10: Der Morgen danach
10: Der Morgen danach
in Sommer 516 04.06.2015 15:33von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
Der späte Morgen versprach, in wenigen Stunden wieder zu einem heißen Tag zu werden, was Elliot nicht sonderlich behagte.
Durch sein zum Lüften geöffnetes Fenster drangen Vogelgezwitscher und Sonnenlicht in sein Schlafgemach, letzteres warf helle Flecken auf den glatt polierten Dunkelholzboden und küsste die Haut des Lords, welche unter seiner Seidendecke hervorlugte.
Die Nacht war anstrengend gewesen, hatten doch ungewöhnlich viele Alpträume ihn heimgesucht, ihn in kaltem Schweiß gebadet und an ihm gezerrt wie tausend Hände, ihn immer wieder aus dem Schlaf hochfahren lassen, mit weit aufgerissenen Augen und schwerem Atem. Er war daran gewöhnt, die Träume begleiteten ihn seit er denken konnte und verschwanden niemals für lange Zeit. Doch in manchen Nächten waren sie besonders lästig. In dieser musste es am Wein gelegen haben.
Ächzend räkelte Elliot sich zwischen den dekadent roten Laken, wollte eigentlich noch nicht aufstehen. Doch würde er noch länger hier liegen, würde er erst in brüllender Mittagshitze aus seiner Kammer kriechen. Und das wollte er auch nicht, nicht, wenn er wenigstens noch etwas Morgenfrische genießen konnte.
Tharaniel, ein Bad und etwas Leichtes zum Anziehen.
Dann ein kleines Frühstück.
Hattet Ihr eine aufregende Nacht?~
Was scheinbar wie Besorgnis klang, war nichts als pure Boshaftigkeit, der Genuss in offenen Wunden zu bohren und zu piksen. Tharaniel hantierte in der Küche, scheuchte einen nicht sehr gut gelaunt aussehenden Arahiel aus der Küche. Wohin der Engel verschwand wusste er nicht, aber solange der Rothaarige alles ganz ließ, war es dem Schattentänzer egal.
War das Goldkehlchen doch nicht so schmackhaft, wie es den Anschein hatte?
Aufregend ist nicht das Wort, welches ich verwenden würde, aber mein kleines Goldkehlchen hat eindeutig ein größeres Talent dafür, mich zufrieden zu stellen, als du es hast, Tharaniel.
Elliot streckte sich und ließ sich den vergangenen Abend noch einmal durch den Kopf gehen.
Es war so einfach gewesen. So unzeremoniell. So schnell.
Und trotzdem ein schönes Erlebnis.
Dennoch fragte Elliot sich, ob es eine gute Idee gewesen war. Ob Indivia nun auch weiter sein Goldkehlchen sein wollte ... oder mehr ... oder gar nichts mehr. Wer wusste schon, was in diesem kleinen Naivling vor sich ging, der an die große Liebe glaubte und wahrscheinlich daran, dass Kinder von blütenweißen Engeln in die Wiegen gelegt wurden?
Es war dummerweise an ihm, das herauszufinden. Und leider hieß das, dass er entweder abwarten oder auf Indivia zugehen musste.
Bring dem Vögelchen auch ein Frühstück.
Wie Ihr wünscht.
Tharaniel unterließ es, seinen Herrn erneut daran zu erinnern, dass Indivia allein schon bei seinem Anblick fortlief. Oder kroch. Vielleicht sollte er sich auch eine Kostprobe einfordern...
Ich werde das Frühstück im Salon servieren. Dort ist es am kühlsten, doch das Goldkehlchen müsst ihr selbst wecken. Euer Befehl mich ihm nicht zu nähern gilt nach wie vor.
Ob es nun Alptraum oder Wunschtraum gewesen war, der Schmerz danach war so real, das Indivia fast aus dem Bett rollte. Er winselte, versuchte sich aufzurichten.
Klebrig fühlte er sich. Klebrig, wund und dadurch auch beschämt.
Ach ja, ich vergaß, dass mein kleines Goldkehlchen Ansprüche an Gesellschaft erhebt.
Aber seit wann bist du so wählerisch, Tharaniel?
Wahrscheinlich wäre es wirklich besser, sich selbst um den jungen Barden zu kümmern.
Während Elliot sich seiner morgendlichen Reinigung widmete, dabei hin und wieder gespielt selbstverliebte Blicke in den Spiegel warf, überlegte er sein weiteres Vorgehen.
Sicher hätte es gewisse Vorteile, Indivia erst einmal seine Ruhe zu lassen, ihm erst dann wieder Beachtung zu schenken, wenn er es selbst wollte. Es würde Elliot Zeit geben, sich auf jeden möglichen Ausgang einzustellen und er würde nicht sein Gesicht verlieren.
Andererseits sah er wenig Sinn in langer Planung, wenn er selbst gar nicht wusste, was er eigentlich wollte. Und die Neugierde ließ ihn ungeduldig werden.
Also klopfte er noch vor dm Frühstück an Indivias Tür. Wartete ab, was das kleine Goldkehlchen wohl zwitschern würde.
Mit kleinen Schritten war Indivia aus seinem Bad gestakst, lehnte sich schwer gegen die Wand und starrte auf die Laken seines Bettes, starrte durch die nassen Fransen seiner frischgewaschenen Haare und versuchte das Rätsel zu lösen, dass ihm die blutigen und milchigen Schlieren von klebrig zäher Flüssigkeit aufgaben. Und nebenbei versuchte er auch, nicht an dem pochenden, heißglühenden Schmerz in seinem ...unteren Rückenbereich zu verzweifeln.
Das Klopfen kam vielleicht genau recht. Rasch strich Indivia seine leichte Weste und weite Hose glatt, ehe er wieder zur Tür stakste, öffnete.
"Guten Morgen, mein Freund", wurde Indivia strahlenden Lächelns begrüßt. "Was hältst du von einem Frühstück mit mir? Ich fürchte, dass Emilias Gesundheit es nicht erlaubt, dass sie sich zu mir gesellt und es wäre eine Schande, diesen wundervollen Morgen alleine zu verbringen."
Während er diese Bemerkungen tätigte und den jungen Barden mit Blicken bedachte, welche nicht im Geringsten darauf hindeuten konnten, dass er an ihren gemeinsamen Abend auch nur einen Gedanken verschwendete, nutzte Elliot dn Moment, um seine Gefühlslage abzuschätzen, seine Reaktion und Antwort zu antizipieren, ehe sein Gegenüber sich auch nur entschieden hatte.
Worte mochten hohl und leer sein, doch sie verschafften Zeit.
Wäre der Schmerz nicht gewesen, hätte Indivia letzte Nacht für einen Traum gehalten. Denn wie konnte man - Lord Ashsteel konnte. Gleichgültig ging er über jene hinweg, die sich erlaubten zu hoffen, doch obwohl Indivia es schon zu oft erlebt hatte, hoffte er.
"Guten Morgen", murmelte er zurück, wagte es nicht den Blick zu heben und in gleichgültige Augen zu sehen. "Einverstanden...mit dem Frühstück...ich meine, ja, warum nicht."
"Gut, dann komm mit in den Salon."
Elliot hielt die Türe offen, bis das Goldkehlchen in den Flur getreten war, schaute es auf dem Weg ins Erdgeschoss immer wieder mit distanzierter Neugierde an.
Indivia wirkte bedrückt, noch jünger als sonst, wenn er die Augen so gen Boden gerichtet hatte und mit unbehaglicher Körperhaltung durch den Gang schlich. Wahrscheinlich bereute er, mit Elliot geschlafen zu haben, trotz der Lust, die es ihm bereitet haben musste.
Ob er sich beschmutzt fühlte?
Geschändet?
Ob er Schmerzen hatte?
Oder fürchtete er sich vor dem Urteil, welches andere Menschen sich bilden würden, wüssten sie über die vergangene Nacht.
Elliot wusste es nicht, aber er war bestrebt, es herauszufinden. Und als er gemeinsam mit Indivia den Salon betrat, in dem schon ein üppiges Frühstück mit frisch duftendem Brot, dampfenden Tee, feinem Kräuterkäse und gebratenem Speck auf sie wartete, war er sicher, dass er seine Antworten haben würde, wenn er wieder durch die Tür schritt.
Langsam, behutsam ließ Indivia sich auf seinem weichgepolsterten Stuhl nieder, starrte auf seinen Teller und obwohl der Duft von üppigem Frühstück seinen Magen zum Grollen brachte, hinderte der Kloß in seinem Hals dass er irgendetwas hinunter bekam.
Gleich, bestimmt...er wollte nicht weg. Indivia griff automatisch nach der Tasse, verbrannte sich die Finger und hielt sie dennoch fest. Der Schmerz war ein Anker, er hielt ihn hier und jetzt fest.
"Schickt Ihr mich jetzt fort?"
Elliot hob eine Braue, als er diese Worte hörte, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und führte seine Teetasse langsam zum Mund, nippte kurz an der heißen Flüssigkeit.
Dabei ließ er Indivia nicht aus den Augen, sein Verstand formte Worte, welche er erst nachdem einige Momente verstrichen waren, sanft aussprach:
"Sollte ich dich denn fortschicken, mein Freund?"
Heiße Tropfen quollen über den Tassenrand, als Indivia die Tasse abrupt absetzte, sich die wunden Hände am weichen Stoff seiner Hose abwischte. Er runzelte die Stirn, verstand nicht.
"Ich..."
Leise seufzte Elliot und stellte seine Tasse ab.
Seine Seele aber tanzte, denn es bereitete ihm ein unglaubliches Vergnügen, dieses kleine, hinreißende Vögelchen so verwirrt vor sich zu sehen.
"Hör zu, Indivia, ich habe nicht vor, dich fortzuschicken.
Du bist in meinem Haus willkommen, solange du hier verweilen möchtest."
Indivia verstand nicht. Er hörte die Worte, kannte ihre einzelne Bedeutung aber... Es ergab keinen Sinn. Also nickte er nur, erleichtert bleiben zu können dürfen und versteckte sich hinter Tee und süßen Brötchen.
"Weißt du, mein Freund", fuhr Elliot mit einem flüchtigen Lächeln fort und schnitt sich einen der kleinen, goldbraunen Teigballen auf, "ich schätze dich sehr. Es würde mich freuen, wenn du bleiben würdest."
Er träufelte sich etwas Marmelade auf sein Brötchen und führte es zum Mund, hielt aber inne, kurz bevor es seinen Mund erreichte und fügte hinzu:
"Unabhängig von dem, was gestern Abend geschehen ist."
Und sofort kroch heiße Röte Indivias Hals empor, spross wie Blüten auf seinen Wangen.
"Ich... Äh... Ich bin auch gerne hier."
"Das sehe ich."
Selbst unter Indivias deutlich dunklerer Haut stach das Blut in seinen Wangen deutlich hervor, bildete einen Kontrast zu den hübschen, grünen Augen.
Elliot weidete sich an diesem Anblick, zog einen Moment lang in Erwägung, sich hinüber zu beugen und die erhitzte Haut mit der Zunge zu liebkosen, nur um zu sehen, was passieren würde. Er entschied sich allerdings dagegen, denn es versprach deutlich mehr Spaß, Indivia noch ein wenig länger mit Worten allein zu necken.
"Also kann ich darauf hoffen, noch länger meine Freude an dir zu haben?"
"Sicher... Warum nicht?"
Im Nachhinein hatte Indivia sich für seine flapsige Formulierung die Zunge abbeißen können.
Das ist doch...
Er biss lieber in eines der Brötchen.
"Wunderbar!", rief Elliot aus, ohne zu erkennen zu geben, ob ihm die Zweideutigkeit entgangen war oder nicht.
"Das freut mich, schließlich bist du ein äußerst angenehmer Geselle."
Während er sprach, griff er in den Obstkorb und zog eine der Bananen hervor, die heute Morgen mit dem Schiff gekommen waren. Er schälte sie mit einer Vorsicht, mit der man etwas sehr zerbrechliches angefasst hätte und schob sie sich dann langsam in den Mund.
Warum war es hier so heiß? Indivia schob die volle Teetasse von sich und griff nach dem frischen Saft, kühl und erfrischend. Mit höchster Konzentration schenkte er sich ein, alles, nur nicht aufsehen.
"Möchtest du auch eine Banane", fragte Elliot spielerisch, nachdem er seine eigene mit anzüglicher Langsamkeit verspeist hatte und reichte Indivia eine der gelben Früchte. "Sie schmecken gut. Besonders, wenn man noch nie eine probiert hatte."
Nicht, dass du das wüsstest.
Oder ich.
"N-nein danke", wisperte Indivia leise und schüttelte den Kopf. Er blieb bei klebrig süßen Honigkuchen und Saft.
"Ach wirklich?
Ich dachte, du würdest Bananen mögen."
Schulterzuckend legte Elliot das Obst zurück und trank weiter seinen Tee.
"Ich hoffe, dass du heute Morgen nicht zu viele Beschwerden hattest.
Der Alkohol gestern scheint dir sehr zu Gemüt gestiegen zu sein."
"Nicht nur mir, oder? ", fragte Indivia mutig zurück. Er legte den Kopf schief, ehe er lächelte.
Elliot lachte leise.
"In der Tat, nicht nur dir. Ich habe wohl auch ein paar Tropfen mehr zu mir genommen, als gut gewesen wäre."
Andererseits ... verkatert war er nicht und Indivia machte keine Anstalten, von dannen zu ziehen.
Und das waren die einzigen Unannehmlichkeiten, mit denen er gerechnet hätte.
"Ha-habt Ihr gut geschlafen?", Indivia fuhr zusammen bei dem Klang seiner Stimme. Und allein seine Frage...so dumm und zugleich so ...dämlich. "Verzeihung...Die Frage war...dumm."
"Warum hältst du sie denn für dumm?"
Elliot hatte sein Frühstück beendet und stand nun auf, legte sanft eine Hand auf Indivias Schulter.
"Ich freue mich, dass du dich um mein Wohlbefinden sorgst."
Es waren sicher andere Dinge, die ihn interessierten, andere Fragen, die er stellen wollte.
Aber er war so unsicher, so unerfahren.
Und Elliot war seinerseits zu stolz, Antworten zu geben, nach denen er nicht gefragt wurde.
"Und ja - ich habe gut geschlafen."
"Ah, das ist gut.", Indivia leckte sich die Lippen und schenkte Elliot eines seiner strahlenden Lächeln, seine Hand flatterte kurz, unsicher, legte sich sanft auf Elliots - welche auf seiner Schulter ruhte - dann wieder um seine Teetasse.
Klirrend fiel das noch volle Gedeck zu Boden, zusammen mit dem Rumpeln des abrupt zurückgeschobenen Stuhls. Indivia flüchtete, überraschend schnell aus dem Zimmer in den Garten. Genau zur gleichen Zeit, in der Tharaniel ebenjenes durch die Küchentür eingetreten war, bereit das üppige Frühstücksgedeck abzuräumen oder aufzufüllen. Je nach dem was gerade gefragt war.
"Huch, das Goldkehlchen ist aber scheu geworden." Ein boshaftes, haarfeines Lächeln spielte um die Lippen des Schattentänzers. "Wart Ihr etwa nicht sanft genug?"
"Ich wüsste nicht, was meine Sanftheit dich anginge, Tharaniel", antwortete Elliot schulterzuckend. "Aber ich kann dir verraten, dass ich so sanft gewesen bin, wie es dienlich war."
Als sein Diener die Hand ausstreckte, um nach einem der leeren Teller zu greifen, ergriff er ihn am Handgelenk.
Fester, als es nötig gewesen wäre, und mit einem durchaus bösartigen Lächeln, das seine Lippen umspielte.
"Und wenn es nicht genug war, weiß ich, wer seinen Platz einnehmen könnte."
Augenblicklich verspannte Tharaniels ganzer Körper sich, er stieß ein leises Zischen aus, während ein Flackern in seinen Augen - eine Mischung aus Ekel und Hass - zeigte, wie unangenehm ihm selbst diese, durch Stoff gedämpfte Berührung war.
"Haltet Euch lieber an Eure Puppen."
"Aber selbstverständlich", erwiderte Elliot leise und malte mit einem Finger eine leichte Linie um Tharaniels Handgelenk, machte dann eine Geste wie die eines Puppenspielers, der an den Fäden seiner Marionette zupfte. Anschließend küsste er die Stelle, an der er seinen Diener berührt hatte und gab ihn wieder frei.
"Und wer hat mehr von einer Puppe als dieses leblose Geschöpf, welches jedem meiner Befehle willenlos zu folgen hat?"
Tharaniels Gesichtsausdruck verriet, dass er den noch heißen Tees Indivias lieber in Elliots Gesicht geschüttet hätte, als ihn abzuräumen. Aber einzig eiskalte Selbstbeherrschung hielt den Schattentänzer davon ab, stattdessen wandte er sich gleichgültig ab, das Tablett voller Geschirr.
Elliot lächelte herablassend, ergötzte sich noch einen Moment lang an dem Missmut seines Dieners und wandte sich dann ab, denn er hatte soeben beschlossen, Emilia einen Besuch abzustatten.
Sich selbst zu überzeugen, ob es ihr schon besser ging.
Ob er mit ihr sprechen konnte.
Im Vorbeigehen strich er noch einmal kurz durch Tharaniels helles Haar.
Das Klirren von zerschellendem Geschirr und unterdrücktes Fluchen begleitete Elliot, als Tharaniel vor lauter Schreck und Widerwillen das Tablett hatte fallen lassen. Der Schattentänzer musste sich auf die Zunge beißen, um seine Flüche nicht aus seinen neuerdings so anhänglichen Herren zu richten.
"Darf ich rein kommen?" Indivia lugte durch den Spalt zwischen Tür und Türrahmen hinein, blinzelte Emilia aus großen, grünen Augen an.
Emilia saß bereits aufrecht in ihrem Bett, angelehnt an viele weiche Kissen, als das vertraute, braune Gesicht in der Tür erschien.
"Natürlich, Indivia", antwortete sie sanft lächelnd und nickte ihm langsam zu.
Ihre Bewegungen waren schwach, ihre Glieder schmerzten vom langen Liegen, doch ihr Kopf war klar und das Fieber schien im Großen und Ganzen verschwunden zu sein.
"Komm herein."
Lächelnd huschte Indivia ins Innere, setzte sich an die Bettkante und strahlte Emilia wieder an.
"Geht es dir wieder ein wenig besser?"
"Ja", erwiderte Emilia leise. "Viel besser."
Sie hatte viel geschlafen, viel geträumt.
Oft nicht gewusst, was nun Traum und was Realität war.
Doch in diesem Moment ahnte sie, dass sie wach und alles, was sie sah echt war.
"Gibst du mir deine Hand, Diva?"
Große, grüne Augen sahen verwundert, dann jedoch lächelte Indivia sanft und legte seine Hand auf Emilias. Der Kontrast hob sich sehr stark ab, braun auf weiß. Schlagartig kroch das Rot unter Indivias Haut, legte sich warm und prickelnd auf seine Wangen. Hatte es letzte Nacht genauso ausgesehen? Dieser Kontrast von hell und dunkel?
Emilias Augen wurden ernst und abwesend, während Indivia sie berührte.
Die Welt verschwamm, rückte in die Ferne und stattdessen offenbarten sich ihr klare Bilder, surreal, wie aus einer anderen Welt.
Ein Flackern.
Ein Schatten.
Nahend und drohend.
Und eine kleine Gestalt, die darin versinkt.
Dann, von einem Augenblick auf den anderen, saß sie wieder in ihrem Zimmer und hielt Indivias Hand.
Keine tiefen Schatten waren in Sichtweite, nur sanftes Licht, das gefiltert durch die Vorhänge in den Raum fiel.
Emilia legte eine noch leicht zittrige Hand an Indivias Wange, die ihr etwas dunkler erschien als sonst.
"Gib auf dich Acht", sagte sie sanft und beugte sich vor, küsste flüchtig die Stirn ihres Freundes. "Die Welt ist voller Schatten."
Dann lehnte sie sich wieder zurück und lächelte sanft.
"Ich bin froh, dass du bei mir bist."
"Ich bin auch froh, dich als Freundin zu haben", entgegnete Indivia fröhlich, lächelte Emilia an und neigte den Kopf leicht.
Emilia lachte leise und wollte etwas erwidern, doch die Tür öffnete sich erneut und Lord Ashsteel trat herein, musterte die beiden auf dem Bett sitzenden mit verschmitztem Blick und sagte:
"Ich hoffe doch, dass ich nicht störe?"
Die junge Frau schüttelte den Kopf, doch anscheinend war das unnötig, denn der Lord trat schon gleich auf ihr Bett zu und setzte sich ebenfalls auf die Kante. Lächelte.
"Wie fühlst du dich heute?"
"Besser. Das Fieber scheint vergangen zu sein."
"Das ist gut."
Tatsächlich glaubte Emilia, echte Erleichterung in seiner Stimme zu hören.
Sie nickte sacht.
"Hoffentlich geht es dir bald gut genug, dass du in den Garten kannst." In die Stimme des Barden hatte sich das charakteristische Zwitschern geschlichen, eines, das man nur bei großer Aufregung oder Freude hörte. Das seine Stimme vibrieren ließ, seine Worte unterschwellig singen.
"Ja."
Emilia nickte lächelnd, ihre Hand ruhte noch immer in Indivias.
"Ich würde gern wieder mit dir im Garten sitzen.
Es wird sicher bald wieder möglich sein."
Irgendwie fühlte Elliot sich in diesem Moment seltsam überflüssig.
Hatten Emilias Augen ihn kaum berührt, hatte sich nichts in ihnen geregt, so stand nun Wärme in ihnen, schwang auch in ihrer Stimme mit. Und sie galt Indivia allein. Seine Hand berührte sie, ihm schenkte sie Worte der Zuneigung, während sie es kaum zu ertragen schien, wenn Elliot neben ihr saß, unter jeder noch so sachten, unschuldigen Berührung erstarrte, ihre Worte in seiner Gegenwart neutral und vorsichtig waren.
Es versetzte ihm einen Stich und er konnte nicht widerstehen, mit einem anzüglichen Lächeln zu sagen:
"Ja, dort draußen im Pavillon kann man eine Menge Spaß haben."
Ein leiser Laut entwich Indivia, ähnlich einem Quietschen. Seine Wangen färbten sich noch intensiver und er lachte verlegen, sah den Lord an.
"Ja, das stimmt."
"Ihr scheint ein anderes Vergnügen im Sinn zu haben, als ich, Mylord", antwortete Emilia deutlich kühler.
Sie war es leid, dass Lord Ashsteel jede Gelegenheit nutzte, anzügliche Worte von sich zu geben.
Nun, nicht jede, doch wenigstens immer, wenn er nicht alleine mit Emilia war.
Manchmal fragte sie sich, ob er es aus Furcht tat, seine wahren Gedanken zu offenbaren.
"Nun, da hast du sicher Recht, Emilia", antwortete der junge Mann breit lächelnd. "Wer bin ich, meine kleinen, schnöden Zerstreuungen mit euren wundervollen Freuden zu vergleichen, die ihr dort draußen erlebt?"
Er erhob sich.
"Wie auch immer, ich glaube, ich sollte dir noch etwas Ruhe gönnen, meine Liebe.
Ich werde dir ein passendes Frühstück herbringen lassen."
Ehe Lord Ashsteel durch die Tür schritt, drehte er sich noch einmal um, nickte Indivia zu und sagte:
"Komm, mein Freund, lassen wir die Lady ein wenig allein, damit sie wieder zu Kräften kommen kann."
Indivias Kopf wandte sich von einer Seite zur anderen, immer demjenigen zu gewandt, der sprach. Verwirrung machte sich in seinen Zügen breit, ehe er die Augen aufriss, Emilia hastig auf die Wange küsste und hinter Elliot her eilte. Allerdings hielt Indivia noch in der Tür und wandte sich um.
"Werde bald wieder gesund, der Garten ist wirklich sehr schön."
"Ich bemühe mich", hörte Elliot noch die leisen Worte der jungen Frau.
Mit verschränkten Armen lehnte er sich an die Wand, stieß einen stummen Seufzer aus, während er darauf wartete, dass Indivia endlich die Tür schloss.
Sie würde Elliots niemals solch freundliche Worte schenken wie ihm. Würde ihn niemals mit einer solchen Wärme betrachten.
Ihn niemals in ihr Herz schließen.
Und das machte ihn verrückt.
Lächelnd schloss Indivia die Tür und wandte sich um, lächelte Elliot strahlend an. Er wirkte fröhlicher als bis vor kurzem noch, schien vor Tatendrang zu vibrieren.
Als Elliot das unbefangene Lächeln in Indivias Blick sah, das Leuchten in den grünen Augen, da fiel seine Entscheidung.
"Mein Freund ..."
Nur ein kleiner Schritt und er stand bei ihm, nur eine kurze Bewegung seiner Hände und er hatte das hübsche, braune Gesicht zwischen sie genommen, nur ein leichtes Vorbeugen und seine Lippen lagen auf Indivias.
Emilia mochte ihm ihre Zuneigung auf ewig verwehren und Elliot würde es ihr mit gleicher Münze heimzahlen.
Er würde ihr das kleine Goldkehlchen entziehen, ihr zeigen, wie es war, zurückgewiesen zu werden, ansehen zu müssen, wie die Hingabe, nach der man sich sehnte, von einem anderen eingenommen wurde.
Und so küsste er Indivia mit aller Leidenschaft, mit der die Eifersucht sein Herz schlagen ließ.
Als er sich atemlos löste, lächelte er den jungen Barden warm an, strich ihm durchs Haar und beugte sich abermals vor, diesmal, um in sein Ohr zu hauchen:
"... ich will dich."
Plötzlich war Elliot nah, plötzlich wurden Indivias Knie weich und ihm war schwindelig, gleichzeitig war es fantastisch, sein Herz pochte so heftig, dass es auf seiner Zunge zu vibrieren zu schien. Er schmolz beinahe, konnte nur zusehen und nicken.
Elliots Hände wanderten an dem schlanken Leib herab, er zog ihn eng an sich heran, küsste Indivia erneut.
Sanft, verspielt.
So, wie es ein Verliebter wohl getan hätte.
"Lass uns in den Pavillon gehen", raunte er. "Es ist wirklich schön dort ..."
Ein schöner Ort, den Indivia und Emilia dort für sich beansprucht hatten.
Den er ihnen nehmen würde, den Geist des jungen Barden mit neuen Erinnerungen tränken, welche die alten schnell verdrängen würden ...
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