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03. Ein Kind für Leira

in Herbst 516 07.09.2015 14:36
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

- Gewaltdarstellungen


Es war wieder geschehen.
Trotz ihrer Liebe zu Marduk, trotz aller Hingabe, aller Leidenschaft, war es wieder geschehen.
Ein Jahr kannten sie sich nun schon und trotz all der Nächte, die sie gemeinsam verbracht, in denen sie sich in hungrigen Umarmungen aneinander geklammert, sich beißendem Schmerz, brennender Lust hingegeben und sich ineinander verloren hatten, trotz all dieser süßen Liebesnächte war ihr Leib leer geblieben, tot.
Müde hatte sie sich früh am Morgen aus den Laken geschält, von Marduks warmen, schlafenden Körper fortgeschlichen und angekleidet, dabei das Blut in ihrem Höschen entdeckt.
Es geschah nicht oft, sehr unregelmäßig nur, wie ein kranker, niederträchtiger Scherz, den die Göttinnen da mit ihr trieben, um ihre Hoffnungen ein fürs andere Mal aufs Neue zu vernichten.
Aber letztendlich trug keine Göttin trug Schuld an dieser Situation. Leira allein hatte sie herbeigeschworen, indem sie vor so vielen Jahren das Gift getrunken hatte, welches ihren Körper am Heranwachsen, am Altern hinderte. Damals war es ihr wie der einzige Ausweg erschienen, heute bereute sie es zutiefst.
Denn was hatte es ihr genutzt? Sie war in die gierigen Hände eines seltsamen Wissenschaftlers verkauft worden, statt in die eines Bordellbesitzers, hatte dadurch ein Stück falscher Unschuld behalten können.
Und wofür? Dafür, dass sie diese hatte Marduk schenken können, das eine Mal und nie wieder danach? Ein Geschenk, das nichts war als eine Erinnerung, und eine Lüge noch dazu, nichts als die Illusion von Reinheit und Unschuld.
Der Preis war zu hoch gewesen und es gab keine Möglichkeit, das Gezahlte zurückzufordern. Leira würde sich nicht mehr verändern, in der Gestalt für immer einem jungen Mädchen gleichen, welches gerade erst die Schwelle zum Erwachsenwerden betreten hatte. Mit schmalen Beinen, großen Augen in einem kindlichen Gesicht, Hüften, die kaum breiter waren als ihre schlanke Taille und Brüsten, die immer knospen, nie aber die rundliche Fülle eines Frauenbusens erreichen würde. Das würde sie immer sein, keine begehrenswerte Schönheit, sondern ein niedliches Kind mit einem Körper, der einfach keine Früchte trug, der vermutlich niemals in der Lage sein würde, dem Mann, den sie liebte das größte aller Geschenke zu machen.
Ihn für immer an sie zu binden.

Dicke, schwere Tropfen durchnässten ihr hellblondes Haar, ließen es an ihrer Haut kleben, doch das kümmerte Leira nicht. Sie stand in einer grauen Gasse, grauer noch als sonst durch das Licht dieses frühen Herbstabends. Der Himmel war schwarz vor Regenwolken und kühles Wasser prasselte unentwegt herab. Das Gebäude, neben dem sie stand war völlig verlassen und vernagelt, bis auf ein winziges Fenster, durch welches ein Kind passte.
Dann und wann eilte der ein oder andere Mensch an Leira vorbei, ohne ihr Beachtung zu schenken, denn bei diesem Regen interessierte man sich in erster Linie dafür, so schnell wie möglich ins Trockene zu gelangen. Außerdem hatte sie einen Zauber gesponnen, der sie vor Blicken schützte, damit niemand sie von ihrem Vorhaben abhalten konnte. Oder es erahnen.
Sie wartete.
Und wartete.
Dann, plötzlich erschien das, worauf sie gewartet hatte.
Sie hatte das Mädchen schon seit mehreren Tagen beobachtet, wusste genau, dass es irgendwann zurückkommen musste. Wahrscheinlich hatte es keine Eltern mehr und suchte deswegen Zuflucht in einem verlassenen Haus. Ein hübsches Kind, selbst wenn es derart durchnässt durch den Regen rannte. Leicht spitze Ohren, große, grüne Augen. Helles Haar mit einem matten, rötlichen Schimmer, doch selbst das passte, denn Leiras Vater hatte rötliches Haar besessen.
Dieses Kind würde ihres sein.
Ihres und Marduks, das Kind, welches ihr Leib ihr verwehrte.
Als es sich anschickte, durch das Fenster ins Innere des Hauses zu klettern, griff Leira ein.

Sie legte das schlafende Kind im Keller ab. Die Zauber, welche vor Blicken schützten und verhinderten, dass Laute nach draußen drangen, hatte sie noch am Morgen erneuert.
Es war der perfekte Ort.
Hier könnte das Kind bleiben, bis es verstanden hätte, dass Leira jetzt seine Mutter war.
Und dann würde das Leben vollkommen sein.

Knurrend drehte Marduk sich im Bett, spürte nur kalte Laken und erhob sich genervt. Er strich sich über die Narben, streckte sich und kramte dann aus der Kommode seine Kleidung hervor.
"Verrücktes Weib." Leira und ihre weibische Ordnung. Die silbrigweiße Mähne nur nachlässig mit den Fingern kämmend, angekleidet ging Marduk die Stufen hinab in die Küche.

Leira war bewusst, dass der Schlafzauber nicht mehr lange anhalten würde. Und auch, dass sie das Mädchen schlecht einfach nass hier liegen lassen konnte. Außerdem war es schon spät, es dunkelte bereits und das Kind würde sicher hungrig sein, wenn es aufwachte.
Also verschloss sie die Tür fest hinter sich und eilte nach oben ins Haus, bis auf die Haut durchnässt, aber gut gelaunt wie sie es schon seit Langem nicht mehr gewesen war.

Gelangweilt und hungrig wie ein Wolf war Marduk durch die Küche gestreift, ehe er einen übrig gebliebenen Fleischstreifen kaute. Sich nicht an der glibberigen, rohen Substanz störend.

Kaum dass Leira ihre Wohnung betreten hatte, streifte sie naserümpfend die nasse Kleidung ab, zuerst ihre Stiefel, dann Bluse und Rock. Selbst das hauchdünne Hemdchen darunter war völlig mit Wasser durchtränkt und klebte an ihrer bleichen Haut. Kalt war ihr auch, schließlich war die heiße Jahreszeit vorüber.
Aber das alles war den Lohn wert.
"Liebster?", rief Leira laut. "Bist du schon wach?"
Manchmal schlief Marduk bis in den Nachmittag hinein, wenn sie ihn nicht weckte...

Dunkles Grollen antwortete ihr von der Küche, wo Marduk sein... animalisches Mal beendet hatte. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Anrichte. Mit verschränkten Armen, damit er nicht das Messer nahm und ihr seinen Namen in den Körper ritzte.

"Ah, ich höre dich~"
Lächelnd wischte Leira sich eine nasse Strähne aus den Augen und legte ihre fast schon triefenden Kleider vorerst beiseite. Sie würde sich später darum kümmern. Erst würde sie ihren Liebsten begrüßen.
Also trat sie barfuß und in nichts als ihr nasses Unterhemd bekleidet in die Küche, erblickte auch schon gleich Marduk und lief auf ihn zu, schlang die Arme um seine Taille und küsste sanft eine der Narben seines Unterarms.
"Hallo~"

"Wo warst du?" Brutal packte er ihr Haar, zog den Kopf zurück und fletschte die Zähne. Marduk hatte immer schon Ähnlichkeiten mit einem Wolf gehabt, sofern man ihn nur genug reizte, dass diese löchrige, brüchige Fassade scheinbarer Zivilisation zusammenbrach.

Leira kicherte leise.
"Was bist du heute stürmisch ..."
Trotzdem, besonders angenehm war es nicht, wie Marduk sie nun berührte, also wand sie sich und fügte hinzu:
"Ich war weg.
Habe etwas für uns besorgt."

"Etwas?" Nun lockerte sich Marduks Griff, er war besänftigt, aber noch nicht völlig ruhig gestellt.

"Ja, etwas."
Leira legte eine Hand an Marduks Wange.
"Etwas sehr Schönes. Lass mich los und ich zeige es dir."

Das Gesicht verzogen entspannte Marduk doch seine Finger, ließ sie los, doch noch immer ein misstrauisches Funkeln in den Augen.

Leira lächelte ihren Geliebten noch einmal sanft und beschwichtigend an, ehe sie sich umdrehte und im Schlafzimmer verschwand, nach einer Minute vollständig bekleidet und mit ein paar Handtüchern und abgetragenen Kleidern bewaffnet zurückkehrte.
Sie wühlte kurz im Schrank, holte eine Scheibe Brot hervor und nickte Marduk schließlich zu.
Dann ging sie voraus, führte ihn in den Keller, wo das kleine Mädchen noch immer reglos lag.
Sofort eilte Leira hin und hüllte es mit einem versonnenen Lächeln in die mitgebrachten Handtücher.

"Was...ist...das?!" Nur mühsam presste Marduk die Worte hervor, spuckte sie zusammen mit Zorn aus. Er deutet auf das Kind, während sein Körper vor Wut zu vibrieren schien, er unwillkürlich nach den Strömen pechschwarzer Magie griff.

"Ein Mädchen", erwiderte Leira sanft und trocknete zärtlich das lockige Haar des Kindes. "Ich kenne den Namen dieser Kleinen nicht, aber ich habe sie gesehen und wollte sie gleich behalten. So ein süßes Ding!"
Leise kicherte sie und schaute Marduk mit strahlenden Augen an.
"Sie sieht mir ähnlich, findest du nicht?"

"Schaff dieses Ding weg." Marduk fletschte die Zähne, er kniff die Augen zusammen, während seine Hände sich zu Fäusten ballten.

Leira starrte Marduk an, als hätte sie ihn gerade zum ersten Mal gesehen.
"Warum?", fragte sie mit großen Augen.
"Gefällt es dir nicht? Soll ich ein anderes suchen?"
Sie warf einen flüchtigen Blick auf das Mädchen, fragte sich, ob es ihm wohl lieber gewesen wäre, sie hätte eins ausgesucht, dass ihm mehr ähnelte.

"Schaff diese Missgeburt hier weg, oder ich tue es!", brüllte Marduk, er holte aus und traf Leiras Wange, war ihr direkt hinterher gefolgt und setzte an noch mal zuzuschlagen.

Leiras Haut brannte wie Feuer, ihr Schädel dröhnte.
Am meisten aber schmerzte diese Zurückweisung. Während sie sich taumelnd aufrappelte, vor ihrem Liebsten zurückwich, um weiteren Schlägen zu entgehen, traten Tränen in ihre Augen. Trotzige, zornige Tränen, begleitet von einem jähen Aufflackern in ihrer Hand, eine Flamme, die kämpferisch um ihre Haut tanzte.
"Warum!? Was passt dir daran nicht!?"

"Was soll das Balg?! Es gehört nicht her!!", brüllte Marduk, schlug wieder auf den zierlichen Körper ein, das Kind war aufgewacht und hatte sich irgendwohin verkrochen, er konnte es wimmern hören, weinen. Und jeder kleine Laut zerrte und zupfte an seiner Geduld.

Diesmal reagierte Leira sofort, als Marduk Hand mit voller Wucht auf sie einschlug, krallte sich mit der brennenden Hand in seinen Arm.
"Es gehört jetzt hierher!", schrie sie. "Es ist meins, es gehört mir!
Was stört dich daran!?"

Marduks Gesicht verzog sich zu einer Fratze puren Wahnsinns, er schüttelte seinen Arm, schleuderte Leira von sich, ungeachtet der Tatsache dass ihre brennenden Nägel seinen Arm aufschlitzen, dass das Kind begann zu schreien.

Geirrt, Leira hatte sich geirrt und einen schrecklichen Fehler gemacht. Und nun war sie im Begriff, beides zu verlieren, was sie begehrte - das Kind, nach dem sie sich immer gesehnt hatte, und den Mann, den sie liebte.
Kindliche Tränen rannen bei dieser Erkenntnis ihre Wangen herab und sie musste die Miene verziehen, um nicht laut aufzuschluchzen.
"Marduk ... Liebster ... bitte", brachte sie schließlich hervor und machte einen Schritt auf ihn zu. "Lass es mich behalten ... ich werde dich nicht vernachlässigen und meine Pflichten auch nicht."
Sie schluckte, als ein Gedanke sich in ihrem Kopf bildete, eine Idee, wie sie sich retten konnte.
"Ein Handel. Lass uns einen Handel schließen."
Sie trat einen Schritt auf Marduk zu und fuhr fort:
"Du lässt mich das Kind behalten und ich tue für dich, was du willst. Egal was. Alles."

Die blinde Rage verebbte, stattdessen brodelte in Marduk nun etwas anderes hervor, ein schrilles, wirres Lachen flutete aus seiner Kehle, sein blindes Auge färbte sich rötlich, vergoss Träne aus Blut, ohne dass er es bemerkte.
"Ist es nicht süß?", zischte er giftig, hob das Kind hoch und drückte es mit dem Rücken gegen seine Brust, Zeigefinger und Daumen bohrten sich in die Weichen Wangen, schüttelten den kleinen Kopf leicht. "So klein und zerbrechlich~"

Leiras Augen weiteten sich vor Entsetzen.
"Lass sie los!", befahl sie in einer Mischung aus Panik und Wut. "Lass sie sofort los!"
Sie sprang auf ihn zu, riss ihrerseits an dem Kind, welches dadurch nur noch lauter schrie.

Abrupt ließ Marduk sie los. Das Kind und Leira fielen, fehlte doch sein Gegenzug, beide stolperten, kullerten über den Boden wie lebendige Puppen.
Mit drei langen Schritten war Marduk aus dem Keller gegangen, in der Wohnung verschwunden.

Benommen rappelte Leira sich auf und huschte auf das leise wimmernde Mädchen zu.
"Bist du verletzt?"
Eine sanfte Berührung am Arm hatte nichts als ein jähes Zusammenzucken und Verstummen zur Folge.
Einen Moment lang herrschte nichts als Stille, dann schaute das Mädchen auf, wisperte:
"Wo bin ich?"
"Zu Hause."
Erneutes Schweigen, dann kam eine etwas trotzige Antwort:
"Hier ist nicht mein Zuhause!"
"Jetzt schon." Leira lächelte nachsichtig und fügte hinzu: "Du wirst dich schon noch dran gewöhnen."
Sie umrundete das Kind und holte die Decke, welche heruntergefallen war, als Marduk es gepackt hatte, reichte sie der Kleinen gemeinsam mit dem mitgebrachten Brotstück. Dann deutete sie auf den großen, ausgepolsterten Sarg, der hier nun schon seit mehreren Jahren unbenutzt stand.
"Darin kannst du schlafen. Und wenn du dich gut benimmst, bekommst du auch ein richtiges Bett~"
"Ich will nach Hause!"
Rasch huschte Leira aus der Türe, säuselte noch:
"Aber du bist doch zu Hause."
Dann verriegelte sie den Keller und machte sich auf die Suche nach Marduk.

Grollend riss Marduk Lebensmittel aus dem Vorratsschrank, ließ zu Boden fallen, was ihm nicht zusagte. Erst als er ein Stück von Leiras Fleischpastete in den Fingern hatte, hielt er inne, drehte das Stück Gebäck zwischen den Fingern. Fleisch, wenn es richtig zu bereitet wäre, schmeckte genauso wie jedes andere. Vor allem für unerfahrene Zungen.

Kopfschüttelnd betrat Leira die Küche, stemmte die Hände in die schmalen Hüften.
"Wenn du etwas suchst, kannst du danach fragen", beschwerte sie sich. "Kein Grund, alles durcheinander zu werfen."
Seufzend begann sie, aufzuheben, was Marduk fallen gelassen hatte.
Männer und Ordnung ... ohne Leira würde der Haushalt im Chaos versinken.

Ohne sich um Leira zu kümmern, wandte Marduk sich ab, seinen Gehstock und gleichzeitig auch Sense in der Hand. Er starrte mit einem glasigen, abwesenden Blick auf die kleinere Frau hinab, dann jedoch hüllte er sich in den Mantel und machte sich auf den Weg sang und klanglos zu verschwinden.

Alarmiert richtete Leira sich auf, starrte ihren Liebsten an.
"Warte, Marduk ..."
Sie konnte die anschwellende Angst nicht völlig aus ihrer Stimme - und schon gar nicht aus ihrer Gestik - halten, als sie nach seinem Mantel griff, sich unwillkürlich darin festkrallte.
"Wo willst du hin?"

"Halts Maul, Weib!", brüllte Marduk nur zurück, entriss grob seinen Mantel ihrem Klammergriff. Seinen Gehstock mit der eingebauten Sense packend verschwand er aus dem Haus, mischte sich fluchend unter die Passanten. Dieses dumme Weibsbild, machte immer nur halbe Sachen und er durfte aufräumen. Erwürgen sollte er sie.

Leira war nicht schnell genug, um Marduk einzuholen, bevor er im strömenden Regen zwischen den Menschenmassen verschwunden war. Einen Augenblick lang starrte sie in alle Richtungen, konnte aber beim besten Willen nicht sagen, wohin er gegangen war.
Er wird zurückkommen, sagte sie sich, fieberhaft darum bemüht, gegen die Tränen anzukämpfen. Er ist immer zurückgekommen.
Sie drehte sich auf dem Absatz um und stapfte zurück ins Haus.
Er würde sicher nicht mehr wütend auf sie sein, wenn bei seiner Rückkehr warmes Essen auf dem Herd stünde. Und wenn doch ... nun, sie hatte vor einigen Tagen ein neues Nachthemd gekauft, das er noch nicht kannte. Er würde ihr verzeihen müssen.

Unter seinem Atem fluchend und murrend wankte Marduk nach endlosen Stunden wieder in das Haus, ließ den löchrigen Mantel aus schwarzer Magie fallen, ebenso wie seinen blutigen, zerschlissenen Mantel. Sein Gehstock fiel klappernd zu Boden, Marduk hinterließ eine Spur aus Blut. Nicht das eigene.
"LEIRA!", seine Stimme donnerte durch das ruhige Haus, er ballte die Faust enger um das winzige, blutige Schmuckstück.

Da war er also wieder ...
Die gefühlte Ewigkeit, die mit Kochen und nach dem Kind Sehen gefüllt worden waren, voller Nervosität und Sorge, waren nicht umsonst gewesen.
"Ich komme!"
Rasch ließ Leira den Löffel los, mit dem sie im Eintopf gerührt hatte, der auf dem Herd brodelte, und eilte zur Tür, die in den Flur führte. Dort fand sie ihren Geliebten auch, in blutige Kleidung gehüllt und nass vom Regen.
"Wo warst du denn, Liebster?"

Unsanft packte Marduk ihr Handgelenk, wirbelte herum und rammte sie mit dem Rücken gegen die Wand, hielt sie in der Luft. Seine Hände waren blutig und rutschig, dennoch spaltete er Leiras Ringfinger ab, zwängte einen engen, nassen, kalten Ring über ihre zarte Gliedmaße.
"Sehe ich dich auch nur einmal ohne, dann bring ich dich um!"

Leira zuckte zusammen, als sie Marduks grobe Berührung und die kalte, harte Wand im Rücken spürte.
Sie machte sich schon gefasst, wieder streiten, wieder kämpfen zu müssen, doch dann streifte er ihr das Schmuckstück über und sie hörte seine Worte.
Überrascht starrte sie ihren Finger an, das blutbefleckte Silber, welches sich darum wand.
Das kam nun doch unerwartet.
"Für ... für mich?", stammelte sie.

"Dummes Weib, warum machst du immer alles nur zur Hälfte?" Knurrend ließ Marduk sie los, wandte sich am, weiterhin murrend, zeternd. "Dummes Gör, immer muss ich deine Drecksarbeit machen, Zeugen umbringen, Beweise niederbrennen. Nur wegen einer Plage."

Stumm starrte Leira seinen Rücken an, ließ sich die Worte durch den Kopf gehen.
Ihr Blick wanderte zu dem Silberring, den er ihr gerade an den Finger gesteckt hatte, dann wieder hoch zu ihm.
"Marduk ..."
Nur wenige Schritte und sie war bei ihrem Liebsten, hatte die Arme von hinten um seinen Oberkörper geschlungen, die Wange gegen seinen Rücken gedrückt.
"Danke", sagte sie leise. Ungewöhnlich weich klang ihre Stimme. Zärtlich. Ehrlich. "Danke, dass du so etwas für mich tust.
Und danke für den Ring.
Wenn ihn mir jemand abnehmen will, muss er mich töten und meinen Finger abschneiden."

Heftig fuhr Marduk zusammen, ließ dann jedoch ihre Umarmung zu. Selten genug, denn meist begegnete er körperlicher Nähe - wenn nicht gerade beim Sex - mit Gewalt. "Eher reiße ich demjenigen den Kopf ab."

Leira lachte leise und schmiegte sich enger an ihn.
"Stimmt.
Das würdest du tun."
Einen Moment lang schloss sie die Augen, atmete seinen Geruch ein. Seinen ganz eigener, mittlerweile so vertrauter Geruch, vermischt mit dem von fremdem Blut und Regenwasser.
"Ich liebe dich, Marduk." Erst als sie das ausgesprochen hatte, löste sie sich, schaute zu ihrem Liebsten auf und fragte lächelnd: "Bist du hungrig?"

"Natürlich. Ich musste einen ganzen Straßenzug niederbrennen, weil du deine Spuren nicht verwischt hast." Nachlässig wischte Marduk Ruß und Blut an seinem nassen Hemd ab.

"Oh ... ich war wohl unachtsam", gluckste sie, als ginge es um eine unwichtige Kleinigkeit.
Langsam schritt Leira zurück in die Küche, holte eine Schale hervor, welche sie mit heißem Eintopf füllte.
Sie stellte sie auf den Tisch, legte einen Holzlöffel daneben.
"Danke, dass du das für mich erledigt hast, Liebster."

"Das nächste Mal wisch hinter dir", knurrte Marduk, ehe er sein Hemd abstreifte und auf den Boden fallen ließ, sich setzte und gierig, hungrig das Essen hinein schaufelte.

"Werde ich, keine Sorge", antwortete Leira, beinahe schon singend. Ihr Herz hüpfte, sie fühlte sich beschwingt, berauscht. Sie hatte ein Kind, einen Mann, eine eigene kleine Familie, um die sie sich kümmern, die sie lieben konnte.
Ihr Glück vollkommen.
"Guten Appetit, mein Liebster. Ich bin schon mal drüben... ich muss mich noch um etwas kümmern."
Sie musste sich große Mühe geben, das katzenhafte Grinsen zu unterdrücken, als sie durch die Tür glitt, den Flur betrat und schließlich im Schlafzimmer verschwand. Es war gut, dass sie schon gegessen hatte, denn so konnte sie sich die Zeit lassen, die sie brauchte, um ihre welligen Haare zu kämmen, in Form zu bringen, und den dünnen, weißen Stoff ihres neuen Hemdchens anzulegen.

Marduk sah nur kurz auf, dann schüttelte er den Kopf, schnaubte.
"Weiber. Alle verrückt."






zuletzt bearbeitet 07.09.2015 19:07 | nach oben springen
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