14: Auf Messers Schneide
14: Auf Messers Schneide
in Sommer 516 04.06.2015 15:46von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
Fluchtinstinkte waren schnell in Spieltrieb umgeschlagen, hatten Morinths wilden Lauf verlangsamt, immer mehr, bis es nur noch ein Hüpfen von einer Seite der Straße zur anderen war. Bis der Erl zu fasziniert von der Welt war, vergessen hatte, dass Arie ihm Schmerz zugefügt hatte. Zeit verfloss, wurde zu einem einheitlichen Brei aus Freude, neuen Entdeckungen und dem Tilgen von Hunger, wann immer er solchen verspürte.
Das er in seiner Unwissenheit eine breite Spur legte, dass er etwaige Häscher einer verärgerten Vampirfürstin einen Pfad aus müden Personen und imaginären Brotkrumen direkt zu seiner Person legte, wusste er nicht. Nur, dass sie plötzlich da waren. Mit Messern und Spießen. Sie trieben kaltes Metall, dass eigentlich in den warmen Schoß der Erde gehörte, in seinen Körper, durchbohrten ihn, schlugen. Morinth schrie.
"Morinth!"
Arie hatte geahnt, dass es nicht lange gut gehen würde.
Sie hatte den Erl oft gespürt, doch nie ausfindig machen können, er hatte sich stets ihrer Gegenwart entzogen.
Und und sah sie ihn dort liegen, auf dem Boden zusammengekrümmt in einer Gasse, aus der gerade eine Gruppe Bewaffneter getreten waren.
Schnell rannte die dunkelhaarige Dämonin auf Morinth zu, ging neben ihm auf die Knie, beugte sich über ihn, berührte seinen Arm.
"Morinth, kannst du mich hören?"
Morinth krümmte sich enger zusammen, einige der Spieße verloren durch die Bewegung seiner Muskeln ihren Halt in seinem Fleisch, fließen klirrend zu Boden. Er war nur ein Bündel an rotem Haar, dunklem, beinahe schwarzem Blut und Spießen, die aus seinem Rücken, seinen Flanken ragten.
"Geh weg.", wimmerte der Erl unter seinen Armen hervor, die er wie ein schützendes Dach über den Kopf gelegt hatte. Der Stein unter ihm, die Wand neben ihm, sie trugen tiefe Einkerbungen, Zeichen dafür, dass Morinth versucht hatte, sich mit seinen Krallen zu befreien. "Geh weg, es tut weh."
"Ich weiß, Morinth, ich weiß", sagte Arie leise und zog ihre Hand zurück.
Mitleidig betrachtete sie den Erl, fühlte sich schuldig, weil sie dies nicht verhindert hatte.
Weil die Nerven in einem wichtigen Moment mit ihr durchgegangen waren.
"Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe, Morinth", fuhr sie sanft fort.
"Das hätte mir nicht passieren dürfen.
Aber bitte ... bitte lass mich dir helfen."
Große, schwarze Augen linsten aus der Dunkelheit von Morinths Armbeuge hervor, er zitterte wie und gab langsam, Stück für Stück seine Haltung auf, ließ Arie an sich heran treten.
"Es wird erst einmal noch mehr wehtun", erklärte Arie mit ruhiger Stimme. "Aber danach wird es heilen und wieder gut werden."
Erlen waren durch gewöhnliche Waffen nicht verwundbar, so viel wusste sie, also war es wohl das Beste, die Pfeile und Bolzen möglichst schnell zu entfernen, Morinth danach fortzuschaffen und in ein weiches Bett zu legen.
Also machte Arie sich an die Arbeit.
Ganz einfach war das nicht, denn die Wunden waren teilweise sehr tief und bei dem Geruch des schwarzen Bluts drehte sich ihr Magen um ...
Morinth verkniff sich jeden noch so kleinen Schmerzenslaut, bohrte stattdessen seine Krallen in den Boden, jedes Mal wenn einer der Spieße sein Fleisch verließ, etwas tiefer. Obwohl er nicht an solchen Wunden sterben konnte, so spürte er doch Schmerz und wimmerte leise auf als jede Wunde offen lag und die Waffen nicht mehr seinen Körper aufspießten.
"Es ist vorbei." Tröstend strich Arie über Morinths Kopf.
"Kannst du laufen?", fragte sie und reichte ihm ihren Arm als Hilfe.
Natürlich könnte sie auch in ihren männlichen Körper schlüpfen und den Erl tragen, doch ob das angenehmer wäre, wusste sie nicht.
Zitternd rappelte Morinth sich auf, die Lippen fest zusammen gepresst und die schwarzen Augen weit aufgerissen. Die Wunden schlossen sich langsam wieder, hörten auch zu bluten.
Erleichtert betrachtete Arie den Erlen. Offenbar waren wirklich nur gewöhnliche Waffen verwendet worden, sodass kein dauerhafter Schaden bleiben würde.
Das war ihre größte Sorge gewesen.
"Warum haben...sie das gemacht.", Morinth starrte gedankenverloren auf die klebrige Lache unter seinen Füßen, ehe er sich nochmal herab beugte, diesmal mit flüssigeren Bewegungen. Er tauchte einen bleichen Finger in das Blut, starrte es an, wie es beinahe schwarz wirkte, ehe er mit den Achseln zuckte und sein Blut ableckte. "Egal."
"Nein, es ist nicht egal!"
Energisch schüttelte Arie den Kopf.
Angespannt packte sie den Erl an den Schultern.
"Hör mir zu, Morinth, halte dich in Zukunft von Lady Selenes Bordell fern.
Sie duldet nicht, dass man sich an ihren Mädchen nährt."
Einen winzigen Moment lang blitzte in Morinths Antlitz das alte Monster hervor, das er war, dass seine ganze Art war. Wesen - so schön wie fremdartig und grausam - unberührt von der Zeit und ebenso unfähig Moral zu begreifen. Doch dann lächelte der Erl süß, zeigte lange Fangzähne, verschmiert mit seinem eigenen Blut.
"In Ordnung, Arie."
"Gut."
Sanft strich Arie eine Strähne aus Morinths Gesicht, hinter sein rechtes Horn.
"Ich will nicht, dass dir etwas passiert."
Und das würde zweifelsohne geschehen, sollte er seinen Fehler wiederholen.
Das hier war lediglich eine Warnung gewesen.
"Hm ~", Morinth schmiegte den Kopf wie eine Katze auf der Suche nach Liebkosungen gegen Aries Hand. Er lächelte wieder, seine Zähne blitzten leicht auf. "Ist gut, Arie. Ich werde das nächste Mal werde ich ihr das Herz ausreißen und den Kopf Spalten. "
Aries Blick wurde schlagartig streng.
"Das wirst du nicht", erwiderte sie scharf.
"So etwas darfst du nicht tun."
Ganz abgesehen davon, dass Morinth sich schnell die Finger verbrennen würde.
Es hatte einen Grund, warum Selene vor langer Zeit die Fürstin von Brightgale geworden und es geblieben war.
"Darf ich nicht oder willst du nicht, dass ich es tue?", Morinth legte den Kopf wieder schief, eine abschätzende Geste, während er Aries Hand in der eigenen hielt, sacht über ihren Handrücken strich.
Arie atmete tief durch.
Man musste Geduld mit Morinth haben. Er wusste es nicht besser und würde es auch nie besser wissen, wenn sie ihn nicht lehrte.
"Beides", antwortete sie schließlich. "Du darfst es nicht, weil es nicht richtig ist, zu töten.
Und ich will es nicht, eben weil es nicht richtig ist, und weil du dich dadurch selbst in Gefahr bringst."
Für einen langen Moment schien es, als würde die Logik, die Arie so mühsam zu erklären versuchte, an ihm vorbei ziehen. Morinth blinzelte, schwarze Augen verschwanden hinter aschfarbenen Lidern und dunkelroten Wimpern, doch dann blitzte Erkenntnis auf.
"Ah."
Sacht berührte Arie die Schulter des Erlen.
"Merk es dir gut.
Nicht zu töten ist eine der wichtigsten Regeln hier."
Dann lächelte sie Morinth an.
"Und wie wäre es, wenn du jetzt mit zu mir kommst?
Ich kann dir eine Wärmflasche machen, wenn du möchtest."
"Ist gut." Vergnügt wie ein kleines Kind, verspielt wie ein junger Hund und unterschwellig so grausam wie der schrecklichste Tyrann. Morinth hatte all diese Eigenschaften und es viel schwer, wenn es denn nicht unmöglich war, sie voneinander zu trennen. Die Grenze verschwamm, war nicht mehr erkennbar. Auch wenn seine Hände noch unbefleckt waren, so tropfte doch das Blut von Ihnen, ein Tropfen für jeden Menschen, jeden Elfen der durch einen Erl einen abrupten Tod gefunden hatten.
Und dennoch, obwohl die Dunkelheit stets Morinths Begleiter war, hüpfte er fröhlich neben Arie her.
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