07: Zwei nächtliche Jäger
07: Zwei nächtliche Jäger
in Sommer 516 11.05.2015 12:20von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
Der Abend hatte so vielversprechend begonnen.
Ja, Sommernächte mochten kürzer sein, doch zugleich war es auch so viel einfacher, ein Opfer zu finden.
Und so hatte Alistair sich unter die Gäste eines Maskenballs gemischt und in der Tat sehr schnell eine junge Dame gefunden, die ihm zusagte. Ein süßes, unschuldiges Ding unter dessen Maske er eine Schönheit vermutete, deren Reize nicht in hohen Wangenknochen oder vollen Lippen, sondern einfach in der frische von Unschuld und Jugend bestand.
Daher war es auch ein weitaus interessanteres Spiel gewesen, sie vorsichtig anzulocken, zu einem Spaziergang im Garten zu überreden und schließlich dazu zu verführen, ihm ihr Zimmer zu zeigen, als es mit den läufigen Huren der Fall war, an denen er sich sonst so oft labte.
Und ja, er hatte sich an diesem Mädchen und ihrem hübschen, jungen Körper geweidet ... leider ein bisschen zu sehr, wie es schien, denn sie war ihm leider verblutet. Das war sehr lästig gewesen, denn junge Frauen neigten nicht dazu, von einem Moment auf den anderen zu verbluten und er wollte mit ihrem Tod weder die dummen, ahnungslosen Menschen auf die Existenz von Vampiren aufmerksam machen, noch Lady Selenes Zorn auf sich ziehen. Die lokale Vampirfürstin hatte Augen und Ohren in der ganzen Stadt und sie schätzte es überhaupt nicht, wenn jemand ihre Regeln brach.
Also hatte er die Mühe auf sich genommen, die bedauerlichen sterblichen Überreste des Mädchens von Blutspritzern zu reinigen und in ein Kleid zu zwängen. Dann hatte er einen Strick gedreht und sie daran aufgehängt.
Sollten die Leute denken, dass sie sich umgebracht hatte, sollten sie glauben, dass es ihr maskierter Geliebter gewesen war - Alistair war das gleich, solange kein übernatürliches Wesen dahinter vermutet wurde.
Allerdings hatte diese Angelegenheit und der unnötig lange Aufenthalt in einem fremden Zimmer, kombiniert mit seiner Tätigkeit dort, ihn wohl unruhig gemacht, denn auf dem Heimweg beschlich ihn das Gefühl, dass jemand ihn verfolgte.
Die vielen Menschen, Elfen auf dem Fest waren ohrenbetäubend laut gewesen, seine Ohren, seine Sinne, so viel feiner als die der anderen Völker, waren ein zweischneidiges Schwert gewesen. Der kleine Fil-Shatah war durch die Schatten gehuscht, bis er das Mädchen entdeckt hatte, nur um sie wieder zu verlieren. Zähne knirschend war er über das Anwesen geirrt.
Theif war zu spät gekommen, konnte nur noch neben der Balkontür kauern und durch das Fenster beobachten, wie der Mann sich aufrichtete, die schlaffe, bleiche Frau erst liegen ließ, dann sich anscheinend eines besseren Besann und sie säuberte. Wenig sanft in ihr Kleid zurück stopfte, wie ein Kind mit einer ungeliebten Puppe umging. Soweit nichts ungewöhnliches, was Theif jedoch kurzzeitig verwirrte, war das Seil, welches er um ihren Hals schlang, sie aufknüpfte.
Der Fil-Shatah huschte in das Zimmer, sobald er sicher war, der Mann würde nicht mehr innerhalb dieser vier Wände sein. Er legte zwei Finger an das Handgelenk der jungen Frau, fühlte nur verblassende Wärme und roch neben stark parfümierter Seife einen Hauch von Blut.
Die Erkenntnis kam schnell, Theif huschte aus dem Raum, sprang aus einem Fenster im ersten Stock - anders würde sich eine Entdeckung nicht vermeiden lassen - und kletterte von dem Baum, der seinen Sprung abgefedert hatte, zurück auf den Boden. Gerade noch rechtzeitig um das Flatternde bisschen von flüchtendem Mantel um die Ecke huschen zu sehen. Lautlos jagte der kleine Schatten dem größeren hinterher, folgte ihm durch die Straßen und Gassen, immer im Windschatten.
In einer Stadt konnte man nie sicher sein.
Schattenhafte Bewegungen in den Augenwinkeln, Gerüche der Lebenden aus allen Richtungen, jedwede Art von Geräuschen waren hier allgegenwärtig und die feinen Sinne eines Vampirs halfen Alistair in keiner Weise dabei, etwas Genaues auszumachen. Es wäre einfach gewesen, diesen unbestimmten Eindruck, dass jemand seiner Spur folgte, als Illusion abzutun, aber er war nun einmal ein misstrauischer Mann. Was gut so war, denn vorsichtige, paranoide Vampire waren diejenigen, die am längsten lebten.
Also entschied Alistair sich dazu, einen Umweg einzuschlagen und durch den Teil des Hafenviertels zu laufen, in dem nichts als alte, verlassene, oft verfallene Lagerhallen standen.
Ein Ort, den nur wenige freiwillig aufsuchten.
Die Umgebung wurde älter, verfallener, der Mann führte Theif in die bloß liegenden Eingeweide der Stadt, in das Hafenviertel, dem stinkenden Morast an Verfall, Sünde und Gleichgültigkeit. Der Fil-Shatah zuckte leicht mit seinen Ohren, neigte den Kopf und sog dann zischend den Atem ein, wusste plötzlich warum diese Umgebung. Er war aufgefallen. Oder?
Mit einem Mal hielt Alistair inne. Er stand auf einer breiten, aber unbelebten Straße, gesäumt von halbverfallenen Gebäuden. Laternen waren hier nicht entzündet, Mondlicht war die einzige Quelle, welche die Straße mit all ihren Rissen und Schlaglöchern erhellte.
Alistair bückte sich und schnürte seinen Stiefel neu, seine Aufmerksamkeit lag jedoch nicht etwa auf seinem Schuhwerk sondern voll und ganz auf der Präsenz des Sterblichen, welche er in einiger Entfernung spürte. Es musste jemand sein, der einiges an Übung hatte, denn wäre der Vampir selbst nicht derart geschult in solchen Dingen, hätte er ihn sicher nicht bemerkt. Hier, in dieser abgelegenen Gegend jedoch war der Geruch eines lebenden Menschen, so schwach er auch sein mochte, ein ziemlich eindeutiges Zeichen, insbesondere, wenn er über eine weite Strecke hinweg konstant blieb.
Alistair wusste nicht, was der Fremde von ihm wollte, aber er war auf alles vorbereitet.
Theif straffte sich, sprang dann elegant aus den Schatten, näherte sich vorsichtig dem Mann. Seine Augen konnten im Dunkeln sehr wohl wahrnehmen was den anderen so unterschied von anderen Menschen. Der fiebrig blasse Glanz seiner Haut, als wäre er krank. Und auch der Geruch. Etwas muffig, dunkel. Der Fil-Shatah blieb knapp außer Reichweite des anderen stehen, wartend.
Offenbar hatte er es nicht mit einem Vampirjäger zu tun - dafür war dieser hier viel zu unvorsichtig und brachte die falschen Waffen mit sich.
Alistair sollte das nur Recht sein.
Wenngleich der gelegentliche Nervenkitzel auch seinen Reiz hatte und gegen Langeweile half, so war der Vampir in diesem Augenblick wirklich nicht in der Stimmung dazu. Nicht nach einem derart misslungenen Abend, wenn er sich eigentlich nur noch zurückziehen und in seinem kleinen Labor ein paar Gifte anrühren wollte, nachdem er sich vor einigen Tagen ein paar teure Substanzen hatte zukommen lassen.
Langsam erhob Alistair sich, als hätte er gar nichts bemerkt. Nur, um plötzlich herumzufahren und mit der Schnelligkeit und Kraft, die seinesgleichen zu eigen war, einen Satz in Richtung des Fremden zu machen und ihn am Kragen zu ergreifen, unsanft gegen die nächste Hauswand presste.
"Ein süßes Spiel hast du dir da ausgedacht, Kätzchen", grollte er und zupfte mit der freien Hand flüchtig am haarigen Ohr des Katzenmenschen, ehe er sie hervorschnellen ließ und fest um die Kehle des Anderen legte. "Aber mir ist nicht nach Spielchen und ich bin kein Katzenfreund.
Was willst du von mir?"
Theif fauchte überrascht auf, der Laut verstummte, als ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde, der Rücken gegen die Wand. Ungleich gefärbte Augen mit Schlitzpupillen huschen über das Gesicht des Fremden, ehe er sich über die Lippen leckte und mit rauer Stimme sprach.
"Sah Euch. Auf dem Fest." Kalte Ruhe, keine Panik. "Das Mädchen. Brauchte sie."
"Das interessiert mich nicht!", knurrte Alistair leise und drückte ruckartig fester zu. "Mach mit dem Mädchen was du willst. Nimm sie mit, vergeh dich an ihrer Leiche, verkaufe ihr Fleisch, verfüttere es an die Ratten oder leg sie deinem Lieblingsmenschen vors Bett. Mir ist das gleich, ich will wissen, was du von mir willst!"
Er lockerte den Griff ein wenig, nicht nur, damit das Kätzchen nicht erstickte, sondern vor allem, damit es ihm antworten konnte.
"Sie wusste etwas. Weißt du es?", Theif krümmte sich zusammen, vor Schmerz, doch noch immer Flackerte keine Angst in seinen Augen auf. Er röchelte, legte die Ohren an und wandte sich wieder. "Weißt du was sie wusste?"
"Oh ja, ich weiß, was sie wusste."
Ein boshaftes Lächeln schlich sich auf Alistairs Lippen.
Es gefiel ihm nicht, wie gleichgültig der Junge zu sein schien, wie sein Puls anscheinend nur aufgrund der gelegentlich abgedrückten Luft schneller wurde. Es war so ärgerlich, wenn die Stärkste Waffe, die Angst, versagte.
"Sie wusste, dass ich ein exzellenter, überaus fordernder Liebhaber bin, dass ich schnell ungeduldig werde und dass meine Ungeduld zu Unannehmlichkeiten führen kann."
Er kratzte mit dem Daumennagel über die Kehle des Katzenmenschen.
"Zumindest weiß sie das alles jetzt.
Was wolltest du herausfinden?"
"Du weißt nicht. Hm..." Theif leckte erneut seine Lippen und sah zur Seite, nachdenklich. Er summte leise, als würde er zu sich selbst sprechen. Etwas planen das weit über das hier und jetzt hinausging. "Lass mich bleiben."
"Du bist in keiner Position, Forderungen zu stellen.
Das ist dir bewusst, nicht wahr?"
Langsam wurde Alistair ungeduldig.
Der Flohsack schien nicht nur dumm, sondern auch noch geistig verwirrt zu sein.
Vermutlich verschwendete er nur seine Zeit, tötete ihn besser schnell und schmerzlos.
Oder auch lang und qualvoll, diesen Jungen würde wahrscheinlich ohnehin niemand vermissen.
"Warum willst du bleiben, Kätzchen?"
"Muss neu Planen. Dauert lange. Brauche Arbeit." Theif wand sich stärker. Der andere wurde ungeduldig, da wollte er nicht wie eine Klette an der Wand kleben, vor allem nicht wenn sein Gegenüber so viel stärker und schneller als erwartet war. Ruhig erwiderte er kurz den Blick, sah dann jedoch wieder zur Seite. Sie waren beide Raubtiere, zivilisiert, doch letztendlich Raubtiere. Also signalisierte er sein Nachgeben, das Akzeptieren der überlegenen Stärke des anderen.
Alistair schnaubte und ließ los.
Sollte der Katzenjunge etwas versuchen, würde er ohnehin nicht schnell genug sein.
"Gut. Arbeit.
Was hast du zu bieten, Kätzchen?
Beherrschst du noch andere Fähigkeiten, als jemandem hinterher zu schleichen und dabei entdeckt zu werden?"
"Giftmischen. Töten. Stehlen." Theif legte den Kopf schief und richtete seine Kleidung, streifte seine Kapuze ab und fuhr sich durch das gestreifte Haar. Die langen Pinselhaare am Ende seiner Ohren zuckten. "Beschatten und beschützen. Beobachten. Einbrechen."
"Entzückend."
Alistair bemühte sich nicht darum, die Langeweile aus seiner Stimme fern zu halten.
"Und warum sollte ich Interesse an derartigen Talenten haben?"
Der Junge wäre sicherlich ein nützliches Utensil gewesen, wäre Alistair noch der erste Berater des Königs von Abboran. Dort hatte er immer Diener gebrauchen können, welche die schmutzige Arbeit für ihn erledigten.
Aber die alten, glorreichen Tage waren nun einmal vorbei und er trauerte ihnen schon lange nicht mehr nach.
Nun war er wenigstens sein eigener Herr, musste sich vor niemandem beugen, konnte nehmen, was er wollte und wurde nicht mehr verraten, weil es niemanden gab, der ihm nahe genug stand.
Er hatte keine Rivalen mehr, die es zu beseitigen galt, und seine größten Feinde lebten in ihm selbst.
Gleichgültigkeit haftete an Theifs Gestalt wie eine zweite Haut, tropfte aus jeder seiner Poren. Der Fil-Shatah leckte sich die Lippen und sagte doch nichts. Stattdessen beobachtete er weiter den Mann vor ihm, den Vampir.
"Wenn das alles ist ..."
Alistair hob die Schultern und wandte sich ab.
"Verschwinde.
Ich brauche dich nicht und will dich auch nicht."
Theif legte den Kopf schief, seine Ohren zuckten erneut. Doch dann trat er den Rücktritt an, im Moment sah er keinen Sinn darin, den anderen weiter zu belästigen. Nicht, wenn er den Mann noch nicht gut einschätzen konnte. Mit lautlosen Schritten tapste der zierliche Katzenmensch davon. Später.
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