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03. Ein Ohr zum Hören, ein Leib zum Lieben

in Winter 519 07.09.2015 18:16
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

- sexuelle Darstellungen


Alrian war kein geselliger Mann. Die Gegenwart anderer Menschen war ihm an guten Tagen egal, an schlechten ein Graus. Höfliche Floskeln und falsche Freundlichkeit reizten und ermüdeten ihn beinahe ebenso sehr, wie kalte, angespannte Distanz und ungehemmte Rudität es taten. Einer der Gründe, weshalb er so zufrieden mit seinem Beruf war, obwohl er alles andere darstellte, als das, was er sich vom Leben erträumt hatte, war wohl, dass niemand von ihm erwartete, den Kunden mit einem Lächeln zu begrüßen. Es ging um Geld und nur um Geld und das wusste jeder, der seinen Laden betrat.
Alrian aß alleine, schlief alleine, unterhielt sich weder mit dem Metzger, noch mit der Bäckerin und trimmte seine Haare selbst, weil der Barbier viel zu gesprächig war. Einzig im Antiquariat oder in der Buchhandlung genoss er Diskussionen, und das lag einzig und allein an der Materie, die besprochen wurde. Ausflüge unternahm er allein und an ruhige Orte, von denen er flüchtete, wenn Stimmen und Schritte nahte.
Es gab jedoch Ausnahmen. Denn auch Alrian, so menschenscheu und verdrießlich er sich auch geben mochte, brauchte manchmal ein Ohr, das ihm zuhörte. Auch er sehnte sich manchmal nach einer warmen Berührung, einer Umarmung. Und diese Dinge konnte er bei Chalia kaufen. Es ging ihm auch eigentlich mehr um diese Dinge als um den eigentlichen Sex, denn wenn die Gier danach ihn packte, war es einfacher und billiger, sie mit den eigenen Händen zu stillen. Und in den beinahe hundert Jahren seines Lebens hatte er wenigstens darüber genug gelernt. Was er nicht gelernt hatte, war, mit sich selbst weit genug ins Reine zu kommen, um nicht mehr auf die Zuwendung Anderer angewiesen zu sein.
Und so kam es, dass er am Abend des ersten Schnees, der Brightgale im Jahre fünfhundertneunzehn nach der Gründung von Iblia-Keth in eine dicke Schicht aus eisigem, trügerisch weichem und reinen Weiß hüllte, das unscheinbare Haus betrat, an dem ein Schild mit der Aufschrift Zur roten Grafentochter und dem Bild eines liederlichen Weibs mit einigen Vorzügen zeigte.
Im Inneren herrschte bereits reges Treiben. Chalia eilte geschäftig umher, bewirtete zwei Kunden mit Wein und Bier, sammelte Geld von einem milchgesichtigen Jungen ein, der daraufhin eilig davonhuschte, dirigierte eins ihrer Mädchen aus dessen Zimmer und führte es einem ältlichen Mann vor, der zahnlos und breit grinste, dann mit der Hure verschwand.
Trotzdem blieb Alrians Ankunft bei all dem Trubel nicht unbemerkt. Der große, furchteinflößend kräftige Kerl, welcher stets am Eingang stand und potentielle Störenfriede im Auge behielt, brummte ihm eine Begrüßung zu, eine ihm nur vom flüchtigen Sehen bekannte dunkelhaarige Stadtelfe, deren rosafarbenes Kleid mehr entblößte, als es verhüllte, lächelte ihn lockend an und Chalia selbst nickte ihm knapp zu, als er näher an die Theke trat, ehe sie sich umdrehte und aus dem Regal, das ihre beachtlichen Sammlung fasste, eine Flasche Honigwein hervorholte.
Alrian nickte, als sie ihn fragend anblickte, und ließ sich auf einem Hocker nieder. Er trank selten, wenig und eigentlich nicht gerne, aber Honigwein liebte er und ein kleiner Krug davon half ihm, sich zu entspannen. Sich von der Kälte, die ihn draußen gefangengenommen und sich rosig auf seine Wangen gelegt hatte, aufzuwärmen, das leichte Pochen in seinem linken Bein zu vergessen.
"Ist Solana da?", fragte er, nachdem er den ersten Schluck zu sich genommen hatte und ignorierte geflissentlich, den übertrieben enttäuschten Blick der Brünetten.
"Da hast du aber Glück", flötete Chalia. "Sie ist seit ein paar Minuten alleine."
"Ich möchte sie sehen." Solana war ein süßes Mädchen. Hübsch, sorgenfrei, sanft. Konnte gut zuhören. Wusste, wann sie den Mund besser schloss. Er mochte sie.
Chalia warf ihm ein breites Lächeln zu und verschwand dann in dem Gang, der zu den Zimmern der Frauen führte, während Alrian sich weiter seinem Getränk widmete, das Ambiente ausblendete so gut er konnte.

Frisch machen, neue Kleidung anziehen, die Haare mit dem Kamm wieder ordnen. Schnell und routiniert, während ein Junge mit Zahnlücken und bleicher Gesichtsfarbe Daryls Bettlaken abzog, neue auf das Bett spannte. Der Hochelf trocknete rasch seinen Leib, streifte sich die Kleidung über und beeilte sich dann aus dem Zimmer zu eilten. Sein Kunde war erst seit gut einer Viertelstunde fort, doch Daryl hatte den Eindruck, dass Chalia ihn vor die Tür setzen würde, wenn der Verdacht aufkam, er würde faulenzen.
"Warum tust du es nicht einfach?! Wir haben es dir immer und immer wieder gezeigt!"
- "Ich kann es nicht, Vater."
"Wiederhol es."

Sich über die rosigen Lippen leckend schloss Daryl kurz die Augen, ließ sich dann neben einer schwarzhaarigen Prostituierten nieder. Sie lächelte ihn an, die Schminke um ihre Augen noch feucht schimmernd, frisch. Er konnte noch sehen, wo ihre Haut vom Duftöl schimmerte, als sie ihm einen Becher mit Wasser reichte. Dankbar nahm er einen Schluck, doch als er das Wasser zurück reichen wollte, war sie mit einem Freier in Richtung ihres Zimmers verschwunden.
"Lumen?"
-"Ja, Daryl?"
Finger die sacht durch sein Haar kämmten. Ein Schoß auf dem er sein Kopf gebettet hatte. Das Gesicht Lumens verkehrt herum im Sichtfeld.
"Bin ich krank?"


Eine Bewegung neben sich, eine Gestalt, die sich neben ihm niederließ, der Anblick von schimmerndem, blonden Haar, ließen Alrian aufschauen, halb in der Erwartung, Solana zu erblicken. Doch es war ein Mann, der sich neben ihn gesetzt hatte, jung, hübsch, von zarter Gestalt. Und mit derart unverkennbaren Augen und einer ebensolchen Ausstrahlung, dass er ihn sofort erkannte. Den Adorys, der sich im letzten Herbst ins Pfandleihhaus verirrt hatte. An den er auch danach noch das ein oder andere Mal nachgedacht hatte.
Dass es sehr ironische Weisen gab, auf die man sich wiederbegegnen konnte, wusste Alrian nur zu gut. Doch die Tatsache, diesen jungen Mann hier zu sehen, in einem einfachen Bordell im Hafenviertel, wo er seinen Körper feilbot, raubte ihm für einen Moment doch tatsächlich die Sprache. Und auch die Fähigkeit, ihn nicht anzustarren. Nur der offene Mund fehlte, um das Bild eines überraschten Idioten perfekt zu machen.

"Du bist etwas ganz besonderes, Daryl."
- "Warum, Mutter?"
"Deine Schönheit, deine reine Seele, sie ist wichtig, lass niemanden von niederem Rang sie beschmutzen."
- "Ja, Mutter."

Ein fahles, schwaches Lächeln spielte um Daryls Lippen, er strich sich das Haar über die Schulter vor, ließ sacht die Finger durch das seidige Gold gleiten. So wie Chalia es ihm geraten hatte, so wirkte er einmal mehr wie eine jener Fabelfiguren, direkt aus dem Märchen. Von Frühlingsgeküsster Schönheit und Reinheit. Etwas neues, etwas auffälliges inmitten von all der sündigen Schönheit die hier angeboten wurde.
Eine weiße Perle unter schwarzen Diamanten.

Einen Moment lang fühlte Alrian sich versucht, den Adorys anstatt Solana zu kaufen. Um diese hellen, schlanken Finger auf der eigenen Haut zu spüren. Dieses goldene Haar zu berühren und zu fühlen, wie weich es wahr, daran zu riechen wie an einer Blume. Zu sehen, welche Schönheit sich unter der Kleidung verbarg.
Doch er wandte nur den Kopf ab und trank weiter. Was sollte er auch sagen?
Chalia kehrte zurück und informierte ihn darüber, dass Solana gleich bereit sein würde, ehe sie sich dem jungen Mann neben ihm zuwendete.
"Ah, Daryl. Hast du etwa Durst, Liebling?"

Leichte Röte kroch unter Daryls Haut, er neigte leicht den Kopf, eine delikate Geste, die begleitet von einem bittersüßen Hauch von Traurigkeit war. Er sah durch lange Wimpern auf, zu Chalia.
"Ein wenig, ja...", erwiderte er leise, sehr sanft. Beinahe wären seine Worte unter all dem Lärm verloren gegangen, doch schien es, als wäre der Hochelf von einer Blase umgeben, die eine ureigene Ruhe ausstrahlte, davon erfüllt war. "Aber es ist nur Wasser..."

"Dann trink, Schatz, du musst nicht durstig bleiben.
Und versuch, ein bisschen weniger traurig in die Gegend zu starren, es reicht schon, dass unser lieber Stammkunde hier mit seinen Blicken alles dunkler macht."
Chalia schenkte Alrian ein neckendes Lächeln, welches er müde erwiderte.
"Ich bin keine fröhliche Person, wenn ich am Warten bin", antwortete er.

Kurz legte sich Daryls makellos glatte Stirn in Falten, er sah auf und begegnete mit seinem Blick dem des anderen. Und erkannte ihn. Den Pfandleiher.
"Alrian, richtig?" Daryl setzte sich auf und neigte den Kopf leicht zur Seite, eine Bewegung die sein Haar im Licht schimmernden, golden und seidig.
"Vater."
- "Jetzt nicht, Daryl."
"..."
- "Lass mich in Ruhe, Junge. Ich bin maßlos enttäuscht."
"Es...tut mir leid...ich...ich gebe mir mehr Mühe! Versprochen!"
- "Schweig, Daryl. Geh auf dein Zimmer, ich will dich nicht mehr sehen."


"Ja", antwortete Alrian seufzend und führte den Krug erneut zum Mund. "Ich hätte nicht erwartet, dich hier anzutreffen, Goldkind. Verdienst du besser als mit deinem Schmuck?"
Die Situation kam ihm surreal vor und das lag nicht nur daran, dass der Wein seinen Körper langsam von innen zu wärmen begann, und er die Welt nach und nach aus anderen Augen zu sehen schien. Nein, die Tatsache, dass dieser junge Mann, Daryl, der einer Kaste angehörte, welche immer eine besondere Vorliebe dafür gehabt hatte, auf seinem Kreuz zu trampeln und ihn auszunehmen, nun neben ihm saß, hilflos angewiesen auf Geld, das Alrian ihm geben konnte, wenn er als Gegenleistung seinen reinen, schönen Körper ausliefen würde.

"Ja", erwiderte Daryl ruhig. All der Spott, der Hohn, es traf ihn und er begrüßte das, schloss kurz die Augen um sich an der scharfen Hitze aus Schmerz zu weiden. Ihm war warm, für kurze Zeit. Doch dann legte sich wieder die eisige Kruste über innere Wunden, erstickte die Glut wieder. Der Hochelf öffnete seine Augen wieder, wunderte sich, dass sein Atem nicht als kalte, sichtbare Wolke erschien. "Besser hier als auf der Straße."
Oder zu Hause.

"Gut dass du hier bist", gab Alrian zurück. "Mehr Schneeleichen auf der Straße müssen nicht sein."
Nicht, dass er jemals über eine gestolpert wäre. Im Winter blieb er meist Zuhause und außerhalb der Armenviertel räumte die Stadtwache gut auf, wenn einmal ein Bettler erfror.
Er konnte nichts hinzufügen, denn in diesem Moment spürte er eine sanfte Berührung an der Schulter und als er sich umdrehte, stand Solana hinter ihm. Ein weiches Lächeln auf den roten Lippen, die grünen Augen groß und warm, das dunkelblonde Haar glänzend auf die bloßen Schultern fallend.
Ihrer Einladung kam er gerne nach, folgte ihr in ihr Zimmer und war irgendwo erleichtert, aus dieser verwirrenden Situation befreit zu sein.

Daryls Blick blieb gleichbleibend ruhig. In keiner Weise fühlte er etwas anderes als scharfen, schnell wieder verebbenden Schmerz. Und dann forderte eine Kundin nach Aufmerksamkeit.






zuletzt bearbeitet 07.09.2015 19:06 | nach oben springen
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RE: 03. Ein Ohr zum Hören, ein Leib zum Lieben

in Winter 519 07.09.2015 18:17
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Am nächsten Tag kehrte Alrian zurück. Zu etwas früherer Stunde, als das Bordell gerade erst seine Türen geöffnet hatte. Und es war nicht Solana, nach der er fragte.
Vielleicht war es Heimweh, vielleicht die einmalige Gelegenheit, über einem Adorys zu stehen. Jedenfalls hatten Daryls Augen ihn im Geist verfolgt, der Gedanke, ihn zu berühren, wieder und wieder Schauer über seine Haut geschickt. Und diese Neugierde... die drängende Frage, wie jemand seines Standes in einer solchen Stadt, in einer solchen Position gelandet war, woher diese Traurigkeit rührte.
Und der Wunsch, eine Veränderung, eine Reaktion in den Augen des Anderen zu sehen.
Während Chalia im Gang verschwand, um nach Daryl zu sehen, und Alrian erneut an einem Krug Honigwein nippte, stellte er fest, dass er seit langem nicht mehr so gespannt auf etwas gewesen war. Er wusste nur nicht, ob das etwas Gutes oder etwas Schlechtes war.

Daryl legte den Kamm zurück auf den Nachtisch, als es an der Tür klopfte. Er trug wieder seine grüne Tunika, das, was Chalia und die anderen Männer und Frauen ihm gaben.
"Hab ich verschlafen?", fragte Daryl leise nach, als er die Madame des Hauses vor seiner Tür stehen sah. Wach war er schon seit einigen Stunden. Hatte gebadet, sich zurecht gemacht. "Verzeiht... Es wird nicht mehr vorkommen."

"Unsinn, Schätzchen", erwiderte Chalia, energisch den Kopf schüttelnd. "Die Sonne ist noch nicht einmal unten, wir haben gerade erst geöffnet.
Aber jemand will dich sehen. Bist du bereit, ihn zu sehen?"

Für einen kurzen Moment hoben sich Daryls Augenbrauen zu einer ungläubigen Geste, ehe seine Mimik wieder glatt, traurig und makellos wurde. Er nickte bloß, schloss sich der Madame des Hauses an.
"Daryl!"
Hände schüttelten ihn, warm auf kalt. Lumen war so warm. Und ihm war kalt.
"Daryl! Du musst wachbleiben!"
Nass. Lumens schönes Gesicht war nass, die Augen glänzten wie Edelsteine.
"-Lass mich schlafen, Lumen."
"MUTTER! VATER!"

Leise Ächzend strich Daryl sich über die linke Schläfe, massierte kurz seine Haut, als könnte er Erinnerungen vertreiben, die keine Ruhe geben wollten. Das war das erste Mal gewesen. Und ausgerechnet sein Zwilling Lumen hatte ihn gefunden. Oh, wie Lumen geweint hatte. Aber war es doch schon zu spät gewesen, Daryls Seele hatte zudem Zeitpunkt schon nur noch aus Eis bestanden, er erfror innerlich und niemand sah es, wollte es sehen.

Als er sah, wie Chalia mit dem jungen Mann zurückkehrte, leerte er seinen Krug in einem Zug. Noch waren keine anderen Gäste da und das war ihm recht so. Er wollte nicht mit einem Mann gesehen werden - eine Vorsicht, die aus seiner Heimat geblieben war und sich auch hier, wo es seit ein paar Jahren ebenfalls sträflich war, sich mit einem anderen Mann zu vergnügen, als praktisch erwies.
Er stand auf und stellte sich vor Daryl hin, betrachtete seine Gestalt gründlich, ehe er leicht nickte. Ja, er wollte das hier, egal wie dumm es erschien.
"Gehen wir ins Zimmer, Goldkind?", fragte er leise, rau, nicht auf Iblianisch, sondern in der Sprache seiner Heimat, Shillian.

Schmerz und Sehnsucht - Heimweh - zuckte über Daryls feines Gesicht, hauchten ihm kurzzeitig Leben ein, er ertrank in der vertrauten Sprache, dem Auf, Ab der Silben, schloss kurzzeitig die Augen. Als er sie wieder öffnete, war sein Blick leer. Er nickte, winkte mit einer kurzen Geste der Hand.
Er ging voran, den bohrenden Blick des anderen im Rücken spürend, Messer in seinem Fleisch, Klingen die sich bis auf seine Knochen bohrten, das Eis seiner Seele freilegten. Klickend öffnete, schloss sich die Tür hinter beiden, Daryl wartete. Hinter seiner Stirn pochte es kurz, dann wandte er den Kopf, erwiderte mit dem unverkennbaren Singsang der Muttersprache.
"Was wünschst du dir von mir?"
"Warum, Daryl?! Warum?!"
Knittern der Laken. Rascheln von Stoff. Ersticktes Schluchzen. Bittere Worte.
"Sieh mich an, Daryl. Sieh deine Mutter an!"
Grün und Gold verschwanden, wurden bedeckt von hellen Lidern. Goldene Wimpern ruhten wie die untergehende Sichel der Abendsonne auf kränklich bleichen Wangen.
"Warum."


Alrian legte seinen Mantel ab und neigte leicht den Kopf, versuchte, die Erinnerung an das kurzzeitige Aufwallen von Emotionen in den feinen Zügen des Anderen abzuschütteln. Dieses Bild, das ihn auf dem Weg in Daryls Zimmer, vorbei an in warmen Farben gestrichenen Wänden mit anzüglichen Malereien, verfolgt hatte. Der Beweis, dass der junge Mann mehr war als nur eine leere Hülle.
Geräuschvoll räusperte Alrian sich, leckte sich die Lippen und antwortete dann ruhig:
"Ich will nicht wie eine Frau genommen werden. Und dich will ich auch nicht auf diese Weise, Goldkind.
Benutz deine Hände oder deinen Mund oder was auch immer es gibt, worin du gut bist. Aber lass meinen Hintern in Ruhe und denk daran, dass ich deinen nicht will."
Es war ungewohnt, wieder die Sprache seiner Eltern zu sprechen. Es fühlte sich beinahe an, als würde er ein altes, angerostetes Werkzeug wieder in Betrieb nehmen.
"Und lass dir Zeit", fügte er hinzu, während er aus seinen Stiefeln schlüpfte. "Ich will es genießen."

Zwei Leiber schliefen in der Nacht.
Einer erwachte allein.
Goldenes Sonnenlicht auf goldenem Haar.
Klopfen gegen die Zimmertür.
"Daryl?"
-"Lumen...?"
"Ist...er weg?"
Verwirrter Blick. Kühles Verstehen.
-"Ja."

Trotz all der Kriterien würde er nicht zurückzucken, nicht aufgeben. Nicht wenn ein Stück Heimat, lebendige Heimat aus Fleisch, Blut und grausamem Hohn so greifbar nah stand, Daryl konnte, musste nur die Hände ausstrecken. Wie weit durfte er gehen, war es gestattet von den Lippen des anderen zu kosten?
Seine Haut war so kühl, eisig wie seine Seele, er sog die Wärme gierig auf, hinterließ hauchzarte Winterküsse auf der blassen Haut des anderen, hielt sich erst an dessen Schultern aufrecht, dann sortierte, öffnete er Stoff. Langsam.
"Wann ist er gegangen?"
-"Ich weiß es nicht."
Stille zwischen den Geschwistern.
Leises Plätschern von einer volllaufenden Badewanne. Vogelgezwitscher von draußen.
"Daryl?"
-"Ja?"
Die Frage kam nie über Lumens Lippen.


Alrian bekam eine Gänsehaut, als er diesen Mund auf seiner Haut spürte - doch zunehmende Erregung war nicht der einzige Grund dafür. Daryls Lippen fühlten sich kalt an. Samtweich, zärtlich... und doch irgendwie kalt. Mechanisch. Unecht.
Als der Adorys, die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes geöffnet hatte, hielt Alrian ihn auf, legte seine eigenen Finger sacht um die Handgelenke des jungen Mannes. Kurz nur spürte er die kühle, vernarbte Haut, bevor er ihn wieder freigab, stattdessen durch das glatte, honigblonde Haar strich. Und sich dann vorbeugte, sein Gesicht darin vergrub, Daryl in eine Umarmung zog.
Einen Augenblick lang verharrte er so, nahm den schwachen Geruch von Vanille und einer Blume, die er nicht so recht zuordnen konnte, in seine Nase auf. Genoss das Gefühl der Strähnen, die sich weich und seidig an seine Haut schmiegten, fast schon darum bettelten, gestreichelt, mit Fingern gekämmt und mit zärtlichen Küssen bedeckt zu werden.
Alrian war bewusst, dass das alles nur gekauft war. Aber es war eben nicht nur ein Körper, den er kaufte, es war auch eine Illusion. Er verlangte keine echte Wärme, das wäre anmaßend gewesen. Doch er wollte nicht nach Hause gehen und sich einsamer fühlen, als vor seinem Besuch.
Also suchte er, als er sich wieder aufrecht hinstellte, die Hand an Daryls Wange hinabgleiten ließ, mit dem Daumen über sein schmales Kinn strich und in seine schönen Augen blickte, nach irgendeiner Regung, irgendeiner Veränderung, irgendetwas, das ihn dazu bewegen konnte, weiterzumachen.

Instinktiv hatte Daryl sich an den wesentlich wärmeren Körper geschmiegt, an ihn gedrückt, hatte sich fremden Formen perfekt angepasst um keinen Widerstand zuzulassen. Ihm war kalt und er atmete den verblassenden Geruch von Heimat ein, griff nach allem, was halt bot, fühlte fremde Haut unter seinen Händen.
"Ich liebe dich."
-"Sag das nicht, Daryl. "
"Warum? Zählt meine Liebe nicht?"

Sein Gesicht wurde angehoben, er sah auf, der Blick zittrig und brüchig, er fühlte warmen Atem auf seiner Haut und erlaubte sich ein Lächeln. Ein echtes Lächeln, keines dieser fahlen, verblassten Kopien.
"Daryl? Was ist Liebe?"
-"Liebe, Lumen, ist das schönste Gefühl der Welt."
"Warum bist du dann so traurig?"


Alrian hatte nicht mit diesem Lächeln gerechnet. Damit, dass sich plötzlich diese sanfte Wärme auf Daryls Gesicht legen würde. War er vorher hübsch gewesen, so ließ dieses Lächeln ihn wunderschön erscheinen. Aber nicht weniger zerbrechlich. Als würde eine falsche Bewegung, eine unsanfte Berührung seine helle Haut zerreißen und ihm sämtliche Knochen brechen.
Das wollte Alrian nicht. Er mochte grob und unhöflich, mitunter sogar feindselig sein, doch es gab Grenzen, die selbst er nicht überschritt. Die er nicht überschreiten wollte, weil er den Schmerz genau kannte.
Vorsichtig strich er über Daryls Wangen, die zarte Linie der Kiefer entlang und begriff zum ersten Mal, dass der Adorys, hätte er vollkommen aufrecht gestanden, ihn um ein kleines Stück überragen würde. Sanft ließ Alrian die Hände schließlich sinken, auf den schmalen Schultern seines Gegenübers zum Ruhen kommen. Erneut zog er ihn vorsichtig näher an sich und schmiegte sich leicht an seinen Körper, während er die eigenen Lippen zärtlich an seinen weichen Mund legte, sacht und mit einer gewissen Neugierde daran rieb, ohne schon der Versuchung nachzugeben, mit der Zunge vorzustoßen.

"Sie ist eine Hure!"
-"Na und?"
"Daryl, du bist blind und taub!"
-"Manchmal wünsche ich es."
"Du bringst euch beide in Gefahr!"

Das Lächeln verebbte, Daryl erwiderte die leichten, neugierigen Küsse aus purem Reflex, fühlte mit schlanken Fingern, erkundete, sog gierig jedes bisschen von warmer Haut auf.
Er verweigerte einen weiteren Kuss, erkundete lieber mit winterkalten Lippen die weiche Kehle, makellos. Voller Leben.
"Es werden Narben bleiben."
Schluchzen. Wütende Worte. Gedämpfte Stimmen.
-"Warum... warum macht er das…?"


Alrian schloss die Augen und Atmete tief ein. Kühle Luft, um die Hitze ein wenig zu lindern, welche in seinen Körper aufwallte. Ihn überraschte die Begierde, mit der Daryl sich seinem Hals widmete, spürte harte Zähne über die empfindliche Haut gleiten, und legte den Kopf leicht in den Nacken, weil dieses Gefühl in Verbindung mit dem liebkosenden Mund, der neckenden Zunge einfach berauschend süß war.
Seine Hände ließ er auch bald wieder wandern, über die Schultern, den Rücken, Schulterblätter und Rippen, welche er deutlich durch den dünnen Stoff der Tunika hindurch deutlich spüren konnte. Und durch das Haar. Immer wieder durch dieses seidige, duftende Haar...

Daryl schloss die Augen, verharrte kurz. Dann jedoch zog er sich zurück, wandte sich mit präziser Genauigkeit dem Öffnen der Knöpfe, dem Hemd.
Den Stoff abstreifend, die Finger über jede Kurve, jeden Bogen gleiten lassend, erkundete Daryl den Fremden Körper vor sich.

Weiche, delikate Hände, die langsam über seinen bloßen Oberkörper glitten, kleine Wärmespuren über seine Haut zogen, trotz der winterlichen Kälte, die selbst von Wänden und Heizkörpern nicht völlig abgewehrt wurde. Das war es, was Alrian hinter geschlossenen Lidern fühlte. Daryls Atem schlug nicht länger gegen seinen Hals, er hörte ihn mit noch, leise, gleichmäßig, spürte das sachte Heben und Senken des zarten Körpers unter seinen Fingern.
Er erlaubte sich, ein wenig in diesen Empfindungen zu schwelgen, atemlos zu erwarten, was folgen würde. Bis er schließlich die hellen Augen aufschlug, Daryl anschaute und mit beiden Händen sanft seitlich unter seine Tunika griff.

Kurz stockte Daryl der Atem, noch immer konnte er sich nicht daran gewöhnen berührt zu werden. Dennoch, der Schock schwand und hinterließ ein angenehmes Gefühl, Wärme.
Er beugte sich vor, küsste sacht weiche, warme Lippen, lautlos, sacht.

Als Alrian erneut den fremden Mund auf seinem fühlte, konnte er nicht länger widerstehen. Er wollte wissen, wie Daryl schmeckte, von seiner weichen, feuchten Zunge kosten, ihn langsam erkunden.
Er öffnete den Mund leicht und leckte vorsichtig über Daryls Lippen. Zart waren sie und hätte er ihren Geschmack beschreiben müssen, so hätte er sicherlich Worte wie "bittersüß" und "Heimat" gewählt. Es war merkwürdig, dass es selbst nach fast zehn Jahren nichts als einem Paar Ohren bedurfte, dass genauso spitz war wie sein eigenes, zwei Augen, die groß und scharf waren wie die einer Katze, wenige Worte in altbekannter Zunge und einem Kuss, der schmeckte wie sein erster es damals im Palast der Magier getan hatte, um die Sehnsucht wieder aufflammen zu lassen, nach all den Dingen, die er begehrte und nicht haben konnte.
Während er die Hände unter dem dünnen Stoff des Oberteils Daryls Seite emporgleiten ließ, die sanfte Wölbung des Brustkorbs ertastete und mit einer Zärtlichkeit liebkoste, welche die eisigen Blicke, mit denen er sonst in die Welt schaute, Lügen strafte, fragte Alrian sich, ob man den jungen Adorys wohl verbannt hatte. Denn warum sollte er, der mit allem geboren sein musste, was das Leben zu Beginn verschenken konnte, den Weg ins selbstgewählte Exil antreten, wie Alrian es selbst getan hatte?

Ein leises Seufzen entwich Daryl, er schlang die Arme um den anderen, schmiegte sich unbewusst enger, gieriger an Alrian. Den Fremden, der ihm mehr Wärme als jedes Feuer versprach. Seidig rotes Haar schmeichelte seinen Händen, er wimmerte auf, wollte mehr.
"Daryl verbringt zu viel Zeit draußen."
-"Wir sollten ihm einen Leibwächter zur Seite stellen, diesem weltfremden Narr."
"Er ist unser Kind!"
-"Nur ändert das nicht seine Andersartigkeit."
Jedes Wort wie Messerstiche ins Herz.
Der Lauscher verkniff sich jeden Laut.


Alrian nahm die leisen Laute als Bestätigung, als Einvernehmen. Er vertiefte den Kuss, spaltete Daryls Lippen, indem er mit einer langsamen Bewegung die Zunge zwischen sie stieß. Neugierig und ausgiebig erkundete er seinen Mund, jeden Winkel, ließ sich Zeit dabei seinen eigentümlichen Geschmack ganz auskosten, obwohl sein Körper bereits vor Verlangen zitterte, Hitzewellen durch seinen Körper rannen.
Wer hätte gedacht, dass das Goldkind sich so in meine Arme werfen würde?, dachte Alrian, während er sich mit einer Hand unter Daryls Kleidung hinweg zurückzog und nach dem Band griff, welches seine rote Mähne bislang noch gebändigt hatte. Nun fielen die eigenwilligen strähnen zerzaust über Alrians bloßen Rücken, seine Schultern, die nackte Brust, dunkles Rot auf hellem Grund.
Vielleicht war es gerade die Art, auf die der junge Mann sich an ihn schmiegte, die ihm so gefiel. Alrian war in jüngeren Jahren selten allein gewesen und ein guter Teil seiner Geliebten waren Adorys gewesen. Ihn hatte diese Aura des Unerreichbaren angezogen, all das Wissen, der Besitz, die Möglichkeiten, und sie waren bezaubert gewesen von seinem Haar und den goldenen Flecken in seinen Augen. Das zumindest hatten sie ihm gesagt und selbst die gutherzigsten, sanftesten unter ihnen hatten in ihrer Art, in ihren Worten stets ihren Status mitschwingen lassen, ihm zu verstehen gegeben, dass er ein Sklave, ein Spielzeug war, dass er Ehre verspüren sollte, sie berühren zu dürfen. Dass er nur bei ihnen war, weil sie es so wollten, dass sein eigener Wille keine Rolle spielte, dass sie sich nehmen würden, was sie wollten und ihn zurück in den Schmutz werfen, aus dem er einst gekrochen war.
Und genau diese Eigenheit es, die Daryl völlig zu fehlen schien, was Alrian umso neugieriger machte.

Daryl war schwindelig, er war aufgelöst, schwamm in einem Meer aus Farben und Emotionen. Dafür, dass dieser Fremde und doch so vertraute Mann das Eis seiner Seele geschmolzen, all die vergessenen Farben hervor lockte, dafür könnte Daryl auf die Knie fallen, ihm vor Dank die Hände küssen.
Hör nicht auf. Lass mich nicht wieder erkalten.

Ein letztes Mal sog er an Daryls Zunge, leckte sanft über seinen Mund, dann löste Alrian sich, betrachtete versonnen die rosigen, geschwollenen Lippen, die aus dem weißen Gesicht hervorstachen wie eine Sommerrose aus dem Schnee. Er lächelte begehrlich, dann ging er leicht vor Daryl in die Hocke. Seine rechte Hand wanderten unter der Tunika an Daryls Rücken, er strich langsam über die unteren Wirbel, nur knapp über der Linie seiner Hose. Mit der anderen Hand zog Alrian den grünen Stoff, der sich fein und weich in seine Finger schmiegte, empor, legte ein winziges Stück heller Haut frei.
Alrians Lächeln wurde eine Spur breiter, als er den Kopf vorbeugte und seinen Mund an den Nabel des jungen Mannes legte.

Scharf sog Daryl die Luft ein, seine Hände zuckten, verkrampften sich unwillkürlich in den dicken, lockigen Strähnen des roten Haares, er erschauderte, fragte sich, ab wann sie begonnen hatten die Rollen zu tauschen, ab wann es der Feos gewesen war, der ihn einlullte, statt sich verführen zu lassen.
Seiner kalten Schale beraubt, bloß und verletzlich konnte Daryl nicht anders, seine Wangen röteten sich leicht, ein zarter Schimmer auf ebenso zarter Haut, während Unsicherheit in seinem Blick durchschimmerte, eine stumme Bitte um Hilfe beim verstehen dieser Situation.

Sanft drückte Alrian sein Gesicht an den flachen, jeglicher Härte entbehrenden Bauch und atmete Daryls Duft ein, Vanille und eine Blume, der selbe Geruch, der auch in dem langen, blonden Haar hing. Er konnte nicht anders, als den Mund zu öffnen, die helle, nur ganz leicht salzige Haut zu mit der Zunge zu umschmeicheln und leicht zu knabbern, bis sie sich rosa färbte.
Als er sich jedoch kurz löste, um Luft zu holen, und dabei aufschaute, konnte er erkennen, dass die kühle, unnahbare Distanziertheit verschwunden und durch Befangenheit abgelöst worden war.
"Was hast du, Goldkind?", fragte Alrian in amüsiertem Tonfall, doch ohne Spott. "Ist es dir etwa lieber, wenn ich direkt über dich herfalle?"

"N...nein." Daryl wand sich, sah zur Seite. Die Augen schließend, die Welt aussperrend baute der Hochelf die Mauern aus Eis in seinem Inneren wieder auf, verschloss den bunten See aus Emotionen wieder hinter einer dicken Kruste der Kälte.

Ein Sensibelchen also.
Alrian seufzte entnervt, ließ die Hände sinken, zog sie zurück. Die grüne Tunika rutschte wieder an ihren Platz, bedeckte das bisschen nackte Haut wieder. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, den Abend hier zu verbringen, anstatt bei einem der anderen Männer, die er kannte, die wussten, was er brauchte. Daryl schien nicht sonderlich erfahren - oder seine Art zielte auf eine seltsame Vorliebe ab, die Alrian nicht besaß.
"Wir können es auch sein lassen", brummte er, während er sich aufrichtete. "Ich habe bezahlt, aber ich habe keine Lust, mich dir aufzudrängen, wenn es dir so zuwider ist."

"Es ist mir nicht zuwider." Daryl zögerte nicht, wollte nicht allein bleiben, das letzte bisschen Heimat verlieren, das er hier entdeckt hatte. Die Kälte half, die Scham niederzudrücken, er zögerte keine Sekunde mehr. "Ganz und gar nicht."
Leise klang Daryls Stimme, sanft wie ein Windhauch an einem ruhigen Wintertag. Er drückte den anderen auf die Bettkante nieder. Hockte sich vor ihn und küsste sacht sich den glatten, hellen Torso hinab.

"Wenn du das sagst, Goldkind..."
Die Skepsis schwang deutlich in Alrians Stimme mit, doch sie wurde leiser und wich schließlich auch aus seinen Augen. Begehren trat an ihre Stelle und mit jeder Berührung von Daryls Lippen, mit jedem Mal, dass er flüchtig spürte, wie die raue, feuchte Zunge seine Haut streifte, wuchs sein Verlangen.
Wieder schloss Alrian die Augen, ließ die Hände durch Daryls wunderschönes, feines Haar wandern. Sein Herz pochte schneller, ihm wurde sehr warm und er wusste nicht, ob er lieber in diesem Moment verbleiben oder sich lieber auf den Augenblick freuen sollte, da der junge Adorys unweigerlich innehalten und dann weitergehen würde.

Daryl legte den Kopf in den Nacken und küsste sacht den weichen, hellen Hals, hauchte ein leises lachen gegen warmes Fleisch, während seine Hände Stück für Stück die Hose Alrians zu öffnen .

Alrian spürte ein sachtes Ziehen an den Beinen, hörte das Rascheln von Stoff und das Lachen dicht unter seinem Gesicht und er der Gedanke, dass er gleich in das Vergnügen kommen würde, sich diesem schönen Körper hinzugeben, ließ ihn trotz aller Zweifel erschauern und unweigerlich schneller atmen. Er hob das Kinn leicht an, drückte die Kehle fester an Daryls Lippen und streckte sein rechtes Bein aus, um ihm beim Entkleiden zu helfen - das linke schmerzte oft, wenn er es anspannte.
Er fragte nicht, was der junge Adorys vorhatte und gab ihm auch keine Anweisungen, denn es war ihm gleich, was er tat - solange er es gut machte und sich an die Grenzen hielt, welche ihm genannt worden waren.

Etwas hatte Daryl aufmerksam gemacht. Als er die weite Hose von den hellen Beinen des anderen abstreifte, war ein kompliziert wirkendes Muster auf dem linken Bein aufgeblitzt. Erst hatte Daryl es für eine Tätowierung gehalten, doch dann sich selbst berichtigt, das Muster als Narben identifizieren können.
Sacht legte Daryl die Lippen auf jene leichte Wölbung der ersten Narbe, nur kurz, nur hauchzart, ehe er sich wieder Alrian zu wandte, die Finger sacht, liebkosend über dessen Leiste streichen ließ, den Kopf zur Frage schief gelegt. War das noch erlaubt?

Ach ja, die Narben...
So lange lebte Alrian schon mit ihnen, dass er gelegentlich vergaß, dass sie überhaupt da waren, wenn sie nicht gerade Schmerzen durch sein Bein schickten. Und selbst dann entfiel es ihm manchmal. Auch jetzt fiel es ihm erst ein, als er weiche Lippen über das vernarbte Fleisch streifen spürte.
Die meisten Huren beachteten die rötlichen Musterungen gar nicht, die sich wie feine Wurzeln sein Bein entlangschlängelten. Oder bedachten sie mit bewundernden Blicken, konnten ihre Finger nicht davon lassen. Früher hatte ihn das wütend gemacht, mittlerweile hatte er sich damit abgefunden. Sie waren nicht dabei gewesen, an jenem Tag. Sie hatten die ohrenbetäubenden Knalle nicht gehört, nicht gespürt, wie es sich anfühlte, wenn ein lebendiger Blitz durch den eigenen jagte, wenn da nichts war, außer dieser Schmerz. Sie hatten nicht das Entsetzen in den Augen der Menschen gesehen, die verheerende Verwüstung, die Mutter, die um ihr kleines Kind weinte, das reglos in ihren Armen lag. Sie konnten nicht wissen, wie lange es gedauert hatte, bis Alrian an jenen Tag hatte zurückdenken können, ohne dass sich seine Augen mit Tränen füllten und ein Zittern seinen ganzen Leib erfüllte. Sie waren ahnungslos und er sollte dankbar dafür sein.
Alrian schlug die auf und sah, dass Daryl fragend zu ihm aufschaute.
"Hör nicht auf", sagte er leise, rau, fuhr bestätigend durch sein helles Haar.

"Daryl, bedeck deine Arme."
Stoff der von eleganten, beringten Fingern an seinen Armen herab gezogen wurde.
-"Ja, Mutter."
"Und denk daran. Lächeln. Als wäre nichts passiert."
Die Narben, noch frisch brannten unter seinem Ärmel.

Daryl lächelte, neigte sich vor, kostete die Haut des anderen, mit kühlem Lippen und geschickter Zunge. Er fühlte deutlich warmes Fleisch schwer in seiner Hand ruhen, als er die Basis des Schaftes umfasste, er den Kopf neigte um die Lippen besser um die Spitze schließen zu können.

Schon der warme Atem auf seinem Fleisch brachten Alrians Blut zum Sieden, schickten es in einem tobenden Strom abwärts, zwischen seine Schenkel. Als Daryl dann den Kopf seines Glieds in den Mund stieß er einen erstickten Laut aus, warme, aufregende Schauer rannen ihm über den Rücken. Langsam und tief sog er die Luft ein, als er spürte, wie die seltsam kalten Lippen und die im Kontrast geradezu heiße, geschmeidige Zunge zu arbeiten begannen. Und die Finger sanft, zu massieren.
Tiefer vergrub Alrian die Finger in goldenem Haar, strich etwas schneller durch den Ozean aus Seide. Labte sich an dem Anblick von Daryls zartem Gesicht, das sich immer weiter in seinen Schritt schmiegte, und der aufkeimenden Lust, die sich ausgehend von den Punkten, an denen sie sich berührten, in ihm ausbreitete.

"Das ist der Theirenjunge."
-"Stimmt es, dass er sich umbringen wollte?"
"Vermutlich nur ein verwöhnter Bengel auf der Suche nach mehr Aufmerksamkeit."
Giftiges Geschnatter das beinahe im Klirren von Glas und Gelächter unterging.
"Ich verstehe sein Problem nicht. Er ist hübsch genug um sich alles leisten zu können."
-"Sieh mal in seine Augen. So kalt. So... Leblos."

Daryl ließ ab, von jenem Fleisch, die Lippen sich leckend sah er durch goldene Wimpern auf, schenkte ein kurzes Lächeln. Dann senkte er wieder den Kopf, neckte mit seinem Atem und geschickten Fingern.

Kurz nur trafen sich ihre Blicke, beide Münder wurden kurz von feinem Lächeln geziert. Dann kehrte Daryl zu seinem Spiel zurück und Alrian schloss die Augen, um weniger zu sehen, mehr zu fühlen. Und mehr fühlte er. Luft, die ausgestoßen wurde und ihn einhüllte, ihm grausam verwehrte, wonach es ihm verlangte. Und die Fingerkuppen, die dafür aufkamen, indem sie sich sacht in sein Fleisch gruben, jeden Winkel erkundeten, kein Stück Haut unberührt ließen.

Daryl neigte den Kopf, öffnete die Lippen weit genug um mehr von hartem Fleisch und bitterer Erregung zu schmecken, aufzunehmen.

Leise keuchte Alrian auf, vor Verzückung zupfte er sacht an Daryls Haaren. Kein Gedanke war da noch ans Aufhören. Er wollte, dass der Junge weiter machte, weiter ging. Er wollte spüren, wurde er ihn nahm, verzehrte, verschlang mit Haut und Haar.
Eine Hand verschwand von Daryls Kopf, klammerte sich ins Bettlaken, mit ihr stützte Alrian sich ab, als er vorsichtig die Hüfte abhob. Tiefer drang er so in seinen Mund, ein wenig nur, ein winziges Stück, nicht tiefer, als es erwünscht war. Härte fühlte er und wusste, dass es die weißen, ebenmäßigen Zähne waren, die leicht über sein Glied schrammten. Seine Sinne beinahe mehr noch reizten, als die nasse Zunge es tat, die seine Haut mit solcher Langsamkeit streifte, dass er sich ein erregtes Winseln nicht verkneifen konnte.

Daryl neigte den Kopf vor, stützte sich links und rechts auf dem Bett ab. Erlaubte, dass der andere seinen Mund so besaß, nutzte alles was er hatte um mehr als nur ein Winseln hervor zu bringen.

Funken, helle, glühend heiße Funken brannten hinter Alrians Augen. Er schlug sie auf, kniff sie wieder zusammen, sog scharf den Atem ein. Er verlor sich in erkaufter Lust, wusste, dass jedes Saugen, jedes sachte Ziehen die Münzen wert waren, welche er bezahlt hatte. Daryl sog an seiner Haut, mal ganz leicht, mal so kräftig, dass Alrian überzeugt war, dass sein bestes Stück am nächsten Tag noch von rosigen Flecken überzogen sein würde. Und immer kürzer wurden die Abstände zwischen beiden, immer fließender die Übergänge, bis die schmatzende Geräusche und der Laut heftigen Atmens völlig vom Rauschen Alrians Blutes in seinen Ohren verdrängt wurde. Er spürte, wie die geschickte Zunge sich gnadenlos um sein Glied schlang, um die Spitze kreiste, mit jedem Atemzug schneller und kräftiger wurde, ihn in Lustschauern versinken ließ, die beinahe unerträglich waren. Hitze erfasste Alrian, kühler Schweiß rann seinen Nacken hinab und der Obsidiananhänger, welchen er um den Hals trug, fühlte sich auf der Brust so kalt an, dass er sich in seinen Leib zu bohren schien, als wäre er eine richtige Klinge, keine bloße Nachbildung.
Er ertrug es nicht mehr, packte Daryls Hinterkopf, zog ihn mit jedem Mal, da er sich selbst aufbäumte und in den willigen, anschmiegsamen Mund stieß, näher an sich heran, spürte, wie er fast völlig aufgenommen wurde. Als schließlich reines Wohlgefallen Alrian erfasste, er stöhnend und zitternd kam, ähnelte es der Erlösung von einer langen Folter, obwohl sicherlich nur wenige Minuten verstrichen waren.

Hastig, würgend schluckte Daryl, ehe er sacht seine Hände auf die Alrians legte, dessen Finger aus seinem Haar löste, damit er aufstehen konnte.
Zusagen, dass Alrians Lust ihn völlig kalt gelassen hatte, wäre eine eiskalte Lüge, doch gleichzeitig war Daryl nicht wichtig, immerhin hatte er sich nicht selbst gekauft.
Sacht ließ Daryl sich auf der Bettkante nieder, streckte ohne zu zögern die Hand aus, fing eine der roten Locken ein und hauchte einen kurzen Kuss auf das weiche, seidige Haar.

Selbst wenn Alrian gewollt hätte, er wäre nicht in der Lage gewesen, Daryl daran zu hindern, sich aufzurichten. Er war fühlte sich viel zu zittrig, zu berauscht vor tiefer Befriedigung. Abgesehen davon spürte er kein Verlangen danach, ihn unten zu halten, so verlockend die Vorstellung, einen Adorys auf die Knien zu zwingen, ihm manchmal auch erschienen sein mochte.
Er beugte sich leicht in Daryls Richtung, legte träge die Arme um seine Taille und lehnte die Stirn an seine Schulter. Einen Augenblick blieb Alrian so, atmete den betörenden Duft des jungen Mannes ein, dann hob er den Kopf und schaute in seine Augen.
"Küss mich, Goldkind."

"Warum nennst du mich Goldkind?" Ein Spitzname der schon oft aufgefallen war. Und immer aus Alrians Mund. Dennoch neigte Daryl den Kopf, schlang die Arme um Alrians Taille. Er legte sacht die Lippen auf die des anderen, kostete vorsichtig.

Langsam erwiderte Alrian den Kuss, fuhr mit der Zunge über rote Lippen und glaubte, noch einen salzigen Hauch seines Selbst daran zu schmecken. Er seufzte leise und murmelte gegen Daryls Mund:
"Weil du eins bist."
Seine Finger glitten den schlanken Rücken empor, zupften leicht an einer blonden Haarsträhne. Strich mit dem Daumen über Daryls Wange, dann über sein linkes Auge.
"Wurdest in Gold geboren, oder nicht?"
Es waren nicht alleine die körperlichen Merkmale, aufgrund dessen er diesen Namen gewählt hatte, doch sie waren es in gleichen Teilen gewesen wie der andere Grund.

Daryl schmiegte sich in die Berührungen, verspürte nicht wie sonst den unterschwelligen Drang zu flüchten und zu schütteln. Selbst die Kälte, die ihn tag ein, tag aus würgte, erstickte, einhüllte, war gewichen. Sein Blut war wieder heiß und flüssig, kein Wachs in seinen Adern, er fühlte sich am Leben. Schlecht, aber am Leben. Bei den Göttern, er fühlte!
"Vermutlich hast du Recht." Was sollte er sagen? Dass er sich selbst hasste? Dass er diese Kasten hasste? Dass er sich am liebsten das Gold mit einem Messer von der Haut schaben wollte?

Alrian brummte nur leise und ließ sich aufs Bett sinken, zog Daryl sanft mit sich, bis sie sich beide auf der Seite lagen, einander anschauen konnten. Erneut küsste er die Lippen des anderen, flüchtig und zart.
"Warum bist du hier, Goldkind?", fragte er leise. "Haben sie dich verbannt?"

"Nein, niemand hat mich verbannt." Daryl leckte sich die Lippen und überlegte kurz, sah dann aus seinen unterschiedlich gefärbten Augen auf. "Ich...wir flohen."

Alrian runzelte die Stirn, doch er löste die Umarmung nicht, sondern ließ die Hand auf Daryls Taille ruhen. Strich sacht mit seinen Fingern darüber.
"Geflohen... wovor, Goldkind? Und was heißt 'ihr'?"
Wusste er, was es hieß, um das eigene Leben zu bangen? Ein Ausgestoßener zu sein? Niemals nach dem greifen zu können, was man begehrte?

"Die Dekadenz, die Überheblichkeit. Wie fast alle als niedere Wesen behandelt wurden, dabei bestehen wir doch aus dem gleichen Fleisch und Blut." Daryl verzog das Gesicht in Erinnerung an die stetigen Vorträge seiner Mutter. Wie rein seine und Lumens Seele doch waren. Dass sie die Elite der Hochelfen bildeten. "Es macht mich krank."
Der stetige Erfolgsdruck, von klein auf vorhanden. Kein Scheitern, keine Ruhepause. Luxus, so viel, dass die Augen schmerzten, der Leib faulte und verrottete.
"Es macht mich krank."

Leise schnaubte Alrian.
"Dich, Goldkind? Dich macht es krank?"
Er setzte sich auf, musterte den jungen Mann zweifelnd. Nachdenklich strich er die feine Linie Daryls Kiefers entlang.
"Warum? Warum ist es dir zuwider, etwas Besseres zu sein?"

Daryl würgte an Worten die er ausspucken wollte, die er sagen wollte. Doch Hohn und Spott knebelten ihn, er verkniff sich die Antwort, setzte sich nur ebenfalls auf.
Die bezahlten Stunden waren gleich vorbei, gleich war es vorbei. Der pochende Schmerz jedoch blieb. Er hatte oft Ablehnung erfahren. Auch so. Doch jetzt... Pochte es, brannte wie eine offene Wunde.
Daryl leckte sich die Lippen und mit jedem Atemzug baute er seine Mauern aus Eis erneut auf, bis sein Körper, seine Augen wieder vollkommen hohl, leer wirkten.
"Es ist egal."

Alrians Brauen zogen sich zusammen, doch er widersprach nicht. Schließlich zuckte er mit den Schultern und kletterte vom Bett.
"Wie du meinst. Dann ist es egal."
Er sammelte seine Kleidung ein, schlüpfte in das dunkelbraune Hemd, die gleichfarbige Hose. Während er sich die Schuhe anzog, fügte er hinzu:
"Ich werde wiederkommen. In ein paar Tagen vielleicht. Wenn du es nicht willst, sag es lieber gleich."
Er warf sich den Mantel über.
"Es gibt genug andere Betten, in denen ich willkommen bin."

"Ich... freue mich schon." Daryl ließ die eisige Schale ein wenig, weit genug sinken um ein Lächeln zuzulassen. Dann Griff er nach seinem Kamm, zog ihn in routinierten Bewegungen durch das Gold seines Haares.

Alrian blieb nicht, um dabei zuzuschauen, wie Daryl seine zerzausten Goldfäden glättete, auch wenn der Anblick ihn irgendwie lockte. Auch er lächelte flüchtig, dann verließ er das kleine Zimmer und, nachdem er Chalia bezahlt hatte, das Bordell. Nachdenklich hatte ihn diese Begegnung gestimmt und er musste nachdenken. Über vieles, was nun schon eine Weile geruht hatte.
Glücklicherweise war er noch zu beschwingt von der Lust, als dass Gedanken seine Stimmung hätten trüben können.






zuletzt bearbeitet 28.12.2015 12:53 | nach oben springen
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