02: Ein gefiederter Neuling
02: Ein gefiederter Neuling
in Sommer 516 20.04.2015 17:53von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
Leonardo war aufgeregt. Nervös eher weniger, aufgeregt und freudig aufgekratzt vielleicht. Immerhin war es eine Woche her, dass er eingetragen war, nun mit zwei anderen, wesentlich erfahreneren Wachleuten mitgehen sollte. Nun, er stand hier in der Kaserne. Trotz der sommerlichen Hitze trug er seine Rüstung, Arm- und Beinschienen. Auch seine leichte Axt und der Langdolch ruhten an seinem Gürtel.
"Wo bleiben sie nur ...?" Der Rialan-Cel tippte unruhig mit dem Stiefelabsatz auf den Boden, spannte seine Schwingen an und spreizte sie, als wolle er davon fliegen.
"Du bist also der gefiederte Neuling?"
Shanae hatte nicht viel Zeit damit verbracht, den Mann neugierig zu mustern, sondern war direkt auf ihn zu getreten, sobald er in ihr Sichtfeld gelangt war.
Es verwunderte sie zwar, dass ein Angehöriger der Rialan-Cel, dieser zarten Flügelmenschen, ausgerechnet dem nichtmagischen Teil der Stadtwache beitreten wollte, aber sie war es gewohnt, Überraschungen zu erleben. Also hatte sie sich nicht beschwert, als man Lawrence und ihr die Aufgabe übertragen hatte, den Mann mit auf ihre Nachmittagspatrouille zu nehmen und einzuweisen.
An Motivation schien es ihm jedenfalls nicht zu fehlen - obwohl er Shanae sicher um einen Kopf überragte, wirkte der Rekrut aufgeregt und vorfreudig wie ein Kind, hatte sogar vorbildlichst seine Rüstung angelegt. Die an Schneeeulen erinnernden Flügel zuckten und sein sehniger Leib schien keine Ruhe zu finden.
"Ja, gefiedert aber nicht geteert.", erwiderte Leonardo mit breitem Grinsen, zwinkerte der Frau mit silbernen Augen zu, ehe er die Daumen an seinen Gürtel hakte und den Kopf schief legte, sein schwarzes, gelocktes Haar ergoss sich - in einem strengen Zopf am Hinterkopf - über seinen Rücken, während sich seine Schwingen fest anlegten.
Shanae lachte.
"Kein missmutiger Zeitgenosse, wie?"
Sie konnte förmlich spüren, wie Lawrence hinter ihr die Stirn krauszog und ihr einen missbilligenden Blick zuwarf, doch das störte sie nicht im Mindesten.
Sie streckte dem Mann die braune Hand entgegen und sagte:
"Ich bin Shanae."
"Leonardo Sforza.", stellte Leonardo sich ebenfalls vor nahm ihre Hand und schüttelte sie, sein Griff war der eines erfahrenen, aber nicht perfekten Kämpfers. Jemand mit Talent. Aber jemand der noch etwas schliff brauchte. "Warum auch, Shanae? Es lohnt sich nur selten missmutig zu sein."
"Nun, da sind wir uns wohl einig."
Grinsend machte Shanae eine Geste in Lawrence’ Richtung.
"Unser ernsthafter Freund hier ist Lawrence Mercer - ein formidabler Kämpfer gegen das Unrecht, wie ich anmerken muss."
Lawrence reichte Leonardo seinerseits die Hand und schüttelte sie. Er verbarg seine Neugierde gut, doch Shanae konnte sehen, wie auch seine Augen von den Flügeln angezogen wurden.
"Oh, das Unrecht ist es, was ich auch zu bekämpfen wünsche." Leonardo stand aufrecht und grinste, während seine Schwingen sich ausbreiteten, ihre beeindruckend und dennoch zu kleine Spannweite offenbarten. Auch sein Schweif peitschte auf und ab. Als er den Blick des Mannes - Lawrence bemerkte, lächelte der Rialan-Cel. "Ich kann euch damit vielleicht nicht wegflattern, aber hilfreich sind sie auf jeden Fall."
"Nun, wir werden sehen, wie hilfreich sie sind", antwortete Shanae augenzwinkernd und widerstand dem Drang, die Hand auszustrecken und über eine Feder zu streicheln. Vielleicht würde sich dafür ein anderes Mal eine Gelegenheit bieten.
"Wollen wir?
Im Hafenviertel wird man fast immer fündig."
"Ist mir Recht." Leonardo grinste und sah dann zu Lawrence, zumal dieser am wenigsten gesagt hatte. Er strich sich das schwarze, lockige Haar aus dem Gesicht, schmunzelte.
Lawrence nickte dem Mann nicht unfreundlich zu.
Wenn er den Enthusiasmus aufrechterhalten und sich nicht von diesem überwältigen lassen würde, gab er sicher einen guten Wachmann ab. Motivation war etwas, was Lawrence selbst nur schwer aufbrachte, weniger noch, seit Elira fort war.
"Wir werden uns dort mit einigen anderen treffen und dann in Paaren bestimmte Routen ablaufen", erklärte er. "Da du noch nicht voll ausgebildet bist, wirst du mit Shanae und mir gehen und so von uns lernen."
"Alles klar." Leonardo freute sich wirklich. Er mochte einigermaßen ruhig stehen, doch das stetige Schwingen seines Schweifes, von einer zur anderen Seite, verriet ihn. Und natürlich das leise Rascheln seiner Schwingen. Der Rialan-Cel störte sich nicht an der Sommerlichen Hitze, stattdessen schien er viel mehr in ihr aufzublühen.
Während sie den Weg zum Hafenviertel beschritten erklärte Shanae - hin und wieder ergänzt durch Lawrence - alles, was Leonardo beachten müsste, oder zumindes, alles was ihr wichtig erschien. Es war keine sonderlich schwierige Aufgabe, die Straßen abzuwandern und nach Störenfrieden zu suchen, doch wer unerfahren war, konnte sie auch leicht unterschätzen.
Außerdem kam erschwerend hinzu, dass das Viertel an vielen Stellen immer noch in Trümmern lag und es mehr als genug Menschen gab, die lieber ihren Unmut darüber an Wehrlosen ausließen, als sich rege am Wiederaufbau zu beteiligen.
Weitere Morde hatte es in der letzten Zeit glücklicherweise nicht gegeben, aber Shanae wurde das Gefühl nicht los, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis wieder einer von denen, die gemeinhin als "Gesindel" betrachtet wurde, für Wut und Frust Anderer herhalten musste.
Sie war nicht allein mit dieser Ansicht, was einer der Gründe war, aus denen die Stadtwache in letzter Zeit mehr Kämpfer rekrutiert hatte.
"Wie es scheint, ist hier immer was los." Leonardo schlenderte neben Shanae her, sah sich um. Er wirkte kein bisschen verschüchtert oder unsicher von den grimmigen, abschätzenden blicken, die ihm häufig von den Passanten zu geworfen wurde. "Das hier hat Potenzial "
"Wie meinen?"
Shanae warf Leonardo einen belustigten Blick zu.
"Hast du etwa befürchtet, dass du dich langweilen wirst?"
Sie erreichten den Ankerplatz, einen der wenigen Orte im Hafenviertel, die nahezu unbeschädigt aus der Naturgewalt des letzten Herbstes hervorgegangen war. Lediglich die Keller waren damals geflutet und einige Holzschilder herabgerissen worden.
Daran erinnerte jetzt gar nichts mehr, der Platz war lebhaft wie eh und je, das Gasthaus schien gut gefüllt, die Läden gut besucht zu sein, das Theater kündete auf einer großen Tafel eine Aufführung für den heutigen Abend an.
Und über allem thronte stolz die Statue von Trystan I, des ersten Herzogs von Brightgale.
Hier war die Normalität wieder eingekehrt.
Leonardo streckte sich, wirkte mit einem Mal mehr wie eine Katze als wie ein Vogel, ehe er mit leisem, genüsslichem Seufzen zu Shanae herab sah, die Daumen locker in die Schlaufen seines Gürtels gehakt, während sein Schweif langsam hin und her schlug, jeden Schritt auszupendeln schien.
"Bin nie lange an einem Ort geblieben. Aber immer nach Brightgale zurück gekommen.", sagte der Rialan-Cel, blinzelte leicht in dem grellen Sonnenlicht. "Ich glaube kaum, dass ich mir hier langweile werde"
Shanae lachte.
"Du gefällst mir."
Zügig, aber nicht aufgeregt hielt sie auf das Grüppchen der anderen Wachleute zu, die sich in der verabredeten Ecke versammelt hatten. Ein kleiner Austausch würde stattfinden, dann würde jeder seinen Weg weitergehen.
"Ich bin auch nie lange an einem Ort geblieben.
Bis ich hier gelandet bin."
"Es ist der Ort, der sich am meisten ändert und doch gleichbleibt, der die ruhelosen Seelen anzieht", Leonardo legte nachdenklich den Kopf schief, strich sich über das Kinn. “Oder so."
Er lachte rau und dunkel, ehe der Rialan-Cel sich den anderen Wachleuten zuwandte.
"Darauf sollten wir einen trinken", gab Shanae augenzwinkernd zurück.
"Aber erst nach der Arbeit."
Wie sie erfuhr, als sie mit ihren Kameraden sprach, hatte sich heute nicht viel ereignet.
Ein junger Dieb, der vergeblich versucht hatte, mit einem gestohlenen Laib Brot zu flüchten, zwei Trunkenbolde, die sich um eine Flasche Wein gestritten hatten, aber schon zu berauscht gewesen waren, um mit ihren Fäusten etwas anderes als die Luft zu treffen, und ein adliges Kind, das sich verirrt hatte ... nichts, was das Eingreifen der Wachen zwangsläufig notwendig gemacht hatte, um großes Übel abzuwenden.
Shanae sah einen ruhigen Tag vor sich, als sie schließlich mit Lawrenc und Leonardo in die ihnen zugeteilte Gasse schritt.
"Nach der Arbeit klingt gut.", der Rialan-Cel sah sich ruhig um, musterte einige der Leute, die seinen Blick gar zu frech erwiderten. "Wie oft kommt es vor, dass man durchschnittlich im Monat eingreifen muss?"
"Das kommt ganz auf den Monat an", antwortete Shanae schulterzuckend.
"Aber ich zähle nicht mit.
Zu viel Aufwand."
"Ich freue mich auf ein kühles Bier nach getaner Arbeit." Leonardo lächelte frech. "Und wenn bei der Arbeit ein paar Raufbolde eine gebrochene Nase vom 'hinfallen' haben, schmeckt das Bier nur umso besser.“
"Das stimmt."
Shanae grinste zurück.
"Es gibt wenig, was einen Abend mehr versüßt ... außer vielleicht, einen Vampir zu stellen.
Und wann tut man das schon?"
"Zu selten möchte ich meinen", erwiderte Leonardo nur halb im Scherz. "Vermutlich gibt es zu viele dieser Kreaturen."
"Richtig.
Aber wenigstens einer Jagd in dieser Stadt habe ich schon erfolgreich beigewohnt."
Shanae warf im Vorrübergehen prüfende Blicke in die schattigen Seitengassen. Sie erwartete nicht, bei helllichtem Tage einem Blutsauger zu begegnen, rief der Gedanke daran ihr ins Bewusstsein, wie wichtig doch Aufmerksamkeit bei der Arbeit war.
Gähnend ließ Leonardo seine Fingerknöchel knacken, streckte seine Flügel zu vollem Spann aus und schüttelte sie aus. Die Hitze schläferte in Kombination mit stetiger Bewegung mehr ein, als er zu geben wollte.
Shanae wollte gerade noch etwas hinzufügen, als Lawrence abrupt stehen blieb und sie am Arm griff.
Sie stellte keine Fragen, denn ihr wurde gleich bewusst, worauf er hinauswollte.
"Dein Bier wird dir sicher schmecken", raunte sie Leonardo zu und bewegte sich dann, die Axt in beiden Händen und zum Ausholen bereit, in die Gasse, aus der die verdächtigen Geräusche kamen. Dumpfe Klänge, als würde etwas auf den Boden oder gegen eine Wand prallen, dazu laute, aufgebrachte Rufe. Wenige Schritte weiter, bei einem Blick um die nächstgelegene Ecke wurde auch schon eindeutig, was sich dort, jenseits der Hauptstraße abspielte.
Sie waren sechs. Sechs Kerle, zwei von ihnen groß und kräftig, die restlichen von gewöhnlicher Statur, die zum Teil eine am Boden liegende Gestalt mit Tritten bearbeiteten, während zwei von ihnen einen zartgebauten Jungen, der sich stark wehrte, gegen eine Wand drückten und offenbar versuchten, niederzuringen.
"Oh... Freude", flüsterte Leonardo, ehe er einen Stein vom Boden klaubte, ausholte und das Geschoss einem der Schläger an den Hinterkopf schmetterte. Noch während der Schläger vor torkelt, setzte der Rialan-Cel nach, den bulligen Mann mit dem Knauf seiner Axt im Nacken unschädlich machte.
Sobald der Stein aus der Hand des jungen Mannes flog, schoss Shanae auch schon vorwärts und ließ einen der Männer mit gezieltem Tritt in die Kniekehle zu Boden gehen. Mittlerweile waren auch die anderen Prügler auf sie aufmerksam geworden, standen ihr mit drohenden Fäusten und gezückten Dolchen gegenüber, bereit zum Gegenangriff.
Doch wenigstens hatten sie von ihren Opfern abgelassen.
Blut und kontrollierter Zorn, Kampflust rauschten gleichermaßen heiß durch ihre Adern, als sie höhnisch rief:
"Wer von euch Bastarden hat genug Mut sich mit einer Frau anzulegen?"
Das einzige, was von Leonardo deutlich sichtbar war, waren die Schemen seiner schwarzen Haare und weißen schwingen, hier und da unterbrochen von einem grellen aufblitzen von Silber.
Der Rialan-Cel huschte von einem Gegner zum anderen, verteilte ebenso Schläge wie Tritte. Manchmal hörte man auch das befriedigende Knacken einer gebrochenen Nase.
Lawrence hatte die erste Gelegenheit genutzt, die sich ihm geboten hatte, um die Schläger beiseite zu stoßen und den am Boden liegenden Mann - der offenbar bereits das Bewusstsein verloren hatte - davor zu retten, zertrampelt zu werden. Er beeilte sich, ihn zur nächsten, freiliegenden Wand zu schaffen und ihn daran anzulehnen, nickte dem anderen Jungen, der nun herbeieilte knapp zu und lief dann zurück, um Shanae und Leonardo zu helfen ... obwohl sie sich auch zu zweit sehr gut hielten.
Ein letztes Mal schmetterte Leonardo seinen Ellenbogen in das hässliche Gesicht des letzten, noch stehenden Schlägers. Er konnte ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken, als der Mann neben Blut auch die vorderen Schneidezähne ausspuckt, dann jedoch zu Boden ging.
Shanae verschränkte zufrieden die Arme.
"Ich hoffe, du kannst gute Knoten machen."
Sie zog die dünnen Stricke aus ihrem kleinen Hüftbeutel hervor und begann, dem nächstgelegenen Mann die Hände zu fesseln. Lawrence tat es ihr nach einem Moment nach, mit einer Effizienz und Geschwindigkeit, die Jahre der Übung verrieten.
Dann eilte er erneut zu den beiden Verletzten, beides junge und zartgebaute Männer, einer blond, einer dunkelhaarig. Letzterer kam anscheinend gerade erst wieder zu Bewusstsein.
"Wir brauchen einen Heiler."
"Bastarde", spuckte Leonardo den Schlägern vor die Füße, während er dessen Arme auf den Rücken drehte, mit den dünnen Seilen verknotete.
Während Shanae davon eilte, um ärztliche Hilfe zu ersuchen, kniete sich Lawrence vor dem Verwundeten hin und hielt ihm einen Wasserschlauch an die Lippen, konnte an der Bewegung des Adamsapfels sehen, dass er trank. Sein Gesicht war rot und geschwollen, er blutete aus mehreren Platzwunden und sein Hemd war zerrissen. Nach dem, was schon geschehen war, wollte Lawrence sich kaum vorstellen, was passiert wäre, wenn sie später gekommen wären.
Er hatte viel Leid und Elend in seinem Leben gesehen, doch so oft ihn die Gräuel des Krieges auch in seinen Träumen und auch im Wachen heimsuchten, sie waren anders, unpersönlicher, nicht von diesem Hass, dieser Niedertracht getrieben, mit der junge Männer in dieser Stadt überfallen oder exekutiert worden waren.
"D-danke."
Lawrence blickte auf und schaute den blonden Jungen an, der keine äußerlichen Verletzungen zeigte.
Auffälliger war da diese hohe Stimme.
"Wenn Ihr nicht gewesen wäret ... ich wüsste nicht ...
"Es war unsere Pflicht", unterbrach Lawrence sanft. "Dafür haben wir keinen Dank verdient ... Mylady."
Das Mädchen - mit kurzgeschorenen Haaren und weiter Kleidung über dem knabenhaften Leib - errötete unter diesen Worten. Ihre Stimme klang bemüht tiefer, als sie so schnell antwortete, dass ihre Worte sich fast überschlugen:
"I-ich hatte Angst, als Frau auf die Straße z-zu gehen. D-deshalb ..."
Der Wachmann schüttelte langsam den Kopf.
"Ich habe es nur festgestellt. Entschuldigt, wenn ich Euch zu nahe getreten bin."
Er erhob sich, als Shanae mit einer fremden Frau, vermutlich der Heilerin, und zwei anderen Wachleuten zurückkehrte.
Leonardo stand daneben, brodelnden Zorn im Bauch und die Hand noch an der blutigen Axt. Seine Schwingen und sein Schweif zuckten, während er neben dem Jungen in die Hocke ging, sacht dessen Gesicht mit seinem Tuch von Blut befreite.
"Es ist unnötig grausam.“
"Das ist es."
Shanae legte eine Hand an Leonardos Arm.
Obwohl sie selbst so wütend war, dass sie am liebsten jedem einzelnen der Missetäter ihre Axt ins Gesicht - oder besser: in die Weichteile - gerammt hätte, klang sie sehr gefasst, gelassen.
"Unsere Arbeit ist getan.
Lass die Frau ihre tun."
Stumm nickte Leonardo ehe er sich in einer fließenden Bewegung erhob und umwandte. Langsam atmete er durch. Tief und langsam. Kühlte den Zorn mit warmer Sommerluft und dem Geschmack der Stadt.
Mittlerweile waren auch alle Schläger wieder bei Bewusstsein und auch wenn es wenig gegen den bitteren Beigeschmack half, so verschaffte es Shanae doch mehr als nur ein wenig Genugtuung, sie vor sich her in Richtung der Kaserne zu treiben, ihnen Tritte zu verpassen, wenn sie zu langsam gingen.
Ein Bier nach der Arbeit klang wirklich nicht verkehrt ...
"Ich freue mich auf das Bier", flüsterte Leonardo leise und strich sich über die Arme.
Shanae nickte ihm zu.
"Du hast es dir verdient."
Ausnahmsweise lag nicht der übliche, verspielte Spott in ihrer Stimme.
Leonardo schenkte Shanae und Lawrence ein halbes Lächeln.
"Kommt ihr denn mit?“
"Natürlich.
Oder findest du etwa, dass wir es uns nicht verdient haben?"
Shanae schenkte ihm ein kleines Grinsen und hieb dem Gefangenen vor sich in die Seite.
"Aber erst bringen wir die hier ins Zuchthaus."
"Mit dem größten Vergnügen", Leonardo grinste breit. Stieß einen der trödelnden Gefangenen voran.
"Dann ist es beschlossene Sache."
Nach und nach schafften sie die Schläger ins Gefängnis.
Auch eine Berichterstattung wurde gefordert, die Shanae so knapp wie möglich darlegte, dabei wie üblich auf die Beschreibung der Methoden verzichtete. Hören wollte diese ohnehin niemand.
Als endlich alles erledigt war, neigte sich der Nachmittag bereits seinem Ende zu.
"Ich hätte nie gedacht so sehr nach einem Bier zu lechzen", murrte Leonardo leise, während er sich streckte und ächzte.
"Dann sollten wir wahrscheinlich jetzt schon zum Gasthaus gehen."
Shanae nahm sich die Freiheit, sich bei Leonardo einzuhaken.
Aber sie winkte auch Lawrence zu, der jedoch den Kopf schüttelte.
"Ich habe etwas anderes vor", sagte er knapp und verschwand dann.
Die ehemalige Söldnerin zuckte mit den Schultern und grinste dann ihren anderen Kameraden an.
"Dann müssen wir uns eben zu zweit vergnügen."
"Oh, gerade zu zwei kann man sich wunderbar Vergnügen", Leonardo träufelte gerade genug Humor in seine Stimme hinein, um nicht als sexistisch zu gelten, doch zu wenig als dass man es vollkommen als Scherz abtun könnte.
Stattdessen ließ er sich von Shanae durch die flirrenden, sommerheißen Straßen führen. Seine Zunge klebte inzwischen fast an seinem Gaumen und auch unter der leichten Rüstung wurde es schlüpfrig, klebrig vor Schweiß. Ja. Ein kühles Bier im Schatten war genau das was er brauchte.
"Das ist richtig.
Oft genug sogar besser, als mit mehreren."
Leise lachte Shanae und führte den Mann durch möglichst dunkle schattige Gassen zurück zum Hafenviertel.
Als sie das Gasthaus "Zur Wasserschlange" betraten, war der Schankraum noch nicht besonders gut gefüllt. Überraschend war das nicht, denn schließlich war der Abend gerade erst im Begriff, zu beginnen. Und außerdem waren die letzten Monate ohnehin von Entbehrung geprägt gewesen, viele Menschen hatten Heim und Arbeit und somit auch Existenzgrundlage verloren, konnten es sich nicht länger leisten, am Tagesende im Gasthaus zu speisen oder zu trinken.
Trotzdem brodelte über dem Feuer bereits der Eintopf, der den Gästen später serviert werden würde, und verströmte einen angenehmen Duft, die Schankmaid eilte geschäftig von Tisch zu Tisch und der Wirt putzte mit stoischer Miene Becher und Gläser. Wie eh und je sah es hier im Inneren aus. Shanae war überzeugt, dass die Stadt und die ganze Welt untergehen konnte, aber dieses Gasthaus weiter bestehen würde. Mit den selben Tischen, dem selben Wirt und dem selben Eintopf.
Leonardo ächzte erleichtert und streckte seinen Rücken durch, froh nun doch aus der Sommersonne zu sein. Im schankraum war es... Angenehm. Trotz des brodelnden Eintopfs über dem Feuer.
"Hier verändert sich auch nichts... "
"Oh ja."
Schmunzelnd hob Shanae die Schultern.
"Irgendetwas Beständiges muss es ja geben."
Mit diesen Worten suchte sie sich einen Platz, schleifte Leonardo hinter sich her und rief der Schankmaid noch ehe sie sich gesetzt hatten, eine Bestellung von zwei Humpen Bier zu.
Leonardo ließ sich mit schleifen, drehte seinen Stuhl dann jedoch so herum, dass er das kinn auf die Lehne stützen konnte und seine schwingen nicht behindert wurden.
"Also, Shanae. ", begann er mit fröhlichem Tonfall. "Was hat dich denn in dieses Tollhaus von Stadt gebracht?"
"Tollhaus, hm?"
Mit amüsiertem Blick lehnte Shanae sich zurück, schlug die Beine lässig übereinander.
"Ich war Söldnerin, als ich zum ersten Mal herkam.
Habe eine Handelskarawane herbegleitet."
Sie lächelte bei der Erinnerung daran versonnen.
"Nun, und dann bin ich in eine Vampirjagd geraten."
"Oh, das klang schon aufregend als Ihr es das erste Mal erwähnt habt." Der Rialan-Cel nahm einen großen Schluck aus seinem Humpen. Eine Wohltat die kühle Flüssigkeit die Kehle hinab rinnen zu spüren. "So aufregende Geschichten habe ich leider nicht zu bieten."
Shanae zuckte mit den Schultern.
"Es war ein äußerst zurückgebliebenes Exemplar.
Vielleicht war er mal zu lange in der Sonne und hat sich den Kopf verbrannt."
Die ehemalige Söldnerin beugte sich vor und stützte sich mit den Ellbogen auf der Tischplatte ab, nahm den ersten Schluck kühler, herber Frische zu sich.
"Aber erzähl mir ruhig, was du an Geschichten hast.
Ob sie aufregend sind, kann ich dann selbst beurteilen."
"Ha, ich wurde einmal fast auf den Scheiterhaufen geworfen weil man mich für einen echten Engel hielt." Leonardo kicherte und schüttelte den Kopf. "Diese fanatischen Spinner lebten vollkommen abgeschirmt in einem Tal. "
"Wo war das?", fragte Shanae. "Klingt, als sollte man diese Gegend meiden."
Sie grinste.
"Und vor allem: Was hast du getan, um es zu verhindern?"
"Nun... Die Tochter des Anführers fand mich exotisch genug um sich zu mir in die Kerker zu schleichen", der Rialan-Cel teilte ein träges Lächeln mit Shanae. "Ich nutzte ihre Unerfahrenheit aus und schlich mich von dannen, sobald sie ermattet eingeschlafen war."
"So, so, ein Mann der Frauen bist du also auch noch."
Shanae lachte unbeschwert.
"Ich hoffe, dass das arme Mädchen wenigstens Spaß hatte.
Es klingt nicht so, als wäre das in ihrem Dorf üblich gewesen."
"Ich...so meinte ich das nicht!", lachend zog der Rialan-Cel seinen Humpen heran und schüttelte den Kopf, dass sein langer Zopf flog. "Ich mag die starken Frauen, auch wenn sie mich vermutlich zerbrechen könnten. Aber ich habe auch kein Problem damit alleine zu schlafen."
"Oh?", fragte Shanae mit erhobener Braue und grinste nur noch breiter. "Ist das so?"
Sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrem eigenen Krug.
Ihre hellen Augen glitzerten amüsiert.
Leonardo lächelte verlegen und versteckte die Röte auf den Wangen hinter seinem Bier.
"Natürlich! Meinesgleichen haben hohle Knochen."
Shanae lachte leise, doch auch wohlwollend.
Der rosige Schimmer auf der gebräunten Haut gaben ihrem Kameraden etwas unheimlich Niedliches.
"Starke Frauen wissen, wie sie damit umzugehen haben."
"Ja...", Leonardo schluckte sein Bier und schüttelte den Kopf. Er grinste. "Auch wenn ich manchmal blaue Flecken und Prellungen hatte."
"Das muss man eben in Kauf nehmen."
Shanae lehnte sich entspannt zurück.
"Von der Arbeit kennt man schlimmeres mit mehr Narben als Folge."
"Ha, das stimmt." Leonardo grinste und stellte seinen leeren Humpen ab. Er kicherte und schüttelte den Kopf, er kannte wirklich unangenehmeres. Und hatte schon die ein oder andere Narbe von dem ein oder anderen Kampf.
Für einige Momente herrschte angenehmes Schweigen, nur von den noch leisen Hintergrundgeräuschen der Taverne untermalt.
Dann fragte Shanae:
"Und?
Bereust du deine Berufswahl schon?"
"Nein. Warum sollte ich ", erwiderte der Rialan-Cel mit breitem Grinsen. "Ich kann ganz legal Leuten dafür wehtun, dass sie anderen wehtun. "
Langsam jedoch, wie Tau auf einer Blüte, perlte sein breites Grinsen ab, ließ Leonardo nachdenklich wirken.
"Wobei mich das Ausmaß der Wankelmütigkeit schon überrascht hat. "
"Mich nicht."
Shanaes Gesicht nahm einen bitteren Zug an.
"Menschen hatten immer schon eine Vorliebe dafür, Schwächere zu verletzen, umso mehr, wenn sie sich für moralisch überlegen halten."
"Aber dafür sind wir da. Um sie daran erinnern, dass sie nicht im recht sind", erwiderte Leonardo fest und nickte entschlossen. "Nur weil sie mehr sind, dürfen sie trotzdem nicht tun was ihnen beliebt."
"Das hast du schön gesagt", stimmte Shanae zu.
"Und dafür bezahlt zu werden, macht es etwas leichter."
Sie hob ihren Krug an, lächelte.
"Darauf sollten wir anstoßen."
"Darauf stoße wir an", lachte der Rialan-Cel und hob seinen Humpen, stieß ihn leicht gegen Shanaes. Er lachte und trank den letzten Schluck mit eine gierigen Zug aus.
Kaum dass sie ihren Krug geleert hatte, bestellte Shanae eine weitere Runde.
"Nun, dann werde ich dich wohl noch länger Kamerad nennen können."
"Sofern nicht irgendjemand mit ein Messer zwischen die Rippen rammt", stimmte der Rialan-Cel munter zu, nahm freudig den neuen, vollen Humpen entgegen. Leonardo seufzte wohlig von dem Geschmack kühlen Bieres auf der Zunge. Ein wahrer Segen, machte ihm die Hitze zwar nichts aus, aber angenehm war es trotz allem nicht.
"Das lässt sich ja vermeiden."
Shanae lachte auf, als sie sich an etwas erinnerte.
"Zumindest, wenn du keine Dummheiten anstellst."
Sie beugte sich vor und senkte die Stimme ein wenig.
"Es gab da mal einen Wachmann, der eine Straßenhure dabei erwischt hat, Gramesschlächter zu verkaufen.
Hat ihr angeboten, sie davonkommen zu lassen, wenn sie ihm eine Gefälligkeit tut."
Ihre Lippen kräuselten sich in einem schadenfrohen Grinsen.
"Es war vermutlich die letzte Gefälligkeit, die er erlebt hat.
Die Kleine hat ihm sein bestes Stück fast abgebissen und ihm dann tatsächlich ein Messer zwischen die Rippen gestoßen.
Er hat es überlebt, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er besonders glücklich darüber war."
Leonardo brach in schallendes Gelächter aus, fiel beinahe von seinem Stuhl.
"So ein Narr!", der Rialan-Cel wischte sich die Lachtränen von den Wangen und schüttelte den Kopf. "Das erinnert mich daran, wie ich eine Zeitlang mit einer Söldnertruppe gereist bin."
Shanae stimmte in das Lachen ein.
"Erzähl!
Ich höre immer gerne Geschichten über die wundersamen Dummheiten gewisser Menschen."
"In der Truppe gab es eine Frau, die konnte famos mit ihrem Bogen umgehen", begann Leonardo, lächelte matt. "Eines Tages kam neben mir noch ein weiterer Neuzugang dazu, ebenfalls ein Bogenschütze aus der herzoglichen Armee. Er spottete über den zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftigen Bogen der Frau. Sein Spott endete, als er von jenem Keiler aufgespießt wurde, den er hatte erlegen wollen. Nur hatte sein Pfeil nicht die nötige Durchschlagskraft gehabt. "
Hämisch grinste Shanae.
"Ja, das sind die besten Männer.
Deren Worte größer sind als ihre Taten und das, was sie mit diesen auszugleichen versuchen."
Genüsslich nahm sie einen weiteren Schluck aus ihrem Krug, schaute dann kurz nachdenklich an die Decke.
"Ich kannte mal jemanden", fuhr sie dann fort und ihre blauen Augen blitzten, als sie Leonardo wieder anschaute, "der glaubte, dass furchteinflößendes Aussehen die wichtigste Eigenschaft eines Schwertes sei. Hat sich von irgendeinem Schmied eins andrehen lassen, das Zacken wie eine Säge hatte. Ich kann mir vorstellen, dass er wenig begeistert davon war, wie schnell die abgebrochen sind und wie viel Aufwand es kostete, sie scharf zu halten.
Aber, so wie diese Art männlichen Stolzes nun einmal funktioniert", sie musste sich Mühe geben, um nicht laut zu lachen, "hat er sich an dem Ding festgeklammert. Es hat irgendwann darin geendet, dass er es einem Banditen in die Seite gerammt und nicht mehr losbekommen hat. Der hat ihm den Arm derart zugerichtet, dass er nie wieder ein Schwert tragen wird - ob mit Zacken oder ohne."
"Oh weh", Leonardo seufzte schwer und lachte dann auf. "Wenigstens hat der Kerl sich nicht selbst das Gesicht zerschnitten."
Der Rialan-Cel schauderte.
"Das war wirklich gruselig. Einmal wurde meine Truppe als Leibwächter für irgendein armes Würstchen angeheuert, dass die Unterwelt verärgert hat. Der Typ hatte eine scheiß Angst. Und, ohne Witz, am Ende des Abends hatte ich es auch. Der Attentäter war ein Elf, aber so wild und stark wie ein Bär. Der ist mit seiner Sense, dann mit den bloßen Händen auf uns losgegangen und hat drei von uns einfach getötet..."
"Oh."
Shanaes Blick wurde aufmerksamer.
"Ist er euch entkommen?"
"Keine Ahnung, ich bin ohnmächtig geworden, weil er mich gegen eine Wand geschmettert hat", gestand Leonardo, kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
"Huh."
Shanae leerte ihren Krug.
"Na, dann scheinst du aber Glück im Unglück gehabt zu haben.
Ist das schon lange her?"
"Vier Jahre", Leonardo trank von seinem Humpen und runzelte die Stirn." Ich habe nicht nachgeforscht. Dieser Kerl war mehr Bestie als Mann und ich wollte das Schicksal nicht noch einmal herausfordern, doch wenn ich ihm wieder gegenüberstehe, werde ich nicht zögern ihm auch noch sein gesundes Auge auszureißen."
"Verständlich."
Shanae lächelte.
"Ich bin einfach neugierig.
Die meisten anderen Wächter haben die Stadt kaum in ihrem Leben verlassen."
"Ja, die meisten haben ihr Glück hier in der Stadt und die wenigsten verspüren die Lust zu reisen", Leonardo sah zu den Fenstern, hinter dem angelaufenen Glas schimmerte das grelle Sommerlicht, golden und fahl, wie ein Versprechen.
"Und du?", fragte Shanae und strich mit den Fingerkuppen über die Tischplatte, ertastete kleine Buchstaben, die wohl frühere Gäste eingeritzt hatten.
"Was führt dich dazu, in dieser Stadt sesshaft zu werden?"
"Ich wollte wissen wie es ist, in einer Stadt wie dieser sesshaft zu werden." Leonardo sah von dem Fenster zurück zu Shanae, lächelte. "Es ist die Neugierde auf etwas Neues. Ich wollte ein Leben, wie es die meisten haben. Denn das ist für mich nicht alltäglich."
"Interessanter Grund."
Shanae ließ den Blick durch die Taverne gleiten, schätzte träge ab, wer unter den Gästen wohl ein Reisender, wer ansässig war. Nach mehr als zwei Jahren in Brightgale fiel ihr das erstaunlich leicht.
"Die meisten werden aus Notwendigkeit sesshaft.
Oder weil sie merken, dass all das Geld, das einem das Söldnerleben bescheren kann, nicht aufwiegt, dass man selten ein richtiges Bett und eine warme Mahlzeit hat, dafür aber ständig das eigene Leben aufs Spiel setzt."
Sie zuckte mit den Schultern und grinste.
"Ich glaube, mit dem Alter werden wir alle zu Feiglingen."
"Weißt du wie mein Leben ausgesehen hätte, wenn ich geblieben wäre?" Leonardo lächelte und nippte an seinem Bier, neigte den Kopf. "Man hätte mich - sobald ich reif genug gewesen wäre - in eine Gruppe von mehreren Frauen gegeben. Die hätte mich dann als Zuchtmaschine benutzt."
Shanae schnaubte leise.
"Sicher der Traum so manchen Mannes."
Ein ungewöhnlich harter Zug trat in ihre Mundwinkel, die blauen Augen kühlten deutlich ab.
"Aber in meinen Ohren klingt es auch nicht besser, als irgendein junges Mädchen gefügig zu machen und an Männer zu verkaufen.
Ich kann verstehen, dass du lieber gegangen bist."
"Mein Volk ist zu wenig. Es gibt zu wenige Männer, deswegen werden... Würde das Problem wohl so gelöst." Leonardo schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. "Ich verteidige das nicht. Es ist widerlich. Und wären meine Geschwister nicht gewesen, dann wäre mir das Geschehen. "
"Deine Geschwister müssen dich sehr mögen.
Ich kann es auch niemandem verübeln, lieber einen Söldner als einen Zuchthengst zum Bruder zu haben."
Shanaes Gesicht wurde wieder etwas sanfter, unbesorgter. Langsam merkte sie, wie die Wirkung des Alkohols einsetzte, sie von Innen angenehm wärmte, neugieriger und gesprächiger machte.
Und ihr Lächeln war auch ein wenig herausfordernd, als sie sich vorbeugte und fragte:
"Aber wie sieht es eigentlich jetzt aus?
Gibt es für dich eine Frau in dieser Stadt?"
"Nein, bisher noch nicht." Leonardo lächelte und leerte nun auch den zweiten Krug mit Bier. "Noch nicht."
"So, so.
Noch nicht."
Shanae winkte die Schankmaid heran und bestellte eine dritte Runde.
"Ich bin sicher, dass du schnell eine finden wirst."
"Ach wirklich?" Leonardo kicherte leise auf und rümpfte leicht die Nase, seine Federn zuckten. "Die wenigsten Frauen mögen Federn."
Shanae hob die Schultern.
"Das kann ich schlecht beurteilen", erwiderte sie schmunzelnd.
"Mit Federn habe ich wenig Erfahrung.
Stören sie bei irgendetwas?"
Mit neugierigen Augen begutachtete sie die Federn, deren Muster an irgendeinen Raubvogel erinnerte, fragte sich, ob sie sich weich und biegsam oder glatt und starr anfühlen würden. Spielte mit dem Gedanken, die Finger auszustrecken und sich zu vergewissern.
"Nicht das ich wüsste." Leonardo zuckte erneut mit den Schultern und hob ratlos die Hände.
Shanae grinste.
"Dann weiß ich nicht, was das Problem dieser Frauen ist."
"Das Unbekannte schreckt sie ab." Leonardo lachte. Er streckte seine kleinen Flügel und grinste Shanae neckend an. "Und bei dir?"
Shanae lachte ebenfalls heiser.
"Ob es mich abschreckt?"
Sie drehte kurz den Kopf, als die Bedienung mit den nächsten zwei Bierkrügen auf ihren Tisch zuhielt.
Sobald sie den Henkel jedoch in der Hand hielt und kurz an der herben Flüssigkeit genippt hatte, blickte sie wieder verschmitzt in Leonardos graue Augen.
"Ich bin keine furchtsame Frau.
Und bei all dem, was ich schon kenne, kann mich das Unbekannte nicht mehr abschrecken."
Sie beugte sich etwas weiter vor, näher an ihr Gegenüber heran.
"Und das sollte es auch nicht, oder?"
"Ich hätte dich auch nicht für eine furchtsame Frau gehalten", erwiderte Leonardo leise, rau, leicht verspielt. Er lächelte und neigte sich ebenfalls leicht vor, die Hände um seinen Krug gelegt. "Es ist schade wenn andere sich zu leicht verschrecken lassen."
"Das ist es.
Ohne Neugierde verpasst man so vieles."
Lächelnd streckte Shanae die Hand nun wirklich aus und berührte sacht eine der Federn, die hinter Leonardos Ohr hervorsprossen. Weich war sie, würde auf bloßer Haut sicher sehr kitzeln. Doch es blieb ein sehr angenehmes Gefühl unter ihren Fingerkuppen zurück, als die Wachfrau den Arm wieder zurückzog.
"Bist du ein neugieriger Mann?", fragte sie leise und warf ihrem Kameraden aus halbgeschlossenen Augen einen spielerischen Blick zu.
Das Lächeln des Rialan-Cel wurde zu einem breiten Grinsen. Seine grauen Augen - schon leicht glasig glänzend von dem Alkohol - glitzerten ein wenig.
"Natürlich bin ich neugierig. Das Leben ist zu schade um blind hindurch zu rennen."
"Ganz meine Meinung.
Wenn wir schon alle einmal sterben, dann stellen besser sicher, vorher gelebt zu haben."
Shanae leerte ihren Humpen und erhob sich halb.
"Findest du den Weg nach oben?"
"Och, irgendwie werde ich da hoch getorkelt kommen", antwortete der Rialan-Cel fröhlich und erhob sich ebenfalls, seine Schwingen zuckten leicht um sein Gleichgewicht auszubalancieren. Er torkelte ein wenig, sein Schweif pendelte ebenfalls leicht, dennoch stand er aufrecht. "Siehst du?"
"Das ist gut."
Shanaes Haltung war wesentlich aufrechter, als sie lächelnd auf die Theke zuhielt.
"Ich möchte dich nicht unbedingt tragen."
Sie bezahlte für die Getränke und bestellte ein Zimmer für die Nacht.
Und trotz allem bot sie Leonardo den Arm, als sie ihn dorthin führte, ins erste Obergeschoss, zur zweiten Tür auf der rechten Seite.
"Ach. Du würdest mich tragen?", neckend lehnte der junge Mann sich an Shanae und lachte, ehe er sacht die Treppe hinauf ging, langsam aber dennoch sicher.
"Nur, wenn ich glauben würde, dass es sich lohnt", erwiderte Shanae nicht minder neckend und ließ kurz eine seiner dunklen Locken durch ihre Finger gleiten. Weich, wie seine Federn. Hoffentlich würde nicht alles an ihm weich sein. "Aber das werde ich ja gleich sehen."
Sie erreichten das Mietzimmer, Shanae drehte öffnete die Türe und trat dann etwas zurück, ließ Leonardo den Vortritt.
"Oh, bin ich jetzt die Lady und du der Gentleman?" Leonardo verneigte sich spielerisch und schritt durch die offene Tür, in das Zimmer hinein. Dort drinnen war nicht sonderlich viel, außer einem Bett un dem notwendigsten an Möbeln.
"Mit den hübschen Haaren?", spöttelte Shanae und fuhr sich durch ihre eigene schulterlange Mähne, während auch sie das Zimmer betrat. "Eindeutig, mein Lieber. Zieh ein Kleid an und lass alle Ladys der Stadt vor Neid erblassen."
Sie schloss die Türe hinter sich, legte ihre Sachen beiläufig in eine Ecke und hielt dann zielstrebig auf Leonardo zu, zog sein Gesicht zu sich herunter und schenkte ihm einen kurzen, aber durchaus feurigen Kuss.
"Oder", raunte sie, "du ziehst einfach gar nichts an, bleibst hier und findest heraus, was passiert."
"Das gefällt mir." Leonardo grinste breit, legte die Hände auf Shanaes Hüfte, wirbelte sie herum, schnell und mit dem Geschick eines erfahrenen Kriegers. Breit lächelnd stützte er seine Hände links und rechts von Shanae auf dem Bett auf, sah auf sie hinab. "Das gefällt mir so gut, dass ich sogar drüber nachdenke."
"Du denkst nur darüber nach?"
Shanae streckte die Hand aus und strich mit dem Zeigefinger neckend über Leonardos Kinn.
"Wie langweilig."
"Ja, vielleicht mehr Anreiz?", der Rialan-Cel lachte und wackelte mit den Augenbrauen, streckte das Kinn vor und grinste. So gefiel es ihm, eine starke Frau gebändigt und beinahe brav, wäre nicht das dumpfe Brodeln purer Kraft unter sich.
"Anreize, hm?"
Shanae stimmte in das Lachen ein.
"Das sollte möglich sein."
Sie schlang die Arme um Leonardos Schultern und küsste ihn erneut. Diesmal war es sein Hals, den sie mit den Lippen streifte, ehe sie zart hineinbiss. Leicht zog sie den Kopf zurück, schaute für einen langen Moment einfach in die silbernen Augen des Mannes. Und dann, mit einer plötzlichen, schnellen Bewegung, hatte Shanae ihm die Beine weggezogen und ihn mit der Kraft einer langjährigen Kriegerin herumgedreht und aufs Bett gewirbelt.
Nun war sie es, die sich über ihn beugte, die Hände zu beiden Seiten in die Matratze gestemmt.
"Genug Anreiz?", fragte sie schmunzelnd und fuhr mit der Hand seitlich zu der obersten Masche der Schnürung, welche ihre Lederrüstung zusammenhielt.
Leise ächzte Leonardo auf, seine Schwingen zuckten und zappelten, ehe er sie endlich befreit hatte. Dann erst grinste er zu ihr auf.
"Hmmm, vielleicht~"
Shanae hob eine Braue.
"Vielleicht?"
Mit geschickten Fingern begann sie, ihre Rüstung aufzuschnüren, hielt dann aber plötzlich inne, als wäre ihr etwas eingefallen.
"Wie wäre es", bemerkte sie, das Grinsen breit erwidernd, "wenn du mir auch ein paar Anreize schaffst?"
"Anreize will die gnädige Dame? ", Leonardos Mundwinkel zuckten, ein Zeichen dass er eindeutig amüsiert war. Dann jedoch begann er mit geschickten Fingern über ihre Rüstung zu streichen, verharrte nur kurz an den Verschlüssen. Gerade lange genug um sie zu öffnen, ehe seine Finger weiter huschten.
"Wollen wir das nicht alle?"
Shanae ließ ihren Lederpanzer achtlos neben dem Bett zu Boden gleiten und begann damit, ihr Hemd zu öffnen, unter dem schon das helle Tuch hervorblitzte, mit dem sie sich die Brüste zurückband.
"Und ich bin sicher, dass das hier dir Anreiz genug sein sollte."
Ihr Hemd gesellte sich zu der Rüstung, ließ viel von der braunen Haut entblößt zurück. Den schlanken Hals, die kräftigen Schultern, den strammen Bauch ...
Es reizte den Rialan-cel, er griff in ihren Nacken, zog sie runter. Sein Kuss war weder neckend noch nett noch verspielt. Er war hart und kantig, rau und gierig nach viel mehr.
Leonardo knurrte und kurz darauf fiel seine Rüstung klappernd auf den Boden.
Die dunkelhaarige Frau stieß ein heiseres Lachen aus.
Es gefiel ihr.
Immer schon hatte Shanae es rau bevorzugt, es gehasst, mit Samthandschuhen angefasst zu werden oder ihr Gegenüber mit solchen behandeln zu müssen. Sie war eben keine Lady, keine zarte und weiche Prinzessin, war es niemals gewesen und würde es nie sein. Weder im Bett, noch auf der Straße.
Beinahe schon grob presste sie ihre Lippen gegen Leonardos, nahm seinen Geschmack gierig in sich auf, drückte den Mann tiefer in die Laken und hielt nur kurz inne, um ungeduldig den verbleibenden Stoff von seinem Oberkörper zu reißen.
Wieder knurrte Leonardo dunkel, bohrte seine Finger beinahe in ihr Fleisch, ehe er zärtlicher die feste Rundung ihrer Brüste liebkoste.
Rasch hob Shanae die Hände und löste die Binden, sodass ihr Oberkörper völlig frei wurde. Mit einem wohligen Grollen schmiegte sie ihre nackte Brust in Leonardos Hände, forderte mehr von seinen seltsam sanften Streicheleinheiten ein. Gleichzeitig fasste sie in seinen Nacken, zog an den weichen, schwarzen Locken, löste den Zopf, sodass das Haar ungehindert um seinen Kopf fließen konnte.
Leonardo lächelte und drehte sie beide abrupt um, dass er nun auf ihr lag, die Schwingen weit ausgebreitet. Kurz wackelte er mit den Augenbrauen und küsste sie dann wieder, seine Bewegungen waren zielstrebige.
Shanae bewunderte einen Moment lang, wie das lange Haar auf seine bloße Brust fiel, erschauerte leicht, als es ihre eigene Haut streifte. Sie erwiderte Leonardos Kuss mit Verlangen, biss am Ende kurz in seine Lippe.
"Kannst du mich unten halten?", fragte sie, verbarg die Belustigung in ihrer Stimme nicht.
Trotzdem wanderten ihre Hände zielstrebig zu seinem Hosenbund.
"Willst du die harte Wahrheit oder süße Lügen?", erwiderte der Rialan-cel kichernd, wischte ihre Hände zur Seite und öffnete ihren Hosenbund mit kurzen, ruckartigen Fingerbewegungen.
Leise lachte Shanae.
"Antworte, was immer du willst.
Ich kenne die Antwort schon."
Sie befreite sich behände von ihrer Hose und ihren Stiefeln, lag nun völlig nackt da.
"Wobei", fügte sie grinsend hinzu, "ich Härte und Wahrheit immer bevorzugt habe."
Leonardo leckte sich die Lippen und musterte die Frau gierig, hungrig. Seine Hose wurde schon bedenklich eng, sein Körper vibrierte förmlich, dennoch reizte ihn der Gedanke, diese schöne, starke Fremde zum jauchzen und schluchzen vor Wonne zu bringen.
"Was du nicht sagst... ", hauchte der Rialan-cel leise, ehe er seine Hände auf ihre Knie legte, mit rauen Fingern und abgestumpften Krallen ihre dunkle Haut fühlte.
Anstatt zu antworten lächelte Shanae nur breiter.
Doch sie konnte weder verhindern, noch verbergen, dass sich eine Gänsehaut auf ihren Armen bildete, als Leonardo über ihr Bein strich, noch wollte sie eines von beiden.
Sie sah Begehren in seinen silbrigen Augen, Verlangen, tief und stark. Er hatte schöne Augen, Augen, in denen Shanae hätte versinken können, hätte sie es zugelassen. Aber sie war nun einmal keine Frau, die sich in schönen Augen verlieren würde.
Stattdessen streckte sie die Hände aus und fuhr langsam über seinen Oberkörper, seinen Rücken, fühlte weiche Federn gleichermaßen wie sehnige Muskeln und raue Narben.
Leonardo zog ein letztes Mal an ihrer Kleidung, bis er sicher war, dass sie völlig blank auf den Laken lag, dann erst spreizte er ihre Beine, fuhr über die feste Rundungen ihres Hinterns und grinste ein letztes Mal.
Oh, diesen Spaß würde er genießen. Und seine Hoffnung, dass sie genauso scharf schmecken wie riechen würde, erfüllte sich, als der Rialan-cel mit seinem Mund, seinen Lippen, seiner Zunge und Zähnen ihre Weiblichkeit erkundet.
Scharf sog Shanae den Atem ein, als sie sah, wie Leonardo den Kopf zwischen ihre Beine sinken ließ, spürte, wie er ihre intimsten Stellen mit den Lippen bedeckte, mit der Zunge befeuchtete und den Zähnen reizte.
Beinahe unwillkürlich zuckten ihre Hände und fassten an seinen Kopf, griffen in die schwarzen, weichen Locken. Diese ließ sie sich durch die Finger gleiten, während sie mit gespaltenen Lippen und unruhigem Atem in den Laken ruhte, den fiebrigen Blick auf keine bestimmte Stelle fokussiert.
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RE: 02: Ein gefiederter Neuling
in Sommer 516 20.04.2015 17:55von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
Leonardo hatte selten so ein Vergnügen verspürt. Und nicht mal die blauen Flecken, Kratzer und einige fehlende Federn am nächsten Morgen konnten ihn umstimmen, eher ein leichtes Grinsen auf seine Lippen zaubern.
Über Nacht mussten Wolken den Himmel verhangen haben, denn das Licht, welches am Morgen durch die Spalten der zugezogenen Vorhänge fiel, war matt und trübe, anders als es sich für einen Sommermorgen gehörte.
Es erinnerte Shanae daran, dass sie ihre Mutter seit einer ganzen Weile nicht mehr besucht hatte. Die alternde Frau pflegte seit jeher, sich zu beklagen, wenn die Sommertage sich nicht wie solche anfühlten, und mit den Jahren hatte dieses Verhalten nur zugenommen. Vielleicht bereute sie, ihrer Heimat für immer den Rücken gekehrt zu haben. Vielleicht vermisste sie die Gesellschaft anderer Wüstenwanderer.
Shanaes Glieder schmerzten ein wenig, als sie sich behutsam von dem anscheinend noch schlafenden Leonardo löste. Er hatte keine falschen Versprechen geliefert, so viel stand fest. Doch obwohl es sie lockte, weiter neben ihm zu liegen, seine Wärme zu genießen, den Anblick des sehnigen Körpers, das Gefühl weicher Federn unter ihren Fingerkuppen, drängte es sie gleichermaßen, sich wieder zu bekleiden.
Sie hatte sich nie geschämt für irgendetwas, was sie jemals im Bett getan hatte und auch nicht für ihren Körper, für die alten Narben aus zahlreichen Kämpfen. Sie gehörten zu ihr, zu ihrer Geschichte, zeichneten sie als die Frau und Kriegerin aus, die sie war.
Aber dann waren da die anderen Narben, die auf ihrem Rücken. Gleichmäßiger, älter, lange helle Striehmen auf ihrer braunen Haut. Sie waren nicht schöner oder hässlicher als all die anderen, doch ihre Bedeutung war es, die Erinnerung, welche Shanae verachtete, welche sie verbannen und niemals teilen wollte.
Und so war das erste ihrer verstreuten Kleidungsstücke, nach welchem sie griff, nicht etwa ihre Hose, sondern das helle Tuch, welches sie tagsüber stets um ihren Oberkörper schlang.
Grummelnd rollte der Rialan-Cel sich zusammen, streckte seine Schwingen unter der Decke, bis seine Schultern leicht knackten. Leonardo gähnte und streckte sich, träge schlug sein Schweif hin und her.
"Morgen", grummelte er, griff noch auf dem Bauch liegend nach seiner Hose.
"Guten Morgen", erwiderte Shanae grinsend und hatte mit wenigen geschickten Bewegungen das Tuch um ihre Brust festgezogen. Dann machte sie sich auf die Suche nach ihrer Hose, fand sie halb unter dem Bett liegend.
"Du bist kein Frühaufsteher, was?"
"Nein", murmelte Leonardo verschlafen und quälte sich langsam hoch, zog seine Hose so langsam an, das man denken könnte er wäre ein zerbrechlicher alter Greis mit arthotischen Gelenken. Nachlässig schnürte der Rialan-cel sein Wams vorne zu, schnallte seine Armstulpen jedoch wesentlich ordentlicher zu. "Der morgen ist dafür gemacht sich noch in den Resten des Traums zu wälzen und das Leben zu genießen."
"Zu schade, dass die Obrigkeiten anderer Meinung sind."
Rasch schlüpfte Shanae in ihre Hose, streifte dann ihr Hemd über.
Es hatte ihr nie Schwierigkeiten bereitet, früh aufzustehen.
Sie genoss es, zu wissen, dass der ganze Tag noch vor ihr lag.
"Vielleicht solltest du dich um die Stellung als Hauptmann bemühen. Dann könntest du bis in den Nachmittag schlafen, ohne dass jemand sich bei dir beklagen könnte."
"Ha, dafür muss ich mich mit anderem herum schlagen, dass mir wesentlich mehr Kopfzerbrechen bereitet." Der Rialan-Cel schüttelte nur den Kopf, kämmte sich mit den Fingern behelfsmäßig durch die üppige Mähne. "So weit kommt’s noch. Selbst der höhere Lohn wäre mir DIESE Kopfschmerzen nicht wert."
"Nun, du hättest viel Papierkram zu erledigen und müsstest dem Herzog regelmäßig in den Hintern kriechen", erwiderte Shanae schulterzuckend. "Wahrscheinlich würdest du die meiste Zeit des Tages herumsitzen, fett werden und irgendwann auf unheldenhafte Weise den Löffel abgeben."
Sie grinste, während sie sorgsam ihre leichten Rüstungsteile anlegte.
"Und das wollen wir doch nicht."
"Widerlich", mit gerümpfter Nase straffte Leonardo die Riemen seiner Rüstung, bis sie eng und richtig an seinem Körper lag. Sein Schweif schlug leicht.
"In der Tat.
Das sind Eigenschaften, mit denen ich dich auch nach fünf Fässern Bier nicht in mein Zimmer eingeladen hätte."
Shanae zupfte ein letztes Mal an ihrer Kleidung, sodass sie richtig saß, kämmte sich mit den Fingern kurz durch das dunkle, schulterlange Haar und zwinkerte Leonardo dann zu.
"Sorg also besser dafür, dass du dein Training nicht vernachlässigst."
Sie gürtete ihr Schwert und griff nach ihrer Axt, wandte sich dann der Tür zu.
"Frühstück?"
"Essen klingt gut." Leonardo seufzte und streckte sich wieder, ehe er seine verstreuten Waffen sorgsam in den Schlaufen an seinem Gürtel verstaute. Er fasste sich die Haare zu seinem obligatorischen Zopf zusammen, schlenderte langsam die Treppe hinab.
"Du siehst aus, als könntest du Tee gebrauchen", bemerkte Shanae, während sie ihm munter folgte. "Oder Kaffee, aber ich bezweifle, dass du etwas so Teures hier finden wirst."
Im Schankraum angekommen, gab sie den Schlüssel ab und bestellte sogleich ein Frühstück.
"Tee. Und Frühstück", grollte der Rialan-cel leise, bestellte sein Frühstück und nippte an seinem Tee. Leonardo nahm die Platte mit seinem Frühstück an, ließ sich an einem Tisch nahe dem Fenster nieder.
Shanae ließ sich dem geflügelten Mann gegenüber nieder.
Nach dem gestrigen Abend bevorzugte sie ein Glas kühlen, reinen Wassers dem üblichen verdünnten Bier.
"Wie gut kennst du die Stadt eigentlich schon?", fragte sie neugierig und biss in einen Kanten Brot.
"Flüchtig nur", Leonardo kaute auf seinem Käse, zerpflückte ein Stück Brot. "Ich war nie länger als eine Woche hier, ehe es weiter ging."
"Dann sollten wir später einen kleinen Ausflug machen."
Vorsichtig verteilte Shanae etwas Butter auf dem frischgebackenen Teig.
"Heute müssen wir nur zu den Übungskämpfen erscheinen und können danach tun, was wir wollen.
Und ein guter Wachmann sollte die Stadt kennen, auf die er aufpassen soll, nicht wahr?"
"Guter Plan." Zufrieden nickte Leonardo , ehe er rasch seine Mahlzeit beendete, sich dann im Stuhl zurück lehnte, mit seiner Tasse Tee wartete, bis Shanae fertig war.
Zufrieden seufzte Shanae, als sie ihren Teller geleert hatte und nur noch vor ihrem Becher Wasser saß.
"Was möchtest du denn zuerst sehen?
Bewunderst du gerne Baukunst?
Magst du die Natur?
Zieht es dich in die Vergnügungsviertel?"
"Überall wo viel leben herrscht, dort bin ich gerne", Leonardo schwenkte den letzten Schluck Tee in seinem Becher. "Doch genauso mag ich Natur und Ruhe."
"Im Hafenviertel ist immer etwas los", erwiderte Shanae. "Auf dem Marktplatz auch."
Sie trank ihr Wasser und winkte die Schankmaid heran, um zu bezahlen.
"Und draußen gibt es den Wald und die Ruinen ... und den Tempel, aber der ist sicher uninteressant für dich."
"Welche Orte sollte ich um meiner Federn willen meiden? Natürlich den Tempel", scherzte Leonardo spöttisch und grinste schief. "Früher, beim ersten Aufeinandertreffen unserer Völker, hat man mein Volk oft als überdimensionales Brathuhn benutzt."
Shanae lachte herzhaft.
"Ich kenne wenige Leute, die so fröhlich von Völkermorden an ihrer eigenen Art erzählen", gab sie zurück. "Kann es sein, dass du die Gefahr liebst?"
"Natürlich, ich glaube das hatten wir schon am Anfang geklärt." Leonardo stellte die leere Tasse ab. Zwinkerte neckend.
"Stimmt, das hatten wir."
Shanae gab dem Mädchen ein kleines Trinkgeld und erhob sich dann.
"Entscheide dich einfach bis wir mit dem Drill fertig sind.
Mir ist es gleich, wohin wir danach gehen."
Sie warf einen kurzen Blick aus dem Fenster in den bewölkten Himmel.
"Vorausgesetzt, das Wetter wird nicht noch schlechter."
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