigkeit überschattet wurde. Aber am allerwenigsten aber wollte sie, dass er ihr die Wahrheit verschwieg.
Stumm seufzte Lucretia und legte flüchtig eine Hand an Sadas’ Wange.
"Sag mir, wenn etwas nicht stimmt.
Ich ..."
Wieder wusste sie nicht, wie sie den Satz beenden sollte, also schwieg sie lieber.

"Ich wundere mich nur, dass er so schnell hier akzeptiert wurde. Ohne Hinterfragen ohne Zögern."
Sadrius klang schärfer als beabsichtigt. Überhaupt war es wohl das erste Mal, dass seine Stimme nicht müde oder freundlich klang. Rasch schob er ein Lächeln hinterher.
"Aber natürlich zweifle ich Eure Entscheidung nicht an. Das würde mir doch nie einfallen.“

Lucretia zog ihre Hand zurück, als hätte Sadas sie gebissen.
Ihre Augen schienen zu glühen, als sie ihn damit anfunkelte.
"Das solltest du auch nicht!
Zephyr ist ein gewissenhafter Arbeiter und hat mir bisher keinen Grund gegeben, an seiner Loyalität zu zweifeln.
Ich hatte ihn schon seit geraumer Zeit im Blick, bevor ich ihn hergeholt habe."
Abfällig schnaubte sie und fügte hinzu:
"Und du hast keinen Grund zur Klage!
Dich habe ich aufgenommen, nachdem ich nur wenige Worte mit dir gewechselt habe!"
Sie wusste nicht, was in Sadas gefahren war, was ihn so gegen den anderen Mann aufbrachte. Aber es machte sie wütend, dass er anscheinend so wenig Vertrauen in ihr Urteil hatte.
Mit einer energischen Handbewegung strich Lucretia eine tiefrote Haarsträhne zurück, die ihr vorwitzig in die Stirn gefallen war, und trat ans Fenster, starrte finster hinaus in die Nacht.
"Oder willst du mir sagen, dass auch das ein Fehler war!?"

"Nein will ich nicht! ", erwiderte Sadrius energisch. Er fühlte sich verraten und müde, ausgelaugt. Natürlich hatte er selbst keinen Anlass zu zweifeln, vor allem nicht an Lucretia.
"Ich..."
Ich habe Angst, Angst davor überflüssig zu werden.
"Braucht Ihr meine bescheidenen Fähigkeiten überhaupt noch?"

Lange schwieg Lucretia, presste die Lippen fest zusammen.
Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, sie spürte, wie die Spitzen ihrer Nägel sich leicht in ihre Haut gruben, ein leichtes Stechen bewirkten. Also zwang sie sich dazu, ihre Muskeln wieder zu lockern.
"Willst du gehen?", fragte sie schließlich tonlos, denn das musste es schließlich sein. "Hast du jemanden gefunden, der dich besser bezahlt? Der dir mehr Schutz bietet?"
Noch immer schaute sie Sadas nicht an, denn sie wollte nicht sehen, wie seine Lippen die Antwort formten.
Verübeln konnte sie es ihm nicht. Mit seinen Talenten würde er schnell jemanden finden, der ihm mit dem Doppelten oder Dreifachen an Goldmünzen überschüttete. Und beschützen ... wen hatte Lucretia jemals beschützen können?
Zimu nicht, Tia nicht, welchen Anlass sollte Sadas haben, zu glauben, dass sie ihn beschützen konnte?
Keinen.
Es gab diesen Anlass nicht.

"Lucretia."
Sadrius verschränkte die Arme vor der Brust. Er legte den Kopf schief und wartete. Wartete ob die Prinzessin ihn ansehen würde. "Ich will nicht gehen. Ganz und gar nicht."
Langsam trat er um den Tisch herum, bis er neben ihr am Fenster stand, sacht die kühle Scheibe berührend. Seine kleine Schnittwunde blutete wieder, was er nicht bemerkte.
"Ich will es nicht."

Lucretia atmete tief ein, schloss dabei die Augen.
Es gab keinen Grund, aufgebracht zu sein.
Er würde nicht gehen.
Er würde sie nicht zurücklassen.
Bleiben würde er.
"Dann sprich nicht so mit mir", antwortete sie schließlich leise.
"Du würdest nicht hier sein, wenn ich es nicht mehr wollte."
Sie schaute zu Sadas auf, doch es war nicht sein Gesicht, welches ihren Blick auf sich zog.
Lucretia hob ihre Hand und legte sie um das Handgelenk des Magiers, zog es zur Inspektion seines Daumens näher an sich heran.
"Du bist verletzt", stellte sie fest und konnte die Augen nicht von dieser kleinen Wunde abwenden, aus der ein tiefroter Tropfen hervorperlte. Sie starrte regelrecht, ohne darüber nachzudenken, wie es aussehen mochte.
Nein, ihre Gedanken waren anderswo, setzten sich wie von selbst zu der verträumten Frage zusammen, was geschehen würde, wenn sie nun ihre Lippen an diesen Finger legen, die verletzte Haut liebkosen und den Schmerz lindern würde. Sie fragte sich, ob die Fingerkuppe weich war oder gehärtet von der vielen Arbeit, wie Sadas schmecken, ob er mit Überraschung oder Schreck reagieren würde, mit Wut oder mit Zuneigung.

Was auch immer Sadrius sagen wollte, es ging in leichtem Keuchen unter, als Lucretia einfach seine Hand nahm. Selbst wenn er wollte, er hätte nicht einfach so zurückziehen können. Es war der Hunger in ihren Augen, verträumt und abwesend, aber eindeutig Hunger. Er lähmte den Blutelf, kroch heiß und kalt seinen Arm hoch.
Ihre Finger waren rau, stark. Gewohnt ein Schwert dazu zu bringen mit stählerner Stimme zu singen, als silberner Schatten durch die Luft zu tanzen.

Als sie hörte, wie Sadas hastig den Atem ausstieß, wurde Lucretia zurück in die Gegenwart gerufen.
Für den Bruchteil einer Sekunde flackerten Schreck und Bestürzung in ihrem Gesicht auf, während sie in Sadas Augen blickte, einzuordnen versuchte, was sie darin sah. Und dann spürte sie auch schon die Hitze, die Schamesröte, welche in ihre Wangen trat, sich auf die bleiche Haut legte und die sei vermutlich nicht ganz verbergen konnte, als sie die Hand des Mannes losließ und sich hastig abwandte.
Sie schalt sich innerlich, über solche Dinge nachzudenken, sie auch nur in Erwägung zu ziehen. Schämte sich ob ihrer blühenden Fantasie und was sie in diesem einen, kurzen Moment mit ihr gemacht hatte.
"Verbinde das besser", sagte Lucretia stockend, mit sich ringend, gegen die Erkenntnis ankämpfend, die sich ihr so ungefragt aufdrängte. "Bevor es sich entzündet ..."
Warum jetzt?
Warum hier?
Warum ... warum Sadas?

Sie kannte das Gefühl, den Wunsch, hatte beides nicht mehr verspüren wollen, fürchtete sich nun davor.
Weil er hübsch ist, versuchte sie kühl und sachlich dagegenzuhalten. Weil du zu lange alleine warst. Weil du es nicht mehr kennst, nicht mehr unterscheiden kannst.
Das beruhigte Lucretias Herzschlag nun doch ein wenig, gab ihren Gedanken wieder so etwas wie Ordnung.
Das musste es sein. Sie hatte sich einfach zu lange vernachlässigt, es würde ihr besser gehen, wenn sie sich in eins der Edelbordelle begeben und dort die Nacht verbringen würde.
Das zumindest hoffte sie und widerholte es in ihrem Kopf immer wieder, als wäre sie nicht imstande, etwas anderes zu denken.

Neben plötzlicher Kälte, spürte Sadrius auch Enttäuschung. Er hatte beinahe gehofft...
Unwichtig.
Abrupt wandte er sich ab, verband mit einem sauberen Tuch seinen Daumen. Und konnte doch nicht vergessen, dass Lucretias Augen beinahe genauso wie sein Blut geschimmert hatten. Sie war hübsch, wenn ihre Wangen einen zarten Rosaton annahmen, brachte ihn dazu, warm zu schmunzeln.

Langsam und nun wieder einigermaßen gefasst, drehte Lucretia sich wieder zu Sadas um.
Und wusste nicht, was sie sagen sollte.
Sie hatte Gewissheit über ihre Seite ... aber wie sah es auf seiner aus?
Was hatte er in jenem Augenblick gedacht? Hatte er gesehen, was in ihr vorgegangen war, es geahnt?
Wie stand er dazu?
Vielleicht hätte ich es doch tun sollen ... aus Neugierde.
Verärgert schob Lucretia den Gedanken beiseite.
Sie war schließlich kein Tier, dass seinem Trieb, und kein Kind, dass seiner Neugierde folgte, ahnungslos über jede mögliche Konsequenz.

"Ihr wirkt ein wenig erhitzt. Habt Ihr Euch beim Training Überanstrengt?", fragte Sadrius mit leichtem Lächeln, trag um den Tisch herum und hob den alten Dolch auf, welchen er billig erstanden und in einem Anfall von Frustration in die Ecke geworfen hatte. Eine solide, stabile Klinge aus einfachen, dunklen Eisen, abgenutztes Leder um den Griff. Belanglos und banal und dennoch unglaublich interessant. Zumindest interessanter als sich wie ein Fisch an Land zu winden.

"Ja", antwortete Lucretia mechanisch. "Es war sehr ... anstrengend."
Aufmerksam musterte sie den Dolch in Sadas’ Händen.
"Hast du dich damit geschnitten?"
Es war eine dumme Frage, schließlich gab es anscheinend nicht viele andere scharfe Gegenstände in diesem Raum und es war ohnehin uninteressant, womit er sich verletzt hatte. Aber die belanglosen Worte gaben Lucretia die Zeit, Sadas weiter anzustarren, in dem vergeblichen Versuch, seine Gedanken zu entschlüsseln.

"Ja. Ich habe ihn in einem Anfall von Übermut gekauft und gedacht, es sei einfach damit umzugehen."
Sadrius stieß unsanft gegen die Klinge, erwischte versehentlich die scharfe kante anstelle der flachen Seite und... blutete erneut. Nur dass er diesmal sehr entnervt aussah.
"Das meinte ich", knurrte der Blutelf, saugte frustriert an seinem Zeigefinger. "Die einzige Sache, die man mir beigebracht hat, ist wie man antike Bücher umblättert ohne dass sie zu Staub zerfallen."

Lucretias Herz machte einen Sprung und ihr Atem ging flacher, als sie erneut sah, wie Sadas’ weiße Haut von Rot befleckt wurde. Diesmal aber gab sie sich keinen Fantasien hin - oder ließ sich zumindest nicht von ihnen ablenken - und entwand dem Magier geschickt das Messer, ohne dass sie den Blick von seinen Lippen abwenden konnte, die sich um die Wunde legten.
"Fass es besser nicht mehr an.
Das ist gefährlich."
Nicht die Wunden, die machten Lucretia keine Sorgen. Es war schwerer, mit einem Messer zu töten, als man es vermuten würde, insbesondere, wenn man nicht damit umgehen konnte.
Es war das Andere, dieses Gefühl, das in ihr aufstieg, Wärme, Neugierde ... Begehren. Und Angst. Angst, etwas zu tun, was sie bereuen würde. Die Angst, etwas zu verändern, zu zerstören.
Er ist Blutelf, wie ich es bin.
Versteht er es denn nicht?


Ruhig erwiderte Sadrius ihren Blick, schmeckte das Blut und spürte die Freude nur schwach. Sacht zog er seinen Finger zurück, wischte ihn fahrig trocken.
"Spürt Ihr überhaupt die Begierde nach Blut? Oder seid Ihr genauso kontrolliert wie beim Tanz? "

Lucretia fuhr bei der Frage leicht zusammen.
Wieder trat dieses verärgerte Funkeln in ihre Augen.
"Jede Blutelfe spürt es.
Das solltest du wissen."
Machte er sich über sie lustig?
Er musste doch etwas ahnen.
Und wissen, wie schwierig es war, ruhig und gefasst zu bleiben.

"Verzeiht."
Sadrius trat zurück und ballte die verletzte Hand hinter seinem Rücken zur Faust. Er sah zu Boden, Scham brannte scharf auf seinen Wangen.

Tief holte Lucretia Luft, hielt den Atem einen Augenblick lang an, stieß ihn dann langsam wieder aus.
"Es gibt nichts zu verzeihen."
Nachdenklich studierte sie Sadas’ Gesicht, seine zu Boden gerichteten Augen, die zarte Röte in seinen Wangen, und hätte Vieles dafür gegeben, jetzt seine Gedanken lesen zu können. Zu wissen, was in ihm vor sich ging.
Zögernd streckte Lucretia einen Arm aus, den sie gerade noch verschränkt mit ihrem anderen gehalten hatte und legte einen Finger unter Sadas’ Kinn, hob es sanft an, sodass sich ihre Blicke wieder trafen.
Was würdest du tun, wenn ich dich jetzt küsse?
"Sei einfach vorsichtig.
Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert."

"Ich fühle mich einsam, Lucretia", flüsterte Sadrius plötzlich, er sah die Prinzessin mit einem stumm leidenden Blick an. Einsam und stets von dem warum umgeben. So süß und herzallerliebst Aurya sein mochte, so sehr er sie wie eine Tochter liebte. Das hübsche Mädchen erinnerte ihn stetig an das Wieso.

Lucretia blinzelte und starrte ihr Gegenüber schweigend an.
Mit einem Mal hatte sie ein schlechtes Gewissen, denn mit diesen Worten hatte sie nicht gerechnet.
Einsam ... so hatte sie Sadas nie gesehen. Eigentlich hatte sie niemals in Erwägung gezogen, dass jemand anderes einsam sein könnte.
"Das tut mir leid", murmelte sie ehrlich.
Ihre Miene hatte einen weicheren Zug angenommen, in ihren Augen stand so etwas wie Mitgefühl.
Zaghaft beugte sie sich vor, stockend, unsicher, ja, beinahe ungeschickt streckte sie ihre Hände aus und schloss Sadas vorsichtig in ihre Arme.
Ich bin es auch ... schon zu lange...

Erst erstarrte Sadrius als Lucretia plötzlich so nahe war, ihre Arme um ihn legte. Dann jedoch spürte er, wie sein Körper leicht vibrierte, vor unterdrücktem, heruntergewürgtem Schluchzen. Sacht erwiderte er ihre Umarmung, schmiegte die Stirn an ihre Schulter, in der Hoffnung, nicht vergessen zu werden.

Behutsam zog Lucretia ihn enger an sich.
Sie besaß keine Gabe für Worte, kein Satz, der ihr in den Sinn kommen würde, war wahrscheinlich, Sadas Trost zu spenden, würde ihn vermutlich nur noch trauriger machen.
Also musste sie sich damit begnügen, dazustehen und ihn zu halten, die Wange sanft an seinen Kopf zu schmiegen, und ihn weinen zu lassen.
Und es tat auch ihr gut.
Nicht, dass Sadas vor Trauer zitterte und immer wieder leicht erbebte - das stimmte sie selbst traurig, weckte sogar Schuldgefühle in ihr, weil ihr bewusst wurde, wie wenig sie sich um ihn gekümmert hatte.
Aber diese Nähe, diese Wärme, welche die Umarmung brachte, das genoss sie dennoch.

Es tat gut, all den Groll und die mühsam verborgenen Tränen einmal frei hervor rinnen zu lassen, es linderte die Schmerzen in seiner Brust. Sadrius atmete ruhiger, er drückte Lucretia leicht, schloss die Augen.
"Danke."

Lucretia sprach kein Wort, schüttelte nur sacht den Kopf.
Immer wieder strich sie sanft über Sadas’ Haar, glatt und tiefrot wie ihr eigenes.
Deutlich spürte sie seinen warmen Atem, die erst heißen, dann rasch abkühlenden Tränen an ihrer Schulter und unterdrückte den Drang, die salzigen Tropfen von seinen Augen zu wischen und zu versuchen, ihm Mut zuzusprechen.
Stattdessen folgte sie schließlich einem Impuls und hauchte einen Kuss auf seinen Scheitel, eine zärtliche, unschuldige Geste.
"Du musst mir nicht danken, Sadas."

"Es...ist ...nicht selbstverständlich", murmelte Sadrius und seufzte dann tief. Er drückte Lucretia noch einmal enger an sich. Sie war wesentlich härter, strenger als er geformt...Faszinierend. Und anziehend.
Sacht ging Sadrius auf Abstand.

"Nein, ist es nicht", stimmte Lucretia zu und stieß einen leisen Seufzer aus, als sie Sadas widerstrebend losließ.
"Aber ich habe es gerne getan."
Diese Worte, ihre eigenen, ehrlich und ungezwungen, beinahe schon ein ungewolltes, rasch ausgesprochenes Bekenntnis, machten sie verlegen und sie wandte den Blick ab, fuhr sich nervös durchs Haar.

Sadrius lächelte und wirkte wieder etwas fröhlicher, etwas erleichterter. Die Einsamkeit brannte nicht mehr wie erstickendes Eis in seiner Kehle, ließen ihn an jedem Wort würgen und krächzen.

Als sie Sadas’ Lächeln erblickte, hellte sich auch Lucretias Miene wieder auf.
"Geht es dir besser?", fragte sie sanft.
Ihre Verlegenheit schwand wieder.
Sie schien nichts Falsches gesagt oder getan zu haben und Sadas schien ihr nichts übel zu nehmen.

"Ja...verzeiht."
Sadrius wischte sich nochmal über die Wangen, trat etwas zurück und schluckte.

"Was soll ich verzeihen?"
Lucretia lächelte schwach.
"Du stehst unter meinem besonderen Schutz, Sadas.
Ich kann nicht einfach zulassen, dass es dir schlecht geht, verstehst du?"
Es war das Mindeste.
Womöglich sogar das Einzige, was sie tun konnte.

Sadrius lächelte und öffnete den Mund. Sein Kopf formte bereits die Worte, er wollte ehrlich sein, wollte Lucretia die Wahrheit sagen.

Wachsam beobachtete Lucretia den Magier, wartete nicht ohne eine gewisse Anspannung auf seine Worte.
Ihr schien, als hätte er etwas Wichtiges zu sagen, und ihr Herz schlug schneller bei den Vorstellungen, was das sein konnte, obwohl ihr Verstand sie dazu anhielt, ruhig zu bleiben, sich keine Hoffnungen zu machen, sie sogar abzutun als eine unwichtige, vorrübergehende Laune.
Trotzdem hielt sie Sadas’ Gesicht genau im Blick, erwartete den Moment, da er aussprechen würde, was ihm auf der Zunge lag.
Doch als sie sich schon darauf gefasst gemacht hatte, den ersten Ton von seinen Lippen zu hören, erklang ein ganz anderes Geräusch, eines ohne Sprache und Worte, das vielmehr ein Ereignis, eine Veränderung ankündigte. Die Tür quietschte.
Und als Lucretia sich umwandte, erblickte sie die kleine Gestalt Auryas, die leicht geduckt hinter der Tür hervorlugte und in das Zimmer spähte, mit den großen, blaugrünen Augen erst Sadas, dann sie anvisierte.

"Aurya!"
Sadrius lächelte und trat auf die Kleine zu, ging vor ihr in die Hocke, die Arme leicht ausgebreitet. Das Mädchen wirkte so scheu und niedlich, beinahe wie ein Reh.

Aurya zögerte kurz, dann raffte sie ihren Rock und eilte strahlend auf Sadas zu, schmiegte sich in seine Arme. Einen Augenblick lang hatte sie befürchtet, die beiden Erwachsenen bei etwas zu stören, doch dem schien nicht so zu sein. Sadas hieß sie willkommen wie immer und Lucretia lächelte sie ebenfalls schmal an. Obwohl Aurya den Eindruck hatte, dass da noch etwas anderes in ihrer Miene zu lesen war, etwas Bedrücktes.
Vielleicht war sie aber einfach nur müde.

Lachend hob Sadrius die kleine Aurya hoch, küsste ihre Wange und trat mit ihr auf dem Arm zu Lucretia heran.
Er lächelte sie beide an, doch blieb sein Blick hauptsächlich an Lucretias Gesicht hängen, er liebkoste es mit dem Blick.

Zu ihrer eigenen Überraschung spürte Lucretia, wie sie errötete, als sie versuchte, Sadas’ Blick zu erwidern. Die Art, wie er sie anschaute, machte sie nervös, gleichzeitig schienen sich auch ihre Innereien darunter auf köstliche Weise zu verdrehen.
Da sie nicht wusste, wie sie nun damit umgehen sollte, schaute sie lieber das kleine Mädchen an, welches die braunen Finger im langen Haar des Magiers vergrub und damit spielte. Lucretia hatte dieses Verhalten schon oft beobachtet und fragte sich nun, wie die roten Strähnen sich wohl auf ihrer eigenen Haut anfühlen würden.
"Ich muss dir was zeigen, Sadas", sagte Aurya plötzlich und zupfte an seinem Ärmel. Dann wandte sie sich ohne sichtbare Scheu Lucretia zu und fügte hinzu: "Dir auch, Lua."

"Ja? Was möchtest du uns denn zeigen?", fragte Sadrius sanft, er legte den Kopf schief, sah aufmerksam zu der kleinen Aurya.

"Überraschung", erwiderte Aurya knapp und konnte sich ein vorfreudiges, wissendes Grinsen nicht verkneifen.
Vorsichtig befreite sie sich aus Sadas’ Armen und zog an seinem Ärmel, damit er ihr in sein Zimmer folgen würde, achtete auch darauf, dass Lua mitkam.
Es würde ihnen gefallen, das wusste sie.
Sie hatte sich viel Mühe gegeben und war so stolz darauf!

Lächelnd stolperte der Blutelf geduckt seiner kleinen Adoptivtochter hinterher, warf hin und wieder einen amüsierten Blick über die Schulter zurück.
Sadrius lächelte Lucretia immer wieder an.

Lucretia konnte nicht anders, als Sadas' Lächeln schmal und vorsichtig zu erwidern.
Es war kein Falsches, da war sie sicher. Natürlich und unbeschwert sah es aus, ein Lächeln, welches seinem Gesicht schmeichelte, es so viel schöner machte, als es war, wenn es von Sorge umschattet wurde.
So sehr war Lucretia darauf fokussiert, dass sie erst nach einer kurzen Verzögerung bemerkte, dass Aurya vor ihrem Kinderzimmer haltgemacht hatte und die beiden Erwachsenen nun erwartungsvoll anschaute.
"Macht die Augen zu."

Gehorsam schloss Sadrius seine gelben Augen und lächelte. Er lehnte sich gegen den Türrahmen und schmunzelte.

Ernst schaute Aurya zu und wartete ab, bis beide - Sadas sofort, Lua nach einigem Zögern - ihrer Bitte Folge geleistet hatten. Dann öffnete sie die Türe zu ihrem Zimmer und trat ein, warf dabei immer wieder Blicke zurück, um sicherzustellen, dass die Erwachsenen auch wirklich ihre Augen geschlossen hielten. Sadas nahm sie an die Hände und führte ihn so ins Innere, Lua hingegen bewegte sich trotz mangelnder Sicht mit einer Zielstrebigkeit hinein, die in Auryas Augen an eine übernatürliche Kraft grenzte.
Das Mädchen beschloss, sie später danach zu fragen und eilte auf den Tisch zu, auf dem Farbtöpfchen und Pinsel noch verstreut herumlagen, und ergriff das Bild, an welchem sie den frühen Abend lang gearbeitet hatte, hielt es stolz empor und sagte feierlich:
"Ihr könnt wieder gucken."

Sacht öffnete Sadrius die Augen, ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er das Gemalte erkannte.
Zärtlich strich der Blutelf über die klecksen an rot, welches Lucretias Haar da stellte, kicherte als er die letzten Spuren von roter Farbe am Finger hatte.
"Das ist sehr schön, Sonnenschein."

Lucretia spürte den erwartungsvollen Blick des Mädchens auf sich ruhen, nachdem es kurz Sadas’ Bein umarmt hatte.
Sie wusste nicht genau, wie sie das Bild des Kindes beurteilen sollte, immerhin war es nicht gerade von hohem Kunstwert. Allerdings hatte sie in den letzten Jahren einiges darüber gelernt, mit welchem Maßstab man Kinder messen sollte, also gab sie ein zustimmendes "Ja" von sich und musterte weiter die drei händehaltenden Gestalten - zwei große hellhäutige und rothaarige, sowie eine braunhäutige und weißhaarige, die wohl Lucretia, Sadas und Aurya darstellen sollten - als betrachtete sie das Werk eines angesehenen Malers.
Nach einer Weile deutete sie auf ein rotes Geschöpf, das entfernt an eine Katze erinnerte, und in einem grünen Farbkreis hockte, welcher die Krone eines Baumes war.
"Ein Kätzchen?"
Aurya schüttelte energisch und mit todernster Miene den Kopf.
"Das ist Aria - das sieht man doch!"

"Wer ist Aria?", fragte Sadrius sanft, sah auf und musterte Lucretia, wie als wenn sie die Antwort wüsste. Es war ein reiner Reflex geworden, immer erst zu der Prinzessin zu sehen.

Aurya lächelte Sadas tadelnd an.
"Das Eichhörnchen natürlich.
Das von Zephyr."
Sie strahlte bei der Erinnerung daran, wie das kleine Tier sich neulich hatte streichen lassen und dann ihren Arm emporgeklettert war.
"Sie heißt fast genauso wie ich", betonte das Mädchen nicht ohne einen gewissen Stolz.

"Ah."
Dieses Biest hatte ihn nur einmal gebissen, als er in der Küche versehentlich seine Nüsse als Zutat für den Eintopf benutzt hatte. Sadrius war dann eine Woche lang mit geschwollenem Finger durch die Gegend gelaufen.

"Sie ist so süß!
Neulich hat sie mir das Gesicht abgeleckt!"
Bei diesen Worten und dem Kichern, welches ihnen folgte, fragte Lucretia sich, ob Aurya dasselbe Tier meinte, mit welchem sie selbst bereits Bekanntschaft gemacht hatte. Klein war es und wirkte auf den ersten Blick harmlos, doch es schien nur Zephyr loyal zu sein, nur ihm zu gehorchen, nur ihn zu mögen.
Lucretias Handgelenk juckte noch leicht an der Stelle, wo es sie vor einigen Tagen gebissen hatte, als sie Zephyrs Zimmer betreten hatte, um etwas mit ihm zu besprechen, stattdessen aber nur ein wütendes Felltier vorgefunden hatte ...

Sadrius bemerkte den Blick, das reiben von Lucretias Unterarm. Er warf ihr einen vielsagenden Blick zu, strich sich selbst leicht über den Finger.
"Und das Tier hat dich nie gebissen?"

Aurya schüttelte den Kopf, runzelte dabei leicht die Stirn, als sie das schmale Lächeln sah, welches Lua Sadas zuwarf.
"Nein, sowas würde sie nicht machen.
Wir sind doch Freunde."
Sie hatte sich dem Tier erst scheu und vorsichtig, dann zunehmend selbstsicherer genähert, ihr Eicheln und Nüsse mitgebracht. Und Aria hatte es ihr gedankt.

Sadrius schmunzelte.
"Natürlich und Freunde beißen einander ja nicht. Wo habe ich nur wieder meinen Kopf ", er lächelte, der Humor in seiner Stimme war ein gutmütiger, der anderen ein Lächeln auf die Lippen zaubern sollte.

Lucretia erwiderte Sadas’ Lächeln, doch ein bisschen Wehmut stieg in ihr auf.
Manche Freunde beißen sich nicht nur ...
Auryas helle Kinderstimme verhinderte, dass sie sich trübseligeren Gedanken widmen konnte.
"Können wir das Bild aufhängen, Sadas?"

"Ich werde einen Rahmen besorgen und dann können wir es bestimmt aufhängen."
Er lächelte und strich der kleinen über den Kopf.
Begeistert nickte Aurya.
"Danke, Sadas."
Sie wandte sich um und schritt zur Türe, warf den Erwachsenen noch einen kurzen Blick zu und sagte:
"Ich gehe in den Garten, spielen."
Mit diesen Worten ließ sie die beiden in ihrem Zimmer zurück.

"Kaum zu glauben dass dieses Biest zu ihr nett ist", murmelte Sadrius ehe er den Kopf schüttelte. "Aber auch gut so. Sonst hätte ich es zu einem Kissen verarbeitet."

Lucretia nickte zustimmend.
"Ich hätte dir geholfen", brummte sie. "Falls wir es geschafft hätten, es einzufangen ..."
Schnell und flink wie das Tier war, erschien ihr das nahezu unmöglich.
Doch das war es nicht, was sie in diesem Moment beschäftigte.
Nachdenklich schaute sie den Magier an und fragte dann langsam:
"Sadas ... wolltest du mir eben etwas mitteilen?
Als Aurya zu uns gekommen ist?"

"Das... "
Sadrius winkte ab und trat unbehaglich zurück, wich von einem Bein aufs andere. "Es ist egal."

"Oh.
Ich verstehe."
Lucretia konnte einen gewissen Ausdruck von Enttäuschung nicht aus ihrem Gesicht fernhalten.
Langsam drehte sie sich um und trat ans Fenster, in denen sie sich spiegelte und von Eisblumen umrahmt wurde, welche die Kälte in die Ecken gepflanzt hatte. Ihre Frisur war mittlerweile dabei, sich aufzulösen, also löste sie die Haarnadel, ließ sich die nun trockene, rote Pracht über Schulter und Rücken fallen, während sie ihr nachdenkliches Antlitz in der Glasscheibe musterte.
"Ich dachte nur ..."
Gehofft.
Einen Augenblick lang hatte sie gehofft.
Wie ein dummes kleines Mädchen.

"Es... Ich... ", innerlich fluchend biss Sadrius sich auf die Lippe und sah sich Hilfe suchend um. Er wand sich innerlich.
"Ichliebedich."
Und fluchtartig war er fort.

Lucretia hatte keine Gelegenheit, ihn zurückzuhalten, eine Antwort zu geben. Sadas war aus dem Raum verschwunden, noch ehe sie Luft holen konnte. Und vielleicht war das gut so, denn sie wusste nicht, wie diese Antwort ausgesehen hätte.
Nun entließ sie langsam den angehaltenen Atem und ließ sich alles noch einmal durch den Kopf gehen.
Doch Klarheit erlangte sie dadurch nicht, keine Erleuchtung, keine Eingebung, was sie nun tun sollte, was sie tun wollte.
Also traf sie die einzige Entscheidung, die ihr blieb:
Sadas zu suchen.
Und sie fand ihn.
Sie fand ihn in der Küche, als sie die angelehnte Tür leise und vorsichtig aufstieß und sich dann ins Innere schob.
"Warum bist du weggelaufen?"

"Es ist dumm und albern."
Sadrius krallte sich fast in die Kante des Tisches, er stützte sich vor und verbarg sein Gesicht hinter langem, himbeerroten Haar. "Ihr seid nicht nur eine Prinzessin, sondern auch eine Kriegerin. Ich kann nicht mal Gemüse schneiden ohne zu versagen."

"Ja."
Lucretia nickte zögerlich.
"Ja, du kannst nicht mit dem Messer umgehen.
Und ich bin eine Kriegerin und Prinzessin."
Unsicher strich sie sich das Haar aus der Stirn und trat dann langsam an jungen Mann heran und berührte vorsichtig seine Schulter.
"Aber das macht keinen Unterschied."

Heftig fuhr Sadrius zusammen, sah die Prinzessin aus großen, gelben Augen an. Sein Atem flog, als wäre er Meile um Meile gerannt, geflüchtet.

"Ich ..."
Und mit einem Mal fehlten auch Lucretia wieder die Worte.
Sie konnte ihm nicht dasselbe sagen, wie er ihr, fürchtete sich davor. Zu tief saßen die Wunden noch, die Erinnerungen an all das, was geschehen war, nachdem sie diese drei Worte zuletzt jemandem offenbart hatte. Die Bitternis, der Schmerz. Sie hatte Angst, dass alles wieder zerplatzen würde, wie ein kurzer, schöner Traum.
Das wollte sie nicht. Das wollte sie kein zweites Mal.
Dennoch ...
Vorsichtig fuhr Lucretia über Sadas’ Scheitel, schaute ihm mit untypischer Sanftheit an.
Sie wollte diese Unsicherheit aus seinem Blick nehmen, seinen Atem besänftigen, ihm das Gefühl geben, nicht alleine zu sein.
Sie wollte ihn lieben.
Langsam beugte sie sich vor, leckte sich nervös über die Lippen und sprach leise in sein Ohr:
"Küss mich, Sadas."

Langsam drehte Sadrius den Kopf, sah die Prinzessin mit zweifelndem Blick an, ehe er die Zweifel abrupt beiseite räumte, sich gänzlich zu ihr umdrehte. Sacht legte er eine Hand an ihre Wange. Eine sanfte Geste, Sanftheit lag auch in dem Kuss, welchen er Lucretia schenkte.

Lucretia schloss die Augen.
Unglaublich weich und zart fühlte schon sich Sadas’ Hand an auf ihrer Haut an und war dennoch kein Vergleich zu seinen Lippen auf ihren. Lucretia traute sich kaum, zu atmen, und ein noch größeres größeres Wagnis erschien es ihr, ihren Mund zu leicht zu spalten, seinen Kuss zärtlich zu erwidern.
Ein Wagnis, welches sie einging.
Ebenso, wie sich ihre Arme nach einem Augenblick um ihn legten, locker nur und behutsam, als wäre Sadas ein fragiles Wesen aus dünnem Glas.

Keuchend schlang Sadrius seinen freien Arm um Lucretias Hüfte, drückte sie an sich. Er erkundete neugierig Lucretias Mund, spielte sacht mit ihrer Zunge.

Nun wurde auch Lucretia mutiger.
Mit klopfendem Herzen schmiegte sie sich enger an Sadas, bewegte ihre Zunge sanft im Einklang mit seiner, bezaubert von seinem Geschmack und der zärtlichen Neugierde. Eine ihrer Hände wanderte in sein Haar und beinahe erstaunt stellte sie fest, wie weich und seidig es doch war, als sei es von kleinen Raupen gesponnen.
Ihre andere Hand legte sie an Sadas’ Brust, streichelte vorsichtig darüber, suchte seinen Herzschlag.

Unter ihren Fingern erzitternd, Wangen und Ohren gerötet, schloss auch Sadrius die Augen, strich über Lucretias Rücken und drückte sie eng an sich.

Wohlig seufzte Lucretia gegen seine Lippen, bevor sie ihren Mund löste und sich mit der Wange an seine schmiegte, nicht ohne die sanften Streicheleinheiten zu unterbrechen. Zum ersten Mal fiel ihr dabei auf, dass Sadas noch ein Stück größer war als sie selbst. Schlank und zart wie er nun einmal war, war ihr das nie aufgefallen, nun entlockte es ihr ein kleines Lächeln.
Lucretia wusste nicht, wie lange sie dort stand, in seinen Armen, das Herz warm, die Seele frei von Sorgen, doch sie wünschte sich, dass der Moment für immer angehalten hätte. Und es sah auch aus, als könnte dieser Wunsch in Erfüllung gehen oder ihr zumindest sehr nahe kommen.
Bis ...

"Bitte, reg dich nicht so auf, meine Liebe.
Du wirst gleich etwas Leckeres essen können.
Ein paar Rosinen vielleicht?
Oder soll ich dir lieber ein Ei aufschlagen?"
Zephyr kraulte dem auf seiner Schulter sitzenden Eichhörnchen sanft die Stirn, doch Aria drehte beleidigt den Kopf weg und schnaubte leise. Es war ihm wohl wieder gelungen, sie zu beleidigen. Oder besser gesagt hatte er darin versagt, sie nicht zu verärgern, denn es war nicht Zephyrs Absicht gewesen, ihren Zorn auf sich zu ziehen. Er war nach den Übungen mit der Lady Lucia einfach so müde gewesen, dass er eingenickt war, sobald er sich kurz auf seinem Bett niedergelassen hatte.
Leider hatte er somit auch nicht sein Versprechen an Aria einhalten können, gleich danach etwas mit ihr zu essen. Und da er versehentlich die Türe ganz geschlossen hatte, hatte seine rotpelzige Gefährtin nun schon seit geraumer Zeit nichts mehr zu sich genommen.
Aber Zephyr war fest entschlossen, das wieder gut zu machen, indem er ihr etwas besonders Leckeres servierte. Mit breitem Lächeln öffnete er die Küchentüre.

Sadrius erstarrte, stand er doch mit dem Gesicht zur Tür. Abrupt trat er zurück, der Blick wurde dumpf und leer. Der Blutelf war kurz davor wieder zu fliehen.

Lucretia löste sich leicht und drehte sich um, sah Zephyr im Türrahmen stehen, der sie mit einer gewissen, Verlegenheit anschaute.
"Bitte verzeiht - ich wollte nicht stören."
Und mit diesen Worten, begleitet von einer hastigen Verbeugung, hatte er den Raum auch schon verlassen und die Türe hinter sich geschlossen. Blinzelnd wandte sie sich wieder Sadas zu.
"Was ist los?", fragte sie leise und legte eine Hand an seine Wange.
Ihr gefiel dieser Blick nicht, diese plötzliche Anspannung.

"Es... Ist nichts."
Sadrius wandte sich ab und sammelte mit mechanisch anmutenden Bewegungen alles, was er für Tee brauchte, setzte Teewasser auf.
"Es ist... ein seltsames Gefühl.“

Lucretia zwang sich dazu, sich zu setzen.
Zweifel und Unsicherheit kamen mit einem Mal wieder in ihr hoch.
Sie verstand nicht, was in Sadas vor sich ging und fragte sich, ob sie einen Fehler begangen hatte, ohne etwas davon zu bemerken.
"Was?", fragte sie schließlich, ohne Sadas aus den Augen zu lassen. "Was für ein seltsames Gefühl?"

"Zephyr und Ihr vertragt euch gut, nicht wahr?", fragte Sadrius sehr sanft nach, nahm das pfeifende Teewasser vom Herd und sah dann zu Lucretia.

Lucretia runzelte die Stirn, nickte langsam.
"Ja. Das tun wir."
Sie warf Sadas einen fragenden Blick zu.
"Warum?"

"Nur so."
Sadrius schüttelte den Kopf und sah auf die leeren Tassen herab. Heiße Dornen im Herzen.

"Sadas ..."
Lucretia streckte den Arm aus, umfasste sein Handgelenk.
Fest schaute sie in Sadas’ Augen.
"Sag mir, woran du denkst."

"An vieles. Vor allem darüber, ob ich genüge."
Sadrius ballte die Hand, seine Knöchel stachen weiß unter der hellen Haut hervor. Kopfschüttelnd versuchte er den Griff zu lösen und war - natürlich - zu schwach.
"Aurya, Ihr, Zephyr, Ihr alle erwartet etwas von mir, doch ich weiß nicht ob ich genüge."

Als sie spürte, wie er kämpfte, ließ Lucretia los.
"Warum solltest du nicht genügen?", fragte sie. "Was glaubst du, würde ich von dir verlangen, das du nicht erfüllen könntest?"
Es war nicht viel, was sie von ihm verlangen würde. Was sie von ihm wünschte.
Ehrlichkeit.
Zuneigung.
Treue.
Sie nicht im Stich zu lassen.
Alleine das wäre ihr genug.

Langsam wich der sinnlose Zorn in Sadrius, er lächelte und atmete sacht aus. Zärtlich strich er über ihre Hand, war nur kurz mutig genug ihr in die roten Augen zusehen.
"Ich weiß nicht."

Lucretia nickte langsam.
"Du liebst mich", sagte sie nach einer Weile nachdenklichen Schweigens und schaute auf ihre Hand, verschränkte sie sanft mit seiner. "Und du belügst mich nicht. Du würdest mich niemals einfach im Stich lassen."
Fragend schaute sie in seine Augen.
"Das alles stimmt doch, Sadas?"

"Natürlich nicht!"
Sadrius klang entsetzt und dann plötzlich wurde er rot, begann hastig zu erklären, was er meinte.
"Natürlich würde ich Euch nicht einfach im Stich lassen."

"Und mehr verlange ich nicht von dir, Sadas.
Das ist mehr als genug."
Sanft zog Lucretia seine Hand näher an sich heran, drehte sie vorsichtig um und senkte den Kopf, um einen zärtlichen Kuss auf das schmale Handgelenk zu pflanzen. Als sie Sadas wieder anschaute, lächelte sie.
"Verstehst du das?"

"Ja...ich verstehe."
Sadrius lächelte, erst vorsichtig, dann offener, er blickte in ihre Augen, statt wie andere Männer einfach nur das Ziel - ihre Lippen, ihren Körper - zu fixieren.

Lucretia erwiderte seinen Blick, konnte sich kaum abwenden.
Sadas hatte hübsche Augen, sanft und schön geformt, und ihr gefiel der Ausdruck in ihnen.
Zuneigung sah sie darin, Wärme, den Willen, sie zu verstehen.
Sie wollte ihm glauben und schimpfte dafür nicht einmal mit sich selbst.
Ein letztes Mal streichelte Lucretia über seine Hände, dann erhob sie sich, fuhr kurz durch Sadas' wundervolles Haar, flüchtig über seine Wange und sagte dann leise:
"Ich muss mich um ein paar geschäftliche Dinge kümmern.
Möchtest du später zu mir kommen?
Eine Stunde vor Sonnenaufgang?"

"Gerne..."
Etwas nervös biss Sadrius sich auf die Lippe.
"Da-darf ich...?"
Er blickte kurz auf Lucretias Lippen und dann wieder zu ihren Augen.

Erst blinzelte Lucretia verständnislos, bevor sie dann begriff, was Sadas wollte.
"Natürlich darfst du", erwiderte sie, seltsam berührt von der Frage.
Er war so zögerlich, so vorsichtig, so unsicher. Als hätte er Angst, sie zu verjagen, wenn er zu forsch wäre.
Ein Gefühl, das sie nur zu gut kannte.
Langsam ging sie vor Sadas in die Hocke, stützte sich leicht auf seinen Knien ab.
Erwartung lag in ihrem Blick, der Anflug eines milden Lächelns auf ihren Lippen.

Sacht beugte Sadrius sich leicht vor, küsste Lucretia sanft auf die Lippen. Er bemühte sich, so zärtlich und sanft zu sein, als wäre die Prinzessin nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus zerbrechlichem, delikat geformten Glas.

Lucretia erwiderte den Kuss nicht weniger liebevoll, nicht weniger zart.
Es fühlte sich neu an, aufregend und verlockend, als hätte sie nie zuvor jemand auf diese Weise geküsst.
Und wahrscheinlich hatte das auch niemand.

Zögerlich löste Sadrius den Kuss, lehnte sich zurück und lächelte zart, streckte sacht die Hand aus und liebkoste die Wange der Prinzessin.

Ein letztes Mal lehnte Lucretia sich gegen seine Hand, strich ein letztes Mal durch sein Haar, nahm Sadas’ Hand sanft in ihre, ließ sie erst los, als sie sich wieder völlig erhoben hatte.
Sie lächelte ihn noch einmal strahlend an, raunte ein leises "Bis später" und huschte dann durch die Küchentür hinaus in den Flur.
Sie spürte noch die Wärme, wo Sadas sie berührt hatte.

Als Zephyr sah, wie Lady Lucia mit seligem Lächeln an ihm vorbeilief, atmete er auf.
Er hatte lange genug unter Blutelfen gelebt, um zu wissen, dass die wenigsten unter ihnen sich zierten, wenn es darum ging, Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit auszutauschen, doch er selbst hatte seine eigenen Gefühle dazu. Peinlich berührt das zwar nie, besonders nicht zu der Zeit, als er selbst noch unter ihnen geweilt hatte, doch er wollte nicht das Risiko eingehen, zum Mitmachen eingeladen zu werden. Und schien ihm dieses bei Lucia und Sadrius doch sehr gering zu sein, so wollte er dennoch nicht an das erinnert werden, was er aufgegeben hatte. Bitternis war ein schreckliches Gefühl.
"Na komm, meine Liebe", flüsterte er Aria zu, die als Antwort ein leises Glucksen von sich gab.
Dann trat er erneut in die Küche, warf Sadrius, der vor einer Tasse Tee am Tisch saß, ein entschuldigendes Lächeln zu.
"Ich wollte wirklich nicht stören."
Er legte eine Hand auf den Rücken des Eichhörnchens, als er auf die Speisekammer zuhielt, um sie davon abzuhalten, in ihrer Aufregung ob des bevorstehenden Mahls von einer Schulter zur anderen zu springen oder sich in seinem Haar festzukrallen.

"Es gibt nichts, was du im Moment stören könntest."
Sadrius legte den Kopf schief und deutete dann auf die zweite, unberührte Tasse, die in aller Seelenruhe vor sich hin dampfte. "Tee?"

"Gerne", antwortete Zephyr dankbar und verschwand kurz in der Speisekammer, nur um nach einem kurzen Moment wieder in die Küche zurückzukehren, mit Nüssen und einem Ei. Letzteres schlug er in einer Schale auf und stellte diese auf den Tisch, legte die Nüsse daneben. Adria war nur zu gerne bereit, ihr Mahl zu beginnen, war von Zephyrs Arm gesprungen, bevor dieser sich auf dem Stuhl niedergelassen und die Teetasse in die Hände genommen hatte.
"Eine Wohltat bei der Kälte", bemerkte er lächelnd, nachdem er einen Schluck getrunken hatte.

"Wenn dein pelziges Freundchen hier", Sadrius deutete sacht mit dem Kinn auf das Eichhörnchen, "Aurya beißt, dann werde ich es eigenhändig zu einem Kissen umarbeiten."

Zephyr lachte.
"Nun, so sehr es mich auch verunsichert, dass du in Erwägung ziehst, zum Mörder zu werden, so kann ich dich doch beruhigen und dir versichern, dass es nicht notwendig sein wird."
Er strich mit dem Zeigefinger sacht über den Kopf des Eichhörnchens.
"Aria liebt Kinder und scheint deiner Kleinen besonders zugetan zu sein."

"Aurya ist nicht...", Sadrius stockte und schüttelte den Kopf.
"Egal. "

Lächelnd rührte Zephyr in seinem Tee.
"Ich bin sicher, dass Aurya froh ist, dich zu haben."
Mehr sagte er nicht.
Mehr hielt er auch nicht für nötig.

Beinahe zornig blitzte Sadrius den Eiselfen an, wusste nicht on dieser spottete oder seine Worte ernst meinte. So oder so, sie klangen in seinen Ohren schal und höhnisch. Aurya wäre glücklicher, wenn sie ihre Mutter statt ihm gehabt hätte.

Aria gab ein Geräusch von sich, dass Zephyr nur als Spott verstehen konnte.
Sie machte sich immer gerne über ihn lustig, insbesondere, wenn er darin versagte, seinen Gesprächspartnern eine Botschaft richtig zu vermitteln.
Er konnte nicht wirklich böse auf sie sein. Vermutlich war er die einzige Person, die sie wirklich verstand. Es musste unendlich frustrierend sein, dauernd nichts als Missverständnisse heraufzubeschwören. Doch dafür war sie nun einmal noch am Leben.
Zephyr warf Sadrius einen beschwichtigenden Blick zu.
"Ich meine es ernst."

"Und dennoch sprichst du von Dingen, die du nicht verstehst", zischte Sadrius ehe er sich ruckartig erhob und mit wehenden, roten Haaren aus der Küche stürmte.

Zephyr folgte ihm nicht.
Er blieb sitzen, nippte weiter an seinem Tee und schaute dann und wann mit einem melancholischen Lächeln nach draußen, wo die Nacht mittlerweile von tanzenden Schneeflocken zerteilt wurde.
"Womöglich hast du Recht", sagte er leise, mehr zu sich selbst als zu irgendjemandem sonst.
"Wie sollte ich es auch verstehen?"
Als er schließlich sah, wie der Morgen dämmerte, zog er sich in sein Zimmer zurück.






zuletzt bearbeitet 07.09.2015 17:34 | nach oben springen
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#2

RE: 01: Am Ende der Nacht

in Winter 519 28.02.2015 01:05
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Mit brodelndem Zorn im Bauch zu einer Verabredung aufzubrechen war keine sonderlich gute Idee. Sadrius hoffte nur, betete nur, dass Lucretias Anwesenheit seine Wut auf Zephyr zügeln, bremsen vielleicht sogar verpuffen lassen könnte.
Doch egal wie sehr er nun geflüchtet wäre, der Widerhall seiner pochenden Hand, dreimal gegen glattes Edelholz ihrer Tür, hatte etwas eindeutig Finales.

Lucretia war nicht richtig bei der Sache gewesen, hatte sich einfach nicht auf die Unterlagen konzentrieren können, die es zu unterzeichnen gegolten hatte. Ihre Gedanken hatten ihre Kreise um wenig anderes gezogen als Sadas, die heutige Begegnung mit ihm und die Bedeutung dieser.
Sie hatte sich beeilt, nur die wichtigsten Dinge zu erledigen und trotzdem war die Zeit nur quälend langsam verstrichen, als sie den letzten Bogen mit der Feder schwang, war ihr, als hätte sie nächtelang dort gesessen.
Lucretia war bewusst, dass es so lange nicht gewesen sein konnte, doch auch, dass nun die Stunde ihrer Verabredung mit Sadas nahte. Und dass sie mit einem Mal nicht mehr wusste, ob sie wirklich darauf vorbereitet war.
Doch es war nun wohl zu spät, um daran zu zweifeln, also traf sie die Vorkehrungen, die sie für nötig erachtete. Oder für nützlich, das traf den Kern der Sache wohl besser.
Als es schließlich an ihre Tür klopfte, standen auf dem Beistelltisch zwei kristallene Gläser und eine Flasche süßen Beerenweins. Lucretia selbst hatte gerade in aller Eile ihre Kleidung gewechselt, war in ein leichteres Kleid geschlüpft, eines, das Schultern, Nacken und Rücken völlig frei ließ, um die Taille eng geschnürt war, und darunter in dünnen Stofflagen herabfiel. Rot war seine Farbe, denn sie hatte sich daran erinnert, dass Sadas ihr einmal nahegelegt hatte, Rot zu tragen. Gerade hatte sie die letzte Schnur festgezurrt, nur die Zeit, etwas mit ihren Haaren anzustellen, blieb Lucretia nicht, und so fielen diese nur lose über ihren Rücken, als sie sich nervös über die Lippen leckte, sich räusperte und in Richtung Tür rief:
"Komm herein."

Langsam öffnete Sadrius die Tür und trat ein, noch immer unglaublich nervös. Das Klicken der sich hinter ihm schließenden Tür ließ ihn beinahe springen vor Schreck.

Nach einem letzten, flüchtigen Blick in ihren Spiegel, wandte Lucretia sich Sadas zu.
Sie konnte Anspannung in seiner Haltung, Aufregung in seinen Zügen erkennen, und obwohl ihr seine Verunsicherung leidtat, schöpfte sie dennoch ein wenig Mut daraus, denn es bedeutete, dass es ihm ähnlich ging wie ihr selbst.
Zögerlich lächelte sie, als sie auf ihn zutrat und sagte sanft:
"Es ist schön, dass du hier bist."

Sadrius lächelte, erst angespannt doch dann erleichtert, fröhlicher. Er schien sich wirklich zu freuen, hier zu sein. Sie zu sehen.

Vorsichtig legte Lucretia eine Hand auf seinen Arm und beugte sich vor, um flüchtig Sadas’ Wange zu küssen.
Dann ergriff sie seine Hand und führte ihn zu ihrem Bett, setzte sich auf die Kante und blickte erst Flasche und Gläser, dann ihn fragend an.
"Wein?"

"Gerne", erwiderte Sadrius mit ungewohnt heiserer Stimme, räusperte sich verlegen und strich sich über die Kehle.

Lucretia nickte und füllte ein Glas mit der tiefroten Flüssigkeit, reichte es ihm, ehe sie sich ein eigenes einschenkte.
Noch immer stand er vor ihr, also rückte sie ein Stück beiseite und klopfte mit der freien Hand einladend neben sich.
"Setz dich."

Einen winzigen Schluck des süßen Weins nehmend ließ Sadrius sich auf die Bettkante nieder, spielte leicht mit dem Glas in seiner Hand.

Auch Lucretia nippte an ihrem Glas, hoffte darauf, dass der süße Tropfen es leichter machen würde, die richtigen Worte zu finden. Oder überhaupt Worte zu finden.
Über den Kristallenen Rand des Gefäßes hinweg schaute sie Sadas an, lächelte schmal.
Im Licht der schwindenden Nacht, das langsam durch die kleinen Spalten zwischen den tiefroten, zugezogenen Vorhängen drang, wurde seine Schönheit betont, schimmerte sein Haar, glänzten seine Augen leicht.

Das Schweigen lag schwer, beinahe unangenehm. Doch was sollte tun. Es mit mehr als nur seinem Atem, seinem Herzschlag brechen?
Unruhig huschte der Blick gelber Augen hin und her. Sadrius schmeckte Wein auf der Zunge, in seiner Kehle, leicht brennend in seinem Magen, doch Alkohol allein reichte nicht aus.

"Schmeckt er dir?", fragte Lucretia ruhig, obwohl ihr komplettes Innere sich anfühlte, als wolle es ausbrechen.
Sie fragte sich, was Sadas' Blicke zu bedeuten hatten, was sie tun konnte, damit er - und sie selbst auch - weniger unruhig werden würde, und was sie auf keinen Fall tun durfte.
Schließlich entschloss sie sich aber dazu, wenigstens seine Hand in ihre zu nehmen.

"Ja, tut er", flüsterte Sadrius leise, er hätte am liebsten seine Hand abgewischt, musste sie doch nass vor Aufregung sein.

"Das ist gut ..."
Eine weitere, unangenehme Pause entstand, in der Lucretia nichts tat, als über Sadas’ feuchte Hand zu streicheln, an ihrem Wein zu nippen und fieberhaft darüber nachzudenken, was als nächstes kommen sollte.
"Ich habe dieses Kleid für dich angezogen", erklärte sie nach einer Weile, obwohl es ihm vermutlich ohnehin bewusst war, und zupfte kurz an dem weichen, roten Stoff.

"Rot."
Sadrius entzog ihr seine Hand und stellte sein Glas auf den nahen Tisch ab. Die Matratze bewegte sich leicht, als er sich mit dem Gesicht ihr zuwendete. "Ihr habt noch an meine Worte gedacht."

"Ja", antwortete Lucretia leise. "Du sagtest, es würde zu meinem Haar passen."
Ein rosiger Schimmer überzog ihre Wangen, doch das Lächeln, welches sie Sadas schenkte war schon etwas unbefangener als zuvor.
"Gefällt es dir so?"

Sacht strich Sadrius über dem weinroten Stoff, warm von ihrer Haut, kühl, wo er auf das Bett fiel. Er lachte und nickte.
"Rot ist Eure Farbe."

"Hmm ..."
Lucretia streckte die Hand aus und berührte vorsichtig Sadas’ Kragen.
"Du trägst nur Schwarz.
Warum?"

"Ich..."
Sadrius sah auf seine Kleidung herab.
"Es ist eine unauffällige Farbe. Passt überall dazu und stiehlt niemandem Aufmerksamkeit."

"Ja."
Verstehend nickte Lucretia.
Sie betrachtete Sadas ausgiebig und fügte dann hinzu:
"Aber ich glaube, dass es Farben gibt, in denen du hübscher aussähst."
Sie nahm einen vorerst letzten Schluck und stellte dann ihrerseits ihr Glas ab.

"Ich glaube nicht. Schönheit ist etwas das mir nicht zuteilwurde.“
Sadrius winkte ab und schüttelte den Kopf.

"Du sollst doch nicht lügen", murmelte Lucretia und ließ ihren Finger, der bis gerade noch immer auf Sadas’ Kragen geruht hatte, langsam darunter gleiten, bis sie seine Schulter berührte.
"Ich kenne keinen schöneren Mann in der Stadt."

Beinahe sofort wurden Sadrius' Ohrspitzen rot, er wand sich leicht und lachte verlegen. Lucretia war wirklich eine Dame, doch keine in Samt und Seide gehüllt. Zwar hatte sie die Waffen einer Frau, doch schien kalten, direkten Stahl heimlichem Gift vorzuziehen.
Es erleichterte und befreite Sadrius, zu wissen, dass er sicher war. Das hier kein Verrat, keine Intrige oder Lüge lauerte.

"Es ist wahr."
Lucretias Miene war weicher als sonst, ihre Augen trugen einen warmen Schimmer.
Zärtlich streichelte sie Sadas’ Schulter und streckte die freie Hand aus, um mit dem Finger über sein Ohr zu fahren, dann mit einer himbeerroten Strähne zu spielen.

Sadrius neigte leicht den Kopf und neigte sich der Hand entgegen, die über die empfindliche Ohrspitze strich, dann zu seinem Haar wanderte. Ein dumpfer Laut entwich ihm, er legte seine eigene Hand über Lucretias.

Kurz hielt Lucretia inne, blinzelte, stellte sicher, dass der Laut, den Sadas ausstieß, keiner des Unwohlseins war.
Dann beugte sie sich vor und senkte ihren Kopf, legte die Lippen an seinen Nacken.
Sie sog den Duft seines Haars ein, vergrub ihre Hand tiefer darin, während sie wohlig die von Sadas spürte.

Sadrius lachte heiser auf, ehe er seufzend den Kopf zurück legte, Lucretia seinen Hals entblößte. Er konnte spüren, dass sein Blut heiß und delikat durch seine Adern pochte.

Lucretias Biss war sanft und zärtlich.
Ihre spitzen Eckzähne ritzten Sadas’ Haut nicht einmal - sie wollte ihm keinen Schmerz bereiten, in welcher Form auch immer.
Sie wollte ihm nah sein, mehr von ihm schmecken, riechen, fühlen. Wonne wollte sie ihm bereiten und von ihm erfahren, ihn Sorgen und Ängste vergessen lassen und selbst vergessen.
Und als ihr das bewusst wurde, drang ein leises, heiseres Lachen aus ihrer Kehle.

Ob sein Blut sie lockte? Ob es überhaupt...warum dachte er an so etwas. Sadrius leckte sich selbst die Lippen, legte die Arme um sie, als sie näher rückte.

Lucretia schloss die Augen, schmiegte sich in Sadas’ Umarmung, verharrte einen Moment lang so.
Dann schaute sie wieder auf, lächelte ihn kurz an und küsste seinen Kiefer, ließ die Hände dabei an seinem Torso herab und schließlich unter sein Oberteil gleiten.

Unter ihren Händen wand er sich, sein Körper erzitterte. Sadrius lächelte, wollte nur zu gern erwidern, was sie ihm schenkte. Vielleicht wurde er deswegen mutiger, seine Finger über ihren Nacken den Rücken hinab zu ihrem Kleid streifen zu lassen.

Langsam wanderten Lucretias Lippen etwas höher, berührten flüchtig, fragend die seinen.
Mit den Händen ertastete sie die Haut unter seinem Hemd, den schlanken, zarten Leib, während seine Finger wohlige Schauer über sie schickten.

Seufzend wand er sich, kicherte und zog seine Hände zurück, streifte sein Oberteil ab. Unter dem Kuttenähnlichen Wams trug Sadrius nur seine eigene Haut, die Kette, die er Tiamat geschenkt hatte, nun selbst trug. Vielleicht konnte er das Pech von ihr auf sich selbst übertragen.

Leuchtend glitten Lucretias Augen über seinen Oberkörper, die Hände taten es ihnen bald gleich.
Flüchtig nur berührte sie die Kette, widmete sich dann den interessanteren Stellen. Über Sadas’ hellen Brustkorb tanzten ihre Finger ebenso, wie sie die leichten Erhebungen seiner Rippen unter der Haut erfühlte und spielerisch über den Bauchnabel fuhr. Warm und seidig war seine Haut, zart, so verlockend, dass Lucretia nicht wiederstehen konnte und schließlich auch ihren Mund an seine Brust legte.

Keuchend wand der Blutelf sich. Ihre Rollen waren vertauscht, denn er unterlag ihr in fast jeder Hinsicht, doch vielleicht machte genau das diesen Reiz aus. Dass Sadrius nicht stark sein musste. Und wenn, dann auf seine eigene, charakteristische Weise.
Neckend glitten seine Finger über ihre Schulterblätter, öffnete langsam, beinahe träge den Verschluss des Kleides.

Schaudernd spürte Lucretia seine Finger an ihrem Rücken, merkte, wie er begann, ihr Kleid zu lockern.
Und ihr Herzschlag schien mit einem Mal zu galoppieren, als ihre Hände Sadas’ Hosenbund ertasteten.
Verlangen wallte in ihr hoch, als sie damit begann, diesen zu öffnen, derweil immer wieder zärtliche Küsse auf den Brustkorb des Magiers hauchte. Das Verlangen, seinen Leib noch dichter an ihrem zu spüren, Feuer in seinen Augen zu sehen, in Flammen zu stehen, wie sie es seit so langer Zeit nicht mehr getan hatte.

Sich sacht windend, drehend, zog Sadrius den letzten Knoten in den haltenden Seidenbändern lösend, Lucretias Körper Stück für Stück von dem Stoff befreiend, delikat helle Haut freilegend. Er neigte den Kopf vor, strich durch ihr rubinrotes Haar, satter in der Farbe als sein eigenes. Er vergrub das Gesicht in ihrem weichen Haar, fühlte die Strähnen kühl und duftend an seiner Wange.

Lucretia seufzte leise als sie Sadas’ Hand in ihrem Haar spürte, streifte mit einer letzten, geschickten Bewegung seine Hose ab und sah ihn nun vor sich, in all seiner Schönheit, die selbst durch all die schwarzen Kutten stets zu erahnen gewesen war und nun bestätigt wurde. Zart, beinahe andächtig streichelte sie über seine Hüfte, seine Oberschenkel.
Bevor sie aber weiter ging, hob sie die Hände und legte sie um Sadas’ Gesicht, zog ihn in einen innigen Kuss, aus dem wie sie hoffte all ihre Gefühle sprachen, die sie nicht mit Worten ausdrücken konnte.

Aus purem Reflex zog er die Beine an, Sadrius konnte nicht anders, es war eben einfach ein Reflex, wenngleich seine Reaktion von Lucretias Mund auf den seinem gedämpft wurde, er schmeckte Wein, schmeckte Gewürze. Sacht strich er über ihre Haut, erkundete und konnte nicht anders als vergleichen. Lucretia war kantiger, stärker, erinnerte an eine Bogensehne voller Kraft und Anmut. Tiamat hingegen war weich gewesen, zierlich und zart. Eine Puppe, eine Feder.

Langsam wanderten Lucretias Finger wieder in dieses wundervolle, weiche Haar, spielten mit den feinen Strähnen und war sicher, dass kein Stoff der Welt sich so gut auf der Haut anfühlen konnte. Und als ihre Lippen sich wieder trennten, wusste sie ihre Worte, die sie leise in Sadas’ Ohr flüsterte:
"Ich will dich, Sadas."
Und wie sie es wollte. So sehr, dass ihr Leib erwartungsvoll zitterte, ihr Atem flach und schwer ging und ihr Herz die Brust wohl am liebsten hätte zerspringen lassen.

Verdattert, überrumpelt aber keineswegs unangenehm berührt von ihren Worten stockte Sadrius, ehe er lächelte, Lucretias Gesicht in die Hände nahm und es mit Zärtlichkeit liebkoste, küsste.

Gerne gab Lucretia sich diesen liebevollen Berührungen hin, erwiderte sie sanft, während sie wie verzaubert, weiter Sadas’ Haar kraulte.
Sie löste sich auch nicht davon, als sie sich regte, von ihrer Stelle bewegte und über seinem Schoß hinkniete.

Sadrius legte den Kopf leicht schief, er spürte langsam den Alkohol, vielleicht hatte er ihn auch schon vorher gespürt und wurde sich nur dessen gerade vollauf bewusst. Er legte langsam seine Hand auf Lucretias Rücken, strich über den eleganten Schwung ihrer Wirbelsäule hinab und ruhte am Kamm ihres Beckens.

Lucretia lächelte Sadas an, streichelte sein Haar, seine Wange, wollte sich dieses Gesicht am liebsten ins Gedächtnis brennen, damit sie diesen Moment nie wieder vergessen würde. Tief atmete sie ein, stützte sich auf seiner Schulter ab und schaute ihm fest in die Augen, als sie die Beine leicht spreizte und sich dann langsam ganz auf seinen Schoß sinken ließ.

Ein raues Keuchen entfuhr Sadrius, seine Hüfte zuckte hoch, ungeschickt und unerfahren, während Scham und Lust zu gleichen Teilen durch seine Adern krochen, seinen Körper mit charakteristischer Röte kennzeichnete.

Sanft strich Lucretia über Sadas’ Haut, weniger, um ihn anzustacheln, sondern eher, um ihn zu ermutigen.
"Langsam", hauchte sie und küsste ihn sanft. "Wir haben Zeit."
Und die wollte sie sich nehmen. Zu lange war es her, dass sie so gefühlt hatte, zu sehr hatte sie sich danach gesehnt, um es jetzt in einer hastigen, schnellen Begegnung abzuschließen.

Sadrius blickte zur Seite, die helle Haut rosig schimmernd, kroch doch die Scham unter sie. Aber... Sein Leib erzitterte, ehe er sich fast zwang ruhig, vollkommen still zu liegen.

Es war Lucretia zuvor nie in den Sinn gekommen, dass Sadas unerfahrener sein könnte als sie selbst, dass er trotz seiner Schönheit wenig Wissen darüber hatte, was er tun musste. Aber seine Bewegungen, seine Blicke, der rötliche Schimmer auf seiner weißen Haut sprachen für sich.
Vorsichtig umfasste sie seine Schultern und drückte ihn behutsam in die weichen Laken ihres Bettes, beugte sich dabei über ihn, sodass die vorderen Strähnen ihres Haars auf seine Brust fielen. Sie wollte ihn nicht verschrecken, ihm keine Angst machen. Sie wollte, dass es für ihn ebenso gut sein würde, wie für sie selbst. Sie würde ihn nicht mit wilder, zügelloser Leidenschaft, sondern mit sanfter Zärtlichkeit lieben.
Das waren ihre Gedanken, als sie damit begann, ihr Becken in langsamem Rhythmus zu bewegen

Ein dumpfes Keuchen drang wieder aus Sadrius' Kehle, er sah auf, liebkoste zittrig ihre Wangen. Was sollte er auch tun, unerfahren wie er war, beinahe schon jungfräulich.

Er mochte ungeübt sein, ungeschickt vielleicht sogar, doch Sadas’ fiebriger Blick, seine weichen, nervösen Finger an ihrer Wange, sandte ein Beben durch Lucretias ganzen Leib, Hitze und Sehnsucht unter ihre Haut. Wie lange hatte sie sich schon danach gesehnt, es immer wieder verdrängt, sich niemals eingestanden ...
Ohne das sanfte Heben und Senken ihrer Hüfte zu unterbrechen, streckte sie die Hände nach seinen aus, streichelte kurz darüber und ergriff sie vorsichtig, um sie langsam über ihren eigenen Leib zu führen, Sadas zu ermutigen, ihm zu zeigen, wie und wo sie berührt werden wollte.

Hitze wallte in ihm auf, er atmete Feuer, badete in Glut und Funken, seine Hände geisterten, von Lucretia geführt über ihren Körper, er zitterte, stieß manchmal unregelmäßig hoch.
Sadrius legte eine Hand in ihren Nacken, zog sie sacht herab und küsste, erkundete neugierig, ob ihre Zunge, ihr Mund noch immer scharf und süß schmecken würde.

Erfreut von seiner neugewonnenen Sicherheit ließ Lucretia Sadas’ Hände los und als er sie dann zu sich herunter zog, stützte sie sich mit den Ellbogen neben seinem Kopf auf der Matratze ab, vergrub die Finger im roten Haar, welches um seinen Kopf ausgebreitet war, wie eine Krone aus Granat anmutete. Seinen Kuss erwiderte Lucretia leidenschaftlicher als zuvor, ließ Sadas einen Hauch des Feuers schmecken, welches in ihr brannte, welches sie in ihm entfachen wollte.
Manchmal stieß sie leise, verzückte Laute aus, bestätigte ihn wenn er seinen Unterleib an sie presste, wenn sich wohlige Schwindel in ihr auftaten und sie kaum erwarten konnte, dass er es noch einmal tat.

Sadrius stöhnte dunkel, legte die Hände auf ihre Hüfte, fühlte ihr Feuer und zitterte, er verbrannte, wurde Rauch und glühende Funken.

Lucretia löste ihre Lippen, schnappte nach Luft, fühlte tiefes, heißes Verlangen in sich hochwallen und wusste, dass sie es weder zurückhalten konnte, noch wollte.
Das Gefühl ihrer Brüste, die über Sadas’ Haut streiften, seiner Hände an ihrer Hüfte, seines Haars um ihre Finger, ihrer Leiber, die so eng und hitzig aneinander rieben, sein unwiderstehlicher Duft in ihrer Nase, seine unverhüllten Liebeslaute in ihren empfindlichen Ohren - all das war es, was sie schließlich dazu bewegte, den Kopf zu senken und seinen Brustkorb mit Küssen zu bedecken, zu liebkosen, bis zartrosa Flecken entstanden. Gleichzeitig spreizte sie ihre Beine noch weiter, beschleunigte ihr Tempo, legte mehr Kraft in ihre Bewegungen, wann immer sie sich wieder auf Sadas sinken ließ.

Sadrius entwich ein heiserer Aufheulen, er bohrte seine Nägel in heißes, fremdes Fleisch. Ehe er wusste wie ihm geschah, da brannte er, verbrannte und stand als Phönix aus den Flammen erneut auf.
Sein Körper war so ungeduldig, so unberührt, so ohne Ausdauer, dass er unter Lucretias Leidenschaft einfach schmolz, ähnlich Kerzenwachs das zu nahe an die Flamme gehalten wurde.

"Sadas ..."
Trunken, so war ihr, taumelte Lucretia über einen Abgrund, verlor sich immer tiefer in diesem Sturm aus Gefühlen, der in ihr losbrach, sie aus allen Bahnen warf. Sie kniff die Augen zusammen, suchte Halt, krallte sich im Laken und in Sadas’ Haaren fest, benetzte seinen Leib mit Küssen, zwischen denen sie immer wieder seinen Namen hauchte ... bis sie schließlich den ganzen Körper anspannte, von Ekstase geschüttelt und schließlich unter befreiendem Seufzen erlöst wurde.

Sacht strich der Blutelf über ihren Körper, ihr schönes Haar, er atmete schwer, fühlte überall ihre Küsse, ihre Lippen auf seiner Haut.

Entkräftet und schweratmend sackte Lucretia schließlich über ihm zusammen, schenkte ihm einen letzten Kuss und ließ dann die Wange auf Sadas’ Brust ruhen.
Und nach einigen Momenten lag sie völlig ruhig da, kostete diese sanfte, harmonische Stille aus, bewegte nur ihre Finger, um träge durch sein Haar zu streichen.

Sadrius erzitterte leicht, legte dann einen Arm um sie, strich gedankenverloren über ihren Arm. Er konnte mehr Kraft in ihrem Oberarm spüren, als er in einem ganzen Körper besaß. Und es reizte Ihn sehr.

Mittlerweile drangen von draußen die ersten Strahlen der Morgensonne in Lucretias Schlafgemach, kitzelten auf ihrer hellen Haut und machten sie schläfrig. Also streckte sie sich und richtete sich langsam auf, nicht aber, ohne noch einmal flüchtig Sadas’ Lippen zu küssen.
"Wirst du hier schlafen?", fragte sie leise.
Seit Langem hatte sie keinen Liebhaber mehr dazu eingeladen, hatte sie alle aus ihrem Zimmer im Gasthaus fortgeschickt, sobald die Lust gestillt gewesen war. Bevor einer zu lange bleiben und sich in ihr Herz schleichen konnte.
Aber sie spürte die Einsamkeit, fühlte sie am schmerzhaftesten an den Wintertagen, wenn sie sich schlafsuchend unter vielen Lagen Decken zusammenkauerte und dennoch fröstelte, wusste, dass es niemanden gab, der sie wärmen würde.

"W...wenn ich darf", murmelte Sadrius leise und sah zu Lucretia, ehe er ihr ein warmes Lächeln schenkte.

"Du darfst."
Lucretia erwiderte sein Lächeln und machte es sich gemütlich, schlug einladend die Decke zurück.
Die Vorstellung, die ganze Nacht bei ihm zu liegen, erfüllte sie mit beinahe noch mehr Glück, als ihr Liebesspiel es getan hatte.

Sadrius schmunzelte, ehe er sich zu ihr unter die Decke, schlang die Arme um ihre Taille und küsste ihren schlanken Hals.

Eng schmiegte Lucretia sich an Sadas, ließ sich genüsslich seine Zärtlichkeiten gefallen, schloss dabei die Augen.
"Wir müssen das öfter tun", murmelte sie versonnen und rieb ihre Wange an seiner.

Ihre Worte wurden von warmem Lachen belohnt. Sacht strich er über ihren Rücken, spürte den leichten Schauder.
"Ich denke auch."

Langsam ließ Lucretia eine Hand in Sadas’ Nacken wandern, spielte mit den feinen, weichen Haaren, die dort ihre Wurzeln hatten.
"Du warst vor mir nicht mit vielen Frauen zusammen, nicht wahr?", fragte sie leise.
Es war keine Beleidigung, mehr eine nüchterne, wertfreie Feststellung.

Sadrius unterdrückte den Impuls instinktiv zu flüchten. Wurde er jetzt etwa wie ein Zuchthengst bewertet?!
Nein...nein. Das war Lucretia, die hier eben ihm lag. Es war ihre Art. Rau und unbeholfen, nicht besser als er selbst. Sie würde ihn nicht danach urteilen, wie viele Bettgenossinnen er gehabt hatte.
"Nein."
Seine Stimme klang, trotz all dem weichen Tonfall vorsichtig. Abweisend.
"Mit sehr wenigen."

Blinzelnd schlug Lucretia die Augen auf und schaute Sadas an.
Sie wollte keinen wunden Punkt berühren, doch ihr wurde bewusst, dass sie es soeben getan hatte.
Zart strich sie über seinen Wangenknochen und erklärte stockend:
"Es hat mich gewundert ... bei deinem Gesicht und deinen Haaren ... und auch deinem Wesen..."
Sie schaute verlegen beiseite.

"Vielleicht gerade wegen meinem Gesicht. Und wegen meinem Wesen", erwiderte der Blutelf leise, dieses Thema hatte nichts zwischen angeheizten Laken zu suchen. Nichts in zärtlichen Umarmungen.

Lange schwieg Lucretia, dachte über die Worte nach, versuchte, sich einen Reim darauf zu machen.
Schließlich sagte sie:
"Dein Gesicht ist wunderschön, Sadas.
Und dein Wesen auch."
Sie schaute ihn ehrlich an.
"Du bist traumhaft.
Keine Frau könnte mehr wollen."
Und bevor er etwas erwidern, ihr Kompliment abweisen konnte, verschloss sie seine Lippen mit einem kurzen, zärtlichen Kuss, schmiegte sich dann eng an ihn.
Am Ende der Nacht sollte man nur noch schlafen.






zuletzt bearbeitet 04.06.2015 13:53 | nach oben springen
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