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01: Die Sklavin und die Alchemistin

in Herbst 520 04.06.2015 16:13
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Helles Sonnenlicht, viele Leute und vor allem Lärm, egal wohin sie sich wandte, Lärm war immer präsent. Nicht so gekapselt und leise wie in den muffig, dunklen Höhlen ihrer Heimat. Amiela zog ihren Umhang etwas enger an sich, dennoch schleifte er noch auf dem Boden. Gehörte einer größeren Person als Amiela.
Sie kam nicht umhin, starrte beinahe fasziniert auf die gepflasterte Straße unter ihren Stiefelsohlen, zu glatt und regelmäßig als dass sie natürlich entstanden wäre. Viele Füße hatten sie glatt poliert, viele Wagenräder Spuren hineingepresst. Es war das Neue, das Amiela zu gleichen Teilen unvorsichtig wie auch überrumpelt werden ließ.
Das hastige Tappen von Schritten, schneller als ihre eigenen überraschte sie. Ebenso der grobe Stoß in ihren Rücken und das Reißen an ihrem Gürtel. Mit einem spitzen Aufschrei ging Amiela zu Boden, schrammte sich trotz des dicken Stoffes ihres Kleides die Knie blutig.
"HEY!", sie schrie wieder auf, rappelte sich auf und rannte los, nur um wieder über den Saum ihres Kleides zu stolpern, erneut auf dem Boden zu landen. "Das ist mir!"
Nicht dass es den Dieb davon abhielt, mit ihrer Börse zu türmen. Amiela konnte nur zusehen, wie ihr schwer verdientes Geld in der Menge verschwand. Und natürlich wie keiner auch nur einen Finger rührte um zu helfen.

Die Stadt war anders, als Zimu sie sich vorgestellt hatte.
Auf den Bildern, welche sie in ihrem Leben gesehen hatte, hatte Brightgale malerisch gewirkt, mit weißen Mauern, welche über den blauen Ozean ragten oder im Licht der untergehenden Sonne rötlich schimmernd, während Schiffe gen Horizont davonsegelten. Romantisch, märchenhaft, bevölkert von wunderschönen Menschen.
Zimu hatte genug Städte in ihrem Leben besucht, um schon im Voraus zu wissen, dass dies nicht so ganz der Wahrheit entsprechen konnte. Sie hatte erwartet, dass alles gedämpfter, realistischer, weniger traumhaft sein würde und das war es natürlich tatsächlich. Was sie allerdings überraschte, war das tatsächliche Ausmaß der Unterschiede.
Wenn sie an die Gemälde dachte, welche junge Frauen in wallenden Kleidern über helles Pflaster, vorbei an üppig bewachsenen Gärten spazierten, und mit dieser Straße aus festgetrampelter Erde verglich, welche sich durch dicht aneinandergepresste Häuserblöcke zog, war sie sicher, dass die Künstler entweder ihre Fantasie und nichts anderes gebraucht hatten, oder aber nichts als die Wohngegenden der Reichen gesehen hatten. Zimu konnte das nicht beurteilen, denn in diesen war sie nicht gewesen.
Beurteilen konnte sie aber, dass diese Stadt alles andere als sauber war, der verbaute Stein weit häufiger grau oder braun als weiß. Es roch nicht nach Blumen - der Geruch Brightgales setzte sich aus vielen zusammen. Das Salz des Meerwassers, Fische von Marktständen, Gekochtes und Gebackenes aus den Küchen, Gewürze, Kräuter, Schmiedefeuer, Schweiß arbeitender Männer und so einiges an Unrat, all das konnte man hier in wechselnden Teilen inhalieren.
Faszinierend war auch, wie unterschiedlich die Bewohner der Stadt aussahen. Jung und Alt, hübsch und hässlich, Augen und Haare jeglicher Farbe, spitze und runde Ohren, Haut in allen Tönen zwischen Ebenholzschwarz und Milchweiß, bunt und anscheinend aus allen Regionen der Welt zusammengewürfelte Kleidung ...
Es glich einem Wunder, dass Zimu unter all diesen bemerkenswerten Eindrücken die kleine, schlanke Gestalt bemerkte, welche anscheinend zu Boden gefallen und gerade im Begriff war, sich wieder aufzurappeln. Eine Gestalt, die in dieser Fremden Stadt etwas nahezu merkwürdig Vertrautes hatte.
"Ist alles in Ordnung?", fragte Zimu und beugte sich über das Mädchen, streckte ihre Hand aus, um dem armen Kind aufzuhelfen.

Erschrocken zischte Amiela, als ein Schatten über sie fiel, war noch damit beschäftigt gewesen, sich die Tränen der Wut und Hilflosigkeit aus den blauen Augen zu streichen. Der Schatten entpuppte sich als eine Dunkelelfe. Natürlich. Natürlich musste sie wieder einer Dunkelelfe über den Weg laufen und...
"Mir geht’s gut", knurrte sie mit zittriger Stimme, gedämpft von dem Kloß in ihrem Hals. Dennoch nahm sie die Hand der Frau an, ließ sich von ihr aufhelfen und strich sich den Staub vom Kleid. Ihr Gürtel war zerrissen, als der Dieb so grob an ihm gezerrt hatte.

"Hat man dich bestohlen?"
Als Zimu das Mädchen genauer betrachtete, viel ihr auf, dass es nicht nur keine reinblütige Dunkelelfe war - was ihre rötliche Haarfarbe ja schon verraten hatte - sondern anscheinend auch Blutelfenvorfahren besaß.
Ihr Gesicht wirkte noch jung, doch die Züge waren weniger weich, als es bei den meisten Dunkelelfen ihres Alters der Fall gewesen wäre und ein Blick auf die Hände und somit die spitzen Fingernägel, verrieten ihr alles, was sie sie wissen wollte.
Erfahrungsgemäß hatten es Heranwachsende solchen Erbes sehr schwer, waren Außenseiter, wurden beschimpft.
Unter den Sklaven hatten sie das schlechteste Ansehen von allen genossen. Schlechter noch als Tia und Zimu selbst ...

"Ja." Amiela biss sich auf die Unterlippe und sah zur Seite, die zierlichen Hände an ihren Seiten zu Fäusten geballt. Dieser Dieb hatte ihr gerade sämtliche Perspektive genommen, die sie zu haben geglaubt hatte. "Was interessiert Euch das?"

"Pass in Zukunft besser auf dein Geld auf, Kleine", seufzte Zimu, die Frage geflissentlich ignorierend. "Trag es am besten unter der Kleidung.
Wo sind deine Eltern?"

"Ich hab keine", erwiderte Amiela bissig und strich ihr zu locker sitzendes Kleid glatt, versuchte nicht wie ein weinerliches Kind über ihre aufgeschürften Knie zu schniefen und zu heulen. Obwohl es wirklich ziemlich weh tat...
Sie biss sich auf die Innenseite der Wange, versuchte das scharfe Brennen zu verdrängen.

"So, so."
Zimu musterte das Mädchen, das aussah, als würde es gerade mit den Tränen kämpfen.
Einsam und verloren, aber zu stolz, oder vielleicht auch zu misstrauisch, um es zu gestehen.
"Und was hast du jetzt vor? Alleine und ohne Geld?"

Amiela wusste nicht was sie darauf antworten sollte. Nichts? Verzweifeln? Betteln? Irgendwas? Was sollte sie jetzt tun? Noch nie zuvor war sie in einer solchen Situation gewesen.

Als das Mädchen nicht antwortete, beschloss Zimu, dass es an der Zeit war, zu handeln.
Sie konnte die Kleine nicht einfach hier stehen lassen, ohne zu wissen, ob sie auch nur eine Bleibe hatte. Also griff sie nach ihrem Arm und zog sie mit sich, aus der Menge hinaus.
"Lass mich deine Knie sehen", bat sie und setzte das Mädchen durch sanftes Drücken auf eine am Straßenrand stehende Kiste.

Widerwillig ließ Amiela sich auf die Kiste nieder, zupfte leicht ihr Kleid hoch, bis ihre Knie - blutig und verdreckt - entblößt waren. Die Luft brannte auf den Wunden, sie konnte nicht anders, als leicht zu schniefen.

Ein kurzer Blick sagte Zimu, was zu tun war.
Sie hatte oft genug gesehen, was schlecht gereinigte Wunden anrichten konnten, um zu wissen, wie wichtig es war, auf Sauberkeit zu achten.
"Das wird vielleicht etwas brennen."
Vorsichtig krempelte sie also die eigenen Ärmel hoch und hielt die Hände knapp über die geschundenen Knie.
Sprach ein paar leise Worte, blaues Licht umspielte ihre Finger. Und dann umspülte klares, reines Wasser die Wunde, nahm jeglichen Schmutz mit sich.

Um ihr hohes Heulen zu unterdrücken, biss Amiela sich in die Hand, ihre blauen Augen wurden wässrig vor Schmerzenstränen. Ein wenig? Es brannte als wäre Feuer und nicht Wasser, das ihre geschundenen Knie berührte.

Zimu kramte in ihrer Tasche und zog ein sauberes Tuch hervor, tupfte damit sanft und vorsichtig die Knie des Mädchens trocken.
Wie Lucretia und ich in dem Alter, schoss es ihr durch den Kopf. Wir wollten auch nie weinen, egal wie weh es getan hat.
Zuletzt wirkte sie noch einen kurzen Zauber, damit die Wunde sich schneller schließen würde.
"Das war es schon", sagte sie dann mit einem zufriedenen Lächeln. "In ein oder zwei Tagen wirst du wieder laufen können wie eh und je."

Rasch nickte Amiela, schluckte jeden Pieps hinunter und atmete zittrig durch.
"Danke..."

"Nicht der Rede wert."
Zimu erhob sich, klopfte dem Mädchen kurz auf die Schulter.
Wir wollten nie weinen, aber wir hätten es vielleicht besser mehr getan.
"Ich heiße Zimu."

"A-amiela.", murmelte die kleine Mischlingselfe zurück, fuhr zusammen als sie einfach so berührt wurde und beruhigte sich doch recht schnell wieder.

"Amiela?", widerholte Zimu nickend.
"Ein hübscher Name.
Wohnst du hier in der Stadt?"
Sie bezweifelte es stark.
Wenn, dann noch nicht lange. So unbedarft wie sie durch die Straße läuft ...

Amiela schüttelte den Kopf, diese Stadt war ihr genauso fremd wie am Tag herum zu spazieren. Und das obwohl sie schon Wochen lang unterwegs war.
"Du etwa? ", fragte Amiela, meinte es rhetorisch.

"Ich bin für Arbeit gekommen und suche nach einer Unterkunft", erklärte Zimu. "Ich schätze, du hast auch noch keine?"
Wahrscheinlich ist sie weggelaufen.
Wo auch immer das Mädchen herkam, sie wirkte nicht, als sei sie schon lange auf sich gestellt.
Dazu fehlte die Gerissenheit, die Vorsicht, welche solchen Kindern zu Eigen war.

"Nun, ich auch!", Amiela richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf. Und es machte keinen Unterschied, sie konnte dennoch nur von unten zu Zimu empor starren wie ein Küken zur Katze. "Ich bin Alchemistin!"

"Wie praktisch", antwortete Zimu mit einem Anflug von trockenem Humor. "Jetzt wo du ohne Geld dastehst, ist es bestimmt nützlich, dass du Blei zu Gold wandeln kannst."
Es war unmöglich, dass ein Mädchen dieses Alters bereits eine vollends ausgebildete Alchemistin war.
Dennoch musste Zimu lächeln, denn Amielas Worte kamen mit der ahnungslosen, beneidenswerten Überzeugung der Jugend, diese niedliche Arroganz, die darauf fußte, dass man die Welt in all ihrem Ausmaß noch nicht kannte.
"Aber ich schlage vor, dass wir uns vorher nach einem Gasthaus umsehen. Die Sonne geht bald unter und die Nächte sind schon kühl."

"Man kann Blei nicht zu Gold machen. Das können nur Narren und Magier.", wiederholte Amiela mit sturem Stolz die gleichen Worte, welche ihre Mutter am Anfang immer gesagt hatte. Später sprach Naishe eigentlich nur noch mit widerlich gurrender Stimme, Unsinn. Hastig raffe sie ihr Kleid und tapste hastig hinter Zimu her. "Und was heißt hier wir?!"

"Wir, das ist eine Zusammenfassung mehrerer Personen, die das Selbst beinhaltet", erwiderte Zimu gut gelaunt. "In diesem Fall sind du und ich gemeint.
Ich kann dich schließlich schlecht auf der Straße schlafen lassen."
Sie hatte selbst keinen prallen Geldbeutel mehr, aber das wenige Geld, was sie noch besaß, sollte reichen, um auch Amiela kurzzeitig zu versorgen. Geld war zum Ausgeben und Wiederverdienen erfunden worden. Und wenn sie damit einem Kind half, das andernfalls sonst wo landen würde, war Zimu der Verlust recht.

"Ich weiß was das Wort 'wir' bedeutet!", fauchte Amiela biestig und prallte beinahe gegen eine Hauswand, um einem breitschultrigen Passanten auszuweichen, schloss dann mit kleinen, trippelnden Schritten schnell zu Zimu auf, hing beinahe an deren gepanzertem Rockzipfel.

"Das ist gut. Ich mag kluge Mädchen."
Auch für Zimu, die ja recht groß für eine Frau ihrer Abstammung war, stellte es sich nicht gerade als einfach heraus, sich durch die Straße zu kämpfen, welche mit jedem Meter enger zu werden und sich mit mehr Menschen zu füllen schien. Ein Arbeitstag neigte sich langsam dem Ende und dementsprechend geschäftig ging es in der Stadt zur Sache.
Als Zimu zum ersten Mal eine Stadt der Oberwelt besucht hatte, war sie überwältigt gewesen von der schieren Masse an Leibern, die sich durch enge Gassen zwängten und an gewissen Orten wie Märkten sammelten wie Maden auf einem Kadaver. Die Höhlen von Caleta dagegen waren groß gewesen, die Hallen weit und nicht einmal in der Arena hatten sich die Zuschauer so sehr gedrängt, wie sie es an der Oberfläche taten.
Beinahe fühlte Zimu sich, als würde ein Strom an ihr reißen. Manchmal befürchtete sie, Amiela in dieser Menge verloren zu haben, doch wann immer sie einen Blick hinter sich warf, schien das Mädchen fast an ihren Absätzen zu kleben.
Schließlich weitete die Straße sich und ging in einen Platz über, in dessen Mitte sich die Statue eines Mannes erhob, der einen Anker in der Hand hielt. Zimu nahm sich nicht die Zeit, nach einer Inschrift zu suchen, denn interessanter als dieser Mensch, der vermutlich schon vor Ewigkeiten das Zeitliche gesegnet hatte und mit Sicherheit auch zu späteren Zeitpunkten noch auf diesem Platz stehen würde, war ein Fachwerkhaus, über dessen großer Eingangstüre ein Schild angebracht war, auf dem eine Seeschlange prangte. Eine Kreidetafel war außerdem angebracht, auf der sich in weißer, sauberer Schrift Preise für Zimmer und Mahlzeiten ablesen ließen, die Zimu bezahlbar erschienen.
Also blieb sie stehen, drehte sich zu Amiela um und fragte:
"Hast du Hunger?"

Mit steinernen Gesichtsausdruck war Amiela in dem Windschatten der Dunkelelfe geblieben, bis sie den Platz erreichten, wo sie wieder frei atmen konnte, nicht mehr unter Ellenbogen und getragenen Gegenständen hindurch tauchen musste.
"Ich... " Amiela fasste sich an den Knurrenden Bauch und sah zur Seite. Ihr Stolz Verbot ihr, einfach Almosen von dieser fremden Frau anzunehmen.

"Gut", antwortete Zimu lächeln und nahm das Mädchen sanft am Arm, zog es mit sich in Richtung des Gasthauses. "Ich habe auch seit gestern Abend nichts mehr gegessen."
Sie konnte nur zu gut sehen, wie diese Behandlung Amiela widerstrebte. Aber ihr war nicht danach, lange Diskussionen zu führen, insbesondere, wo doch ganz offensichtlich war, dass die Kleine Hilfe brauchte.
Zimu war in ähnlichem Alter gewesen, als sie plötzlich ganz auf sich gestellt gewesen war. Natürlich waren die Umstände andere gewesen und sie bis zu einem gewissen Grad selbst schuld daran, doch gerade das überzeugte sie davon, dieses junge Mädchen nicht einfach alleine zu lassen. Damit es einen anderen Weg einschlagen konnte, als sie es getan hatte.
Es machte nichts rückgängig, es würde Zimu nichts zurückgeben und ihr schon gar nicht dabei helfen, ihre Schwester oder Lucretia zu finden, doch immerhin fühlte sie sich dabei, als würde sie etwas Gutes tun und nicht nur ihre Zeit verschwenden.

Mit gespielt gönnerhaftem seufzen gab Amiela ihre abwehrende Haltung auf. Wenn die Fremde ihr Essen spendieren wollte, dann sollte es eben so sein. Sie würde zumindest nicht hungrig zu Bett gehen.

Auch das Gasthaus war gut besucht, was Zimu allerdings als positiv wertete, denn den Gesprächsfetzen nach zu urteilen, welche sie aufschnappen konnte, handelte es sich bei den Gästen nicht nur um ahnungslose Reisende, sondern auch Einheimische. Nachdem sie und Amiela noch einen der wenigen freien Plätze hatten ergattern können, bestellte sie auch schon gleich eine Karaffe Wasser sowie zwei Schalen Eintopf. Nicht nur, weil es ihr als die sättigendste Lösung erschien, sondern auch, weil es die preiswerteste war.
Man konnte nie wissen, wann man Arbeit fand und wie gut sie sich zahlen würde. Zimu hoffte auf eine Anstellung als Leibwächterin, würde es zwar mehr Gefahr, aber auch mehr Lohn bedeuten als die Alternative, welche in Kochen und Putzen bestand. Und beides wäre besser als die letzten verbleibenden Möglichkeiten - falsches Glücksspiel oder aber das exotische Liebchen eines reichen Menschen zu werden, um diesen auszunehmen.
Zimu war sich für keines von beidem zu schade, doch solange sie noch nicht viel über die Stadt mit ihren Gepflogenheiten und Gesetzen wusste, bevorzugte sie ehrliche Arbeit.

Sobald das Essen erst einmal dämpfend, warm und köstlich duftend vor ihr stand, vergaß Amiela kurz ihren stolz, packte ihren Löffel und schaufelte sich hungrig das Essen in den Mund.
Ihr gingen beinahe die Augen über, der Geschmack war völlig anders als die dünnen Suppen, die sie immer für sich und ihre Mutter hatte fertigen müssen. Allein schon, weil hier auch in Stücke geschnittenes Fleisch dabei war.

"Schmeckt es dir?", fragte Zimu sanft.
Sie selbst hatte die Antwort auf diese Frage bereits beim Geruch der Speise gefunden.
Nicht, dass es schwierig war, sie zufrieden zu stellen. Wenn man so viele Jahre nur den kargen Fraß zu sich genommen hatte, der den niedersten Sklaven vorgesetzt wurde, einzig darauf ausgelegt, dass sie nicht verhungerten oder bei der Arbeit zusammenbrachen, schmeckte alles mit einer anständigen Würzung himmlisch.
Insbesondere Fleisch.

"Das schmeckt besser als alles in meinem Leben ", murmelte Amiela mit vollem Mund zurück, schluckte und schaufelte sich mehr Essen rein.

Armes Mädchen ...
"Das freut mich."
Lächelnd nippte Zimu an ihrem Wasserglas und aß dann ebenfalls weiter, allerdings deutlich langsamer als Amiela.
"Pass auf, dass du dich nicht verschluckst."
Ob sie auch eine Sklavin war?

"Ich schaff das schon."
Und prompt verschluckte Amiela sich, spuckte ein wenig des Essens aus und hustete angestrengt, während sie sich vom Teller fort beugte.

"Das sehe ich."
Langsam schob Zimu dem Mädchen einen Becher mit Wasser hinüber und wartete ab, bis es sich ein wenig beruhigt hatte.
Dann fuhr sie fort:
"Du sagtest, dass du Alchemistin bist.
Was bedeutet das in deinem Fall?"

Hastig nippe Amiela an dem Wasser, wartete, bis sie wieder Luft bekam, ehe sie die Nase rümpfte und zornig, dann jedoch wieder besänftigt drein sah.
"Ich bin Alchemistin", stellte das Mädchen klar, ehe sie sich eine hennarote Haarsträhne aus dem Gesicht strich, zurück hinter das spitze Ohr. "Ich mische Tränke und Gifte."

"Das ist ja zum Fürchten. Was für Tränke zum Beispiel?"
Interessiert beobachtete Zimu das Mienenspiel der Kleinen
"Heiltränke?
Tränke gegen Warzen?
Liebestränke?"

"Ha ha." Amiela zischte zornig und tauchte dann wieder ihren Löffel in den lauwarmen, halb leeren Eintopf.

"Du musst nicht schnippisch sein, meine Liebe", tadelte Zimu sanft. "Sicher kannst du verstehen, dass ich sehen möchte, welche Art von Alchemistin ich vor mir sitzen habe."
Sie fragte sich trotzdem, ob es dem Naturell des Mädchens entsprach, schnell wütend zu werden, oder ob es einfach am Alter lag.

"Liebestranke wirken nicht. Aber sonst... Heiltränke und auch gegen so banales wie Warzen." Amiela zuckte mit den Schultern. Betrachtete den verschmierten Boden ihrer Schale. "Gifte eben auch noch."

"Nun, viele Gifte können auch heilen", erwiderte Zimu nickend.
Zumindest hatte sie das gehört, mit Medizin und Giften kannte sie sich herzlich wenig aus.
Und ihre einzige Erfahrung mit letzteren wollte sie nicht gerade wiederholen.
"Von wem hast du deine Kunst gelernt?"

"Meiner Mutter und selbst erlernt." Amiela leckte sich die Lippen, satt und zufrieden mit der Welt.

"So so."
Zimu lächelte.
"Hast du deine Ausrüstung noch?
Und weißt du, wo du deine Sachen verkaufen kannst?"

"Ich hab alles bei mir." Amiela leckte sich die Lippen und zog ein in Ledergebundenes Notizbuch hervor, blätterte kurz durch die vergilbten Seiten, ehe sie es wieder in ihrer Tasche verschwinden ließ. "Ja, alles da. Und meine Tränke verkaufe ich vielleicht in der Apotheke oder auf dem Wochenmarkt."

"Das ist gut."
Völlig hilflos war das Mädchen anscheinend doch nicht. Und das war gut so, denn so gerne Zimu auch half, mit ihren begrenzten finanziellen Ressourcen konnte sie nun einmal nicht viel tun.
Dennoch, einen Gefallen konnte sie ihr tun.
"Einen Schlafplatz für heute Nacht brauchst du trotzdem, nicht wahr?"






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