Ein Name.
Ein halber Name, von dem ich nicht weiß, ob es wirklich der meine ist. Ein Nachname, der im Gasthaus hinterlassen wurde, anscheinend von mir, an einem Tag, an den ich mich nicht erinnere.
Karten.
Bunt bebildert, mit vielen Schnörkeln. Karten, in denen ich die Zukunft lesen kann, nicht aber die Vergangenheit.
Eine Kette, filigran und von edlem Material. Kleine, blassviolette Perlen, ein goldener Anhänger in Form eines Auges, der einen runden, blutroten Stein wie eine dämonische Pupille umfasst.
Kleider von praktischem Schnitt – Reisekleider – und solche, die einem königlichen Ball angemessen wären.
Das ist alles, was ich habe, was meine Vergangenheit mir mit in die Gegenwart gegeben hat. Keine Gesichter, keine Erinnerungen.
Lady, so nennen sie mich, obwohl ich genauso gut die Tochter eines Dienstmädchens sein könnte.
Emilia Fawns, obwohl ich auch eine Jane oder eine Molly sein könnte und nicht einmal sicher sein kann, dass ich keinen falschen Nachnamen angegeben habe.
Und trotzdem nennen sie mich alle so, Emilia, nach einer Frau namens Emily, eine Frau, die ich nicht kenne, aber der ich wohl ähnele. Lord Ashsteel nennt mich so, seine Diener tun es ihm gleich, ebenso wie sein Freund. Für sie bin ich eine Emilia Fawns und da sie es sind, die mir ein Leben geben, muss ich eine Emilia Fawns sein, selbst wenn ich nicht immer eine gewesen bin.
Vielleicht bin ich auch nichts als eine Puppe, der man im Spiel eine Geschichte gegeben hat, welche man erneut fortwischen und durch eine neue ersetzen wird, sobald sie langweilig wird. Vielleicht werde ich eines Tages eine Puppe namens Jane oder Molly sein und bis dahin als Emilia durch die Welt wandeln, zur Belustigung der Welt Klavier spielen und die Zukunft in Karten lesen.
Karten, die von wahrer Liebe und unbekannten Gefahren sprechen, nicht aber von Namen und Erinnerungen.
Nur meine Träume, flüchtig und vergänglich, unwirklich und zerbrechlich wie Schmetterlingsflügel, offenbaren mir manchmal Dinge, die greifbar und real erscheinen.
Dann träume ich von einem lichten Zimmer, durch das eine leichte Sommerbrise weht, von weiten Pupillen und hungrigen Lippen. Von wunden, krampfenden Fingern, die weiter über die Tasten eines Klaviers gejagt werden. Von einem düsteren Kellergewölbe mit einer Liege, auf die man mich bettet und von der ich aufstehe, in den Spiegel schaue und in ein fremdes Gesicht starre. Von einer Finsternis, die mich verschlingt, die mich in einen Strudel aus Schwärze hinabzieht, von wo aus ich nur nach oben schauen kann, in ein Paar ungleicher Augen in einem hellen Gesicht, umrahmt von Haaren, die mit der restlichen Dunkelheit verschmelzen.
Doch wen kümmern schon die Träume einer Puppe?