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08: Ein Gehilfe für den Schneider

in Sommer 516 11.05.2015 12:08
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Als Centis das Haus vor sich sah, den Zaun aus dünnen, elegant gebogenen Eisenstäben, den gepflegten Vorgarten, die Wände aus strahlend weißem Stein und die Fenster aus Buntglas, zog er in Erwägung, wieder zu gehen.
Nicht nur war es unwahrscheinlich, dass man ihm hier Arbeit geben würde, nein, der Anblick dieses offen zur Schau getragenen Reichtums ließ ihn außerdem noch misstrauisch werden, sich fragen, was wohl unter der glänzenden Fassade liegen mochte. Rüttelte Erinnerungen wach, die er lieber hätte ruhen lassen.
Stunden, die er für den Schneider hatte stehen und Messungen über sich hatte ergehen müssen, nur um später feine Gewandung tragen zu können, Klavierunterricht, der selbst mit größter Mühe kaum Früchte trug, das gezwungene, gespielte Lächeln seiner Schwester, zu verbergen suchend, was ein offenes Geheimnis war ... und das Feuer, das Feuer, in dem er alles verloren hatte, was ihm geblieben war, und aus dem er als neuer Mensch hervorgegangen war.
Vielleicht wäre es besser, umzukehren, einen anderen Weg einzuschlagen, der nicht so unkomfortabel nah an jenem lag, den er vor nunmehr beinahe fünf Jahren verlassen hatte.
Doch welcher andere Weg blieb ihm denn?
Jeden Handwerker der Stadt hatte er gefragt, hatte nicht einmal um Geld als Lohn für seine Arbeit gebeten, nur um Essen und einen Schlafplatz, doch niemand hatte offenbar nach einem Gesellen oder Lehrling gesucht. Im Hafen konnte man Kisten schleppen, doch es war anstrengend, nicht besonders ertragreich und mit seiner schmalen Statur erachtete niemand Centis als besser geeignet denn die großen, kräftigen Männern mit knüppeldicken Armen und Kreuzen so breit wie die von Bären.
Nein, in diesen Berufen würde er sein Geld nicht verdienen können.
Stattdessen also musste er darauf hoffen, von diesem Schneider, der wohl ebenfalls aus einfachen Verhältnissen kam und weder lesen, noch schreiben konnte, als Buchhalter eingestellt zu werden.
Und dazu musste Centis dieses Haus betreten.
Tief atmete er durch und strich sich durch das kurze, rotbraune Haar, welches wie immer in alle Richtungen abstand, und schritt durch das eiserne Tor hindurch.
Er war kein Feigling mehr. Kein Mädchen, egal, was die anderen von ihm glaubten.
Die Erinnerungen konnten ihm nichts anhaben und sollte es schlimm werden, könnte er gehen.
Er war auch kein Kind mehr.
Entschlossen betätigte er den schweren Türklopfer.

Garalends Katzenohren zuckten, er ließ das Maßband fallen und sprang auf. Das dunkle Rumpeln an der Tür verhieß hoffentlich, dass der Schreiber da war. Noch während der Hausherr sich von dem kleinen Podest herunter sprang, war der Fil-Shatah bereits an der Tür und riss sie auf.
Lian hatte dem jungen Schneider erlaubt, sein Handwerk in dem Erdgeschoss seines Hauses fortzuführen, solange weder Niamh noch deren Vater davon gestört wurden. Und dann waren die Unmengen an Briefen, Bestellungen eingetroffen. Sehr viele, unter anderem auch einige Adelige waren anscheinend sehr erfreut, das Garalend noch am Leben war, beorderten Kleider und andere Stücke.
Da Garalend nicht lesen konnte, nahm das überhand, Lian versuchte natürlich zu helfen, doch auf Dauer würde er das nicht machen. Und da war nun der Schreiber ins Spiel gekommen, jemand, der die Buchhaltung übernehmen würde.
Ein solcher wurde momentan gesucht.
"Oh~", Garalend hatte die Tür geöffnet und sah auf, lächelte freundlich, die Ohren zuckend. "Hallo."

Als Centis den jungen Mann vor sich betrachtete - einer dieser Katzenjungen, weißgraues Haar, gelbe Augen, fellbesetzte Ohren, Schweif, deutlich kleiner als er selbst - wurde ihm bewusst, dass er sich kaum Gedanken darum gemacht hatte, was er eigentlich sagen sollte.
"Ich suche Arbeit", platzte er nach einer etwas unangenehmen Pause hervor. "Ich habe gehört, dass hier ein Buchhalter gesucht wird.
Ich kann lesen, schreiben und rechnen, habe früher meinem Meister dabei geholfen und bin genügsam."

Noch ehe Garalend einen Ton herausbringen konnte, war Lian hinter dem Fil-Shatah aufgetaucht, musterte den jungen Mann vor der Tür aus dunkelblauen Augen. Narben, struppige rote Haare und große, beinahe ängstliche braune Augen dominierten das Gesicht des Fremden.
"Ja. Stimmt", der Kristallelf legte eine Hand auf Garalends zarte Schulter und trat zur Seite. "Aber so etwas bespricht man nicht auf der Straße."

Centis nickte hastig.
"Natürlich, Mylord."
Langsam trat er ein, schaute sich aufmerksam nach allen Seiten um.
Viel Zeit war vergangen, seit er ein solch prächtiges Haus betreten hatte.
Mit all dem hellen Marmor und den bunten Gläsern, durch die helles Licht in die weite Eingangshalle fiel, war dieses sogar noch edler als das, in dem er die letzten Jahre seiner Kindheit verbracht hatte ...

Garalend und der Kristallelf unterhielten sich kurz, leise und hastig. Es schien als wäre etwas abgesprochen worden und dann lächelte der Fil-Shatah. Der junge Mann wirkte so eingeschüchtert, es entlockte Lian ein kurzes Lächeln. Dann jedoch nickte er und wandte sich ab.
"Ich überlasse dich den fähigen Händen von Garalend." Der Kristallelf schmunzelte matt. Dann schritt er an dem jungen Mann vorbei, die Treppe hoch.

"Wie heißt du?", Garalend lächelte und wippte leicht auf den blanken Füßen vor und zurück. Lächelte und summte fröhlich. "Ich bin Garalend, der Schneider."

"Centis", erwiderte Centis und schaute dem Herrn nach, der gerade ins Obergeschoss verschwand. "Centis Vasara."
Er richtete die dunklen Augen wieder auf den Katzenjungen, der sich gerade als Garalend vorgestellt hatte.
Und als der Schneider, unter dessen Aufsicht er hoffentlich arbeiten würde.
"Ich bin eigentlich ein Bognerlehrling, aber mein Meister ist gegen Ende des Winters an Fieber gestorben."

"Nun...Bögen fallen nicht unter meine Arbeit." Verlegen kratzte Garalend sich am Hinterkopf, seine Ohren zuckten leicht. Hoffentlich wurde das jetzt nicht unangenehm. "Kannst du lesen und schreiben?"

Centis nickte.
"Wie gesagt ... ich habe meinem Meister früher auch bei den Büchern geholfen.
Ich kann beides und auch rechnen."
Und wie er das konnte. Er hatte sein ganzes Leben lang nichts als strenge Lehrer gekannt. Der Hauslehrer, den der Lord damals eingestellt hatte, war ungeduldig und strickt gewesen, hatte auf jeden Fehler mit Strafsätzen und kleinen Schlägen auf die Hand reagiert.
Sein Meister hatte lieber den Stock genommen.

"Das ist gut." Garalend lächelte und zog leicht am Ärmel des anderen. "Hast du ein eigenen Schlafplatz?"
Der Fil-Shatah zupfte wieder an dem Ärmel des anderen und wirkte vergnügt und fröhlich.
"Das Rechnen ist kein Problem, das kann ich auch, aber ich bekomme sehr viel Briefe und so."

"Sagt mir was ich zu tun habe und ich werde es für Euch erledigen", erwiderte Centis. Langsam entspannte er sich ein wenig. Dieser Schneider schien kein unangenehmer Zeitgenosse zu sein und vor Allem keiner, der ihm gefährlich werden konnte. Dafür wirkte er zu gutmütig, zu naiv.
"Einen festen Schlafplatz habe ich im Augenblick allerdings nicht."
In den letzten Wochen hatte er geschlafen, wo es eben möglich gewesen war - in leerstehenden Hütten im Armenviertel, unter Brücken, in Hauseingängen, die wenigen Male, da er Geld besessen hatte, in billigen Gasthäusern. Wenigstens war in den vergangenen Tagen letzteres der Fall gewesen, sodass er nicht schmutzig, riechend und unausgeschlafen hatte herkommen müssen ...

"Hm. Komm!" Garalend war aufgeregt, er hüpfte beinahe, sprang voran und winkte den anderen hinter sich her, in ein Zimmer voller Stoffe und mit der Puppe, dem Podest und alles was er zum Schneiden brauchte. "Setz dich!"
Der Fil-Shatah drückte Centis leicht auf einen Stuhl hinter einem wackeligen Schreibtisch. Dann legte er einen Stapel Briefe vor ihm ab.
"Gut. Das sind die Briefe. Kannst du sie lesen und sortieren? Die wo etwas beordern links, rechts alles andere... Hast du Hunger oder Durst? "

Centis folgte dem seltsam erregten Jungen und tat wie ihm geheißen, ließ sich auf dem Stuhl nieder und nahm den ersten Brief zur Hand.
Tatsächlich verspürte er etwas Hunger, wollte aber nicht gleich zu viel fordern. Ein paar Stunden ohne eine Mahlzeit würden ihn nicht umbringen.
"Über etwas Wasser würde ich mich freuen", sagte er also bescheiden und fügte - wie man es ihm immer begebracht hatte - hinzu: "Wenn es keine Umstände macht."

"Ist gut~", der Fil-Shatah zwitscherte fröhlich und huschte dann davon. Er huschte in die Küche, sammelte Brot, Käse, einige Früchte und Wasser in einer Karaffe ein und wirbelte dann wieder in das Zimmer. "Bitte sehr, bedien dich beim Essen, wenn du willst."
Dann hob der Junge den fallen gelassenen Mantel auf, legte ihn auf die Puppe und griff nach dem Nähzeug.

Als Garalend zurückkehrte, hatte Centis bereits eine ganze Reihe an Briefen sortiert.
Beim Anblick des Essens lief ihm das Wasser im Munde zusammen und sein Magen knurrte leise, doch er wollte nicht gierig erscheinen und goss sich somit erst einmal etwas Wasser ein, während er an den Schneider gerichtet fragte:
"Soll ich den Inhalt sagen, wenn ich sie fertig sortiert habe?"

"Wie viele Aufträge sind es?", erkundigte der Schneider sich fröhlich, griff nach dem Essen und riss sich ein Stück Brot ab. Neugierig lehnte Garalend sich an den Schreibtisch und wedelte fröhlich mit dem Schweif.

"Vier bisher", antwortete Centis und nippte kurz an seinem Glas.
Stellte es dann ab, öffnete den nächsten Brief, überflog den Inhalt und korrigierte sich:
"Fünf.
Noch ein Brautkleid."

"Oh weh...Brautkleider sind schwer", murmelte Garalend leise und schluckte den Rest seines Bissens runter. Klopfte seine Hände sauber und begann dann leise seufzend Stoffproben auszusortieren.

"Die Frau möchte, dass es aus hellgrüner Seide gemacht wird", erklärte Centis, während er die Worte noch einmal genau las. "Und am Ausschnitt mit Perlen versehen."
Er war wirklich bei einem Luxusschneider gelandet.
Dieses Kleid würde wahrscheinlich mehr kosten als er jemals in einem Jahr verdient hatte.

"Uh...auch das noch ..." Garalend verzog das Gesicht. Er arbeitete nicht gerne mit Edelsteinen, verzierte die Kleider am liebsten mit Stickereien. Dennoch seufzte der Fil-Shatah. "Stehen die Maße der Dame da? Wenn nicht, kannst du einen Brief aufsetzen, in dem ich sie bitte hier her zu kommen, damit ich Maße nehmen kann?"

"Natürlich", erwiderte Centis schnell und nahm ein frisches Blatt Papier zur Hand. "Sie stehen nicht darin."
Er tauchte die Feder ins Tintenglas und schrieb eine Anrede, stockte aber und drehte den Kopf fragend Garalend zu.
"Soll ich ihr einen bestimmten Termin nennen?"

"Sie soll morgen kommen." Garalend legte schon einmal sämtliche Rollen von grüner Seide parat, ebenso ein Kästchen mit verschiedenen Perlen. "Je schneller sie da ist, desto schneller kann ich nähen."
Der Fil-Shatah stockte und sah Centis an, lächelte breit.
"Willst du einen Satz neuer Kleidung?"

"Ähm ..."
Centis beugte sich über das Papier und schrieb weiter.
Er trug seit Monaten die gleichen, wenigen Stücke. Seine besten Hemden hatte er verkaufen müssen und neue waren nicht hinzugekommen. Wahrscheinlich hatte er neue Kleidung nie besser gebrauchen können als nun.
"Die Sache ist die - ich weiß nicht, ob ich ihn bezahlen könnte."

"Ich habe noch jede Menge an Stoffresten, die zu schade wären um sie wegzuwerfen. Ich selbst habe schon genug Kleidung und den Herrschaften darf ich das nicht anbieten", erklärte Garalend fröhlich und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme aufgeregt klang.

"Wenn das so ist ..."
Verlegen schaute Centis zu seinem Arbeitgeber auf.
"Gegen ein neues Hemd oder eine Hose hätte ich wirklich nichts.
Wenn es Euch nichts ausmacht."

"Sag Du zu mir", sagte der Fil-Shatah hastig und winkte ab, dann kramte er eine Weile und fand schwarzen, widerstandfähigen Stoff. "Meinst du, eine Hose daraus sagt dir zu?"

Centis streckte vorsichtig die Hand aus und strich über den Stoff, nickte dann.
"Das wäre perfekt."
Schwarz, eine Farbe, die sich mit allem kombinieren ließ, die immer vorteilhaft aussah, nicht an den falschen Stellen auftrug. Und dazu noch aus robustem Stoff - er würde lange seine Freude daran haben.

"Dann stell dich auf das Podest damit ich Maße nehmen kann." Garalend zupfte leicht an dem Ärmel des anderen, dachte gerade noch an den halb fertigen Brief. "Oh, schreib erst schnell zu ende."

Centis erstarrte, spürte, wie ihm das Blut aus dem braunen Gesicht wich.
"Die ... die Maße?"
Er beugte sich tiefer über das Papier, während er hastig weiterschrieb und gleichzeitig in Gedanken fieberhaft nach einem Ausweg suchte.
Er wollte es nicht.
Eine Hose, die wollte er, doch er wollte nicht, dass sich jemand so dicht neben ihn stellte, ihn berührte, das Maßband eng um seinen Leib legte.
"Reichen die ungefähren nicht?"

"Aber dann passt sie doch nicht richtig ..."
Garalend legte verwirrt den Kopf schief und sah aus großen, gelben Augen zu dem anderen, seine Stimme klang schwach und eindeutig verwirrt, er verstand den plötzlichen Wandel nicht. Es sollte ja ein Geschenk sein, kostenlos.

"Ich ..."
Centis seufzte und drehte sich zu Garalend um.
Er hasste Situationen wie diese, wollte am liebsten flüchten.
Aber er konnte nicht vor allem weglaufen und schließlich wusste er schon gut genug, was er sagen musste ...
"Kann ich dir etwas anvertrauen?"

Überrumpelt blinzelte Garalend an, doch dann nickte er, immer noch völlig verwirrt. Was wollte Centis ihm denn anvertrauen?
"Natürlich?"

"Naja, ich ..."
Centis kratzte sich mit eindeutiger Verlegenheit am Kopf.
"Ich hatte vor ein paar Jahren einen Unfall und davon sind Narben geblieben.
Nichts gefährliches, aber ich bin da empfindlich und es schmerzt, wenn Andere mich dort berühren."

Garalend blickte im ersten Moment etwas verständnislos und blinzelte, ehe sich langsam verstehen ausbreitete. Er nickte dumpf.
"Ich...glaube ich verstehe", sagte er leise, mit sanfter Stimme. "Ich...äh..."

"Danke."
In Centis’ dunklen Augen stand neben ehrlicher Dankbarkeit auch etwas Entschuldigendes.
Es tat ihm ehrlich leid, dass er Garalend nicht einfach die ganze Wahrheit sagen konnte, dass er sich in diese Ausrede flüchten musste.
Aber so war es nun einmal, so funktionierte die Welt eben und so hatte er sie weder erschaffen, noch erträumt.
"Kann ich vielleicht selbst Maß nehmen?"

"...Ja, natürlich!" Garalend reichte hastig sein Maßband über den Tisch, zusammen mit einem kleinen Zettel.

Centis erhob sich und wandte sich von Garalend ab.
Vorsichtig lockerte er seine Kleidung ein wenig und schob das Band darunter. Etwas umständlich war es, so Hüfte, Beinlänge und Umfang auszumessen, aber er wollte dem Schneider den Anblick ersparen, der sich unter dem Stoff bot. Und sich selbst die Nervosität, den Stress, welcher damit einhergehen würde.
Schließlich reichte er Garalend wortlos das Maßband sowie den Zettel, auf dem er die Zahlen notiert hatte.

"Oh, du bist aber sehr schmal...", Garalend sah auf die Zahlen und lächelte dann fröhlich. "Mein Herr wird bestimmt erlauben, dass du hier wohnst. Und dann kannst du auch richtig essen."
Mit einer fröhlichen Melodie auf den Lippen - zugegeben, etwas schief - wandte der Fil-Shatah sich ab, begann aufgeregt wie ein Singvogel sein Werk.

"Ich habe noch nie leicht Fett angesetzt", antwortete Centis mit einem schmalen Lächeln.
"Aber ich danke dir für dieses Angebot.
Es ist sehr gütig."
Er entspannte sich wieder etwas und schrieb den Brief an die junge Braut zu Ende, steckte ihn in einen Umschlag und versiegelte diesen, legte ihn dann auf einen dritten Stapel. Danach griff er nach der nächsten Botschaft, überflog sie, sortierte.

"Oh glaub mir, hier wirst du es." Garalend nickte so heftig, dass sein helles Haar flog, ehe er den Stoff mit einer großen schere und mehreren Nadeln bearbeitete. "Der Herr lässt mir freie Wahl mit dem kochen."

Hoffentlich nicht ...
Centis steckte das Blatt zurück in den Umschlag und legte diesen auf den Stapel, der für Nichtgeschäftliches reserviert war. Als nächstes hielt er einen Dankesbrief für einen Satz Kleidung, offenbar von einer jungen Mutter, die ihn für ihr neugeborenes Kind erworben hatte.
"Kochst du gerne?"

"Mäßig", nuschelte der Fil-Shatah leise, die Stecknadeln zwischen die Zähne geklemmt. "Lieber schneidere ich. "

"Das glaube ich", antwortete Centis schmunzelnd.
Wenn er dem Jungen zuschaute, fühlte er sich an sich selbst erinnert.
An seine eigene Leidenschaft, wenn er sich seinen Holzarbeiten widmete ... etwas, was er schon zu lange nicht mehr getan hatte.
Seufzend öffnete er den letzten Brief.
Er hoffte darauf, endlich wieder einen Abend damit verbringen zu können, in Ruhe an einer kleinen Figur zu schnitzen.

"Und was machst du gerne?", Garalend sah auf, kurz nur, ehe er sich wieder der Hose zu wandte und den ersten Saum nähte.

"Ich?"
Centis saß einen Moment lang einfach nur ruhig da und überflog die verbleibenden Worte, ehe er den Brief auf den Auftragsstapel legte. Dann drehte er sich zu Garalend um.
"Ich mache ab und zu Spaziergänge durch den Wald.
Und ich schnitze manchmal ein bisschen."

Garalend legte den Kopf schief, seine Ohren zuckten leicht.
"Du schnitzt? Was denn?"

Centis zuckte mit den Schultern.
"Alles Mögliche.
Kleine Holzfiguren.
Löffel, Gabeln, Becher.
Hab auch schonmal Spielzeug gemacht."

Garalend wirkte plötzlich bedrückt, er nestelte am fertigen Saum herum, während er Worte unterdrückte die aus seiner Kehle dringen wollten.
"K...kannst du mir eine Figur schnitzen? Natürlich nur wenn es dir keine Umstände macht... "

Überrascht schaute Centis den Jungen an.
"Natürlich."
Er fügte nach einem Moment des Schweigens schnell hinzu:
"Natürlich macht es mir keine Umstände.
Was für eine Figur möchtest du denn haben?"

"Ein... einen kleinen Engel... Mit weißen Flügeln", flüsterte Garalend leise, griff sich unbewusst ans Herz. Er vermisste Ereinion mit jedem Atemzug, schalte sich einen Narren und konnte dennoch nur weiter missen.

Langsam nickte Centis.
"Das könnte ich tun.
Ich müsste nur Farbe für die Flügel besorgen."

"Oh vielen Dank", die Traurigkeit fiel abrupt von Garalend ab, weißes Haar wirbelte, wischte durch die Luft, als er scheinbar überquellend vor Freude Centis um den Hals fiel.

Centis’ Augen weiteten sich vor Überraschung, wusste er doch gar nicht, wie ihm geschah - geschweige denn, wie er reagieren sollte. Im ersten Augenblick zog er sogar in Erwägung, den Schneider wegzustoßen.
Doch er kam rechtzeitig wieder zur Besinnung und legte ungeschickt die Arme um Garalend, drückte ihn kurz, klopfte flüchtig auf seine Schultern, unbehaglich darauf bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen und löste sich dann wieder.
"Du bist ein religiöser Mensch?", fragte Centis nach einem Augenblick unangenehmen Schweigens.

"Nein." Garalend trat zurück, das glitzern der Freude wich langsam aus seinen Augen, erneut. Dennoch lächelte er tapfer. "Aber das ist letztendlich auch nicht wichtig."

Centis fragte nicht weiter nach.
Es konnte ihm eigentlich auch egal sein, warum dem jungen Schneider dieser Engel so wichtig war.
Also griff er nach dem Stapel mit den Aufträgen und fragte:
"Soll ich sie dir vorlesen?"

"Ja bitte" Der Fil-shatah fand plötzlich großen Gefallen an den Briefen. Sein Nacken war leicht gerötet und auch seine Wangen schimmerten leicht.

Und so ging Centis’ erster Arbeitstag langsam zu Ende.
Und er war angenehmer, als er es erwartet hatte.






zuletzt bearbeitet 04.06.2015 13:48 | nach oben springen
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