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04: Von Füchsen und Blutsaugern
#1
von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
04: Von Füchsen und Blutsaugern
in Herbst 516 04.06.2015 16:01von Glacies Citris • Herzog | 15.151 Beiträge
- Darstellungen von Gewalt
Rothaarige hatte Alistair schon seit langem gehasst.
Nicht etwa, weil ihre Gestalten in irgendeiner Weise weniger liebreizend gewesen wären als die ihrer blonden oder dunkelhaarigen Genossinnen. Auch nicht, weil er die Farbe an sich verabscheut oder als hässlich empfunden hätte.
Nein, es war, weil Frauen mit flammendem Haar in ihm Erinnerungen weckten, Erinnerungen, die er lieber hätte ruhen lassen wollen, die ihn aber nicht losließen. Erinnerungen an einen grässlichen Fehler, an Verrat, an Versagen. An Hilflosigkeit. Und das wiederrum erfüllte ihn mit brennendem Zorn, mit Wut, die mit größerer Kraft an ihm riss, als es jemals eine andere Regung getan hatte, selbst seine leidenschaftliche Liebe zu Evryanna nicht. Gerade seine leidenschaftliche Liebe zu Evryanna nicht.
Auch dieses Mädchen, welches Alistair an diesem Herbstabend kurz nach Sonnenuntergang erblickte, hatte rotes Haar.
Ein hübsches Ding, jung und zart, lief mit arglosem Blick durch die Gassen.
Selbst von Weitem spürte er, wie viel Leben durch ihre Adern pulsierte, als sei sie kein bloßer Mensch, sondern ein Engel der Lumina. Unverschämt war das, unerhört, frech. Und es weckte Alistairs Gier mehr, als das Haar der jungen Frau seinen Hass geweckt hatte.
Er musste sie haben, mit ihr spielen, all ihr Blut in sich einsaugen und das Leben mit sich.
Ailis hatte den halben Tag im Hafen gewartet, doch anscheinend hatte ihr Bräutigam keine Zeit gefunden.
Das Buch, welches sie mitgenommen, und während dieser Wartezeit gelesen hatte, hatte sie ein wenig abgelenkt, doch sie hatte sich nicht ganz darauf konzentrieren können. Zu oft waren ihre Gedanken abgeschweift, hatten sich Selail gewidmet.
Ungeduldig hatte sie sich gefragt, wann er wohl zu ihr kommen würde, sehnsüchtig, wie wohl der Geschmack seiner Lippen war und sie ihn bald kosten durfte.
Enttäuscht machte sie sich schließlich davon, zurück zur Akademie, hoffend, dass sie Selail bald wiedersehen würde.
Als Ailis schließlich gedankenverloren in eine Gasse trat, die schmal und menschenleer, aber der schnellste Weg zurück war, argwöhnte sie zuerst nichts Böses. Erst nach einigen Schritten machte sich ein gewisses Unbehagen breit. Und als dann plötzlich ein bleicher, dunkelhaariger Mann vor ihr stand, begriff sie, dass sie den ältesten aller Fehler begangen hatte.
Der Fremde lächelte.
Es war einfach gewesen, doch das war es mit solch jungen, dummen Dingern immer. Selten bemerkten sie überhaupt, dass sie verfolgt wurden, und wenn, dann war es in aller Regel schon zu spät. Dann war er ihnen schon nahe genug, um sie in seinen Bann zu ziehen, zu hypnotisieren und fortzuschaffen.
So, wie Alistair es auch mit diesem Mädchen hier gemacht hatte.
Nun lag dieser Rotschopf vor ihm, aufgebahrt auf dem steinernen Altar wie ein Opfer für die Göttinnen. Die Kleidung mochte weit und verhüllend sein, doch unter ihr zeichnete sich der schlanke Körper der jungen Frau ab. Sie lag still da, ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, der Blick in den grünen Augen war entrückt. Bleiches Mondlicht beleuchtete ihre Wangen, ließen sie heller erscheinen, als sie vermutlich waren. Es fiel durch die Ritzen und Spalten vernagelter Fenster in den Innenraum dieses Gebäudes, welches einst ein kleiner Tempel gewesen war, nun aber verlassen und entweiht vor sich hinmoderte. Nicht mehr als zwanzig oder dreißig Leute hatten wohl auf den nun langsam verfallenden Holzbänken Platz gefunden, der Eingang stand in einer Wasserlache.
Blasphemie war ein exquisites Gewürz für jede Speise und mischte sich umso besser mit dem Hass, der seit dem Tag, da er seinen Glauben verloren hatte, an ihm nagte und ihn gleichzeitig nährte, ihm Kraft und Stärke gab, ihn mit Hunger und Gier füllte.
Unsanft stieß Alistair das Mädchen an, weckte es aus ihrer unfreiwilligen Trance. Die Nacht war jung und er hungrig. Er wollte keinen Moment länger darauf warten, sich endlich an dieser jungen Frau mit dem roten Haar und der lockenden Aura gütlich zu tun. Die Nacht war nämlich nicht nur jung, sondern auch kurz, denn es gab so vieles, was er zu tun gedachte.
Aus weiten Augen starrte das Mädchen ihn nun an, verwirrt, unwissend. Was er noch nicht darin sah, war Angst oder Flehen, vermutlich war die Kleine einfach zu dumm, zu begriffsstutzig, doch Alistair sorgte das nicht im Geringsten. Schließlich wusste er aus Erfahrung, dass er sich bald an beidem zur Genüge laben konnte. Von Angst, von Furcht, von dem jungen Leib und dem köstlichen Leben, das rot durch diese zarten Adern floss.
Die junge Frau öffnete den Mund, doch was immer sie sagen wollte, erstickte er mit einem Kuss auf ihre Lippen. Sie stemmte die Hände gegen ihn, versuchte, ihn von sich zu schieben, doch er drückte sie mit seinem Körper und vampirischer Kraft nieder, während er ihre süßen Lippen kostete, aufspaltete, sich ihrer Zunge bediente.
"Hab keine Angst, kleine Füchsin", hauchte er anschließend in ihr Ohr, hob den Kopf, und lächelte sie an, herablassend, anzüglich. "Du wirst mir ein wundervolles Geschenk machen und glaub mir, ich werde es zu schätzen wissen."
Als Antwort spuckte sie ihm ins Gesicht.
In ihren Augen flackerte Unsicherheit, doch noch größer war der Zorn. Sie war kämpferischer als sie aussah und wie es schien bei weitem weniger ängstlich, als es angebracht wäre.
"Ungezogenes Gör", zischte Alistair und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, sodass ihr dummer, roter Kopf zur Seite flog und er einen kurzen Augenblick lang schon befürchtete, sie sei ohnmächtig geworden. Ohnmächtige Mädchen bereiteten ihm wenig Freude. Glücklicherweise nahm dieses nur einen benommenen Gesichtsausdruck an, ehe sich die Züge in sichtlichem Schmerz verzerrten und Tränen in die großen Augen traten.
"Du bist selbst Schuld daran", sagte Alistair kalt und legte eine Hand um ihren Hals, drückte so fest zu, dass sie gerade noch Luft bekam. "Tu so etwas noch einmal und ich reiße dir deine süße, kleine Zunge aus."
Sie wehrte sich trotzdem weiter, etwas, das Alistair zu Lebzeiten bewundert und vielleicht sogar respektiert hätte, das ihn nun aber regelrecht anstachelte. Sollte die Göre sich wehren, er würde haben, was er wollte. Und je kämpferischer sie jetzt war, desto süßer der Augenblick, da sie bereitwillig tun würde, was immer er von ihr verlangte, aus Angst vor weiteren Schmerzen.
So waren seine Gedanken, als er ihre Hand küsste, eine beinahe edle Geste, pervertiert durch die blutigen Linien, die seine Zähne dort hinterließen, wo sie die helle Haut ritzten.
Selbst diese winzigen, roten Tropfen schmeckten schon köstlich, versprachen ihm so viel mehr.
Die kleine Füchsin drohte heiser mit Holzpfählen, Knoblauch und heiligem Wasser, befahl ihm, sie loszulassen, weil ihr Bräutigam und ihre Freundin ihn finden würden, doch das entlockte ihm nur ein amüsiertes Lachen und ein paar abfällige Worte.
Er hatte sein Gesicht außer Reichweite des ihren gebracht, hielt sie noch immer an ihrem schmalen zerbrechlichen Hals fest. Ihre Hände mochten an ihm reißen, ihre Knie nach ihm treten, doch das machte ihm nichts, schließlich war er kein schwächlicher Mensch mehr, der sich von so etwas beeindrucken lassen könnte.
Lächelnd zog er mit der freien Hand ihren langen Rock hoch, blickte auf schlanke, wohlgeformte Beine, die in feinen Strümpfen steckten. Er zwang sie auseinander und drängte sich mit der Hüfte dazwischen.
Bevor er aber weiter mit seinem Plan voranschritt, beugte er sich vor und wisperte in das Ohr seines lieblichen Opfers:
"Glaubst du, dass dein Mann dich noch wollen würde, würde er dich so sehen?"
Ein schriller, sehr zorniger Schrei erklang, gefolgt von üblen Flüchen im veralteter Sprache und dem metallenen Rasseln einer gezogenen Waffe.
Selail hatte zu lange gebraucht, als er dem Meer entstieg war seine Braut bereits fort, doch ihr Duft und ihre mächtige Aura noch weithin spürbar. Doch als er ihr nachgelaufen war, hatte sich erst Sorge, dann Zorn und nun blanker Hass in ihm gebildet, ähnlich einer vom Eis beschlagenen Scheibe.
Nun stand der Selkie hier, in dieser alten Ruine von einem Tempel, verdorben allein durch die Existenz dieser Kreatur, die sich an seiner Braut gütlich tun wollte.
"Dreckiger Parasit ", zischte Selail, während er sich näherte, noch konnte er nicht zuschlagen ohne auch Ailis zu gefährden, doch sobald sich nur sie die kleinste Lücke ergeben würde, dann könnte nichts auf der Welt dieses Wesen der Nacht retten. Der Hass ließ Selails Augen in kalten, blauen Flammen brennen, während sich eine weitere, scharfe Linie an seinem Schlüsselbein bildete, blau und scharfkantig.
Alistair hob eine Braue und warf dem Neuankömmling einen desinteressierten Blick zu.
"Ach, du bist also der Bräutigam dieser Göre?
Ich sollte nicht überrascht sein, dass ihr Duft auch andere anzieht ..."
Die rechte Hand noch immer um den Hals des Mädchens geschlossen, zog er es unsanft empor, indem er seine Linke unter ihren Rücken schob. Er presste das Gesichtchen an seine Schulter, sodass seine kleine Füchsin weder beißen, noch spucken konnte, ihr lächerlicher, nach Fisch und Algen stinkender Liebhaber aber sehr gut in ihre Augen blicken konnte.
"Ich muss zugeben", fuhr er fort und ließ die Finger zwischen die Haare des Mädchens gleiten, "dass ihr Selkies wahrlich garstige Kreaturen seid.
Eifersüchtig hütest du deine kleine Braut und hast sicher niemals von ihr gekostet."
Er hielt eine der roten Strähnen gegen sein Gesicht, roch daran und lächelte süffisant.
"Ein solches Prachtstück sollte von einem Mann genossen werden. Es ist zu schade, um einfach unberührt zu verwelken."
Ailis konnte sich nicht bewegen, bekam kaum Luft, denn die eiskalte Hand um ihren Hals schnürte ihre Atemwege beinahe völlig zu. Sie hatte Angst.
Doch die Angst fesselte sie nicht.
Sie lebte noch, war unversehrt bis auf die kleine Wunde an der Hand. Der Vampir wollte sie nicht töten, nicht sofort zumindest, sonst hätte er es bereits getan. Und alleine war sie ebenfalls nicht. Eine kurze Ablenkung, das würde vielleicht schon genügen.
Wenn sie sich nur bewegen könnte ...
Ihre Augen schielten durch den Raum, blieben flüchtig an einem Loch in der Decke hängen. Eine Erkenntnis durchzuckte ihren Kopf - und eine Idee.
Sie blinzelte Selail zu, ein Zeichen, das der Vampir kaum sehen konnte.
Dann stieß sie einige krächzende Laute aus, ein Husten, als kämpfe sie mit aller Kraft vergeblich um Luft, bis sie schließlich die Augen flatternd schloss und die Muskeln entspannte, sodass sie schlaff an ihr herabhingen.
Sie spürte, wie der Griff ihres Entführers sich entspannte, hörte ihn mit widerwilliger Stimme fragen:
"Was denn, bist du schon ohnmächtig, kleines Füchschen?
Der Spaß hat doch gerade erst begonnen."
Sie spürte, wie er ihren Hals losließ, stattdessen an ihren Schultern rüttelte.
Und dann war da plötzlich dieser Luftzug ...
Yua hatte abgewartet und gelauert, hatte ihre Aura verhüllt und auf dem Dach gesessen, durch den Spalt in der Decke gestarrt, die Szene beobachtet. Und dann, als Ailis ihr die Gelegenheit verschaffte, sobald der Untote einen Augenblick lang unaufmerksam war und seine widerlichen Klauen nicht mehr um ihren Hals gelegt hatte, sprang sie.
Die Wucht, mit der die weiße Füchsin im Nacken des Vampirs landete, riss ihn zurück und er fuhr mit wutentbranntem Schnauben zu ihr herum. Ailis wiederrum nutzte den Moment aus und rollte sich zur Seite. Aus den Augenwinkeln sah Yua sie hinter dem Altar verschwinden, doch sie selbst war zu sehr damit beschäftigt, dem Vampir mit gebleckten Zähnen entgegenzutreten und seine Aufmerksamkeit einzunehmen, als dass sie darauf hätte achten können, dass die Bibliothekarin weich landete.
Selail hatte Gift und Galle gespuckt, während er hilflos mitansehen musste, wie der in Geschwindigkeit und Stärke überlegene Vampir mit seiner Braut spielte. Als dann auch noch deren Körper erschlafft war, sie gehustet und gekrächzt hatte, war Selails Blut zu Eis geronnen, hatte blanke furcht sein Herz zum verkrampfen gebracht.
Sein Leben und die Kraft war mit ein Blitz in seinen Leib zurück geschossen, als der Vampir taumelte, etwas anderes hinterher fauchte.
Mit einem dunklen Grollen war der Selkie vorgeschossen, sein Schwert beschrieb einen silbern blitzenden, tödlichen Halbmond mit dem Ziel den Schädel des Vampirs zu Spalten.
Geschickt wich Ailistair dem Schwert des Selkies aus.
"Ein Seehund und eine Füchsin, welch merkwürdige Allianz", bemerkte er spöttisch, ließ sich nicht anmerken, dass hinter seinen dunklen Augen sehr fokussierte Gedanken ineinander übergriffen. Der Selkie mit seinem gewöhnlichen Schwert wäre an sich kein besonders beeindruckender Gegner gewesen, auch wenn er recht geschickt damit umging. Was ihm mehr Sorge bereitete war die Kitsune. Nur einen Schweif hatte sie, aber der konnte reichen, um ihr die Kraft zu verleihen, Feuerbälle zu speien und geschickt waren diese Biester immer.
Blieb nur zu hoffen, dass sie in ihrer Jugend noch nicht in der Lage war, wie eine alte Neunschwänzige zu kämpfen.
Selail schenkte dem Vampir nur ein wütendes Fletschen harmloser, menschlicher Zähne, ließ sein Schwert erneut tanzen und setzte ihm nach, lenkte gleichzeitig von der kleinen Füchsin ab. Es interessierte den Selkie im Moment nicht, dass ein weiteres, mythisches Wesen hier war, ihm Ailis streitig machte. Solange sie in Gefahr schwebte, würde er alles und jeden an seiner Seite dulden. Wenn nur seine Braut dadurch in Sicherheit war.
Aus den Augenwinkeln sah Alistair ein feuriges Licht und wusste, dass die weiße Füchsin ihm in wenigen Sekunden eine Flammenkugel entgegenschleudern würde. Es würde schwierig sein, sie abzuwehren, das wusste er. Also beschloss er, für ein wenig Verwirrung zu sorgen, während die beiden Hitzköpfe ausgelaugt wurden.
Ein paar leise Worte, schnelle Bewegungen und grünes Licht hüllte den Vampir ein, formte sich, und wo zuvor eine Gestalt gewesen war, waren nun fünf, die einander aufs Haar genau glichen und auseinanderstoben.
"Feigling!", zischend wandte Selail sich so, dass er die Wand im Rücken glaubte. Eis spielte bereits um seine Finger, um die Klinge des Schwertes. Eis, das gegen einen sterblichen Gegner tödlich wirkte, würde einen Vampir nur zu einem müden Lächeln bringen. Dennoch biss der Selkie die Zähne zusammen, versuchte die neue Menge an Gegner zu erkennen, zu unterscheiden.
Alistair schenkte dem Selkie nur höhnisches Gelächter aus fünf Quellen, umtanzte ihn spöttisch.
Erwartungsgemäß konnte er die Füchsin nicht täuschen und nur mit Mühe ihrem Feuerball ausweichen, doch er schaffte es noch, sich halb hinter den Seehundmenschen zu manövrieren und nach seiner Schulter zu schnappen.
Seinesgleichen mochten Vampirbisse ganz und gar nicht ...
Fluchend sprang Selail zur Seite, sein Schwert tanzte, beschrieb einen Bogen und teilte eines der Abbilder direkt in der Mitte. Der Selkie ahnte, ohne die Kitsune wäre er völlig unterlegen.
Der Sprung des Selkies kam ungelegen, denn dadurch wich er den Alistairs Zähnen aus, die ansonsten seinen Hals erwischt hätten. So ging der Biss ins Leere, doch wenigstens stand er noch immer in guter Position - hinter dem Mann.
Erneut biss er zu, traf diesmal sogar, riss eine kleine Wunde in den Oberarm.
Leider stellte sich die Allianz seiner beiden Gegner als ziemlich rücksichtslos heraus, denn dass der Selkie zwischen ihnen stand, hinderte die Füchsin nicht daran, eine feurige Kugel in Alistairs Richtung zu schleudern. Womöglich war es aber auch lustiges Kalkül, dann dadurch kam der Vampir nicht dazu, eine tiefere Wunde zu reißen.
Mit einem Knurren sprang er zurück, spürte brennend heißen Schmerz in der Seite, als das magische Feuer ihn dort traf.
Selail schrie auf, der giftige Speichel des Vampirs -für Selkies giftig - brannte wie Säure auf seiner Haut, in seinem Blut. Zugleich beflügelte der brennende Schmerz ihn, ließ Selail alles auf eine Karte setzen.
Mit blitzender, grell aufleuchtender Klinge wirbelte Selail herum, die Sicht verschwommen von Schmerzenstränen, beinahe blind.
Seine Klinge traf auf Widerstand, durchtrennte Gewebe und Knochen, teilte einen Körper und der Selkie wünschte sich, dass es der Kopf des Vampirs wäre, der mit nassem Schmatzen zu Boden fiel.
Sich hastig mit dem Handrücken über die Augen streichend, wich der Selkie zurück, erkannte dass er den Vampir zwar getroffen hatte, dieser aber noch nicht tot war.
Ein Laut des Schmerzes und der Wut, eine Mischung aus Zischen und Geulen hallte durch den verlassenen Tempel, als Alistairs linker Arm zu Boden fiel. Blut, dunkel und magisch, färbte die Wasserlache, in der er stand, rot. Seine Trugbilder verschwanden, denn obwohl Leben und Wärme seinem Körper schon lange fremd waren, obwohl der Verlust eines Arms nur ein temporäres Hindernis war, war seine Konzentration durch das plötzliche Aufwallen von Schmerz gestört worden.
Einen Augenblick lang regte er sich nicht, stand dem Selkie wie im Schock gegenüber. Dann verdunkelte sich sein Blick, er entblößte die weißen, messerscharfen Fänge.
"Bastard", knurrte er. "Weißt du, wie teuer dieses Hemd war!?"
Er zögerte nicht mehr und stürmte vor, wich jedoch im letzten Moment dem Schwertkämpfer aus und schnellte auf den Altar zu, wirkte gleichzeitig einen kurzen Schutzzauber.
"Dafür wird deine Braut meine Sklavin!"
Einen neuen Ghul konnte er ohnehin gut gebrauchen. Der einzige, den er im Augenblick besaß, benötigte immer mehr seines Bluts und das wurde lästig.
Den kleinen, weißen Schatten, den er kurz aus den Augen gelassen hatte und der nun neben dem Altar hervorhuschte, ignorierte er, umkreiste stattdessen in Windeseile die steinerne Opferstätte und griff nach einem Schopf roter Haare und zerrte das Mädchen mit seiner einen Hand nah an sich heran.
"Du hast Glück, kleine Füchsin", spottete er, "du darfst noch eine Weile leben und dir wird die große Ehre zuteil, mir zu dienen."
Doch statt Angsttränen oder Kampbereitschaft trat nur eine Regung in das Gesicht des Mädchens:
Ein Lächeln.
Zu spät bemerkte Alistair seinen Fehler, zu spät erinnerte er sich daran, dass er nicht der einzige Meister der Täuschung im Raum war.
Denn als es ihm bewusst wurde, färbten sich die Haare des Mädchens bereits schwarz, die Augen wurden dunkel und mandelförmig, der Körper wurde der einer Frau und in der schmalen, weißen Hand erschien eine Feuerkugel, die mit voller Wucht seinen Brustkorb traf, ihn zurückschleuderte und wahrscheinlich ein Loch in ihn gerissen hätte, wäre da nicht der schützende Zauber gewesen, welcher nun jedoch ebenfalls zerbrach.
Und während Alistair noch rückwärts taumelte, benommen mit dem Gleichgewicht kämpfte, sah er, wie die kleine, weiße Füchsin sich auflöste und stattdessen ein rothaariges Mädchen an ihre Stelle trat.
Knurrend sprang Selail dem Vampir nach, der geblendet und verwundet von der Füchsin fort taumelte, das Schwert bereits erneut gehoben und drauf und dran den Körper des Vampirs in der Mitte zu Spalten.
"Niemand rührt meine Braut an und überlebt!"
"Dann trifft es sich ja gut, dass ich schon tot bin", erwiderte Alistair heiser und wankte zur Seite. Das Schwert teilte ihn nicht, versetzte ihm aber wohl eine üble Schnittwunde am Rücken.
Und auch die Kitsune schien sich wieder zum Angriff bereit zu machen.
Die Karten standen schlecht für den Vampir und er bezweifelte, dass sich das Blatt noch einmal wenden würde.
Also erschuf er mit letzter Kraft aufs Neue Trugbilder und nutzte den Moment der Verwirrung zur Flucht.
Schwor sich Rache, noch ehe er den Tempel ganz verlassen hatte.
Der Vampir wurde in dem Moment für Selail uninteressant, als er den Rückzug antra. Der Selkie schnaubte nur, ehe er sein Schwert fallen ließ, nicht mehr in der Lage war es mit dem verwundeten Arm zu halten. Dicke, dunkle Linien hoben sich unter seiner Haut hervor, hart und sich windend, den Verlauf seiner Adern gefüllt mit erkalteten Wachs anstelle des Blutes.
"Verdammt."
Besorgt eilte Ailis auf ihren Bräutigam zu.
"Ist alles in Ordnung?"
Ehe sie Selail erreichte, spürte sie eine warme Berührung an ihrer Schulter, Yuas Hand.
"Der Biss eines Vampirs ist Gift für Selkies", erklärte die Kitsune leise.
"Es geht gleich wieder", grollte Selail dunkel, schüttelte den Kopf und straffte sich. Das Gift des Vampirs tropfte langsam aus seiner Wunde, wurde von einem stetigen, heilenden Strom blauer Magie verdrängt.
Ailis fuhr unter dem Klang seiner Stimme leicht zusammen, nickte aber, lehnte sich leicht an Yua.
Warm war sie, weich.
So anders, als die Hand des Vampirs, welche sie um ihren Hals gespürt hatte.
Noch immer spürte.
Mit einem Mal begannen Ailis’ Glieder zu zittern und eine schwere Müdigkeit überkam sie.
Ihr Körper, der die ganze Zeit über so vorbildlich zusammengehalten hatte, schien nun, da die Gefahr gebannt war, nachzugeben.
Das Zittern in den Gliedern seiner Braut ließ Selail das Schwert fallen lassen, achtlos, vergessen. Er trat rasch heran, legte eine Hand auf Ailis' zarten Rücken.
"Ai", flüsterte der Selkie leise und strich liebkosend über ihren Rücken. Sanft und zärtlich. "Es ist vorbei."
Bei der plötzlichen Berührung gaben Ailis’ Glieder völlig nach, sie machte einen halben Schritt auf den Selkie zu, sackte dann gegen ihn.
"Danke, dass du gekommen bist", wisperte sie und drückte das Gesicht gegen Selails Brust. "Danke, dass ihr beide gekommen seid ..."
Man hatte sie nicht allein und im Stich gelassen.
Man hatte sie nicht vergessen.
Diesmal nicht.
Sacht legte Selail die Arme um seine Braut, hielt sie aufrecht, drückte sie an sich. Erleichtert, dass ihr Herz noch schlug, ihr Blut noch warm war und das Leben noch in ihrem Leib steckte.
"Ich werde immer kommen, Ailis, immer."
"Mhm."
Eng schmiegte Ailis sich an Selail, schloss die Augen.
Eine angenehme Wärme ging von ihm aus, durchströmte sie und vertrieb die Kälte. Sie stand noch immer in einer halbverfallenen Kirche, die Luft war noch immer feucht, kalt und modrig, doch sie hatte keine Angst mehr. Fühlte sich geborgen und sicher, wenn sie so von ihrem Selkie gehalten wurde.
"Ich liebe dich, Sel", murmelte sie.
Denn welche Erklärung gab es sonst dafür?
Yua trat einen Schritt näher und strich sanft durch Ailis’ Haar.
Doch ihre Augen waren fest auf den Selkie gerichtet.
Sie war nicht eifersüchtig, gönnte der jungen Bibliothekarin ihr Glück. Sie sollte ruhig die Freuden erfahren, die ein Mann mit sich bringen konnte.
Doch sollte sie jemals loslassen wollen, würde Yua wohl helfen müssen. Denn die Seehundmänner waren nicht bekannt dafür, ziehen zu lassen, was sie einmal für sich beansprucht hatten.
"Sei gut zu deiner Braut", raunte die Kitsune dem Mann leise zu, während sie an ihm vorbeihuschte und sich zu der Stelle begab, wo bis eben noch der Vampirarm gelegen hatte.
Zerfallen war er mittlerweile, hatte nur ein Häufchen Staub und Asche übriggelassen. Das und einen feinen Geruch von Tod.
Es würde schwierig sein, dieser Spur zu folgen, aber Yua war bestrebt, es dennoch zu versuchen und den Blutsauger zur Strecke zu bringen.
Alleine, wenn niemand sie aufhalten konnte.
Ihre Lippen hatten sich bereits zu einem schadenfrohen Lächeln verzogen, als sie das Gebäude verließ.
Ein breites Grinsen huschte über seine Lippen, als Selail seine Braut auf die Arme hob, aus der verfallenen, geschändeten Kirche trug, schon befleckt bevor der Blutsauger sich dort heimisch eingerichtet hatte.
Überrascht blinzelte Ailis und klammerte sich reflexartig an Selail fest, als der sie einfach vom Boden hob, als sei sie eine Feder. Doch sie entspannte sich schnell. Er würde sie nicht fallen lassen. Bestimmt nicht.
Außerdem war es angenehm, getragen zu werden, wo ihre Beine doch so zittrig und ihre Augen so müde waren.
Und so war sie viel näher an Selails Gesicht, konnte den Kopf auf seine Schulter betten.
Sacht küsste Selail die Stirn seiner Liebsten und summte leise, sanft.
"Nach Hause?", murmelte er heiser, mit weicher Stimme.
Ailis nickte schwach, doch sie lächelte.
"Bitte.
Ich bin auf einmal so müde ..."
Sanft berührte sie seine Wange, die kobaltblaue Zeichnung.
"Es tut mir leid."
"Ist völlig in Ordnung ", Selail schmiegte die Wange an ihre Berührung, sah besorgt zu dem Bündel hinab, das er in den Armen trug, seine Braut nannte. Dann jedoch lächelte er, trug sie als würde sie nichts wiegen.
"Vielleicht werde ich wieder wacher, wenn ich zu Hause bin."
Sanft legte Ailis die Hand in seinen warmen Nacken und kraulte die feinen, dunklen Härchen, welche dort wuchsen, beugte sich ein wenig vor und raunte vergnügt:
"Ich habe ein schönes Buch gefunden, das ich dir zeigen will."
"Was für ein Buch.", Selail schritt langsam durch die Gassen, die Straßen, lächelte Ailis dabei sanft an.
"Eins mit Geschichten über Selkies", antwortete Ailis.
"Nur mit Geschichten über Selkies. Manche sind nur Märchen, aber es sind ein paar dabei, die dem ähneln, was du mir erzählt hast."
Sie lachte leise, fast ein bisschen schüchtern.
"Ich will mehr über euch lernen.
Jetzt wo ich deine Braut bin ..."
Und wie eine solche wurde sie durch die Straßen getragen. Viel sehen konnte sie aus ihrer Position nicht, doch sie erkannte, dass Selail den schnellsten Weg zur Akademie einschlug.
Das war ihr Recht, denn sie bemerkte, wie einige der wenigen zu dieser Stunde noch Vorübergehende ihnen seltsame Blicke zuwarfen und das war ihr unangenehm.
"Oh? Erzähl mir ein wenig. So wie ich dich kenne, hast du es schon gelesen, nicht wahr?" Selail grinste und ignorierte, wer sie ansah. Das bisschen Aufmerksamkeit, wen kümmerte das schon.
"Natürlich!", erwiderte Ailis in gespielter Empörung. "Glaubst du, ich würde dir ein Buch vorsetzen, das ich nicht kenne?"
Sie kicherte und schmiegte sich eng an ihren Bräutigam.
Langsam wurde sie wirklich wieder wacher, der Schreck war anscheinend völlig aus ihren Gliedern gewichen.
Trotzdem wurde ihre Miene nachdenklich und im Geiste wiederholte sie all die Worte, welche sie am Vortag gelesen hatte.
"Viele sind romantische Geschichten mit Selkies und Menschen, die sich lieben.
Aber manche sind auch traurig, wie die eine, in der ein Mann seine Selkiefrau tötet, weil er sie in ihrer anderen Gestalt nicht erkennt und sie darin nicht seine Sprache spricht.
Wieder andere sind ..."
Sie runzelte die Stirn, suchte nach dem richtigen Wort.
"... furchterregend. Selkies, die Menschen entführen, um sie zu ihren Bräuten und Bräutigamen zu machen, sie auf Schiffen im Meer gefangenhalten."
"Ah..." Selail merkte, wie sein Gesichtsausdruck traurig wurde, er sah zur Seite und biss sich auf die Unterlippe. "Ja, das ist kein Märchen. Manche...habe nicht das Glück so angenommen zu werden...
Weißt du, wir Selkie verlieben uns schnell, aber entlieben uns nur sehr, sehr langsam...
Und...einige schrecken vor Gewalt nicht zurück."
Ailis schwieg bedrückt, ließ sich einfach eine Weile tragen, ohne ein Wort zu sprechen, dachte nach.
"Solche Menschen gibt es auch", antwortete sie schließlich zaghaft. "Ich weiß, dass du so etwas nicht tun würdest."
"Dein Vertrauen ehrt mich", murmelte Selail leise in ihr rotes Haar, küsste es sacht und trat mit Ailis auf den Armen in das Innere der Akademie. Schweigend trug er sie durch stille Flure, vorbei an geschlossenen Türen in ihr Zimmer.
"Ich weiß es einfach."
Als Ailis auf ihrem Bett abgesetzt wurde, war sie noch lange nicht bereit, Selail loszulassen.
Während er noch da stand, schlang sie die Arme um seine Taille und drückte das Gesicht gegen den weichen Stoff seines Hemds.
"Ich habe einmal einen Fehler gemacht", murmelte sie undeutlich, Röte stieg in ihre Wangen. "Ich will es nicht noch einmal tun."
Nachdenklich sah Selail zu der jungen Frau herab, ehe er matt lächelte und sich zu ihr gesellte, sich neben ihr auf dem Bett ausstreckte, dass Ailis ihn weder loslassen musste, noch dass er in unbequemer Position verharren musste.
"Weißt du, Ailis...Fehler gehören zum Leben dazu.", sagte er leise, sanft, während er mit ihrem roten Haar spielte. "Sie tun weh, aber man lernt aus ihnen. Und ich weiß, dass du kein Fehler bist."
Irgendetwas lag in Selails Worten, das Ailis beruhigte, ihr Zuspruch gab.
Den letzten Stein der Mauer brach, die sie um ihr Herz gebaut hatte.
"Und ich weiß, dass du keiner bist", antwortete sie leise und lächelte.
Dann sah sie zu ihm auf, schaute in seine Augen. Blau wie der Himmel und so unglaublich sanft, obwohl er doch ein Wesen der stürmischen See war.
"Ja", fügte sie bekräftigend hinzu, lachte leise, "das bist du wirklich."
Und dann, flüchtig, vorsichtig, schüchtern, küsste sie zum ersten Mal seine Lippen.
zuletzt bearbeitet 07.09.2015 15:43 |
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