#1

05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:17
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Er war nun endlich gekommen, der Tag, der Niamhs Leben endgültig verändern sollte.
Der Tag, der ihren Platz in der Welt in Stein meißeln würde.
Ihr Vater hatte sie zwar gestern noch zur Umkehr bewegen wollen, doch ihre Entscheidung stand lange fest.
Sie würde Lian heiraten. Sie würde den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen.
Ihr Vater hatte sie gewarnt, es würde schwierig werden, ihr zukünftiger Ehemann würde sie enttäuschen, ihre Erwartungen würden sich nicht erfüllen ... aber das alles hatte sie mit süßen, falschen Worten abgewehrt. Und auch wenn sie ihm die Wahrheit nicht erzählen konnte, wusste sie, dass er Unrecht hatte. Sie wusste, worauf sie sich einließ.
Sich selbst kaufte sie Sicherheit und ein Leben ohne materielle Sorgen, ihrem Vater ärztliche Versorgung und wertvolle Lebensjahre. Dafür bezahlte sie mit ihrer Unabhängigkeit und mit der Gelegenheit, jemals mit einem Mann ihr Leben zu teilen, den sie wirklich liebte.
Es war ein guter Tausch. Der schöne Prinz, der ein armes Mädchen liebte, heiratete und zu seiner Königin machte, existierte eben nur im Märchen.
Trotzdem konnte sie nicht abstreiten, Unsicherheit zu verspüren.
Nicht darüber, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, denn das wusste sie.
Doch je mehr ihr Körper von einer geduldigen Adastreia in schwere Stofflagen gehüllt wurde, je mehr ihre Haare durch Kämmen und Flechten Form annahmen, je mehr Schmuck sie zierte, desto mehr fragte Niamh sich, ob sie der Rolle wirklich gewachsen war, welche ihr mit dieser Heirat unweigerlich auferlegt wurde.

"Wunderschön siehst du aus", bemerkte Adastreia, als sie die letzte Blume in das Haar der Braut geflochten hatte.
Niamh war überzeugt, dass dieses Kompliment nicht von Herzen kam, doch sie nahm es dennoch an.
Schöner hatte sie wirklich nie ausgesehen.
Das mit feinen Stickereien übersäte Kleid bestand aus weichem, grünen Stoff, der eng um ihre schmale Taille lag und sich darunter bauschte, ihrem knabenhaften Leib eine sanfte Stundenglasform verlieh, welche er eigentlich nicht besaß.
Ihr ungewöhnlich glänzendes Haar, das mittlerweile etwas über ihre Schulter reichte, war teilweise seitlich nach hinten geflochten und mit kleinen, weißen Blumen geschmückt.
Eine wirklich hübsche Illusion.

Obwohl dies sein großer Tag war, freute Lian sich nicht. Vielmehr verkrampfte sich sein Herz, er wurde traurig anstelle der Freude. Eine Hochzeit war nur für jene ein Grund zur Freude, die Vorteile daraus zogen. Und der seine war so schwindend gering, es zählte nicht.
"Herr!" Garalend huschte mit dem jungen Mann der so etwas wie sein Assistent geworden war, um Lian herum, half ihm sich anzukleiden. Wäre sein Haar noch lang und seidig gewesen, hätte Lian eine jener kompliziert und elegant wirkenden Flechtfrisuren gemacht, die sein Großvater immer getragen hatte. Doch so war es einfach offen und nochmal ordentlich gebürstet worden.
"Was mach ich hier eigentlich", flüsterte Lian unter seinem Atem, seufzte schwer. Falls Garalend seine Zweifel gehört hatte, so überging er sie geflissentlich. Der kleine Schneider war wahrlich ein treues Geschenk des Himmels.
"Das reicht, Garalend", murmelte er, wandte sich von seinem Spiegelbild ab. Grün und weiß. Gold. Die Farben des Königshauses. Des nahe zu ausgestorbenen. Nichts, aber wirklich nichts schien heute auf seiner Seite zu sein.

"Danke, Adastreia. Ich sollte jetzt zu Lian gehen, nich?"
Adastreia lächelte die Braut ein wenig tadelnd, doch eher wohlwollend an. Sie mochte normalerweise ein unscheinbares Ding bar jeden äußerlichen Charmes sein, doch in diesem Kleid, mit feinem Goldschmuck und einer ordentlichen Frisur, sah sie doch ganz hübsch aus. Und wer einmal hübsch war, konnte es auch wieder werden, auch an Manieren ließ sich feilen - Orome war kein völliger Narr, Niamh gewählt zu haben, denn das Mädchen war ein ungeschliffenes Juwel. Und Adastreia hatte sich das Ziel gesetzt, eine hervorragende Ehefrau, einen wahren Diamanten daraus zu machen. Viel hatte sie der jungen Frau noch nicht beibringen können, gerade einmal die wichtigsten Tanzschritte, wie man eine Gabel hielt und eine jener Käsesorten verspeiste, die schon in Anastra als Delikatesse gegolten hatten, wie man ein Mieder richtig schnürte. Einige Dinge hatte sie ihr leider noch nicht abgewöhnen können, zum Beispiel das gelegentliche Verschlucken von Buchstaben beim Sprechen, das Benutzen gemeiner Sprache oder die Fähigkeit, wie eine Dame zu lächeln. Doch sie war sicher, dass Niamh auch dies noch lernen würde.
"Ich hole ihn, Liebes. Bleib du nur hier - je weniger du läufst, desto länger wird dein Kleid gut sitzen."
Mit diesen Worten eilte sie ein paar Räume weiter, klopfte nicht an, bevor sie Oromes Zimmer betrat. Etwas, das sie sich besser auch abgewöhnte, schließlich würde sie ihn in Zukunft nicht mit seiner Gemahlin stören wollen.
"Bist du bereit, deine Braut zu sehen, Fee?"
"Sieh mal Ada." Lian hielt ein Schmuckstück in den Händen. Ein zarter, dünner Reif aus feinstem Weißgold, geformt mit schnörkeln im vorderen Bereich und einem rautenförmigen leeren Platz in der Mitte. "Mutters Diadem. Ich wollte eigentlich nur einen Ring aus der Kiste holen und da ist es mir aufgefallen. "
Der Kristallelf lachte hart, ehe er das Schmuckstück sanft auf der Kommode ablegte, seine Kleidung glatt strich und sich abwandte. Als schmerzte es nicht schon genug, dass dieser Tag erneut kam. Der Tag an dem er heiratete.
"Wir sollten wirklich gehen."

"Fee ... Orome."
Sanft streckte Adastreia die Hand nach der ihres Bruders aus, berührte sie flüchtig.
Lächelte mitfühlend und warm.
"Ich weiß, dass Anastra nicht zurückkommen wird ... aber ich glaub, dass du trotzdem glücklich werden kannst.
Und ich glaube, dass deine Braut die richtige ist."
Es war anfangs schwer gewesen, sich das einzugestehen, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Orome eine arme Bürgerliche heiraten würde. Doch es gab keine Allianzen mehr zu schließen, keine Dynastien zu vereinen.
Wenn es ihn glücklich machen würde, wollte sie nicht im Weg stehen.

"Wir sollten gehen." Lian nahm die Hand seiner Schwester nicht an. Legte stattdessen nur die eigene auf ihre Schulter, drückte leicht. Dann jedoch war er an ihr vorbei die Treppe hinunter. Er musste raus, fort. Einfach nur weg. "Ich will nicht zu spät zu meiner zweiten Hochzeit kommen."
Der Saum seines Mantels wischte leicht über den Boden, als Lian sich abrupt drehte, wippte im Takt seiner Schritte. Bewusst gab er sich beschwingter als er wirklich war. Eigentlich wollte Lian nur wimmernd unter seine Laken kriechen und die Welt mit ihren Regeln und Gesetzen verfluchen.

Adastreia runzelte die Stirn.
Sie hatte den Eindruck, dass irgendetwas mit ihrem Bruder nicht stimmte, konnte aber nicht genau festmachen, was es war.
Es muss die Nervosität sein, dachte sie, während sie den Saum ihrer blassrosafarbenen Robe raffte und Orome folgte. Er heiratet schließlich erst zum zweiten Mal.
Und wenn seine Ehe auch nur im Ansatz so schrecklich gewesen war wie ihre, grenzte es an ein Wunder, dass er sich überhaupt ein zweites Mal vermählte.
Was denke ich da?
Der Schrecken seiner Ehe kann nicht im Mindesten an den meiner heranreichen ...






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#2

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:18
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

"Und, mein Freund, bist du fertig angekleidet?"
Elliot klopfte nicht an, bevor er in das Zimmer seines Goldkehlchens trat.
Warum auch? Es gab schließlich nichts vor ihm zu verbergen.
Gestern hatte der Schneider die Kleidung geliefert, die er für Indivia und Emilia angefertigt hatte, damit sie diese auf der Hochzeit irgendeines reichen Elfen und seiner jungen Frau tragen würden. Und diese Hochzeit war heute
Elliot hatte die Gelegenheit genutzt, um sich richtig herauszuputzen. Seine Weste bestand aus weiß-goldenem Brokat, sein Mantel war lang und bestand aus schwerem, dunkelblauen Samt, wurde von silbernen Knöpfen mit feinen Ornamenten geziert. Auch seine blankgeputzten Schuhe waren mit ähnlich Knöpfen versehen und sein Gürtel wies Schnallen aus Silber auf. Viel auffälliger jedoch waren die Rubinbrosche, welche an seiner schneeweißen Halsbinde befestigt war und das dunkelrote Band, welches sein Haar im Nacken zusammenhielt.
Elliot konnte ohne Eitelkeit von sich behaupten, an diesem Tag ein gutaussehender und prächtiger Mann zu sein.

"Ich fühle mich seltsam", flüsterte Indivia leise und sah an sich herab. Es war das erste Mal, dass er etwas anderes, als seine bequeme, weite Kleidung trug. Und das er Schuhe trug. Unsicher spielte Indivia mit einer Strähne seines Haars, sah in den Spiegel und erkannte sich selbst nicht mehr. Seine Kleidung hatte man an der des Lords abgelehnt, und wenngleich sie schlichter war, fühlte der Barde sich seltsam unwohl. Der grüne Samt ließ seine Augen deutlicher hervortreten, die wenigen, goldenen Verzierungen untermalten den dunklen Ton seiner Haut. Und die Stiefel schmiegten aich passgenau an seine Waden. Nein, Indivia fühlte sich wahrlich nicht wohl. Die Tatsache, dass Elliot so prächtig und schön und erhaben neben ihm wirkte, minderte sein Selbstbewusstsein zu einem nicht existierenden Punkt. "Und hässlich."

Und natürlich konnte Tharaniel sich nicht nehmen lassen, dazwischen zu giften. Wenn Euer Goldkehlchen so unsicher ist, werden die Raubtiere des Adels ihn mit Haut und Haar verschlingen. Der Schattentänzer schien beinahe zu gehorsam in letzter Zeit, da hatten die nervenraubenden Kommentare doch zumindest die beruhigende Nebenwirkung, dass Tharaniel nicht völlig in der Versenkung verschwunden war.

Das werde ich schon zu verhindern wissen.
Und immerhin hat er schon zwischen schlimmeren Raubtieren überlebt.

Elliot lächelte und legte in einer etwas väterlich anmutenden Geste beide Hände auf Indivias Schultern.
"Du siehst wunderbar aus.
Pass auf, dass keine reiche Dame versucht, dich zu entführen."
Der Kuss, welcher Folge, so kurz er auch andauerte, war alles andere als väterlich.
Dann wandte sich Elliot zur Tür um.
"Wollen wir sehen, was Emilia heute aus sich gemacht hat?"

Mit leicht geröteten Wangen folgte Indivia dem Lord, spielte wieder mit seinem eigenen Haar, lächelte verträumt. Dann jedoch wurden seine Augen groß und rund.
"Ich will aber nicht entführt werden... "
Unglaublich...ist er wirklich so dumm oder stellt er sich nur so dar?

Was auch immer die Antwort darauf ist - es ist herzallerliebst, findest du nicht?
Nur ein kurzes Stück durch den Flur und schon stand Elliot vor Emilias Zimmertür, klopfte an und wurde sogleich von einer weichen Stimme hereingebeten.
Diese Einladung nahm er an und was er sah, ließ seinen Atem stocken.
Zu behaupten, Emilia sähe umwerfend aus, wäre eine Lüge gewesen. Ein blaues oder vielleicht weißes Kleid hatte er erwartet, wie sie es liebte, doch heute war sie stattdessen in rot gekleidet. Ein dunkles, sattes Rot, welches ihrer hellen Haut schmeichelte und dem Ton ihres Anhängers - ein blutroter Stein eingefasst in Gold, den Elliot schon häufiger an ihr gesehen hatte - glich. Eine ebenso rotes, doch mit weißen Stickereien übersähte Korsage hielt das Kleid um Emilias Taille zusammen und endete knapp über dem Dekolleté, bedeckte die gesamte Brust, ohne sie zu verstecken, die zarten Schultern und ein Teil des Rückens blieben frei. Unterhalb der Korsage bauschte sich der Stoff und teilte sich schließlich, enthüllte eine Schicht weißen Stoffes, der bis zum Boden reichte und mit roten Rüschen verehen war. Die vorderen Strähnen ihres Haars hatte Emilia eng um den Kopf nach hinten gebunden, wo sie kunstvoll mit kleinen, filigranen Spangen zusammengehalten wurden. Dahinter fielen die hellgoldenen Locken nur umso üppiger ihren Rücken herab.
Emilia sah nicht einfach umwerfend aus, sie war wunderschön.
So liebreizend erschien sie in diesem Kleid, dass bittere Galle Elliots Kehle emporstieg und er ihr den Stoff am liebsten vom Leib gerissen, ihr Haar abgetrennt und beides im Kamin verbrannt hätte.
Doch er tat nichts dergleichen.
Mehr denn je sah sie zwar aus wie die Hure, welche ihn in diese Welt geworfen hatte und hätte sie gelächelt, anstatt wie immer ernst und distanziert, hätte er wahrscheinlich ebendiese vom Tode auferstanden oder sich in die Vergangenheit zurückversetzt gewähnt, doch so erkannte er Emilia in der Frau, die vor ihm stand und wusste, wo er war, dass das Jahr 516 lautete und nicht 506.
"Wie ich sehe, hat der Schneider ein weiteres Mal hervorragende Arbeit geleistet", bemerkte Elliot mit einem zufriedenen Lächeln. "Ich hoffe, dass die Braut nicht neidisch wird."

Indivia stockte, ehe er bei Emilias Anblick lachte. Ein helles, ansteckendes Lachen, eines, das pure Begeisterung und Freude ausdrückte. Flink war er an Elliot vorbei in das Zimmer gehuscht, hatte Emilias Hände in die eigenen genommen und deutete ihr an sich zu drehen.
"Du siehst aus wie aus einem Märchen, Emilia!"

"Danke, Diva, Mylord."
Sanft drückte Emilia seine Hände, ehe sie losließ und mit einem gewissen, warmen Strahlen in den Augen seiner Bitte nachkam.
Lord Ashsteel, der noch immer danebenstand und ebenfalls zuschaute, schenkte sie kaum Beachtung.
Seine Komplimente und bewundernden Blicke waren wenig wert, konnte sie doch immer sehen, wie hohl und leer sie waren.

Sacht drückte Indivia einen geschwisterlichen Kuss auf die Wange Emilias. Dann lehnte er sich wieder zurück, lachte.
"Oh, bestimmt werden sehr viele mit dir tanzen wollen!"

"Ich weiß nicht ..."
Elliot konnte sehen, wie Emilia ein wenig errötete, wie ein junges Mädchen, mit einem etwas verschämten Lächeln.
Die Szene war so zuckersüß, dass er einfach dazwischen gehen musste.
"Aber nur, wenn wir pünktlich sind, meine Lieben", warf er breit grinsend ein. "Die Kutsche steht bereit und wenn wir uns noch länger hier aufhalten, wird das Fest vorüber sein, ehe wir aufgebrochen sind."

Erst wirkte Indivia verschüchtert, doch dann nickte er, huschte aus dem Zimmer um seinen Geigenkoffer zu holen. Er würde dort, auf dieser Hochzeit zu gegebener Stunde musizieren.
Oder zumindest einige Lieder spielen müssen.

"Und du, meine Liebe?", fragte Elliot und hielt Emilia galant den Arm hin, welchen sie nach einigem Zögern ergriff, sich bei ihm einhakte. "Wirst du uns heute auch ein Lied zum Besten geben."
"Wenn es gewünscht wird und wenn der Gastgeber ein Klavier besitzt", antwortete sie leise, mit unbewegtem Gesicht, während sie sich gemeinsam auf den Weg zur Kutsche machten. "Aber Ihr nehmt mich nicht deswegen mit, nicht wahr?"
"Aber nein. Ich nehme dich mit, damit du dich auch einmal ein wenig amüsieren kannst."
"Das ist großzügig von Euch."
Elliot lachte leise.
"Nicht wahr? Aber vergeblich, fürchte ich. Immerhin scheint ein Lächeln von deinen Lippen ein seltenerer Schatz zu sein, als jeder Diamant."
Darauf antwortete sie nicht, beschleunigte nur ihren Schritt ein wenig, als sie sich die Treppe hinunterbewegten.
"Aber vielleicht", fuhr Elliot nach einer Weile fort, "besitze ich auch einfach eine Gabe nicht, die unserem lieben Freund Indivia zu eigen ist."
"Ich bin sicher, dass Ihr die Flöte nicht spielen könnt, wenn es das ist, was ihr meint", antwortete Emilia mit unterschwelliger Schärfe.
"Oh, glaub mir, Emilia, niemand könnte besser beurteilen als ich, wie gut Indivia die Panflöte spielt." Ein kleines, süffisantes Lachen trat aus seiner Kehle hervor, doch er wurde gleich wieder ernst, er hielt an. "Was muss ich tun, Emilia?"
Sie standen vor der Tür, die nach draußen führte, wo die Kutsche schon auf sie wartete.
Die junge Frau blinzelte, musterte ihn aus großen Augen.
"Wofür, Mylord?"
"Um dein Eis zu brechen."
Sie schwieg lange und er befürchtete schon, sie würde ihm gar nicht antworten.
Doch dann flüsterte sie:
"Legt Eure Masken ab."
Und entzog sich ihm, trat alleine nach draußen ins Licht des Herbstvormittags.






zuletzt bearbeitet 13.09.2015 13:08 | nach oben springen
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#3

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:18
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

"Und denk daran Adrian seine Medizin zu geben." Herrisch hallte die raue Frauenstimme durch das Haus. Ein Haus, das der Bewohnerin einst wie der sicherste aller Hafen vorgekommen war, nun jedoch sie mit der Last von Erinnerungen erdrückte. Vor allem nachts. Wenn silbernes Mondlicht durch die großen, weiten Fenster fiel.
Henrietta lehnte sich auf ihrem Hocker zur Seite, starrte in den Spiegel knapp oberhalb ihres Schminktisches. Sie konnte das Kindermädchen hören, doch nicht sehen. Und nach dem schmerzlichen Verlust ihres Gatten waren ihre Kinder ihr ein und alles. Wenn da nicht die Verpflichtung wäre, als Adelige, noch dazu als ledige Mutter, den Ruf zu wahren.
"Verdammtes Miststück", murmelte Henrietta leise, ehe sie ihre Lippen geschickt übermalte. So in die Farben der Havenports gehüllt würde sie nun also auf der Hochzeit eines adeligen Elfen auftauchen müssen. Vermutlich hatte sie den Göttinnen zu danken, dass ihre Mutter nicht auf die Idee gekommen war, sie erneut zu verheiraten. Und diesmal mit einem richtigen, menschlichen Mann. "Rassisten "
Ihr bodenlanges Samtkleid wirbelte beschwingt um ihre langen, schlanken Beine, als sie sich erhob, eine letzte, mit Onyx und Bernstein geschmückte Haarklammer in der braunen Lockenflut anbrachte.
Ihr Kleid würde im Vergleich zu anderen vermutlich als schlicht durchgehen. Weinroter Samt, der weich ihre Kurven umspielte, jedoch eng an Bauch und -für eine Frau mit ihrer Statur - üppigen Busen anlag, mit Trägern die ihre Schultern frei ließen und sich lieber um ihre Oberarme wandten wie eine Umarmung aus kostbaren, weiß braunem Pelz, geziert und abgerundet wurde alles durch eine schmale,, filigrane Goldkette um die Taille.
Vielleicht war es ein kleiner Akt der Rebellion, dass Henrietta als Schmuck für den Hals genau das auswählte, was ihr Gatte ihr einst schenkte. Einen geschliffenen Bernstein, umrahmt von Onyx, eng gegen ihren Hals geschmiegt und gehalten von einem schwarzen Samtband.
"Madelene, gib Adrian seine Medizin und achte drauf dass Ethan genug isst."
Sie würde so bald wie möglich von der Hochzeit verschwinden.

Und natürlich musste Henrietta zur Hochzeit dieses unbekannten Elfen gehen. Das hieß aber nicht dass sie es gerne tat. Viel lieber hätte sie mit ihren Kindern Zeit verbracht.

~~~

Kalas strich geduldig eine widerspenstige blonde Locke zurück in seinen Zopf, musterte dann seufzend sein Werk im Spiegel.
Keinen Fleck konnte er an seinem weißen Hemd entdecken, kein Knopfloch, das er vergessen hatte zu schließen. Weiß trug er, helles Grau und Blau, die Farben seines Hauses und auch die, welche ihm persönlich am besten zusagten.
Die Einladung zur Hochzeit dieses reichen Elfenmannes - neben sehr viel unschmeichelhafteren Dingen, die Kalas nur allzu schmerzlich vertraut vorkamen munkelte man auch, er sei von Adel, ein Abkömmling des Königshauses eines verlorenen Reiches - war die erste von Bedeutung, welche er seit langem erhalten hatte.
Er wusste nicht, ob er das als Zeichen werten sollte, dass die Öffentlichkeit ihm vergeben oder wenigstens vergessen hatte, oder ob er einfach eingeladen war, weil ein Reicher Mann möglichst viele Zeugen haben wollte, doch es war ihm einerlei. Er wusste, was er zu tun hatte. Einen tadellosen Eindruck machen, tanzen, mit Menschen sprechen und scherzen - Dinge, die er durchaus beherrschte und die ihm auch eigentlich lagen. Wäre da nicht diese lähmende Furcht, der Schmerz, den böse Worte ihm bereiteten, nicht nur, weil sie boshaft waren, sondern auch, weil sie der Wahrheit entsprachen.
Es war an der Zeit, sie zu ersticken.
Wenn nicht für sich selbst, dann für Elaine und Brent.






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#4

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:19
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Die Kutschfahrt dauerte lang und war dominiert von angespanntem Schweigen. Weder schien Lian die anderen wahrzunehmen, noch schien er wirklich anwesend zu sein. Eher mit seinen Gedanken in der Vergangenheit.

Während die Kutsche aus der Stadt gerollt war und sich immer weiter auf den Tempel zubewegt hatte, hatte Niamh sich die ganze Zeit über in Schweigen gehüllt. Wahrscheinlich würde sie den Tag über ohnehin schon zu viel für ihren Geschmack sprechen müssen.
Da kam es ihr gerade recht, dass sie alleine mit Lian - der ebensowenig Redebedarf wie sie selbst zu haben schien - in der einen Kutsche saß, während ihr Vater und Adastreia in einer anderen zum Tempel fuhren. Welche hoffentlich in einem Stück ankommen würde.
Niamh nutzte die Zeit, die Ruhe, um sich noch einmal alles durch den Kopf gehen zu lassen. Alles, was geschehen war, alles, was sie dahin gebracht hatte, wo sie jetzt stand. Ihr Leben im Armenviertel, das Unglück, aber auch die Gesichter, die sie hinter sich ließ. Und irgendwie machte sie das alles traurig.
Die Fahrt schien sich eine halbe Ewigkeit hinzuziehen und trotzdem rückte der Tempel mit jedem Moment näher, trotzdem fühlte sie mit jedem Moment mehr Unruhe in sich, Zweifel sogar.
Was, wenn etwas dazwischen kommen, die Hochzeit nicht stattfinden würde?
Was, wenn die Ehe nicht so glatt und problemfrei verliefe?
Was, wenn Lian auf irgendeine Weise seinen Wohlstand verlieren würde?
Ja, Zweifel und Unsicherheiten blieben und sie dauerten auch noch an, als Niamh schließlich aus der Kutsche stieg, ein Lächeln aufsetzte, sich bei ihrem Bräutigam einhakte und mit ihm die Halle betrat.

Als Elliot mit Emilia am Arm und Indivia an seiner Seite den Tempel betrat, fragte er sich flüchtig, ob er wirklich an der Zeremonie teilnehmen und nicht lieber mit seinem Goldkehlchen zurück in die Kutsche huschen und sich anders die Zeit vertreiben sollte. Er hasste die Riten nicht, fühlte keine Abscheu gegen die Göttinnen, doch die Predigten über Güte, über Moral und darüber, dass es im Leben noch etwas gab, das über das Materielle hinausging, zerrten stark an seinen Nerven.
Das Goldkehlchen schien das jedoch anders zu sehen, so neugierig es aus leuchtenden Augen in die Welt schaute, also widerstand der junge Lord seinem Drang und gesellte sich zu all den anderen Menschen, welche auf den Bänken der Gebetshalle Platz fanden und gespannt auf das Brautpaar warteten.


Kalas saß in keiner der vorderen Reihen, eher weiter hinten und nah am Rande, denn sollte irgendeine Substanz verbrannt werden und seinen Atem stören, wollte er damit nicht die gesamte Gemeinschaft belästigen, sondern lieber schnell an die frische Luft eilen und so bald wie möglich zurückkehren.
So kam es auch, dass er recht früh schon einen sehr guten Blick auf das Brautpaar erhielt, als dieses durch das Portal in die Gebetshalle trat.
Prachtvoll sahen sie beide aus, wie sie Arm in Arm, ganz in Grün, Gold und Weiß gekleidet, in den Raum traten. Die Braut war Iblianerin, jung und von zartem Körperbau, doch in keinem Fall von einer Schönheit, die erwarten ließ, dass sie einen Mann von weit höherem Status heiraten würde. Eher schon traf dies auf den Bräutigam zu, ein Kristallelf, von ebenfalls recht zierlichem Körperbau, einem feingeschnittenen Gesicht und glänzendem, weißen Haar. Und ob die Gerüchte seiner Herkunft nun zutrafen oder nicht, er strahlte eine gewisse Hoheit aus.
Und dann waren sie auch schon an ihm vorbeigeschritten, nach vorne, auf den Altar zu und von da an konnte Kalas kaum mehr von ihnen sehen als ihre Rücken. Aber das war auch nicht schlimm, schließlich kannte er den Ablauf nur allzu gut.
Selbst die Worte, obwohl mittlerweile von einem anderen Hohepriester vorgetragen als damals an seinem eigenen großen Tag, klangen vertraut. Füllten ihn mit Scham, wenn er daran dachte, wie sehr er in seinen Pflichten versagt hatte, mit Trauer, wenn er sich an den Tag erinnerte, als seine eigene Ehe mit dem Selbstmord seiner Gemahlin geendet hatte, und mit Bitternis, wenn er die freundlichen, wohlwollenden Blicke, welche man ihm an seinem eigenen Hochzeitstag zugeworfen hatte, mit jenen spöttischen und empörten verglich, welche er heutzutage erhielt.
Und so wurde die heutige Zeremonie für ihn von düsteren Gedanken überschattet.
Die Eide wurden gesprochen, der Wein wurde getrunken, die symbolischen Bänder wurden zertrennt - und das einzige, woran Kalas denken konnte, waren die Fehler, die er begangen hatte.
Nachdem die Trauung mit einem Kuss besiegelt war, gehörte er zu den ersten, welche die Gebetshalle verließen.
Er flüchtete.

Die Hochzeit war traumhaft schön gewesen. Das musste selbst Henrietta zu geben. Und sich wieder einmal an die eigene erinnert fühlen. Sie seufzte, ehe sie sich der Masse anschloss, welche die Gebetshalle verließ, schnappte unterwegs die verschiedenen Gerüchte auf
"Er soll ein Königssohn sein."
"Warum heiratet er ein Mädchen von so niederem Stand?"
"Sieh mal, selbst Lord Dewside ist eingeladen."
So ging das eine ganze Weile, die Lästereien ließen ihren Kopf schwirren und Schmerzen.

Die Hochzeitszeremonie war ein verwaschener Traum der negativen Sorte gewesen. Lian hatte sich nicht verhaspelt, war nicht gefallen oder hatte sich irgendwie blamiert. Aber er konnte das Gerede hören. Und er konnte hören wie lose Zungen über alles geifernd ihr Gift abließen, sobald man sich außer Sichtweite begab.
Er war so unendlich erleichtert, als sie die Gebetshalle verließen, zwar war er nun erneut "Ehemann " Aber im Moment dachte er nicht darüber nach. Das war besser so.

Niamh schritt dicht an Lians Seite, den Arm in einer vermeintlichen Geste liebevoller Nähe um seinen geschlungen.
In Wahrheit war ihr frischgebackener Ehemann in diesem Moment eher ihre Stütze, denn obwohl es ihr bislang hervorragend gelungen war, nicht auf den Saum des bodenlangen Kleides zu treten, war sie alles andere als sicher, dass sie es nicht mehr tun würde. Sollte sie fallen, würde Lian sich als nützlich erweisen, indem er sie entweder abfing oder aber die Schande eines öffentlichen Missgeschicks mit ihr teilte. Und all die Augen, die auf sie gerichtet waren, schienen nur darauf zu warten, dass ein solches geschah.
Nicht alle Blicke waren missgünstig - Niamh hatte in den vielen Jahren als Taschendiebin lernen müssen, die feinen Unterschiede in den Augen von Menschen zu erkennen - doch es waren genug, um sie nervös zu machen.
Am schlimmsten jedoch waren nicht einmal die Augen der Menschen aus Fleisch und Blut, nein, die kältesten Schauer jagten ihr die steinernen Statuen der Göttinnen über den Rücken, die jeden ihrer Schritte aus toten, kalten Augen zu verfolgen schienen. Es war dummer Aberglaube, das wusste Niamh. Und selbst wenn es die Göttinnen gab, hatten sie kein Recht, sich darüber zu beklagen, dass Menschen ihnen falsche Liebeseide schworen, schließlich war das der einzige Weg, unter ihren Augen den Bund der Ehe einzugehen und unter ihren Augen war es anscheinend der einzig respektable Weg für reiche Leute, das zu tun. Hätten die Göttinnen es anders gewollt, hätten sie es anders gestalten sollen, schließlich waren sie Göttinnen und wenn sie das nicht konnten, hatten sie auch nicht das Recht, angebetet zu werden.
Trotz dieser durchaus überzeugenden Versicherungen an sich selbst, hätte Niamh am Liebsten ihren Schritt beschleunigt, doch das wäre ihr dank Lian - der sie trotz seiner geringen Körpergröße noch überragte und sicher auch stärker war - äußerst schwergefallen. Zudem hätte sie um dabei nicht zu fallen Adastreias Gesetz, welches ihr aufs Schärfste eingebläut worden war, brechen und ihren Rock mit der Hand etwas anheben müssen. Ein Skandal, wenn man ihrer Schwägerin glaubte, denn anscheinend sähe es nicht nur plump aus, sondern ruinierte zudem sowohl den Eindruck des Kleides als auch ihre Ausstrahlung als vornehme Braut.
Wenigstens konnte sie sich schon darauf freuen, bei ihrer Ankunft am angemieteten Festsaal von Adastreia in ein Nebenzimmer entführt zu werden, damit sie die Braut in Schuhe stecken konnte, die etwas mehr Halt versprachen als ihre Samtschühchen, und sich einiger geschickt eingenähten Knöpfe und Bänder bedienen konnte, um das Kleid zu raffen. Nicht etwa, um ihr mehr Komfort zu ermöglichen, sondern damit sie tanzen konnte ...
Als der Tempel nach einer quälenden, aber wenigstens zwischenfalllosen Ewigkeit endlich hinter ihnen lag und die Brautleute in ihre prächtige, rosengeschmückte und von vier weißen Pferden gezogene Kutsche stiegen, ließ Niamh sich kraftlos auf die gepolsterte Bank fallen, nahm das falsche Lächeln aus ihrem verkrampften Gesicht und schloss die Augen. Stieß einen leisen Seufzer aus.
Als das Gefährt sich ruckelnd und knarrend, begleitet von dem Geräusch aufschlagender Hufe, in Bewegung setzte, fragte sie leise, ohne aufzublicken:
"Hältst du noch bis heute Abend durch?"
Lian gab sich Mühe, das erkannte sie, doch sie war nicht naiv genug, auch nur einen Moment lang zu glauben, dass er diesen Tag genoss.

"Sieh es als besonders ertragreicher Raubzug", scherzte Lian und lehnte sich zurück. Er rieb sich mit einer Hand die Schläfe und kam nicht umhin zu lachen. "Das ist gar nichts, verglichen mit meiner ersten Hochzeit."
Der Kristallelf beobachtete die vorbei ruckelnde Landschaft der Stadt, sein Ausdruck wurde ernst, ein wenig traurig.
"Ja. Ich kann noch."

"Dann kann ich auch noch", antwortete Niamh, indem sie die grauen Augen aufschlug. "Irgendwas, auf das ich gleich achten muss? Außer, dass ich die Rinde vom Käse anmache, bevor ich ihn esse?"
Sie hatte den Fehler begangen, in Adastreias Gegenwart anzudeuten, wie lächerlich sie derartige Regeln empfand, wenn es sich um vollständig essbare Lebensmittel handelte.
Gefolgt hatte ein Vortrag über unterschiedlichste Käsedelikatessen, ihre Herkunft, Geschichte, die Art, wie man sie verzehrte und auch, zu welchen Anlässen man dies tat.
Die Lehre, welche sie daraus gezogen hatte, war jedoch vor allem gewesen, niemals die Worte ihrer Schwägerin in Frage zu stellen, wenn es um Etikette ging.
Weniger sicher war sie darin, wie sie sich später beim Bankett und beim darauf folgenden Tanz verhalten sollte …

"Ah, und ich dachte, meine Gouvernante wäre schrecklich gewesen." Lian massierte sich erneut die Nasenwurzel und seufzte schwer auf. Dann jedoch blickte er Niamh durch weiße Wimpern an, legte die Fingerspitzen aneinander. "Halt dich einfach an mich. Ich erinnere mich noch gut genug an meine Ausbildung in der Etikette ..."

"Deine Gouvernante war nicht Ada, oder?", fragte Niamh trocken.
Sie seufzte erneut, dann aber schüttelte sie sich ein wenig, lockerte ihre angespannten Muskeln und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag ehrlich, wenngleich matt.
"Ich hoffe, es stört niemanden, wenn ich die nächsten Tage Hosen trage."

"Es stört mich nicht", ächzte Lian. "Und meine Governante war eine strenge Frau namens Kyaldatha."






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#5

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:19
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Adastreia hatte sich große Mühe gegeben, die Feierlichkeiten zu planen, auch wenn der Festsaal, der ihr Ruhe Verfügung stand, nicht besonders groß war. Da aber auch nur etwa zweihundert Gäste geladen waren, genügte er allemal. Es gab neben der Tanzfläche und einer kleinen Bühne für die Musikanten einige große, länglich aneinander gereihte Tische, mit Kerzen und Blumen geschmückt, auf dem Teller aus feinem Porzellan, kristallen anmutende Gläser und silbernes Besteck verteilt waren. Kleine Schilder aus Papier zeigten an, welcher Platz für welchen Gast bestimmt war. Am etwas erhöhten Kopfende würden selbstverständlich die Brautleute sitzen, danach war nach gesellschaftlichem Stand geordnet worden.

Eines musste sie diesem unbekannten Elfen lassen, er hatte keine Mühe gescheut. Henrietta raffte ihr Kleid etwas, ihre Tanzschuhe - rot und mit einer winzigen Bernsteinperle geschmückt - hinterließen auf dem Parkett ein leises Geräusch. Ähnlich dem Klickern von Katzenkrallen auf festem Boden.

Ohne größere Komplikationen kamen sie durch die Menge an Gästen. Lian lächelte, teils gespielt, teils wirklich amüsiert, führte Niamh geschickt durch die Menge auf ihren Platz.

Niamh warf ein strahlendes Lächeln in den Raum, als sie sich gesetzt hatte.
Leicht beugte sie sich zur Seite und flüsterte ihrem Bräutigam zu:
"Muss ich später sprechen?"
Sie hatte gehört, dass umfangreiche Reden erwartet wurden.

"Nein. Keine Rede ", beruhigte Lian die junge Frau, legte ihr eine Hand auf die Schulter und lächelte. Schmerzlich. "In dieses Vergnügen werde ich kommen... "

"Und ich bin sicher, dass du es wundervoll meistern wirst."
Niamh hauchte einen Kuss auf seine Wange, eine Geste, welche von Außenstehenden als schüchterne Zuneigungsbekundung verstanden werden konnte.
Aber ihre Worte waren eher spöttisch.

"Vorsichtig, mein liebstes Eheweib." Lian lächelte matt. "Sonst ändere ich meine Meinung wieder."

"Nicht nötig, Schatz", flüsterte Niamh lächelnd. Dann lehnte sie sich zurück und nippte an ihrem Rotwein. Eigentlich hatte sie für Wein nichts übrig, doch sie glaube, ihn zu brauchen, um den Tag zu überstehen.
"Wann hören wir deine Stimme?"






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#6

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:20
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Kalas fand schnell zu seinem Platz, er hielt sich wenig mit Gesprächen auf, wurde kaum angesprochen.
Glücklicherweise hatte das Brautpaar aber auch genug Eindruck gemacht, um ihn aus dem Mittelpunkt des Klatsches zu ziehen.
Man hielt sich nun weniger mit der Frage auf, wie viele seiner Dienstboten er in sein Bett geholt oder ob er seine Frau ermordet hatte. Man sprach lieber über den kindlich schmalen Körperbau der Braut, fragte sich, wie ihr Bräutigam ihr wohl verfallen war und ob sie womöglich bereits heimlich ein Kind erwartete.
Seufzend setzte Kalas sich, entnahm dem Papierschild, dass sich wohl bald eine gewisse Lady Havenport neben ihn setzen würde. Der Name sagte ihm etwas, doch zuordnen konnte er ihn im Augenblick nicht.

"Vielleicht später." Geschickt hatte Henrietta sich den schlechten Umwerbungen eines eher unbekannten Adeligen entwunden, ließ sich mit wirbelndem Kleidsaum auf ihrem Stuhl nieder, wischte sich eine widerspenstige Locke dunklen Haares aus dem Gesicht. Nur um einen recht attraktiven, blonden Mann zu ihrer rechten zu bemerken. Kurz presste sie die Lippen zusammen, doch zwang sich dann freundlich zu lächeln.


"Lady Havenport", grüßte Kalas die Dame im roten Kleid und hob sein Weinglas.
Er war sicher, sie schon einmal gesehen zu haben, nicht aber mit ihr gesprochen. Eine Witwe war sie, wenn er sich recht entsann. "Ich bin Kalas Dewside."
Sie machte nicht den Eindruck, als würde es sie besonders interessieren und er wollte sich nicht aufdrängen, aber die Höflichkeit erforderte, dass er sich wenigstens vorstellte.

"Henrietta Havenport." Die brünette Adelige legte den Kopf schief und nippte an ihrem Wein. Alkohol war genau das richtige um ihre Nerven zu beruhigen. Und zu verhindern dass sie laut schreiend den nächsten, ungeschickten Werber erwürgte. "Dewside? Ein Name der in letzter Zeit sehr oft in den Mund genommen wurde."


Mit einem Mal nahm der Geschmack des Weines in Kalas' Mund eine bittere Note an.
"Ach wirklich?", fragte er ruhig, doch er spürte, wie Anspannung in seine Schultern kroch. "Mir war nicht bekannt, dass mein Name solches Interesse weckt."

"Nun. Nicht von mir, so viel sei Euch versichert." Henrietta nippte erneut an ihre
Grenzen Wein, die Stimme ruhig und gleichgültig. "Mich interessiert Geschwätz nicht."

"Ich glaube, dass es auch viel interessantere Themen gibt", antwortete Kalas leise.
Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas.
"Habt Ihr Kinder, Mylady?"

"Zwei Jungen." Henrietta stellte ihr Glas ab und richtete ihr Kleid, erschrak leicht, als jemand gegen ihren Stuhl stieß.
"Verzeiht bitte, ich war wo ungeschickt", ein junger Mann, die Augen groß und grün und glänzend vor all den wundern, neigte den Kopf, sein Haar - in der Farbe an dunkle Schokolade erinnernd- ergoss sich über seine Schulter nach vorn, auf die winzigen goldenen Stickereien seines grünen Oberteils. "Verzeiht, Mylady."
"Schon gut." Der Junge Bursche schien es weder böse zu meinen, noch schien er es auf Henriettas Aufmerksamkeit abgesehen zu haben. Er schenkte ihr ein Lächeln, unschuldig und strahlend. Beinahe kindlich und dennoch auf lebhafte Weise schön.
"Wer war das? ", die Adelige ertappte sich dabei, dem jungen Mann nach zu sehen, wie er rasch zu einer blonden Frau in scharlachrotem Kleid aufschloss.

Nachdenklich schaute Kalas dem jungen Mann nach, schaute zu, wie er sich gemeinsam mit der jungen Frau und einem blassen, dunkelhaarigen Mann am Tisch niederließ, schüttelte dann langsam den Kopf.
"Ich bedaure", antwortete er, "aber ich kenne den jungen Herrn nicht."
Er blickte wieder seine Sitznachbarin an, lächelte leicht.
"Ich erinnere mich nicht daran, ihn schon einmal in Lord Ashsteels Begleitung gesehen zu haben. Aber ich habe auch schon lange kein Fest mehr beigewohnt, bei dem auch er anwesend war."
Er hatte den jungen Lord ohnehin gemieden, soweit es möglich war. Er war reich, aus gutem Hause und überaus charismatisch, und gerade das ließ - in Verbindung mit seinem Hang zu Skandalen - sämtliche Alarmglocken bei Kalas läuten.
Er war kein Umgang für ihn.






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#7

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:20
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Indivia fühlte sich beinahe Berauscht, beschwingt und dabei hatte er noch nicht von dem Alkohol gekostet. Er lachte, in seiner Stimme schwang das zwitschern mit, dass sonst nur Elliot aus ihm heraus kitzeln konnte. Er lächelte, unterhielt sich mit Emilia und war wie im Paradies. Das er in seiner kindlichen Freude den Lord völlig ignorierte, war keine böse Absicht, noch bemerkte er das wirklich.
"So viele Leute!", zwitscherte Indivia, wippte leicht mit den Füßen und saß auf einen ruhigen Blick von Emilia wieder artig still. "Ich mag Hochzeiten."

"Wirklich?"
Emilia legte den Kopf schief und lächelte, obwohl sie sich unter so vielen Menschen etwas unwohl fühlte.
Aber Indivias kindliche Freude steckte an.
"Und das, obwohl es bei euch keine Hochzeiten gibt?"
"Nun", mischte Lord Ashsteel sich in das Gespräch ein, "man begehrt das, was man nicht haben kann, doch immer am meisten."
Er lächelte und nippte an seinem Glas, doch Emilia konnte auf den ersten Blick sehen, dass seine gute Laune nur vorgetäuscht war. In seinen Augen schimmerte etwas anderes als Freude und manchmal huschte flüchtig Nachdenklichkeit über sein Gesicht.
Das war seit dem kurzen Schlagabtausch kurz vor ihrem Aufbruch so.

"Wir haben keine Hochzeiten aber wir feiern auch!" Indivia lachte Emilia an, zwitscherte munter weiter. Mit strahlenden Augen und heftigen Handbewegungen erzählte er der jungen Frau von allen möglichen Festen, die er mit seiner Familie und anderen gefeiert hatte, voller Musik und Tanz und Lachen.

Elliot hob eine Braue, als das Goldkehlchen ihn so vollkommen ignorierte und mehr damit beschäftigt war, Emilia zuckersüße Geschichten über die Kultur seines Volkes zu erzählen. Es versetzte ihm einen Stich, dass es ihm trotz aller Bemühungen nicht gelungen war, die beiden auch nur ein Stück weit zu entzweien.
Er war versucht, die beiden durch eine spitze Bemerkung zum Verstummen zu bringen, doch dann würde er sich aufführen, wie ein eifersüchtiges Weib und das wollte er nicht.
Also wandte er sich ab, ließ den Blick durch den Raum gleiten und hielt, während das Bankett eröffnet und die Vorspeisen serviert wurden, schon einmal nach Damen Ausschau, die ihm den Abend versüßen konnten.






zuletzt bearbeitet 07.09.2015 16:20 | nach oben springen
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#8

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:21
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Er war unendlich erleichtert, als seine Rede ohne stocken und Gedächtnis Ausfall von statten ging. Lian brachte sogar ein Lächeln zustande. Er hob das Glas als Abschluss, eine Geste die auf große Freude stieß, erwidert wurde.
Erst als die meisten Adeligen erneut in ihre Gespräche vertieft oder im lockeren Gruppen auf der Tanzfläche verteilt waren, gestattete Lian sich durch zu atmen.
"Das Essen ist geschafft."
"Ich hoffe, dass du nicht zu viel verspeist hast", bemerkte Adastreia spöttisch und zog leicht am Ärmel ihres Bruders. "Denn deine Braut ist bereit zum Tanz und es wäre eine Schande, wenn ihr ihn nicht gemeinsam einleiten würdet."
Sie hatte sich kurz mit Niamh zurückgezogen, um eilig ihren Rocksaum ein wenig hochzustecken und ihr festere Schuhe mit flacheren Absätzen anzuziehen. Glücklicherweise hatte Garalend gut abgemessen und mehr als die Knöchel waren von ihren schlanken Beinen nicht sichtbar ... wie skandalös es doch gewesen wäre, wären versehentlich die Knie sichtbar geworden.

"Nur wenn du auch tanzt, mein liebstes Schwesterherz." Lian lächelte breit und reichte seiner Braut galant die Hand. "Lady Niamh, dürfte ich um diesen Tanz bitten?"

"Ja ... äh ... klar."
Niamh fühlte sich von der förmlichen Ansprache ihres Gemahls ein wenig überrumpelt, nahm trotzdem seine Hand.
"Dürft Ihr."
Vor diesem Moment hatte es sie außerdem schon gegraust.
Adastreia hatte ihr zwar die Grundschritte gezeigt, doch Niamh war nicht sicher, dass die genügten, damit sie auch nur eine passable Tänzerin abgeben würde. Besonders, wenn sie dem ganzen Saal präsentiert wurde ...
Und dass sie wahrscheinlich auch noch von anderen Herren als Lian aufgefordert werden würde von ihr erwartet wurde, dass sie darauf einging, machte es nicht besser.
Während er sie fortführte, hörte sie noch, wie Adastreia Lian nachrief, dass sie sicher nicht ihre Pflicht vernachlässigen würde.

"Ich führ dich." Lian lachte heiser auf und legte seine Arme leicht um Niamhs Hüfte. Im Takt zu der Musik begann er die junge Frau zu führen, zu drehen, die einstudierten Schritte zu zeigen. "Kein Vertrauen zu mir?"
"Zu dir schon", antwortete Niamh und verbarg ihre Unsicherheit hinter trockenen Worten. "Zum Tanz weniger."
Trotzdem musste sie gestehen, dass es unter Lians Führung nicht schwer war, dem Takt der Musik zu folgen. Es fühlte sich nicht einmal unangenehm an.
Beinahe ... schön.
"Muss ich nach heute noch oft tanzen?"

"Du bist die Braut, was glaubst du ist die Antwort?" Lächelnd führte Lian seine jüngere Frau, ließ sie dem Takt der Musik folgen. "Oder soll ich Adastreia rufen und bitten, dich in Kenntnis zu setzen?"
"Ich verzichte." Niamh verdrehte die Augen, doch sie entspannte sich ein wenig.
Lian war so sicher, so ruhig, und das steckte sie an. Nahm ihr die Furcht vor Fehltritten, vor Missgeschicken vor den Augen aller Versammelten.
"Ich frage dich, weil du keine Predigten hältst, wenn ich eine normale Antwort will.
Also, sollte ich besser noch ein bisschen üben, damit ich dich auf späteren Festen nicht blamiere?"

"Wenn du heute einen Fehltritt begehst, wird niemand dir böse sein." Lian verzog keine Miene als sie ihm auf den Fuß trat, fuhr in der Choreographie des Tanzes fort als wäre es vollkommen natürlich. "Immerhin bist du die Braut."

Niamh fuhr leicht zusammen, als sie spürte, wie ihr Fuß auf etwas weicheres als den Boden trat.
Doch sie bemühte sich, so fließend wie möglich weiter zu machen.
"Das ist aber keine Antwort, auf das, was ich wissen wollte", murmelte sie. Irgendwie fühlte sie sich bei dem Gedanken, dass sie an diesem Tag unantastbar war, unwohl.
Natürlich war sie die Braut, aber... all diese Augen, die auf ihr ruhten, all die Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde... das machte sie nervös. Zumal sie nicht überzeugt war, dass sich wirklich niemand auf ihre Fehler stürzen würde.
Sie kannte Menschenmengen zu gut, um das zu glauben.

"Ich kann dir Tanzstunden geben." Schmunzelnd neigte Lian leicht den Kopf und grinste dann breit. "Nun, liebste Lady Hughes, wünscht Ihr den Partner zu wechseln?"

"Wenn du mir Tanzstunden gibst, werde ich dir ja noch oft genug auf die Füße trampeln", erwiderte Niamh süßlich und löste sich von ihm. "Ich freue mich schon drauf."
Zwinkernd drehte sie sich um, sah nur noch aus den Augenwinkeln, wie er von Adastreia mit einem "Ich bestehe darauf!" auf die Tanzfläche gezogen wurde.

"Ada." Lian ächzte auf, als ein etwas schnellerer, schwieriger Tanz gespielt wurde. Dann jedoch lächelte er, legte eine Hand auf ihre Hüfte, die andere nahm ihre eigene. "Ziemt es sich überhaupt?"

"Es wäre doch eine traurige Welt, in der eine Frau nicht mit ihrem großen Bruder tanzen dürfte", erwiderte Adastreia mit einem feinen Lächeln. "Außerdem ist das mein erster Ball seit langem. Ich will ihn auskosten."
In Feriath hatte es selten Feste gegeben, zumindest keine richtigen. Diese Barbaren wussten die schönen Dinge des Lebens einfach nicht zu schätzen - in ihren Hallen feierte man, indem man ein Gelage veranstaltete, lasterhafte Weibsbilder rief und im frühen Morgen betrunken und zudem vollgefressen wie ein Mastschwein ins Bett fiel. Und getanzt wurde - wenn man es überhaupt Tanz nennen konnte - ohne Regeln, ohne Sinn und Ordnung. In unkoordinierten Gruppen, neben Männern mit Frauen aus Frauen mit Frauen, Männern mit Männern, wild durcheinander, ohne Feingefühl, wie eine Horde wilder Affen.
Ein Spott war es gewesen, ein Hohn für die wahre Musik.
Oh, wie sie es gehasst hatte!

Lian gluckste amüsiert, ehe er seine Schwester galant in den nächsten Akt des Tanzes führte, ein kompliziert wirkendes, doch schnell zu erlernendes Muster aus Drehungen und Wendungen.

Adastreia war lange nicht mehr so geübt darin, wie sie es einst gewesen war, doch nach wenigen Augenblicken, in denen sie sich auf den Rhythmus konzentrierte, hatte sie sich die Schrittfolge wieder ins Gedächtnis gerufen. Und ihre Bewegungen standen denen ihres Bruders in ihrer Eleganz um nichts nach.
"Erinnerst du dich an die Bälle von früher?", fragte sie sanft.

"Ich erinnere mich vor allem daran, wie Vater und Großvater sich immer angegiftet haben", erwiderte Lian ruhig, schenkte seiner Schwester ein kleines, wehmütiges Lächeln. "Und ich erinnere mich, dass die jungen Männer es nicht erwarten konnten mit dir zu tanzen."

"An die Streitereien erinnere ich mich auch noch gut", antwortete Adastreia leise lachend. "Diese beiden waren wirklich wie Feuer und Wasser."
Dann jedoch verstummte sie und lauschte einige Takte lang nur der Musik, ließ sich von ihr und Orome führen, leiten.
Als sie schließlich wieder sprach, war ihre Stimme leise, weich und vielleicht auch ein wenig melancholisch.
"Ich wusste nicht, dass ich eine so begehrte Tanzpartnerin war."
Sie versuchte, sich zurück in dieses junge, naive Ding zu versetzen, welches sie einst gewesen war. Hätte es diesem Mädchen gefallen, dass man sich für es interessierte? Hätte es womöglich selbst begonnen, Interesse zu hegen?
Aber so sehr sie auch versuchte, sich zu entsinnen, es gelang ihr nicht. Die süßen Erinnerungen der Kindheit, der Jugend waren da, doch sie waren verklärt, verschwommen durch einen Schleier Nostalgie.
Aber was hätte es schon genutzt, alles wieder klar vor sich zu sehen?
Die Zeiten waren vorbei, Adastreia war eine Witwe und nicht mehr jung, besaß nichts als ihre stolze Geburt, welche nirgendwo mehr etwas wert war.

"Ich denke oft darüber nach... ob man Anastra wieder aufbauen kann. Woanders." Lian sprach leise, denn solch schwere Themen waren auf einer Feier wie seiner eigenen Hochzeit unerwünschte Gäste.

Adastreia lächelte matt, ihre Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an, ihr Kristall einen grünlichblauen Schimmer.
"Das wäre wundervoll, nicht wahr?", murmelte sie und stützte leicht die Stirn an Oromes Schulter. "Eine Stadt aus Stein und mit mehreren Ebenen, gebaut in einem Berg.
Und mit einem Tempel, dessen Kuppel im Abendlicht schimmert."

"Ja. Anastra war eine traumhafte Stadt", flüsterte Lian, schluckte beklommen und drückte seine Schwester kurz.

"Weißt du", sagte Adastreia leise, ohne die wiegenden Schritte zu unterbrechen, "als ich davon erfahren habe ..."
Sie presste die Lippen zusammen, doch tanzte weiter, konnte nicht aufhören, dachte nicht einmal darüber nach.
"Ich habe mir lange gewünscht, dort gewesen zu sein, als es geschehen ist."
Wieder entstand eine kurze Pause, ehe sie zu Orome aufschaute, sanft lächelte.
"Jetzt bin ich froh darüber, dass ich es nicht war."

"Ich bin auch froh", murmelte Lian zurück. Er drehte sie ein letztes Mal, atmete tief durch.






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#9

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:21
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

"Emilia!" Indivia legte leicht eine Hand auf ihren Arm, lächelte breit. "Wollen wir tanzen?"
Sanft und warm schaute Emilia den jungen Barden an, nickte.
"Gerne", antwortete sie leise und stand auf. Sie hatte kaum etwas gegessen, obwohl die Gerichte hervorragend geschmeckt hatten. Lord Ashsteels düstere Stimmung war nicht förderlich für ihren Appetit gewesen.

Rasch war Indivia aufgesprungen, lächelte Emilia strahlend vor Freude an. Es war ungewohnt, aber er bekam es hin, ganz wie ein Gentleman ihr aufzuhelfen, einen Arm zum einhaken zu bieten. Gelernt vom besten hatte er.

Emilia folgte ihm langsam. Indivia schien zu wissen, was er zu tun hatte, denn er wirkte nicht unsicherer als die meisten anderen Männer im Raum. Es war seltsam, ihn in diesen Kleidern, welche denen eines Adligen glichen, zu sehen, es war seltsam, hier zwischen all den Reichen und Schönen mit ihm zu tanzen, als gehörten sie beide zu ihnen.
Seltsam, aber nicht unschön.

"Ich hab lange geübt, damit ich niemandem auf die Zehen trete", gestand Indivia leise, lächelte verlegen, während er Emilia im Takt der Musik führte. Auf seinen Wangen schimmerte ein Hauch von Rot. "Ich will Lord Ashsteel nicht blamieren."

"Du blamierst niemanden, Diva", beruhigte Emilia ihren Freund. "Ganz und gar nicht."
Obwohl sie größer war als er, waren seine Bewegungen fließend und natürlich, er stockte nicht ein einziges Mal. Vermutlich hatte er das Tanzen im Blut, genau wie die Musik selbst...
Plötzlich verdunkelten Emilias Augen sich ein wenig, als ihr Blick auf Lord Ashsteel viel, der in einigem Abstand von ihnen mit einer rothaarigen Frau tanzte. Sehr eng, als seien sie ein Liebespaar.

Als Indivia dem Blick Emilias gefolgt war, spürte er wie sein Körper vor Enttäuschung, Kummer ein wenig zusammen sackte, das kindlich freudige leuchten wich aus seinen Augen, dennoch bemühte Indivia sich, dass Lächeln auf seinen Lippen zu halten. Er konnte es kaum erwarten den Tanz wieder zu beenden.

"Es tut mir leid", murmelte Emilia betrübt.
Es war nicht verwunderlich, dass Lord Ashsteel eine solche Veranstaltung nutzte, um mit den Frauen zu anzubandeln. Das kannte sie bereits von den zahlreichen Festen, zu denen sie ihn als Wahrsagerin begleitet hatte.
Es hatte selten lange gedauert, bis er für eine Weile mit einer Dame verschwunden war. Manchmal mit zweien.
Aber dass er dasselbe Spiel vor Indivia trieb, machte sie traurig.
"Schon gut", wisperte Indivia mit gebrochener Stimme. Er verneigte sich leicht vor Emilia, wie es sich am Ende des Tanzes gebührte. Er starrte dumpf zur Seite, ehe er sich eine neue Partnerin für den nächsten Tanz zu suchen.






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#10

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:21
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

"Ah. Lord Dewside, die Tanzfläche wurde endlich freigegeben und ich muss auf einen Tanz bestehen." Henrietta stellte ihr Glas ab, noch immer halbvoll und lächelte den blonden Lord an. Sie gab sich keine Mühe. Sie wollte auch nicht wieder heiraten, aber dieser Lord schien ein angenehmer Zeitgenosse zu sein.

Kalas erwiderte das Lächeln galant.
"Nun, dann habe ich nicht das Recht, Euren Wunsch abzulehnen, Mylady."
Er stand auf und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen.
"Und ich wäre ein dummer Mann, würde ich das auch nur in Erwägung ziehen." Mit wenigen Schritten hatte er sie vom Tisch weg, durch die Menge an Zuschauern hin zu den tanzenden Paaren geführt. Mit einer Hand hielt er ihre, legte die andere sanft an ihre Taille und begann, sie zum Takt der Musik über die Fläche.

Eines musste Henrietta zu geben. Tanzen war angenehmer, wenn der Partner nicht kleiner als man selbst war und um einiges stärker. So sehr sie ihren verblichenen Gatten liebte, auf Bällen hatten sie beide ungern getanzt.
"Ihr seid ein guter Tänzer, Lord Dewside."

"Ein Tänzer ist immer nur so gut wie seine Partnerin", reichte Kalas das Argument mit einem Augenzwinkern zurück.
Es waren allerdings keine hohlen Worte. Lady Havenport bewegte sich mit einer Eleganz über die Tanzfläche, die auch unter weit jüngeren Frauen ihresgleichen suchte.
Er hatte lange nicht mehr getanzt. Sicher seit Estrellas Tod nicht mehr und dieser lag nun immerhin schon ein Jahr zurück. Abgesehen davon, dass er weit weniger Einladungen zu Feierlichkeiten erhalten hatte, gab es ja auch noch Elaine und Brent, die Fürsorge brauchten, Vasallen, mit denen er sprechen musste, Verträge die es zu unterschreiben galt, Grundstücke, die seiner Verwaltung bedurften ...
"Es ist schön, einmal wieder zu tanzen. Ich hatte lange nicht viel Gelegenheit dazu."
Sanft wirbelte Kalas die Dame und sich selbst zum Takt der Musik herum.
"Aber das muss ich einer Mutter sicher nicht erzählen."

Henrietta lachte und schüttelte nur den Kopf. Ihr war zwar immer noch nicht danach, sonderlich lange auf dem Fest zu bleiben, aber dieser Lord war die angenehmste Gesellschaft seit langem. Vor allem nach dem sie ihre Tage meist allein oder mit Ihren Kindern verbracht hatte.
"Meine Jungs halten mich immer auf Trab." Ein warmer Glanz legte sich über ihre Augen, sprach sie doch mit so großer Liebe.

"Das kommt mir bekannt vor."
Kalas löste sich flüchtig, vollführte eine elegante Drehung, ehe er die Hände wieder locker an Lady Havenports Hüfte und Schulter legte. Sein Lächeln war warm, liebevoll, als er an die Kinder in seinem eigenen Haus dachte.
"Mein Neffe kann kaum laufen, aber man darf ihn jetzt schon kaum aus den Augen lassen.
Und meine Tochter scheint ihn sich zum Vorbild zu nehmen."

"Adrian hat die schwache Gesundheit meines verblichenen Gatten geerbt." Henrietta seufzte schwer und lächelte, ehe sie sich für die letzten paar Schritte wappnete. "Verflucht anfällige Geisttänzergesundheit."

"Das tut mir leid, zu hören", antwortete Kalas ehrlich. Es gab wenig, was besorgniserregender war, als ein krankes Kind.
Oscar hatte ihn im vergangenen Frühjahr zwingen müssen, nicht Tag und Nacht im Kinderzimmer zu wachen, als Elaine und Brent zur gleichen Zeit an einer schweren Erkältung gelitten hatten.

"Sie sind zäh." Mit diesen Worten beendete Henrietta das Gespräch und den Tanz.






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#11

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:22
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

"Emilia..." Leise wie ein Kätzchen war Indivia an die blonde Frau heran getreten sobald ihr Tanz mit einem ihm unbekannten beendet war. Seine Augen wirkten dumpf, glasig. "Ich kann den Lord nirgends finden."

Etwas scheu nickte Emilia dem jungen Herren zu, mit dem sie gerade getanzt hatte, erhielt dafür ein ebenso schüchternes Lächeln. Der Mann verschwand wieder in der Menge und sie wandte sich Indivia zu.
"Wo hast du ihn denn zuletzt gesehen?", fragte sie leise, und warf einen langen Blick durch den Raum, doch sie hatte schon eine ungute Vorahnung, wohin Lord Ashsteel verschwunden war.

"Er hat am Anfang noch mit einer Dame getanzt", flüsterte Indivia, versuchte zu verstecken wie schlecht er sich fühlte. "Dann... "

"Ich weiß, ich habe sie gesehen", murmelte Emilia.
Sanft fasste sie ihren Freund an den Schultern und schob ihn vorsichtig zwischen den Tanzenden fort, zum Tisch, wo sie einen Dienstboten damit beauftragte, Indivia starken Wein einzuflößen.
"Es tut mir so leid."
Sie hatte gehofft, Lord Ashsteel in irgendeiner Weise dazu bewegen zu können, besser mit Indivia umzugehen, sanfter, freundlicher, wertschätzender. Aber anscheinend war ihr das nicht gelungen.

Leise ein verschüchtertes Danke murmelnd nippte Indivia an dem Wein, stellte ihn jedoch zu Rasch beiseite, als dass er Alkohol wirklich etwas anrichten konnte. Stattdessen strich er sich über das Haar, richtete seine Kleidung und trat erneut auf die Tanzfläche. Dann würde er eben weiter tanzen. Irgendwann würde der Lord bestimmt auftauchen.

Adastreia hatte sich ein wenig an den Rand der Tanzfläche gestellt, beobachtete die Paare, welche sich geschmeidig darüber bewegten. Und im Mittelpunkt war Niamh, die Braut in ihrem wunderschönen Kleid, die sich trotz ihrer Unsicherheit nicht übel dabei anstellte. Drumherum die anderen - meist so jungen - Leute, welche den Raum mit so viel Leben füllten.
Sie hätte sich gerne zu ihnen gesellt, aber dafür brauchte sie erst einen Partner und der würde sie erst ansprechen müssen ...
Womöglich hatte Orome recht gehabt, indem er gesagt hatte, dass die jungen Männer ihr früher eher zugetan gewesen waren. Denn damals hatte sie nie so lange alleine gestanden wie heute.

"Möchtet Ihr tanzen, Mylady?" Indivia schenkte der Elfe ein strahlendes Lächeln, verneigte sich leicht vor ihr. Sie wirkte so schrecklich allein, dabei sollte das doch eigentlich ein Tag der Freude sein. Nun, er freute sich auch nicht...

Adastreia blinzelte überrascht, war sie doch gerade noch in Gedanken versunken gewesen.
Der junge Mann, der vor ihr stand war von schlankem Bau und hatte exotisch dunkle Haut. Aber seine grünen Augen hatten ein schönes, argloses Leuchten und seine Art irgendwie den Charme eines jungen Vogels.
"Wenn Ihr darauf besteht, kann ich schlecht ablehnen", antwortete sie lächelnd und streckte mit einer grazilen Geste die Hand nach ihm aus, damit er sie ergreifen konnte.

In einer galanten Geste ergriff Indivia vorsichtig die ihm dargebotene Hand. So zart und delikat.
"Ihr seid sehr schön." Indivia zwitscherte beinahe fröhlich, ehe er die Elfe auf die Tanzfläche führte, sich nicht traute sie richtig zu berühren aus Angst, sie würde zerspringen. "Ihr erinnert mich sehr an eine Figur aus einem alten Märchen."

"Aber nicht doch", erwiderte Adastreia sichtlich geschmeichelt. "Ich bin eine Frau aus Fleisch und Blut, nicht aus Wörtern und Reimen."
Trotzdem gefiel es ihr, wie der Junge mit ihr sprach, sie berührte, sie anschaute.
Es hatte etwas Unschuldiges, Freundliches an sich.

"Genau solche Personen haben Märchen das Fundament gelegt", widersprach Indivia vorsichtig. Dann jedoch lächelte er und drehte sie beide im Takt der Musik. Der Tanz war ihm zu langsam, aber alles mit Rhythmus zum Tanzen lag ihm irgendwie im Blut. Es war die Musik.

"Das ist allerdings war", stimmte Adastreia zu und drehte sich mit ihm. "Und man sagt, dass jede Legende einen wahren Kern hat."
Sie war an einen überraschend fähigen Partner geraten. Obwohl er jung wirkte und vom Gebaren ganz und gar nicht wie ein Hochadliger, bewegte sich der Mann, als sei er eins mit der Musik. Etwas, das Adastreia nur selten in ihrem Leben sah.
"Aber glaubt mir, ich war nie der Mittelpunkt eines Märchens."

"Ich könnte eines über Euch singen", lachte Indivia leise und lächelte breit. Doch irgendwie erreichte das Funkeln seines Lächelns nicht seine Augen. Er sah hin und wieder um sich, suchte nach der bekannten Gestalt des Lords und konzentrierte sich dann wieder auf die Elfe.

"Das müsst ihr nicht."
Adastreia nickte mit dem Kopf in Niamhs Richtung.
"Wenn, dann singt lieber über die Braut, denn dies ist ihr Tag."
Und - so sehr sie ihre Schwägerin auch als solche schätzte - Niamh war keine Frau, die Märchen inspirieren würde.

"Ich werde später für alle spielen", zwitscherte Indivia fröhlich, die Aussicht seine Geige zu spielen hatte etwas. Vor allem wenn er Emilia noch dazu überreden könnte, ihn auf dem Klavier zu begleiten.

"Ach, ein Musikant seid Ihr?" Adastreias Augen nahmen mit einem Mal einen besonderen Glanz an, ihr Schritt wurde lebhafter, federnder.
"Ich hätte es mir denken sollen! Was ist Euer Werkzeug?"

"Heute ist es die Geige", erwiderte Indivia sanft, lächelte. "Ein anderes Mal die Panflöte."
Dann jedoch endete der Tanz erneut und abseits der Tanzfläche gab es ein wenig Bewegung. Ein Flügel aus dunklem Edelholz wurde von den samtenen Laken befreit, dass bedeutete wohl...
"Oh. Wir treten gleich auf. Ihr entschuldigt mich", mit einer leichten Verbeugung huschte Indivia von der Tanzfläche, zu Emilia, die bereits strahlend schön und ruhig wartete. Neben ihr ruhte seine Geige im gepolsterten Koffer, begrüßte ihn mit dem leichten Geruch von Holz und etwas, dass Indivia nicht identifizieren konnte.
"Emilia, ich weiß was wir spielen könnten", flüsterte der Barde leise, während er sein Instrument nochmal prüfend begutachtete. "Eine sehr schöne Melodie, der Lord brachte sie mir bei und von dir hab ich sie auch schon mal gehört. Bis auf einige wenige Passagen könnte ich dich auf der Geige begleiten."

Emilia ahnte natürlich sofort, welches Lied Indivia meinte.
Wie könnte sie auch diese Melodie vergessen, wo sie doch stets durch ihren Kopf spukte, wenn sie die Augen schloss, sie nachts in ihren Träumen heimsuchte? Die Melodie, welche sie mit Lord Ashsteel zu verbinden schien, welche ihn stets anlockte, wie das Licht ein kleines Insekt.
"Du meinst das, was ich immer spiele, wenn ich alleine bin?", fragte sie trotzdem vorsichtig. "Ist das nicht zu traurig für eine Hochzeit?"




"Ja, genau das." Indivia lächelte strahlend, kindlich in seiner immensen Vorfreude. Leicht wippte er auf den Ballen, sah Emilia aus großen, flehenden Augen an.

"Indivia..."
Emilia seufzte leise, es tat ihr weh, dem jungen Mann seinen Wunsch abzuschlagen.
"Wir ... sollten etwas anderes spielen.
Eine Hochzeit ist kein Anlass für ein so schwermütiges Stück."

"Einverstanden", flüsterte Indivia und wandte sich kurz seiner Geige zu, drehte an den Saiten als wolle er sie neu Stimmen. Dennoch blieb der stumpfe Kummer in seinen Augen. "Bin bereit."

"Gut gemacht", keuchte Elliot leise gegen den Nacken der jungen Rothaarigen und erntete dafür ein atemloses Kichern.
Er trat zurück, beobachtete, wie der lange Rock wieder über das bis gerade noch einladend ausgestreckte Hinterteil der jungen Frau rutschte, als sie sich von der Wand löste. Sie drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein breites Grinsen, das er halbherzig er erwiderte, während er seine Hose zuknöpfte.
"Mein Verlobter würde dich umbringen, wenn er hiervon wüsste", sagte sie mit einem Glanz ihn den Augen, bei dessen Anblick Elliot sich bemühen musste, nicht die Augen zu verdrehen.
"Das bezweifle ich doch stark. Bisher ist es niemandem mit diesem Wunsch gelungen, sich ihn zu erfüllen. Es ist ein sehr teurer Wunsch."
Sie etwas hämisch. "Glaub mir, es gibt einige Wünsche, die er sich nicht... he, warte."
Elliot hatte sich umgedreht und wieder auf den Weg zum Festsaal gemacht. Die Kleine mochte ein angenehmer Zeitvertreib gewesen sein, süß und willig, sich mit ihm auf ein kleines Stelldichein in einem ungenutzten Seitengang einzulassen, doch sie hatte ihn nicht derart aus der Bahn geworfen, dass er ihrem Gebrabbel lauschen würde, wenn es noch so viel Wein zu trinken und zu viele Ladys zum Tanz zu fördern galt.

Als Elliot die Festhalle wieder erreichte, hatte sein Goldkehlchen offenbar gerade mit seinem Konzert begonnen.
Und wie es schien, hatte es Emilia dazu überreden können, es dabei am Klavier zu begleiten.
Sie spielte anders, als er es erwartet hätte - leichter, munterer klang ihre Melodie, als er es gewohnt war.
Zweifelsohne Indivias Einfluss.

Reiche Witwen, so bemerkte Henrietta, waren ein begehrtes Ziel. Vor allem wenn sie noch einigermaßen ansehnlich waren. Sie hatte sich von der Tanzfläche zurückgezogen, saß auf ihren Platz und beobachtete, hin und wieder an ihrem Wein nippend, die Gesellschaft.
Doch der Geigenspieler und die Pianospielerin waren sehr begabt, sie gaben Henrietta mit ihrem Lied neuen Elan, aufzustehen, den Wein stehen zu lassen und erneut auf die Tanzfläche zu treten. Zumal dies ein Lied war, zu dem man auch allein gut tanzen konnte, ein einfaches, doch fröhliches Wiegen.

Es bestand kein Grund für Elliot, nicht genau dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte, bevor er den Festsaal verlassen hatte, um sich mit dem kleinen Rotschopf zu vergnügen.
Die dunkelhaarige Frau, welche er diesmal anvisierte, war keine herausragende Schönheit und sicher wesentlich älter als er selbst, doch ihre selbstbewusste Haltung und der durchaus wohlgeformte Körper in ihrem roten Kleid hatten etwas sehr Anziehendes.
"Darf ich um diesen Tanz bitten?", fragte er lächelnd und verneigte sich leicht vor ihr.

"Ausnahmsweise." Henrietta musterte den jungen Burschen vor sich aus Argusaugen. Alles an ihm strahlte lässiges Selbstbewusstsein aus, etwas dem Mädchen scharweise verfielen. Und die sie vorsichtig machte. Dennoch gestattete sie den Tanz.

Elliot bemerkte den skeptischen Blick der Dame durchaus, doch er ließ es sich nicht anmerken.
Nicht alle Frauen waren naive Dummchen oder wollüstige Schlampen oder machthungrige Intrigantinnen. Das war ihm recht, schließlich wäre es sehr ermüdend, jede einzelne in sein Bett zu locken. Er würde nichts anderes mehr tun und irgendwann an Erschöpfung sterben.
"Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind, Mylady", sagte er, während er sanft eine Hand an ihre Hüfte und eine an ihre Schulter legte. "Ich bin Lord Elliot Ashsteel."

"Erfreut Euch mal in Fleisch und Blut kennen zu lernen", erwiderte Henrietta, ließ sich von dem jüngeren Mann in den Tanz hinein dirigieren. Sollten seine Hände auch nur einmal auf Wanderschaft gehen, würde sein Gemächt Bekanntschaft mit ihren Absätzen machen. Denn angesichts der ganzen Gerüchte, Skandale die sich um diesen jungen Lord rankten, war Vorsicht besser als Nachsicht.

"In Fleisch und Blut bin ich sicher auch ein angenehmerer Zeitgenosse", gab Elliot amüsiert zurück.
Sicher hatte sie einiges über ihn gehört - es gab vermutlich wenige, die überhaupt nichts von ihm gehört hatten. Und, obgleich die meisten anderen eher versuchten, ihre Skandale unter den Teppich zu kehren und der Öffentlichkeit ein heiligengleiches Bild von sich selbst zu präsentieren, liebte er es, seinen Ruf mit weiteren Flecken zu übersähen. Jedes üble Gerücht war wie eine Trophäe für ihn. Sie lenkten von seinem Innenleben und von den wahren Schändlichkeiten seines Lebens ab.
Und seine Geburt hatte ihn nun einmal in eine Position gesetzt, aus der heraus er tun und lassen konnte, was er wollte, denn gesellschaftlich standen nur Herzöge und Könige über ihm und sein Geld, stets wachsend durch die Einnahmen zahlreicher Ländereien, würde ihn nie im Stich lassen.
"Aber die Freude ist ganz meinerseits. Darf ich Euch nach Eurem Namen fragen, Mylady?"

"Henrietta Havenport." Die brünette Adelige musterte ihren Tanzpartner abwartend, beinahe lauernd. Dann jedoch konnte man den wenigsten ihre Absichten vom Antlitz ablesen. Sie drehten sich, wandten sich. "Im Gegensatz zu anderen würde es mich wundern wenn Ihr von mir gehört hättet."

"Nicht von Euch selbst, das ist wahr."
Elegant schwang er sie ihn eine andere Richtung, als das Lied an Tempo zunahm, lebhafter wurde.
"Wohl aber von eurem Namen."
Obwohl das auch etwas viel gesagt war, das einzige, was er über die Havenports wusste, war, dass sie von Adel und wohlhabend waren. Das genügte ihm jedoch, um seine Vermutungen anzustellen.
"Euer Gemahl muss ein glücklicher Mann sein, eine Frau von solchem Liebreiz und mit derart beachtlicher Mitgift geehelicht zu haben."
Sie war mit Sicherheit verheiratet. In ihrem Alter waren das alle - und die, die es nicht waren, verblieben entweder für den Rest ihres Lebens verschämt und verbittert in ihren Kammern oder warfen sich verzweifelt an jeden männlichen Hals, der sich ihnen bot.

"Mein Gemahl wird nie wieder irgendwas fühlen", erwiderte Henrietta kühl und ließ sich in eine neue Richtung führen, ihr gefiel der Blick des Lords nicht, sie fühlte sich trotz ihres roten Samtkleides unwohl, entblößt. Ihre Brüste wölbten sich leicht gegen die eingearbeitete Korsage, als sie sich strecken musste, dem Tanz folgte. "Sechs Fuß unter der Erde bekommt man sowieso kaum was mit."

"Ich verstehe.
Bitte verzeiht meine Taktlosigkeit."
Eine Zeit lang schwieg Elliot, führte die Lady stumm weiter durch den Tanz.
Es wäre eine Lüge, zu behaupten, dass er Mitleid mit ihr hatte oder auch nur nachempfinden konnte, was sie fühlte.
Er war dem Tod begegnet, und es war niemals eine schöne Erfahrung gewesen, doch da er ihn aus den Klauen seiner Eltern befreit hatte, ein eigentlich recht positives Phänomen. Wer wusste schon, was geschehen wäre, hätten sie überlebt?
Vielleicht läge er nun auch unter der Erde, gemeinsam mit Lord Havenport, anstatt mit seiner Witwe zu tanzen.

"Es sei Euch verziehen." Henriettas rote Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, sie ließ sich von dem Lord weiter dirigieren, der Musik folgend. "Gehört der grünäugige Bursche mit der Vogelstimme zu Euch?"

"Das habt Ihr gut beobachtet."
Elliot warf einen Blick in Indivias Richtung. Neben seinem Geigenspiel ließ der junge Barde nun auch seine Stimme in das Lied einfließen. Er war schön dabei anzusehen, strahlte, wie er es nur tat, wenn er sich der Musik hingab.
Oder Elliots Küssen.
"Indivia Cal, ein Barde vom fahrenden Volk.
Ich lernte ihn im vergangenen Jahr kennen und nahm ihn aus Mitleid bei mir auf - er suchte für den Winter eine Bleibe für sich und seine Familie.
Aber er stellte sich als so begabt heraus, dass ich ihm eine Stellung in meinem Haushalt anbot.
Und nun unterhält er mich, meine Gäste und gelegentlich die Gesellschaften, denen ich beiwohne."

"Hm. Vielleicht habt Ihr die Flügel Eures Goldkehlchens zu sehr gestutzt." Henrietta hatte den jungen Barden vor dem Spiel noch gesehen. Traurig. Sehr traurig hatte er wirkt, verloren in mitten von Menschen. "Goldkehlchen sind exquisite, aber sensible Vögel."
Die Adelige wandte leicht den Kopf, konzentrierte sich wieder auf ihren Tanzbegleiter.
"Eine Schande, dass ich erst wieder auf den Frühling warten muss im meine Voiture wieder mit diesen kleinen, gefiederten Barden füllen zu können."

"Nun, ich bin kein Vogelkenner", antwortete Elliot lächelnd, "aber mein Freund ist noch immer ein Mensch, wenngleich er die Stimme eines Singvogels hat.
Und seine Flügel sind keineswegs gestutzt - es steht ihm frei, zu gehen, wohin er begehrt."

"Hmh." Henrietta lächelte und verdrehte innerlich die Augen.

Als der letzte Ton verklungen war, verneigte Indivia sich leicht, lachte hell auf.

Auch Emilia lächelte und erhob sich, trat aber sogleich wieder in den Hintergrund.
Sie mochte die Aufmerksamkeit nicht.
Solange sie mit Indivia spielte, vergaß sie es, verlor sich ganz in der Musik, angesteckt von der übersprudelnden Freude des jungen Barden. Doch sobald dies nicht mehr davon ablenken konnte, dass sie sich in einem Raum mit hunderten von Menschen befand, die sie sehen und hören konnten, wurde sie unruhiger, unsicherer.

Ein letztes Lachen, dann nahm Indivia die Hand Emilias und führte sie von der Bühne. Er atmete auf, als sie endlich von der ganzen Aufmerksamkeit fort waren.
"Das war gut, sehr gut."

"Danke", antwortete sie leise. "Du hast wundervoll gespielt ... und gesungen."
Indivias Stimme war bezaubernd, das konnte Emilia nicht anders sagen. Leicht und sanft klang sie, wie der Gesang eines Vogels, aber gleichzeitig auch kraftvoll und nuancenreich. Und gefühlvoll.
Eine Stimme, wie Emilia sie niemals hätte besitzen können.






zuletzt bearbeitet 07.09.2015 16:22 | nach oben springen
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#12

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:23
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Lian stellte den Weinkelch etwas schwungvoller ab, als gewollt. Zum Glück ging der helle Ton in der ohnehin schon lauten Geräuschkulisse der Halle unter, doch hämmerte ohrenbetäubend laut in seinen eigenen Ohren wieder. Selbst nach einem kleinen Kelch voll Alkohol bemerkte er schon die Wirkung. Sein Kopf schmerzte und gleichzeitig musste er sich auf die Zunge beißen um nicht dauern zu grinsen oder etwas zu erzählen.

Der Abend wurde später und später, der Tanz schwungvoller, bis die ersten Tänzer ermüdeten und schließlich nur noch die Tapfersten über den Boden rauschten. Als die ersten Gäste dann auch begannen, sich zu verabschieden, beschloss Adastreia, dass es an der Zeit war, mit Orome zu sprechen.
Ihr Bruder war schon sichtlich angetrunken, was kein Wunder war, denn viel Alkohol hatte er nie ausgehalten.
Sanft legte Adastreia eine Hand auf Oromes Schulter und sagte lächelnd:
"Soll ich die Gäste verabschieden?
Damit du noch etwas Zeit mit deiner Braut verbringen kannst?"

"Das wäre wohl das beste", Lian biss sich auf die Zunge und lächelte dann trunken auf. Dann schüttelte er kurz den Kopf, seufzte. "Ich hasse Alkohol."

"Den Eindruck hatte ich nicht", antwortete Adastreia belustigt. "Zumindest Getränken, die ihn beinhalten, scheinst du alles andere als abgeneigt zu sein."
Sie berührte zart seine Hand, lächelte warm.
"Ich werde mich um alles kümmern. Aber deine Braut solltest du selbst retten", fügte sie mit einer Geste in Niamhs Richtung hinzu.

War das Tanzen mit vielen fremden Partnern, wo sie selbst doch nur die einfachsten Schritte beherrschte, schon eine Herausforderung gewesen, so reichte es doch nicht an das hier heran.
Irgendwann waren Niamhs Füße erlöst wurden, doch das hatte nicht bedeutet, dass sie in Ruhe gelassen wurde. Stattdessen fand sie sich nun umringt von einer Schar junger Frauen, manche adlig, manche bürgerlich, alle reich, die sie mit Fragen löcherten, die sie nicht richtig zu beantworten wusste, die sie nervös machten, sie in die Ecke drängten.
"Wie habt Ihr Euren Mann kennengelernt?" "Kommt Ihr wirklich aus dem Armenviertel?" "Erwartet Ihr ein Kind von ihm?" "Könnt Ihr zaubern?" "Stimmt es, dass man dort unten Käfer isst?" "Ist dieser Mann dort Euer Vater? Will er Euren Mann nicht?"

"Oh Himmel... die Arme!" Lian ächzte, richtete kurz seinen Mantel und schritt dann hastig auf Niamh zu, trennte die Menge an neugierigen Frauen mit einigen wenigen, sanften, beschworenen Winden teilte. Er bot Niamh den Arm zum einhaken an, lächelte. "Wollen wir uns nicht lieber zurückziehen, Gemahlin?"

Niamh musste sich große Mühe geben, ihrem Bräutigam nicht um den Hals zu fallen. Sie mochte ihn aus völlig anderen Gründen geheiratet haben, aber in diesem Moment liebte sie ihn.
"Ja", hauchte sie und entfernte sich gemeinsam mit ihm. "Danke."

"Kein Grund zu Danken." Lian lächelte, ehe er Niamh aus der Halle führte, kurz stoppte. "Endlich wieder frische Luft...ich dachte, ich ersticke da drinnen."
Außerhalb der Halle war es - nun nach Sonnenuntergang - empfindlich abgekühlt, es roch leicht feucht und hatte den Modrigen Beiklang von Herbst.
"Noch nie habe ich mich mehr auf mein Bett gefreut", murmelte Lian leise, hielt Niamh die Tür der Kutsche auf, ehe er selbst einstieg. Auf dem ganzen Heimweg sagte er nichts, massierte sich nur die schmerzenden Schläfen und versuchte seinen Kopfschmerz, ausgelöst durch Alkohol zu lindern.






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#13

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:23
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

"Matt."
Nathaniel beobachtete etwas überrascht, wie die braunen Finger die weiße Königin über das Spielbrett zogen und seinen schwarzen König umwarfen.
Mit einem leisen Seufzen schaute er Centis an, lächelte leicht.
Seit der Junge ihn einmal beiläufig gefragt hatte, was er als Nächstes schnitzen sollte, und er schulterzuckend ein Schachbrett mit entsprechenden Figuren vorgeschlagen hatte, verbrachten sie manchmal die Abende miteinander. Centis war ein angenehmer Zeitgenosse, ruhig, unaufdringlich, und er gab Nathaniel einen Grund, auch nach Vollendung seiner Arbeit noch etwas länger hier zu bleiben.
Meistens gewann der herangehende Arzt, doch heute war etwas geistesabwesend und das lag nicht nur daran, dass nur noch zwei Wochen bis zu seinen Prüfungen verblieben.
Nein, seine Gedanken kreisten in erster Linie um Lian. Um die Zukunft. Darum, ob sich etwas ändern würde, jetzt da er verheiratet war. Natürlich war es sein eigener Vorschlag gewesen und der wahrscheinlich beste, um dafür zu sorgen, dass Lian am Leben blieb.
Trotzdem hinterließ es einen gewissen, bitteren Geschmack in seinem Mund und ein unangenehmes Gefühl von Unsicherheit in seiner Brust.

"Die Herrschaften kommen zurück", flüsterte Garalend, seine katzenhaften Ohren zuckten leicht, stellten sich lauschend auf, während die goldgelben Augen auf das Stück Papier konzentriert blieben. Dort, stand in großen, ordentlichen Buchstaben einige banale Sätze, ein kleiner, alltäglicher Text, den Garalend versuchte irgendwie zu entschlüsseln, sein gelerntes Wissen über die Buchstaben und Wörter umzusetzen um den Text entziffern zu können. Da er schon ziemlich lange davor saß und Centis noch nicht um ein neues Textstück gebeten hatte, schien er kaum Fortschritte gemacht zu haben.

Lian streckte sich, half Niamh aus der Kutsche.
"Ich hoffe, du erwartest heute nicht mehr viel von mir, werte Niamh.", lächelnd streckte der Kristallelb sich. "Ich hab das Gefühl, ich bin zu alt für solche Sachen."

"Und ich zu müde", antwortete Naimh, das Lächeln trocken erwidernd.
Sie war sehr froh, dass der Vollzug der Hochzeitsnacht auf einen unbestimmten und von ihr gewählten Zeitpunkt warten würde. Nicht nur, weil der Tag sie erschöpft und ausgelaugt hatte, sondern auch, weil sie sich nicht bereit dazu fühlte. Noch nicht. Falls überhaupt jemals.
Trotzdem hakte sie sich bei Lian ein und schritt gemeinsam mit ihm auf das Haus zu.
Adastreia und ihr Vater würden wohl erst etwas später heimkommen. Letzterer war auch schon ziemlich betrunken gewesen, als das Brautpaar den Festsaal verlassen hatte. Vermutlich war es für ihn der einzige Weg gewesen, der Vermählung seiner Tochter mit einem Mann, dem er nicht traute, zu begegnen ...
Als sie das Haus betraten, kamen ihnen schon gleich die drei Diener entgegen, welche sie mit unterschiedlich überschwänglichen Begrüßungen bedachten.
Nathaniel, der junge Arzt, merkte noch an:
"Ich habe die Medikamente für Euren Schwiegervater hinterlegt, Lord Hughes."
Seine Stimme war klar und ruhig und sachlich, in seinen Augen aber konnte Niamh etwas anderes Lesen. Eine gewisse Unsicherheit, etwas Wachsames.
Wahrscheinlich gefiel es dem Liebsten ihres Gatten nicht, dass es nun auf unbestimmte Zeit eine Frau gab.

"Ah..." Lian runzelte kurz die Stirn und rieb sich die Schläfe, löste mit einem kurzen, entschuldigenden Blick den Arm von Niamh. Der Alkohol forderte schon wieder seinen Tribut. "Ich hoffe du verzeihst mir das, Niamh, aber wenn dein Vater Flaschenweise den Alkohol hinunter würgen kann..."

"Natürlich."
Die Braut lächelte breit, reckte sich, um Lian flüchtig auf die Lippen zu küssen und sagte:
"Ich warte schonmal im Schlafzimmer auf dich."
Nathaniel bemühte sich, keine Miene zu verziehen und räusperte sich schließlich.
"Wenn Ihr Euch wegen des Weins unwohl fühlt, Mylord, kann ich Euch ein paar Tropfen dagegen geben."

"Das...ist eine hervorragende Idee." Lian rieb sich die Schläfen erneut und schloss die Augen. Sein Puls, geschwängert von Alkohol dröhnte, laut, unendlich laut in seinen empfindlichen Ohren, eine innere Trommel, ein Trommelwirbel. Ihm war übel, schwindelig, die Welt drehte sich, langsam und zähflüssig. Wie in Honig getränkt.
Der Kristallelb hatte die Worte an Nathaniel gerichtet, war im Nachhinein umso überraschter war er, als plötzlich raue, weibliche Lippen auf den seinen Lagen, nur kurz, flüchtig. Dennoch war es genug um ihn zusammenfahren zu lassen.

"Dann kommt mit."
Nathaniel schenkte Garalend und Centis ein entschuldigendes Lächeln und verschwand in einem kleinen Zimmer, welches wenig mehr als einen Schreibtisch, einen Stuhl und einen Schrank, in dem Medikamente aufbewahrt wurden, beinhaltete.
Mehr bedurfte es auch nicht - er hatte seine Arbeitsumgebungen immer gerne frei von persönlichen Gegenständen gehalten.

Unter seinem Atem fluchte Lian, murrte und knurrte leise.
"Verfluchter Alkohol", zischte er, fuhr zusammen als seine Stimme zu laut in seinen empfindlichen Ohren nachhallte, ein verzehrtes, widerliches Echo seiner Selbst.

Nathaniel schloss die Tür hinter ihnen und schob Lian auf den Stuhl, zwang ihn, sich zu setzen
"Muss ja eine schreckliche Hochzeit gewesen sein", bemerkte er trocken, während er im Schrank nach den Tropfen kramte. "Hast du vergessen, was du vor versammelter Menge sagen solltest? Oder ist die Braut dir auf die Füße getreten?"

"Weder noch. Allerdings wollten sämtliche Adelige anstoßen.", erwiderte Lian ruhig, ließ sich nieder und fuhr erneut zusammen. "Und es war nur ein Kelch."

"Nun, du hast noch nie viel vertragen", bemerkte Nathaniel schulterzuckend. Er drehte sich um, hielt eine kleine Flasche mit einer bräunlichgelben Flüssigkeit in der Hand. "Drei Tropfen und du solltest dich in einer halben Stunde besser fühlen. Ich hoffe, dass deine Braut das Warten bis dahin erträgt."
Sanft stellte er das gläserne Gefäß vor seinem Liebhaber ab.
Er wollte nicht bissig klingen.
Lian tat, was das Beste war, für sich selbst, aber auch für sie beide. Nathaniel sollte dankbar sein, nicht fortgeschickt worden zu sein, als es gefährlich wurde.
Aber obwohl Dankbarkeit ein so denkbar simples Konzept war, stellte es sich manchmal als erstaunlich schwierig heraus, sie auszudrücken.

"Ich glaube kaum das sie das Bedürfnis verspürt, mich jetzt zu ihr zu rufen", murmelte Lian zurück und warf Nathaniel, nachdem dieser die Flasche so lautstark angestellt hatte, zumindest kam es ihm so laut vor, einen kurzen, Blick zu, der Bände darüber sprach, was er davon hielt. "Ich schieb meine unverständliche Alkoholunverträglichkeit einfach auf mein Alter."

"Wirst du andere Mängel auch auf dein Alter schieben?", schnaubte Nathaniel. "Mir tut das Mädchen leid."
Wahrscheinlich hatte sie es sich auch anders vorgestellt.
Einen hübschen Mann zu heiraten, der sie nicht einmal berühren wollte dürfte selten der Traum einer jungen Frau sein.

Lian erhob sich so abrupt, dass ihm schwindelig wurde, er gleich wieder nach der Lehne des Stuhls greifen musste um nicht zu stürzen.
"Ich habe kein Problem damit, sie zu berühren. ", erwiderte er mit ungewohnt scharfem Tonfall. "Aber gegen ihren Willen werde ich es auch nicht tun."

Hab ich das gerade laut ausgesprochen?
Nathaniel verdrehte die Augen.
"Fall nicht. Ich will niemandem erklären müssen, wie du dir in der Hochzeitsnacht Knochenbrüche zugezogen hast."
Er drückte Lian zurück in den Sitz des Stuhls, was trotz seiner eher mäßigen Körperkraft nicht besonders schwer war, denn immerhin war der Elf noch zarter, schwächer und zudem betrunken.
"Und dreh mir nicht die Worte im Mund um.
Du sollst dich niemandem aufzwingen, aber dir ist hoffentlich klar, dass ein junges Mädchen ohne Erfahrung kaum von sich aus auf dich zukommen und dir sagen wird, was es will."

"Das habe ich auch nicht behauptet", murmelte Lian mit bitterer Stimme, ließ sich widerstrebend zurück in den Stuhl drücken. "Und glaub mir, Niamh weiß genau was sie wann will."

"Oh, weiß sie das?
Obwohl sie es nie ausprobiert hat?
Und wenn sie etwas will, wird sie sich auch trauen, dir das zu sagen?"
Nathaniel schüttelte den Kopf, fuhr sich durchs Haar.
Verstehst du mich absichtlich falsch?
Willst du nicht verstehen, worauf du dich eingelassen hast?

"Frauen sind anders als Männer.
Sie erwarten von uns, dass wir den ersten Schritt tun.
Es verunsichert sie, wenn das nicht geschieht."
Gerade die jüngeren. Nathaniel hatte oft genug erlebt, wie sie ihm verstohlene, scheue Blicke zugeworfen hatten, während er auf der Suche nach Freiern gewesen war. Wie sie ihm schüchtern ins Zimmer gefolgt waren. Wie er sich selbst hinter verschlossenen langsam und vorsichtig an sie hatte herantasten müssen, bis sie endlich verschämt - meist durch einfaches Nicken oder Kopfschütteln - damit rausgerückt hatten, was sie wollten.
"Aber gut, es ist deine Angelegenheit, ob du deine Frau von dir aus zufriedenstellst oder lieber darauf wartest, dass sie es selbst tut.
Dir sollte nur klar sein, dass der Sache nicht gedient ist, wenn sie Affären beginnt und ein Kind in die Welt setzt, das offensichtlich nicht deins ist."

"Glaubst du, ich weiß nicht wie ich eine Frau behandeln muss?!" Lians Stimme wurde laut, sehr laut und seine Worte immer schneller, schriller der Ton. "Glaubst du wirklich, ich weiß NICHT wie ich meine Frau behandeln muss?! DENKST DU... denkst du etwa ich wusste mit hundertdreiundneunzig Jahren nicht, wie!?"
Lian war immer mehr in Rage geraten, alter Schmerz und Leid blitzten, brodelten mit Zorn zu einer explosiven Menge vermischt in seinen Augen, ließen sie hart und wie aus blauem Glas erscheinen.
"Vielleicht will ich Niamh nicht schwängern!? Vielleicht will ich nicht, dass sie wie Ygerna endet? VIELLEICHT WILL ICH NICHT NOCHMAL MEINE UNGEBORENEN SÖHNE BEGRABEN MÜSSEN?!"

Entgeistert... nein, schockiert, entsetzt starrte Nathaniel den Elfen an. Er spürte eine lähmende Taubheit in seinem Körper, in seinem Verstand, eine hilflose Überforderung bei dem Versuch, zu begreifen, was Lian ihm gerade an den Kopf geworfen hatte. Es war ein Moment der Fassungslosigkeit, ähnlich der Sekunde, in der man den Knall hörte, strauchelte und zu begreifen begann, dass man geschlagen worden war, ehe man den Schmerz fühlte.
Er nahm die Medizinflasche wieder an sich, träufelte stumm drei Tropfen in ein Glas, welches er per Magie mit Wasser füllte.
Wichtige Augenblicke, in denen er sich sammeln und über eine Antwort nachdenken konnte. Eine Antwort, die ihm nicht das Rückgrat brechen würde.
"Ja", erwiderte er schließlich heiser und stellte mit leicht zitternder Hand das Glas vor Lian ab. "Das habe ich gedacht."
Was hätte er auch denken sollen? Lian war ihm gegenüber immer so sanft gewesen, so passiv. Woher hätte er wissen sollen, dass er wusste, wie man mit einer Frau umzugehen hatte?
"Du hast es mir nie erzählt..."
Seine Worte sollten wenig mehr darstellen als eine schwache Verteidigung, aber er befürchtete, dass sie einen anschuldigenden Charakter trugen. Das sollten sie nicht. Er hatte nicht das Recht darauf, solche Auskünfte von ihm zu verlangen.
"Es tut mir leid", fügte er also leise hinzu und legte eine Hand auf Lians Schulter.

"Lass es einfach sein." Lian schüttelte die Hand ab, wandte sich abrupt ab. Er würgte, erstickte an altem Kummer, an der Wunde die niemals heilen würde. Die Hand schon auf dem Türgriff, die Schultern bebend aufgrund der Last an Kummer, stockte Lian. "Dein Mitleid bringt sie mir nicht zurück. Nichts wird es je können. Warum also in alten Wunden bohren und es erzählen?"

"Ich weiß...", antwortete Nathaniel tonlos. "Ich werde nicht weiter fragen."
Er wandte sich ab, denn sonst hätte er versucht, Lian zu umarmen. Und wäre aufs Neue abgewiesen worden.
"Vergiss deine Medizin nicht."

Lian atmete tief durch, ehe er aus dem Zimmer ging. Ohne sich umzusehen. Er musste sich beruhigen. Sonst würde er schreien und weinen. Wie immer wenn die alten, gramverhangenen Erinnerungen wieder hochkamen. Mit scharfen Krallen sein Geist und Herz zerschlitzte, ihn bluten und weinen ließ.

Nathaniel brauchte nicht lange, um seine Sachen zusammenzupacken.
Verabschiedete sich weder von Garalend, noch von Centis, als er das Haus verließ.
Auch Lians Schwiegervater und seiner Schwester, der Lady Adastreia, die gerade aus einer Kutsche stiegen, nickte er flüchtig zu, ehe er hinaus in die Nacht verschwand.
Er wollte einfach nur weg. Verschwinden. Allein sein.

~~~

Garalend öffnete den Herrschaften die Tür, hüpfte wie ein junges Kätzchen um die Neuankömmlinge herum, erkundigte sich nach ihrem Befinden, ob sie noch etwas brauchten. Dann jedoch zupfte er ganz, ganz leicht an Adastreias Ärmel, erkundigte sich mit sanfter Stimme nach dem Wohlbefinden ihrer Neffen? Ob sie nicht mal zu Besuch vorbei kommen könnten und ob er ihnen Kleidung schneidern sollte.

"Neffen?"
Adastreia schüttelte irritiert den Kopf.
"Ich habe keinen Neffen, Garalend, wie kommst du darauf?"
"Jedenfalls nicht von meinem kleinen Mädchen", knurrte Niamhs Vater. "Wer weiß, wo dein Bruder sich sonst noch rumgetrieben hat."
Er lallte ein wenig, schwankte. Es gab wenig Bemitleidenswerteres in der Welt als einen betrunkenen Kranken.
"Mein Bruder ist ein anständiger Mann", antwortete Adastreia mit kühler Höflichkeit, während sie ihn ins Haus dirigierte. "Und wenn die Götter es wollen, wird er sicher bald einen Sohn haben. Aber das wird noch mindestens ein Dreivierteljahr dauern."

"Der Lord sprach von einer Lady Ygerna und ihren Ungeborenen?", Garalend legte den Kopf schief und versuchte seine zitternde Unterlippe zu verbergen. Der Fil-Shatah war so empfindlich wie eine Butterblume, versuchte immer nur alles richtig zu machen. Barsche Kommentare wie die von Niamhs Vater trieben meist die Tränen in seine Augen.

Schlagartig blieb Adastreia stehen. Das hatte Orome ihr nie erzählt... sie war immer davon ausgegangen, dass seine Ehe geendet hatte, bevor er dazu gekommen war, ein Kind zu zeugen. Es traf sie allerdings nicht deshalb, weil sie nicht damit gerechnet hatte - sondern, weil er Garalend solche Dinge anvertraute, aber nicht ihr.
Sie merkte, wie Geoffrey etwas - vermutlich Gehässiges - sagen wollte, fuhr jedoch dazwischen:
"Die Lady Ygerna ist seit vielen Jahren tot, sie war seine erste Gattin. Und du solltest dich schämen, so taktlos daher zu sprechen, Garalend!"

Verwirrt fuhr Garalend zusammen und starrte die Kristallelbin aus großen, nass glänzenden Augen an. Er spürte wie seine Unterlippe stärker zitterte, verstand nicht, warum er angefahren wurde. Ohne ein weiteres Wort senkte er den Kopf, umklammerte den kleinen Holzengel den er immer mit sich herum trug.

Adastreia stieß einen entnervten Seufzer aus.
"Du musst deswegen nun nicht weinen, Garalend, du bist kein Kind mehr.
Gewöhne dir in Zukunft an, darüber nachzudenken, ob das, was du im Begriff bist, zu sagen, angemessen ist." Mit diesen Worten betrat sie das Haus. Sie würde mit Lian sprechen, aber frühestens am morgigen Tag.

Garalend war blitzartig verschwunden, in seinem Zimmer, dort wo er die schönsten Kleider schneiderte, riss er ein blassrosafarbenes Kleid vom Ständer, weinte stumm und zerriss mit nadelspitzen Krallen den wertvollen Stoff. Adastreia würde kein einziges Kleidungsstück mehr von ihm bekommen! Nichts!






zuletzt bearbeitet 07.09.2015 16:24 | nach oben springen
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#14

RE: 05. Lians zweite Hochzeit

in Herbst 516 07.09.2015 16:24
von Glacies Citris Herzog | 15.151 Beiträge

Das stetige Klappern der Hufe, das Knarzen der Räder und das Beben des Holzes erstarben, als die Kutsche gegen Mitternacht vor dem Stadthaus der Ashsteels hielt.
Emilia entschuldigte sich und stieg rasch aus - das Essen, der Wein und die Fahr waren ihr wohl nicht bekommen, ihr sei übel. Elliot vermutete, dass auch die Gesellschaft so vieler Menschen ihr nicht gerade gefallen hatte, doch er behielt seine Spekulationen für sich und ließ die junge Frau in Richtung Haus huschen.
Indivia aber hielt er am Arm zurück, als dieser sich anschickte, auszusteigen.
"Hast du dich heute gut amüsiert, mein Freund?"

Mitten in der Bewegung stockte Indivia, sah auf die blasse Hand hinab, die seinen Arm festhielt. Müde sah der Barde auf, kurz schimmerten seine Augen traurig auf.
"Nun...es war ein...wahres Fest?"

"Auf eine Frage antwortet man nicht mit einer Gegenfrage", tadelte Elliot sanft und strich durch Indivias Haar.
"Hat es dir also nicht gefallen?"
Bereust du, mich missachtet zu haben?

"Es war schön...bis zu einem gewissen Punkt." Indivia mied Blickkontakt, starrte dumpf ins nichts. Dann jedoch atmete der Barde tief durch und hob seinen Geigenkoffer auf. "Verzeiht."

"Warte."
Elliot legte die Arme um seinen Oberkörper, hielt sein Goldkehlchen so fest.
Küsste sein seidiges, dunkles Haar.
"Was ist los, mein Freund? Was hast du auf dem Herzen?"

"Ich..." Indivia erzitterte, heftig und klammerte sich plötzlich an Elliot. Nur kurz, doch sein Körper zitterte heftig. "Was mache ich falsch...?"

"Schsch...", machte Elliot und nahm Indivias Gesicht sanft zwischen seine Hände.
"Schau mich an, Diva.
Was glaubst du denn, falsch zu machen?"

Indivia blickte zur Seite, schluckte hart. Seine Augen schimmerten müde, traurig und verdächtig nass. Er schüttelte sacht den Kopf.
"Rede mit mir", flüsterte Elliot. "Bitte, sprich mit mir. Was macht dich so unglücklich?"
Natürlich ahnte er es, er war schließlich nicht dumm. Und in Teilen war seine Entscheidung, mit dem Mädchen zu verschwinden, auch in Protest begründet.
Aber das musste Indivia nicht wissen.
Und Elliot wollte es von seinen Lippen hören.

"Es tut mir leid, dass ich Euch ignoriert habe", flüsterte Indivia leise, stockend. Dann jedoch griff er leicht nach Elliots Händen, befreite sich mit sanftem Druck.

"Es ist nicht schlimm", antwortete Elliot und verbarg die Genugtuung, die er bei diesen Worten verspürte. "Ich könnte dir wegen so etwas niemals böse sein."
Er beugte sich vor, streifte seine Lippen mit den eigenen.
Dann ließ er von ihm ab. Es würde Indivia mehr schmerzen, als ihn, nicht über das Thema zu sprechen.
Und sein kleines Goldkehlchen würde bald wieder auf seiner Hand sitzen, da war er sicher.

Das Indivia in dieser Nacht nicht gut schlief, war nicht nur den Alpträumen geschuldet. Nein, irgendwie hatten sie etwas grotesk tröstendes, denn sie waren vertraut.
Was schmerzte und ihm mehr furcht als jeder Alptraum bescherte, war die Einsamkeit.






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